Arbeitsrecht

Verlust des Freizügigkeitsrecht eines Spaniers wegen Drogenvergehen

Aktenzeichen  M 9 K 19.895

Datum:
23.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32812
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EMRK Art. 8
FreizügG/EU Art. 6 Abs. 2 S. 2, S. 3

 

Leitsatz

Bei einem wegen Drogendelikten vielfach vorbestraften Intensivstraftäter, der seit seinem 16. Lebensjahr drogenabhängig ist und der nach absolvierter Drogentherapie rückfällig wurde, besteht keine Veranlassung für die Annahme, dass ein Maßregelvollzug die erhebliche konkrete Rückfallgefahr mindern würde. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid vom 6. Februar 2019 über die Feststellung des Verlustes des Rechts auf Einreise und Aufenthalt ist rechtmäßig. Gegen die Befristung auf 8 Jahre bestehen keine rechtlichen Bedenken. Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nach Spanien genügen den gesetzlichen Erfordernissen; die Frist von 1 Monat ist unter Berücksichtigung dessen, dass der Kläger hier im Maßregelvollzug untergebracht ist und weder Arbeit noch Wohnung noch sonstige soziale Bindungen gefestigter Art hat, angemessen (§§ 113, 114 VwGO). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die umfangreiche und rechtlich zutreffende Begründung des Bescheides vom 6. Februar 2019 Bezug genommen. Ergänzend dazu gilt:
1. Art. 6 GG, Art. 8 EMRK stehen der Beendigung des Aufenthaltes nicht entgegen. Der Kläger ist zwar im Bundesgebiet geboren und hat hier seine Familie sowie eine Tochter aus früherer Ehe. Über sonstige soziale Bindungen verfügt er nicht.
Der Kläger ist seit seinem 16. Lebensjahr drogenabhängig und ist wegen Drogendelikten vielfach vorbestraft. Die Tatsache, dass es sich bereits um die zweite Drogentherapie und um den dritten Ausweisungsbescheid handelt, zeigt, dass der Kläger immer wieder eine Chance erhielt, von seiner Drogensucht und seinem kriminellen Verhalten loszukommen. Es ist ihm bisher nicht gelungen und es ist nicht zu erwarten, dass dem jetzt über 40 Jahre alten Kläger eine Änderung in Zukunft gelingen könnte. Dem Umstand, dass der Kläger hier geboren und aufgewachsen ist, wurde in der Vergangenheit durch großzügige Handhabung der Wiedereinreise sowie eine mehrjährige Drogentherapie umfangreich Rechnung getragen. Der familiäre Rückhalt im Bundesgebiet hat nicht dazu geführt, dass der Kläger von Drogen und Straftaten ablässt. Trotz der erheblichen Pflegebedürftigkeit seines Vaters und der jetzigen Pflegebedürftigkeit seiner Mutter hat der Kläger keine Ausbildung abgeschlossen und nicht ansatzweise zumindest eine Zeit lang gearbeitet.
Anhaltspunkte dafür, dass er sich um Vater und Mutter gekümmert hat, bestehen keine. Eine engere Bindung zu seiner Ex-Frau und seiner deutschen Tochter ist ebenfalls nicht erkennbar. Seine Ex-Frau ist wieder verheiratet. Mit der Tochter besteht kein enger Kontakt. Die Unterhaltsrückstände sind erheblich. Sonstige soziale Bindungen im Bundesgebiet bestehen nicht.
2. Unter Berücksichtigung dessen, dass der Kläger Intensivstraftäter ist und auch nach absolvierter Drogentherapie rückfällig wurde, besteht keine Veranlassung für die Annahme, der jetzige Maßregelvollzug würde die erhebliche konkrete Rückfallgefahr mindern. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger mangels Gelegenheit im Maßregelvollzug drogenfrei bleibt, wobei er gezeigt hat, dass er auf Alkohol ausweicht. Die positive Prognose des Klinikums ist nicht nachvollziehbar und beruht offensichtlich auf einer optimistischen, nicht auf Tatsachen gestützten Einschätzung der Vergangenheit und der Suchtmittelabhängigkeit des Klägers. Unter Berücksichtigung des Alters und des Werdegangs sowie der erheblichen Vorstrafen des Klägers, der bereits eine intensive mehrjährige Drogentherapie absolviert hat, ist es mehr als unwahrscheinlich, dass der zweite Maßregelvollzug Erfolg bringt. Es besteht deshalb nach wie vor eine erhebliche gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch das persönliche Verhalten des Klägers, die tatsächlich und hinreichend so schwer ist, dass das Grundinteresse der Gesellschaft berührt wird, Art. 6 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 FreizügG/EU.
3. Nach alledem hat die Beklagte zu Recht die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 FreizügG/EU für einen Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt angenommen. Ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU hat der Kläger nicht erworben, da Zeiten der Haft nicht zählen und er sich nach der letzten Wiedereinreise nur 4 Jahre und 5 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Die Ermessensausübung ist rechtlich zutreffend, auf belastbare Umstände gestützt und umfangreich abgewogen (§ 114 VwGO).
Die Wiedereinreisesperre des § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 FreizügG/EU ist unter Berücksichtigung der dritten Ausweisung und der erheblichen Straftaten mit 8 Jahren angemessen und verhältnismäßig.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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