Arbeitsrecht

Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit

Aktenzeichen  M 5 K 17.625

Datum:
11.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 23842
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBG Art. 65 Abs. 1
BeamtStG § 26 Abs. 1 S. 1, S. 3, Abs. 2, Abs. 3, § 27 Abs. 1, Abs. 2
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Bei der Diagnose der Grunderkrankung CFS (“chronic fatigue syndrome“, chronisches Müdigkeitssyndrom) verbunden mit einem entsprechenden Störungsbild kann von einer konsequenten dauerhaften Dienstleistung nicht mehr ausgegangen werden. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet und hat daher keinen Erfolg.
1. Der Bescheid vom 16. Januar 2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO), denn die Klägerin war zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung – des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids vom 16. Januar 2017 bzw. dessen Zustellung am 18. Januar 2017 – vollständig dienstunfähig und daher von der Beklagten in den Ruhestand zu versetzen.
a) Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) sind Beamtinnen und Beamte auf Lebenszeit in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustandes oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauerhaft unfähig (dienstunfähig) sind.
Als dienstunfähig nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG können Beamtinnen und Beamte auch dann angesehen werden, wenn sie infolge einer Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst geleistet haben und keine Aussicht besteht, dass sie innerhalb von weiteren sechs Monaten wieder voll dienstfähig werden, Art. 65 Abs. 1 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG).
Bestehen Zweifel über die Dienstfähigkeit, so ist der Beamte oder die Beamtin verpflichtet, sich nach Weisung des oder der Dienstvorgesetzten ärztlich untersuchen und, falls ein Amtsarzt oder eine Amtsärztin dies für erforderlich hält, beobachten zu lassen, Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG.
Von der Versetzung in den Ruhestand soll nach § 26 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG abgesehen werden, wenn eine anderweitige Verwendung möglich ist. Eine anderweitige Verwendung ist nach § 26 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG möglich, wenn der Beamtin oder dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. Zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand kann der Beamtin oder dem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist, § 26 Abs. 3 BeamtStG.
Von der Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit soll nach § 27 Abs. 1 BeamtStG abgesehen werden, wenn die Beamtin oder der Beamte unter Beibehaltung des übertragenen Amtes die Dienstpflichten noch während mindestens der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit erfüllen kann (begrenzte Dienstfähigkeit). Die Arbeitszeit ist nach § 27 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG entsprechend der begrenzten Dienstfähigkeit herabzusetzen. Mit Zustimmung der Beamtin oder des Beamten ist auch eine Verwendung in einer nicht dem Amt entsprechenden Tätigkeit möglich, § 27 Abs. 2 Satz 2 BeamtStG.
b) Nach diesen Maßgaben ist die Versetzung der Klägerin in den Ruhestand durch die Beklagte rechtlich nicht zu beanstanden. Bei ihr bestand zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids zur Überzeugung des Gerichts vollständige Dienstunfähigkeit.
aa) Der Bescheid vom 16. Januar 2017 stützt sich zunächst rechtlich einwandfrei auf das Gesundheitszeugnis der Amtsärztin Dr. med. K. vom … Juli 2016.
Darin wurde dargestellt, dass bei der Klägerin erhebliche Leistungseinschränkungen beim Durchhaltevermögen und der konzentrativen Dauerbelastbarkeit vorlägen. Publikumsverkehr könne ihr nicht übertragen werden, ebensowenig Tätigkeiten unter hohem Zeit- und Termindruck mit Anspruch an das Anpassungs- und Umstellungsvermögen. Ein Dienstantritt sei nicht absehbar. Bei der Klägerin bestehe aus amtsärztlicher Sicht vollständige und anhaltende Dienstunfähigkeit. Aus amtsärztlicher Sicht liege längerfristig eine Leistungsminderung in Bezug auf die in der Tätigkeitsbeschreibung genannten Tätigkeiten von 100% vor.
Die Beklagte befand diese Aussagen des amtsärztlichen Gutachtens in ihrem Bescheid vom 16. Januar 2017 für stichhaltig und stütze ihre Entscheidung darauf.
bb) Zu Recht hat die Beklagte im Bescheid vom 16. Januar 2017 dem Attest des Dr. med. U.L. vom … November 2016 keine solche Bedeutung beigemessen, dass dadurch das Gesundheitszeugnis vom … Juli 2016 substantiiert in Frage gestellt wäre. Sie hat zutreffend ausgeführt, dass kein Rechtsanspruch der Klägerin auf einen 100% Telearbeitsplatz existiere. Die von Dr. med. U.L. nur unter dieser und anderen, nicht weiter bezeichneten, Voraussetzungen attestierte Teildienstfähigkeit der Klägerin von 65% erachtete sie als nicht haltbar.
cc) Das Gericht ist aufgrund der Einvernahme der Amtsärztin Dr. med. K. als sachverständiger Zeugin in der mündlichen Verhandlung am 11. Juli 2018 zu der Überzeugung gelangt, dass das Gesundheitszeugnis vom … Juli 2016, das der Klägerin vollständige und – zumindest bis zu einer Nachuntersuchung nach Ablauf eines Jahres – anhaltende Dienstunfähigkeit bescheinigte, nachvollziehbar und schlüssig ist. Ebenso ergaben sich zur Überzeugung des Gerichts keine Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin eine anderweitige Verwendung oder die Übertragung einer geringerwertigen Tätigkeit möglich oder noch begrenzte Teildienstfähigkeit gegeben wäre. Das ergibt sich aus Folgendem:
Die sachverständige Zeugin hat anschaulich und nachvollziehbar dargelegt, dass sie zu dem Ergebnis des Gesundheitszeugnisses aufgrund der bei der Klägerin vorhandenen Grunderkrankung eines „chronic fatigue syndrome“ (CFS, chronisches Müdigkeitssyndrom nach ICD-10, der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, englisch: International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, der Weltgesundheitsorganisation / WHO), dort Nr. G 93.3, gelangte.
Die Diagnose dieser Grunderkrankung CFS habe sie erst nach einer internistischen Zusatzuntersuchung durch eine auf internistisch-onkologischem Fachgebiet tätigen Amtsärztin ihres Hauses gestellt. Diese sei erfolgt, um eine internistische Ursache des Störungsbildes auszuschließen.
Die sachverständige Zeugin erläuterte schlüssig und in sich widerspruchsfrei, dass sie eine Kompensation der krankheitsbedingten Einschränkungen der Dienstfähigkeit durch eine entsprechende Gestaltung der Arbeitsbedingungen, insbesondere durch Einrichtung eines Telearbeitsplatzes zu 100%, nicht für möglich halte.
Sie führte hierzu insbesondere überzeugend aus, dass das CFS eine starke, alle Aktivitäten umfassende Müdigkeit sei, die mit und ohne körperliche Belastung auftrete. Diese Müdigkeit könne auch durch Erholungsphasen nicht kompensiert werden. Die für die Betroffenen erforderlichen Erholungspausen betrügen 24 Stunden, mitunter Tage oder auch Wochen. Eine konstante Dienstleistung sei damit nicht möglich. Diese Krankheit gehe auch mit tiefgreifenden kognitiven Beeinträchtigungen einher. Insbesondere die Wahrnehmungsfähigkeit und die Merkfähigkeit seien beeinträchtigt; außerdem sei das Denken verlangsamt.
Auch eine Tätigkeit an einem Notebook im Liegen könne die krankheitsbedingten Einschränkungen der Dienstfähigkeit nicht kompensieren. Denn die Erkrankung schränke die konzentrative Dauerbelastbarkeit ein. Daran könne auch bei einer Tätigkeit im Liegen nichts geändert werden. Zudem seien die Einschränkungen stark tagesabhängig. Eine konsequente dauerhafte Dienstleistung sei daher ihres Erachtens bei der Klägerin krankheitsbedingt nicht mehr gegeben.
Das umfasse alle Tätigkeitsbereiche, auch die eines geringer besoldeten Amtes als „A 10“. Insofern sei der letzte Satz von Nr. 1 des Gesundheitszeugnisses vom … Juli 2016 so zu verstehen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung – ZPO.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben