Arbeitsrecht

Voraussetzungen für das Vorliegen einer Ehegatteninnengesellschaft

Aktenzeichen  7 Sa 128/17

Datum:
21.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 41089
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 611a, §§ 722 ff.

 

Leitsatz

Eine Ehegatteninnengesellschaft liegt in aller Regel nicht vor, wenn die Parteien einen (schriftlichen) Arbeitsvertrag geschlossen haben, in dem insbesondere die Vergütung für geleistete Arbeit vereinbart ist. Dies gilt vor allem dann, wenn einer der Ehegatten einer abhängigen Vollzeitbeschäftigung nachgeht und deshalb nur in ganz geringem Umfang im (Familien) Betrieb tätig ist. (Rn. 38 ff.)

Verfahrensgang

3 Ca 688/16 2017-03-07 TeU ARBGBAYREUTH ArbG Bayreuth

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 07.03.2017 klarstellend abgeändert wie folgt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für Januar 2016 944,94 € netto sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2016 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für Februar 2016 944,94 € netto sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2016 zu zahlen.
3. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für März 2016 944,94 € netto sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2016 zu zahlen.
4. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für April 2016 944,94 € netto sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2016 zu zahlen.
5. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für Mai 2016 944,94 € netto sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2016 zu zahlen.
6. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für Juni 2016 944,94 € netto sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2016 zu zahlen.
7. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für Juli 2016 944,94 € netto sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2016 zu zahlen.
8. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für August 2016 944,94 € netto sowie Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2016 zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist nur teilweise zulässig. Sie ist zwar insgesamt statthaft, § 64 Absatz 1 und 2 b) und 2 c) ArbGG, sowie frist- und formgerecht eingelegt worden, § 66 Absatz 1 ArbGG.
Die Berufung ist indes unzulässig, soweit sie sich gegen Ziffer 1 des angefochtenen Teilurteils richtet. Entgegen § 520 Absatz 3 Satz 2 ZPO hat sich der Beklagte diesbezüglich nicht mit dem Ersturteil auseinandergesetzt. Das Erstgericht hat im Einzelnen ausgeführt, warum es die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 17.10.2016 als unwirksam angesehen hat. Der Beklagte ist hierauf in seiner Urteilsbegründung nicht eingegangen. Insbesondere reicht es nicht aus, dass er sich (nunmehr) darauf beruft, zwischen den Parteien habe eine Ehegatteninnengesellschaft bestanden. Die ausgesprochene Kündigung wird dadurch nicht obsolet oder gegenstandslos.
Soweit die Berufung zulässig ist, ist sie unbegründet.
Die Klägerin hat für die Monate Januar bis August 2016 Anspruch auf die vom Beklagten selbst abgerechneten Nettobeträge in Höhe von jeweils 944,94 €.
Insbesondere kann der Beklagte nicht damit gehört werden, die Klägerin habe keine (arbeitsrechtlichen) Ansprüche gegen ihn, da zwischen den Parteien eine Ehegatteninnengesellschaft bestanden habe.
Unstreitig haben die Parteien eine ausdrückliche Vereinbarung zur Begründung einer Gesellschaft nicht vereinbart.
Es liegt auch eine konkludent vereinbarte Ehegatteninnengesellschaft nicht vor.
Die stillschweigend vereinbarte Ehegatteninnengesellschaft ist ein Rechtsinstitut, welches in der deutschen Rechtsprechung entwickelt wurde, um bei Auflösung der Ehe einen gerechten Vermögensausgleich zwischen den Ehegatten herzustellen, wenn das Ehegüterrecht keine befriedigende Lösung gewährleistet und eine Beibehaltung der formalen Zuordnung zum Vermögen eines Ehegatten angesichts des in der Ehe durch maßgebliche finanzielle Beiträge und/oder über das eheübliche Maß hinausgehende Arbeitsleistungen des anderen Ehegatten geschaffenen Vermögens als unbillig erscheint (Bundesgerichtshof – Urteil vom 10.06.2015 – IV ZR 69/14; juris).
Wesentliche Voraussetzung für die Annahme einer durch schlüssiges Verhalten zustande gekommenen Ehegatteninnengesellschaft ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein über die Verwirklichung der Ehegemeinschaft hinausgehender Zweck, wie er etwa vorliegt, wenn die Eheleute durch den Einsatz von Vermögenswerten und Arbeitsleistungen gemeinsam ein Unternehmen aufbauen oder gemeinsam eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausüben. Das gilt nach dieser Rechtsprechung auch dann, wenn das Betreiben des Geschäfts nur der Sicherung des Familienunterhalts dient.
Eine weitere Voraussetzung stellt das Erfordernis dar, dass die Tätigkeit des mitarbeitenden Ehegatten von ihrer Funktion her als gleichberechtigte Mitarbeit anzusehen ist, auch wenn dieser Gesichtspunkt bei einem Vermögenserwerb im Rahmen einer Ehegatteninnengesellschaft mit Rücksicht auf die unterschiedlichen Möglichkeiten der Beteiligungen nicht überbewertet werden darf, solange nur ein Ehegatte für die Gesellschaft einen nennenswerten und für den erstrebten Erfolg bedeutsamen Beitrag geleistet hat.
Schließlich darf die Annahme einer durch schlüssiges Verhalten zustande gekommenen Ehegatteninnengesellschaft nicht zu den von den Ehegatten ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen in Widerspruch stehen. Denn ausdrückliche Abreden gehen einem nur konkludent zum Ausdruck gekommenen Parteiwillen vor (Bundesgerichtshof ‒ Urteil vom 28.09.2005 ‒ XII ZR 189/02; juris).
Gemessen an diesen Grundsätzen bestand zwischen den Parteien keine Ehegatteninnengesellschaft.
Es fehlt bereits an der Voraussetzung, dass die Tätigkeit des mitarbeitenden Ehegatten, hier des Beklagten, von ihrer Funktion her als gleichberechtigte Mitarbeit anzusehen ist.
Der Beklagte führt selbst aus, er sei in einem Vollzeitarbeitsverhältnis im Dreischichtbetrieb beschäftigt. Schon dies schließt eine von ihrer Funktion her gleichberechtigte Tätigkeit des Beklagten aus. Vielmehr hat er seine Arbeitskraft im Wesentlichen in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis eingesetzt. Folgerichtig trägt der Beklagte selbst vor, er habe lediglich gelegentlich Eis zubereitet, die Klägerin habe sich um alles gekümmert.
Entscheidend ist, dass einer stillschweigend vereinbarten Ehegatteninnengesellschaft die ausdrücklichen Willenserklärungen der Parteien entgegenstehen.
Die Parteien haben schriftlich dokumentiert, dass zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis bestehen sollte. Dies ergibt sich aus dem schriftlichen Arbeitsvertrag. Danach wurde die Klägerin als Servicekraft im Eiscafé Ciao beschäftigt, dessen Inhaber der Beklagte war. Es wurde eine wöchentliche Arbeitszeit vereinbart sowie eine Vergütung. Vor allem die Vergütungsabrede steht der Annahme entgegen, es sei stillschweigend eine Ehegatteninnengesellschaft zustande gekommen. Typischerweise wird von einer stillschweigend begründeten Ehegatteninnengesellschaft dann ausgegangen, wenn die Parteien bezüglich der Vergütung ihrer Arbeitsbeiträge keine Regelungen getroffen haben, wie dies in den vom Beklagten zitierten Entscheidungen der Fall war.
Im Rechtsstreit XII ZR 29/13 hatten die Parteien auf gemeinsam erworbenen Grundstücken einen Tierzuchthof betrieben. Darüber hinaus war die Begründung einer Ehegatteninnengesellschaft letztlich zwischen den dortigen Parteien nicht streitig.
Im Rechtsstreit vor dem Kammergericht Berlin (17 UF 310/11) ging es um das gemeinsame Betreiben einer Arztpraxis, in der beide Ehegatten gleichberechtigt mitgearbeitet hatten. Die Parteien hatten zwar auch in dem vom Kammergericht entschiedenen Fall schriftliche Arbeitsverträge geschlossen. Dem maß das Kammergericht indes keine Bedeutung zu, da der Abschluss der Arbeitsverträge lange Zeit zurück lag und die dort aufgeführte Tätigkeit mit der tatsächlich ausgeübten nicht (mehr) übereinstimmte.
Vorliegend verhält es sich, wie oben ausgeführt, anders.
Der Klägerin steht somit die vereinbarte Arbeitsvergütung in der vom Beklagten selbst abgerechneten Höhe zu.
Da die Parteien den Rechtsstreit in Höhe von 4.940,48 € übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war der Tenor klarstellend neu zu formulieren.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 288 Absatz 1, 286 Absatz 2 Nr. 1 BGB.
Die Berufung des Beklagten war daher insgesamt zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 a Absatz 1 Satz 1, 97 Absatz 1 ZPO.
Nach dem vorliegenden Erkenntnisstand war die Forderungsklage bei ihrer Erhebung bzw. zum Zeitpunkt der Klageerweiterung vom 11.04.2018 insgesamt zulässig und begründet. Der Beklagte macht zwar geltend, die auf die Bruttobeträge angefallenen Abgaben seien bereits vor Erhebung der Klage abgeführt gewesen. Die Klägerin bestreitet dies indes. Der Beklagte hat die vorherige Zahlung nicht nachgewiesen. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus den mit seinem Schriftsatz vom 02.05.2018 vorgelegten Unterlagen. Die dort dokumentierten Überweisungen lassen nicht erkennen, wann die auf die Arbeitsvergütung der Klägerin entfallenden Abgaben abgeführt wurden, da eine persönliche Zuordnung nicht möglich ist.
Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst, § 72 Absatz 2 ArbGG.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben