Arbeitsrecht

Wann ist ein betrieblicher Altersvorsorgebezug beitragspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung?

Aktenzeichen  L 4 KR 137/14

Datum:
2.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 123111
Gerichtsart:
LSG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB V § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5
GG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Bei einer Kapitalleistung aus einer Lebensversicherung handelt es sich um einen beitragspflichtigen betrieblichen Altersvorsorgebezug im Sinne des § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V, wenn der Versicherungsvertrag typisierend einen konkreten Bezug zum Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber gehabt hat. (redaktioneller Leitsatz)
2 Hierfür kommt es nicht darauf an, ob die Zahlung der Versicherungsprämien aus dem sozialversicherungspflichtigen Teil des Einkommens des Arbeitnehmers erfolgte. (redaktioneller Leitsatz)
2 Hierin liegt kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, denn der Gesetzgeber ist bei der Ordnung von Massenerscheinungen berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden. Insoweit stellt die Abgrenzung der beitragspflichtigen Leistungen nach dem Versicherungstyp ein geeignetes Kriterium dar, um beitragspflichtige Versorgungsbezüge und beitragsfreie private Lebensversicherungen voneinander abzugrenzen (Anschluss an LSG Thüringen BeckRS 2012, 73210, Rn. 23 f.). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 6 KR 38/13 2014-02-11 Urt SGAUGSBURG SG Augsburg

Tenor

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 11. Februar 2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig; insbesondere ist sie ohne Zulassung statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und wurde form- und fristgerecht eingelegt (§ 151 SGG).
Die Berufung ist nicht begründet. Insoweit wird auf die Ausführungen des SG verwiesen, so dass von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden kann (§ 153 Abs. 2 SGG).
Zum Berufungsvorbringen des Klägers wird ergänzend auf die Ausführungen des Thüringer Landessozialgerichts (rechtskräftiges Urteil vom 24.07.2012, L 6 KR 715/08, Rn. 23 f.) hingewiesen.
Das Thüringer LSG hat Folgendes ausgeführt:
“Der Einwand der Klägerin, aufgrund von Besonderheiten in ihrem Einzelfall sei von einem Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) auszugehen, folgt der Senat nicht. Soweit sie geltend macht, dass sie die Beiträge zu der Direktversicherung voll aus ihrem Einkommen selbst finanziert habe, weil sie bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Versicherungsvertrages im Jahre 1995 Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze erzielt habe und es deshalb bei ihr nicht wie in anderen Fällen zu einer Reduzierung der Beiträge zur Sozialversicherung gekommen sei, begründet dies keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es mag zwar sein, dass aus heutiger Sicht die Klägerin sich besser stehen würde, wenn sie sich damals ihr Gehalt hätte vollständig auszahlen lassen und privat z.B. Spar- oder Lebensversicherungsverträge abgeschlossen hätte, welche nach heutigem Recht nicht zu einer Steigerung der Beitragspflicht führen würden. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist damit jedoch nicht verbunden:
Art. 3 Abs. 1 GG verbietet nicht nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem, sondern auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem. Zu einer Differenzierung bei ungleichen Sachverhalten ist der Gesetzgeber allerdings nur verpflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf (vgl. BVerfGE 98, 365, 385). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber aber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden. Dies führt nicht zu einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Daher hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es vor dem Hintergrund des Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden ist, wenn das Betriebsrentenrecht auch die ausschließlich arbeitnehmerfinanzierte Direktversicherung als betriebliche Altersversorgung qualifiziert und hieran die volle Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung knüpft. Voraussetzung ist, dass die vom Arbeitnehmer eingezahlten Beiträge von der Versorgungszusage des Arbeitgebers erfasst sind und dass der Versicherungsvertrag durch den Arbeitgeber abgeschlossen wurde, dieser also anders als ein privater Lebensversicherungsvertrag auf ihn als Versicherungsnehmer ausgestellt ist. In diesem Rahmen hat es das Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet, wenn noch nach Ende des Arbeitsverhältnisses durch den früheren Arbeitnehmer eingezahlte Beiträge ebenfalls als noch betrieblich veranlasst eingestuft werden, solange der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts, also der auf den Arbeitgeber als Versicherungsnehmer laufende Versicherungsvertrag zur Durchführung der betrieblichen Altersversorgung genutzt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28. September 2010 – Az.: 1 BvR 1660/08, zitiert nach Juris Rn. 12 und BVerfG, Beschluss vom 6. September 2010 – Az.: 1 BvR 739/08, zitiert nach Juris Rn. 16). Darin ist nach der genannten Rechtsprechung ein formal einfach zu handhabendes Kriterium zu sehen, welches ohne Rückgriff auf arbeitsrechtliche Absprachen eine Abschichtung betrieblicher von privater Altersversorgung im Rahmen der Lebensversicherungsverträge erlaubt. Daher stellt die Abgrenzung der beitragspflichtigen Leistungen nach dem Versicherungstyp grundsätzlich ein geeignetes Kriterium dar, um beitragspflichtige Versorgungsbezüge und beitragsfreie private Lebensversicherungen voneinander abzugrenzen. Wenn es aber schon bei Beiträgen, die ein Arbeitnehmer nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis auf eine Direktversicherung einzahlt, für die Wahrung des Berufsbezuges ausreicht, dass der Arbeitgeber die Direktversicherung als Versicherungsnehmer und damit innerhalb der institutionellen Vorgaben des Betriebsrentengesetzes fortführt, so kann es keine Rolle spielen, ob die Klägerin aus der seit dem Jahre 1995 vorgenommenen Entgeltumwandlung die gleichen Vorteile wie andere Arbeitnehmer gezogen hat oder ob ihr ein Teil dieser Vorteile aufgrund dessen, dass ihr Einkommen die Beitragsbemessungsgrenze bereits damals überstieg, verwehrt worden sind. Ausschlaggebend ist allein, dass der Vertrag damals als Direktversicherung mit dem Arbeitgeber als Versicherungsnehmer geführt worden ist. Damit liegt der erforderliche Bezug zu den Versorgungssystemen des Betriebsrentenrechts vor.”
Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung in vollem Umfang an.
Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Beiträge unzutreffend berechnet hätte, sind nicht ersichtlich und wurden auch vom Kläger nicht vorgetragen. § 248 Satz 1 SGB V sieht die Anwendung des allgemeinen Beitragssatzes vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.


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