Arbeitsrecht

Verkürzung der Probezeit auf Laufbahn – gehobener Polizeivollzugsdienst

Aktenzeichen  M 21a K 18.380

Datum:
27.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 37833
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BLV § 7 Abs. 4, § 28 Abs. 1, § 29 Abs. 1
BBG § 11 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

1. Soweit die Tätigkeiten eines Beamten zu beurteilen sind, stellen das damalige statusrechtliche Amt und die besoldungsrechtliche Bewertung des früher wahrgenommenen Dienstpostens ein widerlegbares Indiz für oder gegen eine Vergleichbarkeit dar. (Rn. 23 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Verwendung als Beamter in der Einsatzstufe handelt es sich um den Regelfall bzw. Normalfall nach erfolgreich abgelegter Qualifikationsprüfung. Der gehobene Polizeivollzugsdienst ist hingegen von der Übernahme von Führungsaufgaben geprägt und setzt eine Fachhochschulausbildung voraus. (Rn. 21 und 26) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, über die Verkürzung ihrer dreijährigen Probezeit neu zu entscheiden. Der Bescheid der Beklagten vom 2. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Dezember 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und 5 VwGO).
Nach § 28 Abs. 1 BLV dauert die regelmäßige Probezeit drei Jahre. Dabei können nach § 29 Abs. 1 BLV jedoch hauptberufliche Tätigkeiten, die nach Art und Schwierigkeit mindestens der Tätigkeit in einem Amt der betreffenden Laufbahn entsprechen, auf die Probezeit angerechnet werden.
Nach der zu einer früheren Fassung dieser Vorschrift (§ 7 Abs. 4 BLV) ergangenen – auf die hier maßgebliche Rechtslage übertragbaren – Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 24.11.1983 – 2 C 17/82 – juris) ist maßgebend für die Beurteilung, ob eine Tätigkeit nach Art und Schwierigkeit mindestens der Tätigkeit in einem Amt der betreffenden Laufbahn entsprochen hat, die im jeweiligen Einzelfall tatsächlich ausgeübte Tätigkeit. Sie muss ihrer Qualität nach mindestens einer Tätigkeit in einem Amt in der betreffenden Laufbahn entsprechen. Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Probezeit, die Bewährung für das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit in der Laufbahn nach dem Erwerb der Laufbahnbefähigung festzustellen. Diese Feststellung darf durch eine Anrechnung gemäß § 29 Abs. 1 BLV nicht beeinträchtigt werden. Dies bedeutet, dass der Beamte eine Tätigkeit ausgeübt haben muss, deren Qualität nach Art und Schwierigkeit mindestens der Tätigkeit in dem Eingangsamt der Laufbahn entsprochen haben muss, in dem die Probezeit durch die in Betracht kommende Anrechnung der Tätigkeit verkürzt werden soll. Da der Gesetzgeber in § 29 Abs. 1 BLV nur verlangt, dass die Tätigkeit nach Art und Schwierigkeit mindestens der Tätigkeit in einem Amt der betreffenden Laufbahn entsprochen hat, kann allerdings nicht gefordert werden, dass die Tätigkeit mit dem gesamten Tätigkeitskatalog der Beamten der entsprechenden Laufbahn vergleichbar ist oder dass eine Identität der Aufgaben besteht. Es genügt, ist aber auch erforderlich, dass im Einzelfall die Tätigkeit überwiegend einer Tätigkeit in der jetzigen Laufbahn entsprochen hat und von ihr maßgeblich geprägt worden ist (BVerwG, U.v. 24.11.1983 – 2 C 17/82 – juris Rn. 18).
Nach diesen Maßstäben mag die Klägerin während ihrer Zeit bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei zwar zumindest teilweise eine Tätigkeit ausgeübt haben, die ihrer Art nach der Tätigkeit im Eingangsamt der jetzigen Laufbahn entsprochen hat. Denn die Klägerin hat im Rahmen ihrer Verwendung als Beamtin in der Einsatzstufe bei einer Einsatzhundertschaft polizeiliche Aufgaben wahrgenommen. Nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung habe sie insbesondere auch Tätigkeiten eines Kontroll- und Streifenbeamten ausgeübt und sei Streife gefahren, was nach ihrer Schätzung etwa vierzig Prozent ihrer gesamten Tätigkeit ausgemacht habe. Ferner weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass die Beklagte den Dienstposten eines Kontroll- und Streifenbeamten sowohl für den mittleren als auch für den gehobenen Dienst vorsieht. Auch kommt es nicht maßgeblich auf den Vergleich der Vortätigkeit der Klägerin mit der von ihr aktuell ausgeübten Tätigkeit einer Fachlehrerin – ohne Übertragung des entsprechenden Dienstpostens – an. Entscheidend sind vielmehr die Anforderungen der Laufbahn allgemein (vgl. auch § 28 Abs. 2 BLV).
Allerdings entsprach die Tätigkeit der Klägerin als Beamtin in der Einsatzstufe selbst unter Berücksichtigung ihrer Angaben zum Umfang ihres Einsatzes bei Streifenfahrten bzw. zur Unterstützung der Landespolizei im täglichen Dienst bereits ihrer Art nach nicht überwiegend einer Tätigkeit in der jetzigen Laufbahn des gehobenen Polizeivollzugsdienstes oder war von ihr maßgeblich geprägt. Allein die Tatsache, dass es sich jeweils um die Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben gehandelt hat, ist hierfür nicht ausreichend.
Die Klägerin war bei der Bayerischen Polizei in einer Einsatzhundertschaft, d.h. in einer geschlossenen Gruppe, insbesondere bei Einsätzen aus besonderem Anlass (wie Fußballspielen, Demonstrationen, Veranstaltungen etc.) tätig. Ferner unterstützte sie als Beamtin in der Einsatzstufe auch die Landespolizei im regulären Dienstbetrieb. Vergleichbar hierzu geht auch für die Bundespolizei das von der Klagepartei vorgelegte Personalentwicklungskonzept in der Bundespolizei des Bundesministeriums des Innern davon aus, dass im mittleren Polizeivollzugsdienst nach Abschluss der Laufbahnausbildung grundsätzlich eine Verwendung als Polizeivollzugsbeamtin und -beamter in der Gruppe erfolgt. Der Einsatz als Kontroll- und Streifenbeamtin und -beamter ist demgegenüber als Folgeverwendung unter der Überschrift „Etablierung im Beruf – Folgeverwendungen“ aufgeführt. Zum gehobenen Polizeivollzugsdienst wird im Personalentwicklungskonzept ausgeführt, dass dieser die praktische Polizeiarbeit, Sachbearbeitung, Lehrtätigkeiten sowie Führungsaufgaben umfasse. Nach Abschluss des Vorbereitungsdienstes erfolge nach Einstellung grundsätzlich eine Verwendung als Kontroll- und Streifenbeamtin und -beamter.
Zwar hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung hierzu mitgeteilt, dass in der Praxis nur ein Teil der Laufbahnabsolventinnen und -absolventen des mittleren Polizeivollzugsdienstes ähnlich wie bei der Bayerischen Landespolizei als Polizeivollzugsbeamtin und -beamter in der Gruppe verwendet würde, jedoch ein mindestens ebenso großer Teil seinen Dienst bei den Direktionen als Kontroll- und Streifenbeamtin und -beamter beginne. Allerdings führte er nachvollziehbar aus, dass an einen Kontroll- und Streifenbeamten im gehobenen Dienst höhere Anforderungen gestellt würden und es insbesondere Tätigkeiten, wie z.B. die Vertretung des Gruppenleiters gebe, die einem Kontroll- und Streifenbeamten im mittleren Dienst nicht zugewiesen würden.
Generell ist festzustellen, dass sich der gehobene Polizeivollzugsdienst dadurch auszeichnet, dass von den Beamten dieser Laufbahn Führungsaufgaben übernommen werden (sollen). Damit übereinstimmend gab der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung an, dass bei der Beklagten für Beamte des gehobenen Polizeivollzugsdienstes einfache Tätigkeiten in der Gruppe nicht vorgesehen seien. Im Falle einer Verwendung bei der Bereitschaftspolizei seien für Beamte des gehobenen Polizeivollzugsdienstes Führungspositionen als Gruppenführer vorgesehen. Dass die Klägerin bei ihrer Verwendung in der Einsatzhundertschaft (auch) Führungsaufgaben wahrgenommen haben sollte, ist weder vorgetragen noch sonst erkennbar. Anhand ihrer Angaben zum Umfang ihrer Tätigkeit im Rahmen der Unterstützung der Landespolizei im Einzeldienst ist überdies auch nicht erkennbar, dass diese Tätigkeit gegenüber ihrer Tätigkeit in der Gruppe besonders hervorgetreten sein sollte, oder dass die von ihr in diesem Zusammenhang wahrgenommenen Aufgaben tatsächlich überwiegend der Tätigkeit eines Polizeikommissars, dem Eingangsamt im gehobenen Polizeivollzugsdienst, oder einem sonstigen Amt in der Laufbahn des gehobenen Polizeivollzugsdienstes entsprochen haben sollten. Vielmehr wird in dem ihr erteilten Dienstzeugnis vom 1. September 2014 ausgeführt, dass sie Beamtin der Einsatzstufe gewesen sei, die den polizeilichen Einzeldienst im täglichen Dienst unterstützt habe.
Unabhängig davon entsprechen die von der Klägerin als Beamtin in der Einsatzstufe ausgeführten Tätigkeiten jedenfalls ihrer Schwierigkeit nach nicht einer Tätigkeit im Eingangsamt oder einem sonstigen Amt der von ihr nunmehr eingeschlagenen Laufbahn des gehobenen Polizeivollzugsdienstes.
Soweit die Tätigkeiten eines Beamten zu beurteilen sind, stellen das damalige statusrechtliche Amt und die besoldungsrechtliche Bewertung des früher wahrgenommenen Dienstpostens ein widerlegbares Indiz für oder gegen eine Vergleichbarkeit dar. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Beamter über eine mehr oder weniger lange Zeit auf einem höherwertigen Dienstposten eingesetzt werden kann, ohne dass er deswegen in ein entsprechend bewertetes Statusamt befördert werden müsste (BayVGH, B.v. 29.7.2014 – 6 ZB 13.281 – juris Rn. 5). Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 24. November 1983 – 2 C 17/82 – (juris Rn. 19) betreffend die Vergleichbarkeit der Schwierigkeit der Tätigkeiten auf die besoldungsrechtliche Zuordnung abgestellt.
Vergleicht man das aktuelle statusrechtliche Amt der Klägerin mit dem statusrechtlichen Amt, welches sie im Rahmen ihrer Vortätigkeit innegehabt hat, spricht dies bereits gegen eine Vergleichbarkeit der Tätigkeiten im Hinblick auf ihre Schwierigkeit. Bei der Bayerischen Polizei bekleidete die Klägerin vom 1. Februar 2013 bis zum 31. August 2014 das Amt einer Polizeimeisterin (Eingangsamt im mittleren Polizeivollzugsdienst), welches mit A 7 bewertet ist (vgl. Anlage 1 zum Bayerischen Besoldungsgesetz, in welcher zudem das Amt eines Polizeikommissars mit A 9 bewertet ist, ebenso wie in der Anlage 1 zum Bundesbesoldungsgesetz). Das aktuelle statusrechtliche Amt der Klägerin ist demgegenüber mit A 9 bewertet (Polizeikommissarin, Eingangsamt in der Laufbahn des gehobenen Dienstes), der ihr übertragene Dienstposten mit A 9 g – A 11.
Zwar handelt es sich hierbei nur um ein widerlegbares Indiz. Jedoch ergibt sich auch aus einer weiteren Betrachtung der konkret von der Klägerin bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei ausgeübten Tätigkeiten ebenfalls keine Vergleichbarkeit i.S.d. § 29 BLV.
Soweit im Schriftsatz vom 30. August 2018 ausgeführt wurde, dass die Klägerin bei der Bayerischen Landespolizei als „KSB“ eingesetzt gewesen sei, trifft dies nicht zu bzw. ist zumindest missverständlich. Denn tatsächlich war der Klägerin bei der Bayerischen Polizei kein Dienstposten einer Kontroll- und Streifenbeamtin übertragen. Sie war vielmehr als Beamtin in der Einsatzstufe in einer Einsatzhundertschaft tätig, was dem Gericht vom Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei mit E-Mail vom 25. November 2019 bestätigt wurde. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin beim Freistaat Bayern auf einem höher bewerteten Dienstposten ohne Übertragung des entsprechenden statusrechtlichen Amtes eingesetzt gewesen sein sollte. Vielmehr handelt es sich bei der Verwendung als Beamtin in der Einsatzstufe um den Regelfall bzw. Normalfall nach erfolgreich abgelegter Qualifikationsprüfung. Daraus, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Verwendung in der Einsatzstufe teilweise – nach ihrer eigenen Schätzung in der mündlichen Verhandlung zu ungefähr vierzig Prozent – Tätigkeiten wahrgenommen hat, die auch ein Kontroll- und Streifenbeamter wahrnimmt, ergibt sich noch keine Vergleichbarkeit mit der Schwierigkeit einer Tätigkeit im gehobenen Polizeivollzugsdienst bzw. mindestens mit dem Eingangsamt dieser Laufbahn. Der gehobene Polizeivollzugsdienst ist – wie bereits ausgeführt – von der Übernahme von Führungsaufgaben geprägt und setzt eine Fachhochschulausbildung voraus.
Zwar trifft es zu, dass bei der Beklagten der Dienstposten eines Kontroll- und Streifenbeamten sowohl für Beamte des mittleren als auch für Beamte des gehobenen Polizeivollzugsdienstes vorgesehen ist. Allerdings sind diese Dienstposten ausweislich des von der Beklagten auszugsweise vorgelegten Dienstpostenplans besoldungsrechtlich auch anders bewertet. Während der Dienstposten eines Kontroll-/Streifenbeamten im mittleren Dienst dort mit A 7 – A 9 mZ bewertet ist, ist der Dienstposten eines Kontroll-/Streifenbeamten im gehobenen Dienst mit A 9 g – A 11 bewertet. Insoweit hat der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert, dass es Tätigkeiten gibt, die einem Kontroll- und Streifenbeamten im mittleren Dienst nicht zugewiesen werden, wie z.B. eine Vertretung des Gruppenleiters, und dass an einen Beamten des gehobenen Polizeivollzugsdienstes im Rahmen der Tätigkeit als Kontroll- und Streifenbeamter schon aufgrund dessen Ausbildung andere, höhere Anforderungen gestellt werden als an einen Beamten des mittleren Polizeivollzugsdienstes. So würde man von einem Beamten im gehobenen Dienst wesentlich mehr im Hinblick auf die schriftliche Darstellung von Sachverhalten, bei der Abarbeitung der Fälle, der rechtlichen Bewertung der Fälle sowie im Hinblick auf das allgemeine Leistungsbild und – insbesondere vor dem Hintergrund der Vorbildfunktion – auch auf das dienstliche Auftreten erwarten als von einem Beamten im mittleren Dienst.
Dass die Klägerin im Rahmen ihrer Verwendung in einer Einsatzhundertschaft überwiegend mit Tätigkeiten betraut gewesen sein sollte, welche ihrer Schwierigkeit nach überwiegend nicht mehr dem mittleren Polizeivollzugsdienst, sondern dem gehobenen Polizeivollzugsdienst zuzuordnen wären, ist nicht erkennbar. Eine Vergleichbarkeit ihrer Tätigkeit bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei mit den eigenverantwortlichen und eine umfassende Fachhochschulausbildung voraussetzenden Aufgaben eines Beamten des gehobenen Polizeivollzugsdienstes ist daher nicht gegeben.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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