Arbeitsrecht

Verringerung des Ruhegehaltes durch Versorgungsabschlag

Aktenzeichen  AN 1 K 15.00638

Datum:
5.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 33 Abs. 5
BayBG BayBG Art. 64 Nr. 1
BayBeamtVG BayBeamtVG Art. 26 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 1
BeamtVG BeamtVG § 14 Abs. 3

 

Leitsatz

Der Einführung eines zusätzlichen Zeitfaktors, der die Höhe der Versorgungsbezüge an das Lebensalter beim Eintritt in den Ruhestand anknüpft und damit die unterschiedliche Dauer des Bezugs der Leistungen nach versorgungsmathematischen Gesichtspunkten berücksichtigt, steht Art. 33 Abs. 5 GG nicht entgegen. (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Ansbach
Aktenzeichen: AN 1 K 15.00638
Im Namen des Volkes
Urteil
vom 5. April 2016
1. Kammer
Sachgebiets-Nr: 1334
Hauptpunkte:
Versorgungsabschlag bei einem Beamten, der mit Vollendung des 64. Lebensjahres ohne Erreichen einer Dienstzeit von 45 Jahren auf Antrag in den Ruhestand versetzt worden ist.
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache

– Kläger –
bevollmächtigt: …
gegen
…, vertreten durch: Landesamt für Finanzen Dienststelle … Rechtsabteilung
– Beklagter –
wegen Beamtenrechts/Festsetzung der Versorgungsbezüge
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Ansbach, 1. Kammer,
durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht …, den Richter am Verwaltungsgericht …, den Richter … und durch die ehrenamtliche Richterin … den ehrenamtlichen Richter … aufgrund mündlicher Verhandlung vom 5. April 2016 am 5. April 2016 folgendes Urteil:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Der am …1950 geborene Kläger stand zuletzt als Studiendirektor am …-Gymnasium in … im Dienste des Beklagten. Mit Ablauf des 13. Februar 2015 wurde er gemäß Art. 64 Nr. 1 BayBG auf Antrag in den Ruhestand versetzt.
Mit Bescheid vom 12. Dezember 2014 setzte das Landesamt für Finanzen – Dienststelle Ansbach – Bezügestelle Versorgung – die dem Kläger ab 14. Februar 2015 zustehenden Versorgungsbezüge fest. Hierbei wurde das Ruhegehalt gemäß Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG um einen Versorgungsabschlag von 4,07 v. H. gemindert (14.2.2015 bis 31.3.2016 = 1,13 Jahre x 3,60 v. H. = 4.07 v. H.). Als ruhegehaltfähige Dienstzeit wurden 41 Jahre und 150 Tage ermittelt und hiervon ausgehend gemäß Art. 26 Abs. 1 Satz 2 BayBeamtVG ein Ruhegehaltssatz von 71,75 v. H. errechnet.
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 12. Januar 2015 legte der Kläger Widerspruch ein, den er mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 16. Februar 2015 damit begründen ließ, dass die Regelung des Art. 26 Abs. 2 BayBeamtVG rechtswidrig sei, da sie gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße.
Der Kläger sei am 13. Februar 2015 auf Antrag ein Jahr vor der gesetzlichen Altersgrenze (für den Kläger 65 Jahre und 4 Monate) in Pension gegangen. Er habe 41,4 Dienstjahre gearbeitet. Demgegenüber sei der Fall zu betrachten, wonach ein Beamter, der sich z. B. beim Studium hinreichend Zeit gelassen habe, nach 40 Dienstjahren zur gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand gehe. Dieser erhielte gleichwohl die volle Pension, wende man die gesetzliche Regelung des Art. 26 BayBeamtVG formell an. Dieses Ergebnis sei nicht einsichtig. Der Kläger hätte in diesem Fall länger als der Beamte im Vergleichsfall für den Staat gearbeitet, bekomme aber im Ergebnis weniger Ruhegehalt. Da ein rechtfertigender Grund für diese Ungleichbehandlung nicht ersichtlich sei und nicht vorliege, sei von der Rechtswidrigkeit auszugehen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2015, zur Post gegeben am 27. Februar 2015, wies das Landesamt für Finanzen – Dienststelle Ansbach – Bezügestelle Versorgung – den Widerspruch zurück.
Da der Kläger auf Antrag gemäß Art. 64 Nr. 1 BayBG in den Ruhestand versetzt worden sei, sei das Ruhegehalt gemäß Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG um einen Versorgungsabschlag zu mindern. Ein Versorgungsabschlag entfalle gemäß Art. 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG, wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung das 64. Lebensjahr vollendet und eine Dienstzeit von 45 Jahren erreicht habe. Der Kläger habe zwar zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung das 64. Lebensjahr vollendet, jedoch keine 45 Jahre Dienstzeit erreicht. Die Dienstzeit habe lediglich 41 Jahre und 150 Tage betragen. Somit sei ab Ruhestandsbeginn das Ruhegehalt um einen Versorgungsabschlag gemäß Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Art. 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG zu mindern. Der Versorgungsabschlag berechne sich vom Ruhestandsbeginn am 14. Februar 2015 bis zum Ablauf des Monats, in dem der Beamte die gesetzliche Altersgrenze gemäß Art. 62 Satz 1 i. V. m. Art. 143 Abs. 1 BayBG (65 Jahre und 4 Monate) am 31. März 2016 erreiche. Der Versorgungsabschlag betrage demnach 4,07 v. H.
Mit einem am 27. März 2015 beim Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangenen Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 26. März 2015 erhob der Kläger Klage mit den Anträgen,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides des Landesamts für Finanzen vom 12. Dezember 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23. Februar 2015 zu verpflichten, die Versorgungsbezüge ohne den Versorgungsabschlag Ruhegehalt von 4,07 v. H. neu zu berechnen und festzusetzen sowie die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.
Zur Klagebegründung wurde die Begründung des Widerspruchs vollinhaltlich wiederholt.
Mit Beschluss vom 13. April 2015 erklärte sich das Verwaltungsgericht Bayreuth für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Ansbach.
Der Beklagte beantragte mit Schreiben des Landesamts für Finanzen – Dienststelle Ansbach – vom 13. Mai 2015,
die Klage abzuweisen.
Der vom Kläger gerügte Verstoß gegen höherrangiges Recht sei nicht ersichtlich.
In dem von ihm angeführten Beispiel verkenne der Kläger, dass Anknüpfungspunkt für den Versorgungsabschlag allein der Eintritt in den Ruhestand vor Erreichen der Altersgrenze sei. Daher entfalle der Versorgungsabschlag eines Beamten, der erst bei Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand trete, auch dann, wenn dessen Dienstzeit kürzer sei als die eines Beamten, der vorzeitig in den Ruhestand versetzt werde. Bereits zur Vorgängerregelung des § 14 Abs. 3 BeamtVG habe das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass diese Regelung im Einklang mit der Verfassung stehe. Dies gelte auch dann, wenn der Beamte eine ruhegehaltfähige Dienstzeit habe, die länger sei als für den Höchstruhegehaltssatz erforderlich (vgl. Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Rn. 37 zu § 14 BeamtVG m. w. N.). Seitens des Klägers seien keine Gesichtspunkte vorgetragen worden, die eine abweichende rechtliche Würdigung nahe legten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Versorgungsakte des Landesamts für Finanzen – Dienststelle Ansbach – und wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid des Landesamts für Finanzen – Dienststelle Ansbach –
Bezügestelle Versorgung – vom 12. Dezember 2014 und der Widerspruchsbescheid dieser Behörde vom 23. Februar 2015 sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neuberechnung seines Ruhegehalts ohne den mit dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Versorgungsabschlag in Höhe von 4,07 v. H. (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Beklagte hat entsprechend den gesetzlichen Regelungen bei der Berechnung der Versorgungsbezüge des Klägers zutreffend einen Versorgungsabschlag vorgenommen.
Rechtsgrundlage für die Verringerung des Ruhegehalts durch einen sog. Versorgungsabschlag ist im Falle des Klägers Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG, mit dem die vorher geltende bundesrechtliche Regelung des § 14 Abs. 3 BeamtVG in das ab 1. Januar 2011 als § 2 des Gesetzes zum Neuen Dienstrecht vom 5. August 2010, GVBl 2010, Seite 764, in Kraft getretene BayBeamtVG übernommen wurde. Danach vermindert sich das Ruhegehalt um 3,6 v. H. für jedes Jahr, um das der Beamte vor Ablauf des Monats, in dem die Altersgrenze nach Art. 62 Satz 1, Art 143 Abs. 1 BayBG erreicht wird (im Falle des Klägers 65 Jahre und 4 Monate, d. h. am 31.3.2016), in den Ruhestand versetzt wird.
Die Voraussetzungen des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG liegen im Falle der Klägers unstreitig vor. Dieser ist mit Ablauf des 13. Februar 2015 gemäß Art. 64 Nr. 1 BayBeamtVG auf seinen Antrag hin in den Ruhestand versetzt worden, ohne eine Dienstzeit von 45 Jahren erreicht zu haben (vgl. Art. 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG). Somit errechnet sich aus der zeitlichen Differenz von 1,13 Jahren zum (hypothetischen) Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand am 31. März 2016 ein Versorgungsabschlag von 4,07 v. H.
Gegen die Kürzung der Versorgungsbezüge in dieser Höhe bestehen nach gefestigter Rechtsprechung zu der in § 14 Abs. 3 BeamtVG bundesrechtlich getroffenen Vorläuferregelung keine (verfassungs-)rechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG vom 20. Juni 2006 – 2 BvR 361/03, DVBl 2006,1046 ff; BVerwG vom 25.1.2005 – 2 C 48/03, NVwZ 2005, 1082; vom 19.2.2004 – 2 C 12.03, Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 7 und vom 19.2.2004 -2 C 20.03, NVwZ 2004, 1361, jeweils m. w. N.; BayVGH vom 1.3.2005 – 3 B 03.498).
Durch den Versorgungsabschlag wird die Höhe der Versorgungsbezüge auch von dem Lebensalter abhängig gemacht, das der Beamte zu dem Zeitpunkt erreicht hat, ab dem ihm Ruhegehalt gezahlt wird. Dieser Aspekt tritt selbstständig neben die Faktoren, die herkömmlich die Höhe der Versorgungsbezüge bestimmen, nämlich die ruhegehaltfähige Dienstzeit (vgl. Art 14 BayBeamtVG, § 4 Abs. 1 BeamtVG) und die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge (vgl. Art. 12 BayBeamtVG, § 4 Abs. 3 BeamtVG). Der zusätzliche Zeitfaktor wurde durch den damals zuständigen Bundesgesetzgeber erstmals durch Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes und sonstiger dienst- und versorgungsrechtlicher Vorschriften (BeamtVGÄndG) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S. 2218) bei der Inanspruchnahme der Antragsaltersgrenze nach § 42 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BBG und entsprechendem Landesrecht eingeführt. Der Gesetzgeber hielt bei den Beamten, die auf eigenen Antrag bereits vor Vollendung des 65. Lebensjahres in den Ruhestand traten, eine Minderung des Ruhegehalts für erforderlich, um die längere Bezugsdauer der Versorgung auszugleichen (vgl. BT-Drs. 11/5136 S. 23; BT-Drs. 11/5372 S. 24). Die mit Wirkung ab dem 1. Januar 2001 geltende Fassung des § 14 Abs. 3 BeamtVG lehnt sich an die Änderungen im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung an, das durch die Einführung eines „Zugangsfaktors“ in die Rentenformel modifiziert worden war (vgl. BT-Drs. 14/4231 S. 6; vgl. auch die Neufassung des § 77 SGB VI durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, BGBl I S. 1827).
Der Einführung eines zusätzlichen Zeitfaktors, der die Höhe der Versorgungsbezüge an das Lebensalter beim Eintritt in den Ruhestand anknüpft und damit die unterschiedliche Dauer des Bezugs der Leistungen nach versorgungsmathematischen Gesichtspunkten berücksichtigt, steht Art. 33 Abs. 5 GG nicht entgegen. Diese Vorschrift bindet den Gesetzgeber bei der inhaltlichen Gestaltung des Beamtenrechts an die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (vgl. z. B. BVerfGE 8, 1, 11; 11, 203, 210). Art. 33 Abs. 5 GG schützt nur den Kernbestand der Strukturprinzipien des Berufsbeamtentums, die allgemein oder doch überwiegend während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind (vgl. BVerfGE 46, 97, 117; 58, 68, 76 ff.; 76, 256, 347).
Dass dem älteren Dienstrecht für die Berechnung der Versorgungsbezüge der Faktor der voraussichtlichen Bezugsdauer unbekannt war, stand seiner Einführung nicht entgegen. Unter den veränderten rechtlichen und tatsächlichen, insbesondere demografischen Verhältnissen, unter denen Versorgungsbezüge gegenwärtig gezahlt werden, ist der „Zugangsfaktor“ geeignet, einen Ausgleich zwischen der Dauer und der Höhe der Alimentierung herbeizuführen. Dabei versteht sich die Alimentation als die zu den hergebrachten Grundsätzen im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG gehörende gesetzlich festzulegende staatliche Gegenleistung des Dienstherrn in Gestalt amtsangemessener Besoldung und Versorgung des Beamten und seiner Familie für die Dienste, die der Beamte in dem auf Lebenszeit angelegten gegenseitigen Dienst- und Treueverhältnis grundsätzlich unter Einsatz seiner vollen Arbeitskraft im Lebensberuf erbringt. Der vorausgesetzte Zusammenhang zwischen Dienstleistung und Alimentation besteht nicht mehr fort, wenn der Beamte vorzeitig in den Ruhestand tritt. Die Balance von Leistung und Gegenleistung wird gestört. Scheiden sehr viele Beamte vorzeitig aus dem aktiven Berufsleben aus und beziehen entsprechend länger Ruhegehalt, gerät das Gesamtsystem von Alimentierung der Beamtenschaft einerseits und der von dieser erbrachten Dienstleistung andererseits aus dem Gleichgewicht (BVerwG vom 19.2.2004, a. a. O.). Art. 33 Abs. 5 GG hindert den Gesetzgeber nicht, auf diese rechtlichen und tatsächlichen Veränderungen durch die Modifizierung der Dienstzeitversorgung in der Gestalt der Einführung eines Versorgungsabschlags zu reagieren. Der Versorgungsabschlag stellt die amtsangemessene Versorgung nicht grundsätzlich in Frage und ist mit dem durch Art. 33 Abs. 2 und Abs. 5 GG gewährleisteten Leistungsprinzip vereinbar.
Das Leistungsprinzip verlangt auch, dass sich die Länge der aktiven Dienstzeit in der Höhe der Versorgungsbezüge niederschlägt (BVerfGE 76, 256, 322). Auch diesem Erfordernis läuft die gesetzliche Regelung des Versorgungsabschlags nicht zuwider. Der Versorgungsabschlag bewirkt nicht, dass ein Teil der aktiven Dienstzeit bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge unberücksichtigt bleibt, sondern besteht in einer Verminderung des – nach Maßgabe der ruhegehaltfähigen Dienstzeit und der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge errechneten – Gesamtbetrages um einen bestimmten Vom-Hundertsatz, wogegen keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Somit ist der Versorgungsabschlag auch dann mit Verfassungsrecht und insbesondere mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, wenn, wie im Falle des Klägers, die individuelle Lebensdienstzeit des Beamten länger ist als die für den Höchstruhegehaltsatz erforderliche Dienstzeit (vgl. BVerwG vom 25.1.2005, a. a. O.).
Der Versorgungsabschlag ist auch kein „Eingriff in ein erdientes Ruhegehalt“. Bis zu dem leistungsauslösenden Ereignis hat der Beamte keine gefestigte versorgungsrechtliche Position erlangt (BVerwG vom 19.2.2004, a. a. O., und vom 23.4.1998 – 2 C 2.98, Buchholz 239.1 § 14 BeamtVG Nr. 4 S. 3). Er besitzt keinen Anspruch darauf, dass der rechnerisch bereits erreichte Ruhegehaltssatz in jedem Fall gewahrt bleibt oder dass die ruhegehaltfähige Dienstzeit nicht durch einen anderen Zeitfaktor relativiert wird. Vielmehr besteht während des aktiven Dienstes nur eine Anwartschaft auf die amtsangemessene Versorgung nach den zum Zeitpunkt des Versorgungsfalles geltenden „verfassungsgemäßen“ Regelungen.
Der Versorgungsabschlag, den der Kläger in Höhe von 4,07 v. H. des Ruhegehalts hinzunehmen hat, verletzt auch nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Zwar wirkt sich der Versorgungsabschlag nach Art. 26 Abs. 2 Nr. 1 BayBeamtVG auf die Gesamtheit der Versorgungsbezüge aus, die der Beamte nach Eintritt in den Ruhestand erhält. Der Versorgungsabschlag ist indessen keine Sanktion für ein von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten und hat nicht den Charakter einer Straf- oder Disziplinarmaßnahme. Er tritt auch unabhängig davon ein, ob der Betroffene aus eigenem Entschluss vorzeitig in den Ruhestand tritt. Vielmehr liegt es in der Zielsetzung des Versorgungsabschlags, unabhängig von solchen individuellen Bedingungen allein die längere Dauer des Bezuges von Versorgungsleistungen jedenfalls dann auszugleichen, wenn die Gründe für den vorzeitigen Ruhestand nicht aus der Sphäre des Dienstherrn herrühren (vgl. BVerwG vom 25.1.2005, a. a. O.).
Das Berufsbeamtentum und seine Regelungen sind ausgerichtet auf den Lebenszeitbeamten, den Beamten also, dem ein Amt auf Lebenszeit übertragen worden ist. Das Lebenszeitprinzip erfordert allerdings nicht, dass der Beamte bis zu seinem Tod Dienst verrichtet, sondern findet seine Schranke in der Dienstunfähigkeit und der vom Gesetzgeber – nicht notwendigerweise einheitlich für alle Beamten – festzusetzenden gesetzlichen Altersgrenze. Soweit der Gesetzgeber eine Altersgrenze festlegt, geht er prinzipiell davon aus, dass das Gleichgewicht zwischen Dienstleistung und Versorgung hergestellt ist und deshalb der Höchstruhegehaltssatz erst dann zugrunde gelegt wird, wenn der Beamte diese Altersgrenze erreicht hat. Tritt der Beamte vorzeitig in den Ruhestand, so ist eine Verringerung der Versorgungsbezüge in proportionalem Verhältnis zu der Zeit bis zum Erreichen der Altersgrenze jedenfalls dann verfassungsrechtlich zulässig, wenn die Versetzung in den Ruhestand auf Gründen beruht, die von einer Dienstbeschädigung unabhängig sind (BVerwG vom 25.1.2005, a. a. O.).
Der Versorgungsabschlag ist auch prinzipiell geeignet, Anreize für eine vorzeitige Pensionierung und den Anstieg der Ausgaben zur Finanzierung der anwachsenden Versorgungslasten zu mindern. Die Einführung des Versorgungsabschlags verstößt weder gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot noch gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes (vgl. BVerwG vom 19.2.2004, a. a. O.). Eine echte Rückwirkung kommt der Einführung des Versorgungsabschlags nicht zu. Die dem Art. 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG entsprechende bundesrechtliche Vorläuferregelung des § 14 Abs. 3 BeamtVG hat nicht die Rechtslage für die Zeit vor dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens, sondern ausschließlich mit Wirkung für die Zeit danach geändert: Erst ab dem 1. Januar 2001 verminderten sich gemäß § 14 Abs. 3 BeamtVG die Versorgungsbezüge um 3,6 v. H. für jedes Jahr. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger noch im aktiven Dienst und hatte noch keinerlei Versorgungsansprüche. Die im Vergleich zu der Rechtslage, die bei Begründung des Beamtenverhältnisses bestand, dem Beamten ungünstige Änderung des Beamtenversorgungsrechts ist verfassungsrechtlich zulässig. Dem Gesetzgeber ist es möglich, Normen, die in erheblichem Umfang an in der Vergangenheit liegende Tatbestände anknüpfen, zu erlassen und unter Änderung der künftigen Rechtsfolgen dieser Tatbestände auf veränderte Gegebenheiten mit einer Änderung seines Normenwerkes zu reagieren und durch eine solche Änderung bestimmte soziale Gegebenheiten zu beeinflussen (vgl. BVerfGE 76, 256, 347 f. m. w. N.). Der rechtsstaatliche Grundsatz des Vertrauensschutzes, der im Bereich des Beamtenversorgungsrechts durch Art. 33 Abs. 5 GG seine besondere Ausprägung erfahren hat, garantiert nicht das Fortbestehen der Rechtslage, die der Betroffene beim Eintritt in das Beamtenverhältnis vorgefunden hat. Änderungen der bisherigen Rechtslage waren und sind nicht nur zugunsten, sondern auch zulasten der Beamten zulässig. Sie müssen deshalb auch damit rechnen, dass sich ihre Gesamtversorgung ändern kann (BVerfGE 76, 256, 359; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 11.12.2007, 2 BvR 797/04). So hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinen Nichtannahmebeschlüssen vom 20. Juni 2006 (a. a. O.) und vom 27. Juli 2010 (2 BvR 616/09) den Versorgungsabschlag bei vorzeitiger Versetzung eines Beamten in den Ruhestand für verfassungsgemäß erachtet und in dem Nichterreichen der (Regel-) Altersgrenze unter dem Blickwinkel des Art. 3 GG einen hinreichenden sachlichen Differenzierungsgrund gesehen.
Die Klage war deshalb abzuweisen.
Kosten: §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 1 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift: Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München,
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 4.173,12 EUR festgesetzt.
Gründe:
Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus §§ 52 Abs. 1 GKG.
Der Streitwert für das Begehren des Klägers auf Streichung des Versorgungsabschlags, das ebenso wie andere Ansprüche auf erhöhte Besoldung, Versorgung oder Zulagen sowie Anrechnungs- und Ruhensbeträge zu den in der Streitwertrechtsprechung der Beamtensenate des Bundesverwaltungsgerichts als Teilstatus bezeichneten Rechtspositionen gehört, war auf den pauschalierten Zweijahresbetrag des im angefochtenen Bescheid des Beklagten vom 12. Dezember 2014 festgesetzten Versorgungsabschlags anzusetzen (vgl. BVerwG vom 13.9.1999, NVwZ-RR 2000, 188; BayVGH vom 18.10.2004 – 3 C 04.2800).
Hiervon ausgehend ergibt der 2-fache Jahresbetrag eine Summe von 4.173,12 EUR (24 x 173,88 EUR).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift: Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

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