Arbeitsrecht

Verwaltungsgerichte, Arbeitgeberbescheinigung, Entscheidung durch Gerichtsbescheid, Zuwendungen, Gleichheitssatz, Maßgeblicher Zeitpunkt, Rechtsmittelbelehrung, Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, pflegerische Tätigkeit, Streitwertfestsetzung, Verpflegungspauschale, Beweiswürdigung, Prozeßkostenhilfeverfahren, freiwillige Leistungen, Bewilligungsbescheid, Bewilligungsbehörde, Fördervoraussetzungen, Ständige Verwaltungspraxis, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Kostenentscheidung

Aktenzeichen  RO 6 K 20.1523

Datum:
20.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 705
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
Corona-Pflegebonusrichtlinie, 26 BayVwVfG
VwGO § 86 Abs. 1

 

Leitsatz

Gründe

Über die Klage entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, da die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 84 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Ein Einverständnis der Parteien ist nicht erforderlich.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Landesamtes für Pflege vom 5. August 2020 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Bewilligung des Corona-Pflegebonus, weil sie die Voraussetzungen der einschlägigen Richtlinie in der vom Beklagten ausgeübten Verwaltungspraxis nicht erfüllt.
Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Bewilligung der Verpflegungspauschale und maßgeblich für die Prüfung der Zuwendungsvoraussetzungen ist die Corona-Pflegebonusrichtlinie (CoBoR) vom 30. April 2020, geändert durch Bekanntmachung vom 15. Mai 2020.
Bei der vorliegend begehrten Zuwendung handelt es sich um eine freiwillige Leistung, die der Freistaat Bayern auf der Grundlage von und im Einklang mit Art. 44 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 23 der Bayerischen Haushaltsordnung (BayHO) und den einschlägigen Förderrichtlinien gewährt. Nach der Vorbemerkung der CoBoR wird ausdrücklich klargestellt, dass die Verpflegungspauschale eine freiwillige Leistung ist und nach Maßgabe der Richtlinie und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Freistaates Bayern als Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel gewährt wird.
Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, einem dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.2008 – 7 B 38.08 – juris, Rn. 9; BayVGH, B.v. 7.4.2020 – 6 ZB 19.1647 – BeckRS 2020, 9635; U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.1840 – juris, Rn. 26).
Ein Anspruch auf die Zuwendung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden. Die rechtliche Prüfung im vorliegenden Fall hat nicht daran anzusetzen, wie die für die Zuwendungen maßgeblichen Förderrichtlinien auszulegen wären, sondern daran, welche Förderpraxis des Beklagten dem Zuwendungsbescheid zugrunde lag (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris, Rn. 27).
Zweck der Richtlinie ist nach Nr. 1 Sätze 2 bis 7 der CoBoR u.a., dass mit der Gewährung des Corona-Pflegebonus das überdurchschnittliche Engagement der in Bayern in der professionellen Pflege und im Rettungsdienst und in den stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe Tätigen auch im Hinblick auf die aktuelle Corona-Pandemie auch für die Zukunft besonders gewürdigt und anerkannt werde. Nach Nr. 2 seien Begünstigte die Pflegenden in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten. Ebenso begünstigt seien tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspreche und mit dieser vergleichbar sei. In Satz 5 wird auf eine beispielhafte Auflistung der Begünstigten in den Anlagen 1, 2 und 3 verwiesen. Nach Anlage 1 können im Bereich der stationären Langzeitpflege Personen mit explizit aufgeführten Berufsqualifikationen begünstigt sein. Nach Nr. 5.2 Satz 1 ist dem Antrag u.a. ein Nachweis über die Beschäftigung beizufügen. Nach Nr. 5.2 Satz 4 kann das Landesamt für Pflege weitere Nachweise verlangen.
Zwischen den Beteiligten offenbar nicht streitig ist die Tatsache, dass die Klägerin in einer dem Grunde nach der Richtlinie unterfallenden Einrichtung beschäftigt ist. Die Klägerin unterfällt jedoch nicht dem begünstigten Adressatenkreis der CoBoR, da sie einen Nachweis, pflegerisch tätig zu sein, nicht erbracht hat.
Nach Art. 26 Abs. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) haben die Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens bei der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken, insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel beizubringen. Ihre Nichterfüllung kann ohne explizite Rechtsgrundlage zwar nicht erzwungen werden, hat aber gerade im Bereich der Leistungsverwaltung mittelbar nachteilige Rechtsfolgen. Im Rahmen der Beweiswürdigung hat die Behörde den Umstand zu berücksichtigen, dass der Beteiligte an der Sachverhaltsermittlung nicht mitgewirkt hat (vgl. nur beispielhaft: Stelkens/Bonk/Sachs/Kallerhoff/Fellenberg, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 26, Rn. 44 ff.; BeckOK VwVfG/Herrmann, 49. Ed. 1.10.2020, VwVfG § 26, Rn. 36 ff.). Trotz mehrfacher Aufforderung durch den Beklagten, einen entsprechenden Nachweis ihres Arbeitgebers vorzulegen, konnte oder wollte die Klägerin dem nicht nachkommen.
Darüber hinaus ist die Klägerin auch ihrer prozessualen Mitwirkungspflicht im Rahmen des von ihr angestrengten Verwaltungsprozesses nicht nachgekommen.
Gem. § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind die Beteiligten bei der Amtsermittlung heranzuziehen. Eine unzureichende Beteiligtenmitwirkung bei der Sachverhaltserforschung hat die entsprechende Berücksichtigung bei der Beweiswürdigung zur Folge (NK-VwGO/Stephan Rixen, 5. Aufl. 2018, VwGO § 86, Rn. 73; BeckOK VwGO/Breunig, 55. Ed. 1.10.2020, VwGO § 86, Rn. 47). Mit gerichtlichem Schreiben vom 16. Dezember 2020 und im Rahmen der Anhörung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid vom 23. Dezember 2020 wurde der Klägerin die Notwendigkeit einer entsprechenden Arbeitgeberbescheinigung hinreichend deutlich vor Augen geführt. Mit E-Mail vom 22. Dezember 2020 hat die Klägerin jedoch ebenso deutlich vorgetragen, dass die seitens des Beklagten für notwendig erachtete Arbeitgeberbescheinigung nicht vorgelegt werden wird.
Die materielle Beweislast des Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen für eine die Bewilligung des Corona-Pflegebonus begehrende Antragstellerin liegt jedoch bei dieser. Denn es gilt als allgemeiner Grundsatz der materiellen Beweislast, dass die Nichterweislichkeit von Tatsachen, aus denen ein Beteiligter für ihn günstige Rechtsfolgen herleitet, zu seinen Lasten geht, es sei denn, dass die im Einzelfall einschlägige Norm selbst eine besondere Regelung trifft. Abweichend von dieser Grundregel kann es gerechtfertigt sein, Ungewissheiten und Unklarheiten bei der Beweislastentscheidung zum Nachteil desjenigen Beteiligten ausgehen zu lassen, in dessen Verantwortungs- und Verfügungssphäre diese fallen oder der die Beweisführung schuldhaft vereitelt (BVerwG, B.v. 6.6.2017 – 8 B 69.16 – juris, Rn. 4 mit umfassenden Nachweisen; VG Köln, U.v. 28.9.2017 – 13 K 6120/17 – BeckRS 2017, 14241, Rn. 18; stRspr. nach Ramsauer, in Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 24, Rn. 42; Eyermann/Schübel-Pfister, 15. Aufl. 2019, VwGO § 86, Rn. 5).
Anhaltspunkte für eine Umkehr der Beweislast sind vorliegend nicht ersichtlich oder vorgetragen. Insbesondere liegt es einzig im Verantwortungsbereich der Klägerin, die notwendigen Antragsunterlagen und Nachweise beizubringen. Trotz zweimaliger Aufforderung durch den Beklagten und weiterer Aufforderung durch das Gericht konnte die Klägerin nicht den Nachweis durch eine aussagekräftige Arbeitgeberbescheinigung führen, dass und in welchem Umfang sie pflegerisch zum maßgeblichen Zeitpunkt tätig geworden ist. Die schlichte Behauptung der pflegerischen Tätigkeit im Rahmen von Stellungnahmen ist gerade im Hinblick auf die sparsame Verwendung von Haushaltsmitteln seitens des Beklagten zu Recht nicht als ausreichend angesehen worden, um eine Bewilligung des Corona-Pflegebonus vornehmen zu können. Vielmehr spricht die beharrliche Weigerung der Klägerin dafür, dass diese nicht in ausreichendem Maße pflegerische Tätigkeiten verrichtet. Dem Gericht ist aus zahlreichen weiteren auf Bewilligung des Corona-Pflegebonus gerichteten Klageverfahren bekannt, dass der Beklagte bei Nachreichung die pflegerische Tätigkeit bestätigender Arbeitgeberbescheinigungen den Klagen abgeholfen hat.
Gerade unter Heranziehung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verbietet sich daher vorliegend die Gewährung des Corona-Pflegebonus zu Gunsten der Klägerin.
Der Beklagte hat nämlich durch die regelmäßige Wiederholung dieser Förderentscheidung eine bestimmte Förderpraxis entwickelt und vergleichbare Anträge, die aufgrund der Arbeitgeberbescheinigung lediglich eine hauswirtschaftliche Tätigkeit nachweisen konnten, ebenfalls negativ verbeschieden. Diese Praxis bindet ihn bei vergleichbaren Entscheidungen auch in Parallelverfahren und ist Maßstab für deren gerichtliche Kontrolle. Dabei kann das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG eben auch zu Lasten von Zuwendungsempfängern Anwendung finden. Versagt eine Behörde – wie hier regelmäßig – die Bewilligung bei nicht ausreichenden Nachweisen hinsichtlich einer von der Richtlinie umfassten Tätigkeit, so verletzt sie das Gleichbehandlungsgebot in seiner objektiv-rechtlichen Funktion, wenn sie sich im Einzelfall über diese Praxis hinwegsetzt und trotz Fehlens der ansonsten geforderten Voraussetzungen die Leistung gewährt, so dass in einem solchen Fall die Entscheidung wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG rechtswidrig wäre (BVerwG, U.v. 23.4.2003 – 3 C 25/02 – NVwZ 2003, 1384). Gesichtspunkte, die eine Ungleichbehandlung der Klägerin erforderlich erscheinen lassen, sind für das Gericht nicht ersichtlich. Sofern die Klägerin vorträgt, Kolleginnen mit der gleichen Berufsbezeichnung wie sie hätten den Corona-Pflegebonus ohne Probleme bewilligt bekommen, ist daraus eine Ungleichbehandlung für das Gericht nicht ohne Weiteres erkennbar. Schon nicht nachvollziehbar für das Gericht ist, welche berufliche Qualifikationen die positiv verbeschiedenen Anträge in der Einrichtung der Klägerin die jeweiligen Antragsteller im Rahmen ihrer Antragstellung angegeben haben und ob diesen eine pflegerische Tätigkeit durch ihren Arbeitgeber bescheinigt worden ist. Sofern selbst in Einzelfällen in rechtswidriger Weise der Corona-Pflegebonus bewilligt worden wäre, führt dies nicht bereits zu einer dem Grunde nach anderen Bewilligungspraxis des Beklagten. Ggf. hätte der Beklagte bei neuen Erkenntnissen die Möglichkeit des Widerrufs oder der Rücknahme der Bewilligungsbescheide mit einhergehender Rückforderung bereits erfolgter Corona-Pflegebonuszahlungen zu prüfen.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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