Arbeitsrecht

XII ZB 248/21

Aktenzeichen  XII ZB 248/21

Datum:
16.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2022:160322BXIIZB248.21.0
Normen:
§ 287 FamFG
§ 5 Abs 2 S 3 VBVG
Spruchkörper:
12. Zivilsenat

Leitsatz

Bei einem Wechsel des Berufsbetreuers während eines laufenden Abrechnungsmonats berechnet sich die Vergütung des ausscheidenden Betreuers zeitanteilig nach Tagen bis zur Beendigung der Betreuung. Maßgeblich für die Beendigung ist dabei nicht der Zeitpunkt der Rechtskraft, sondern der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung über den Betreuerwechsel.

Verfahrensgang

vorgehend LG Darmstadt, 12. Mai 2021, Az: 5 T 120/21vorgehend AG Darmstadt, 26. Januar 2021, Az: 501 XVII 649/18 (F)

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 12. Mai 2021 wird auf Kosten des weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Wert: 652 €

Gründe

I.
1
Gegenstand des Verfahrens ist eine Betreuervergütung, die auch für einen Zeitraum nach der Entlassung des Betreuers geltend gemacht wird.
2
Der Beteiligte zu 1, ein Rechtsanwalt, wurde durch Beschluss des Amtsgerichts vom 4. September 2018, der noch am selben Tag der Geschäftsstelle übergeben wurde, mit sofortiger Wirkung vorläufig und später auch im Hauptsacheverfahren zum berufsmäßigen Betreuer des Betroffenen bestellt. Mit Beschluss vom 13. Dezember 2019 entließ das Amtsgericht auf Anregung der Betreuungsbehörde den Beteiligten zu 1 aus dem Amt und bestellte den Beteiligten zu 2 als berufsmäßigen Betreuer. Der für sofort wirksam erklärte Beschluss wurde der Geschäftsstelle am 17. Dezember 2019 übergeben. Der Beteiligte zu 1 setzte seine Tätigkeit als Betreuer gleichwohl fort. Seine Beschwerde gegen die Entlassung wies das Landgericht durch Beschluss vom 11. Januar 2021 zurück.
3
Im vorliegenden Verfahren hat der Beteiligte zu 1 beantragt, seine Vergütung für den Zeitraum vom 5. September 2019 bis zum 4. März 2020 auf insgesamt 1.332 € festzusetzen. Das Amtsgericht hat unter Anwendung einer monatlichen Fallpauschale von 198 € eine Vergütung lediglich für den Zeitraum vom 5. September 2019 bis zum 17. Dezember 2019 in Höhe von 679,80 € bewilligt. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet er sich mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
II.
4
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil sie vom Beschwerdegericht in der angefochtenen Entscheidung zugelassen worden ist (§ 70 Abs. 1 FamFG), und auch im Übrigen zulässig. Sie bleibt indessen in der Sache ohne Erfolg.
5
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Entlassung des Beteiligten zu 1 sei nach der Entscheidung des Amtsgerichts mit der Übergabe des Entlassungsbeschlusses an die Geschäftsstelle am 17. Dezember 2019 wirksam geworden. Mit dem Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entlassung endeten alle mit der Amtsführung zusammenhängenden Rechte und Pflichten des Betreuers. Bei der Entlassung des bisherigen Betreuers und der Bestellung des neuen Betreuers handele es sich um rechtsgestaltende Akte. Dass die Rechtskraft des amtsgerichtlichen Beschlusses erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten sei, sei unerheblich. Soweit die Rechtsprechung davon ausgehe, dass die Wirkung der rechtsgestaltenden Entscheidung in den Fällen mit Rückwirkung entfalle, in denen ein entlassener Betreuer mit seiner Beschwerde eine Aufhebung der Entlassungsentscheidung erreicht habe, liege ein solcher Fall hier nicht vor. Da der Beteiligte zu 1 vom Amtsgericht wirksam entlassen und diese Entscheidung in der Beschwerdeinstanz nicht aufgehoben worden sei, habe er für die Zeit nach seiner Entlassung keinen Anspruch auf Festsetzung einer Betreuervergütung. Dass die Begründung des Amtsgerichts für den Betreuerwechsel nicht überzeugend gewesen sei, ändere hieran nichts.
6
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
7
a) Das Beschwerdegericht geht zu Recht davon aus, dass der Beteiligte zu 1 nach seiner Entlassung als Betreuer eine Vergütung nicht mehr beanspruchen kann.
8
aa) Die Vergütung des Betreuers richtet sich gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 VBVG nach der Dauer der Betreuung. Dabei wird der dem Berufsbetreuer zu vergütende Zeitaufwand gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 und 2 VBVG ab dem Beginn der Betreuung monatsweise berechnet. Für die Berechnung der Monate gelten §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB entsprechend. Maßgebendes Ereignis für den Beginn der Betreuung und damit des Abrechnungsmonats ist das Wirksamwerden des Beschlusses über die Bestellung des Betreuers nach § 287 FamFG. Danach beginnt der Lauf der Monatsfrist entsprechend § 187 Abs. 1 BGB an dem Tag nach dem Wirksamwerden des Beschlusses, während das Ende des Abrechnungsmonats entsprechend § 188 Abs. 2 BGB auf den Tag des folgenden Monats fällt, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tag entspricht, an dem der Beschluss wirksam geworden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 27. Februar 2013 – XII ZB 543/12 – FamRZ 2013, 781 Rn. 8 mwN). Geht – wie hier – die Bestellung zum vorläufigen Betreuer nahtlos in die zum Betreuer in der Hauptsache über, beginnt der vergütete Zeitraum dabei mit dem Wirksamwerden der einstweiligen Anordnung (vgl. MünchKommBGB/Fröschle 8. Aufl. § 5 VBVG Rn. 4 mwN).
9
Bei einem Wechsel des Berufsbetreuers während eines laufenden Abrechnungsmonats errechnet sich die Vergütung des ausscheidenden Betreuers gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 VBVG zeitanteilig nach Tagen bis zur Beendigung der Betreuung. Für die Berechnung gelten §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1, 191 BGB entsprechend. Maßgebendes Ereignis für das Ende des Abrechnungszeitraums ist das Wirksamwerden des Beschlusses über seine Entlassung nach § 287 FamFG. Denn mit der Wirksamkeit der Entlassungsentscheidung ist die Betreuung durch den entlassenen Betreuer beendet (vgl. Prütting/Helms/Fröschle FamFG 5. Aufl. § 287 Rn. 26). Auf die Rechtskraft der Entlassungsentscheidung kommt es nicht an. Eine Beschwerde gegen den Entlassungsbeschluss des Amtsgerichts hat keine aufschiebende Wirkung (vgl. Staudinger/Bienwald BGB [2017] § 1908 b Rn. 143 mwN).
10
bb) Für eine Gesetzesauslegung dahingehend, dass bei einem Wechsel des Berufsbetreuers dem bisherigen Betreuer abweichend von § 5 Abs. 2 Satz 3 VBVG eine Vergütung auch über seine Entlassung hinaus zusteht, ist kein Raum.
11
(1) Ausnahmen von der laufenden Vergütung nach § 5 VBVG hat der Gesetzgeber in § 5 a VBVG ausdrücklich geregelt. So kann der Betreuer nach § 5 a Abs. 1 VBVG zur Abgeltung eines Mehraufwands (vgl. BT-Drucks. 19/8694 S. 29 f.) gesonderte Pauschalen beanspruchen, wenn er auch die Verwaltung von Geldvermögen in Höhe von mindestens 150.000 €, von Wohnraum, der nicht vom Betreuten oder seinem Ehegatten genutzt wird, oder eines Erwerbsgeschäfts des Betreuten zu besorgen hat. Gemäß § 5 a Abs. 2 VBVG ist der Berufsbetreuer bei einem Wechsel von einem ehrenamtlichen zu einem beruflichen Betreuer mit einer einmaligen Pauschale von 200 € zu vergüten. Auch damit soll ein höherer Aufwand ausgeglichen werden (vgl. BT-Drucks. 19/8694 S. 30). Schließlich ist der Berufsbetreuer bei einem Wechsel von einem ehrenamtlichen Betreuer nach § 5 a Abs. 3 VBVG mit einer einmaligen Pauschale in Höhe des 1,5-fachen der zum Zeitpunkt des Betreuerwechsels geltenden Fallpauschale zu vergüten, um den Anreiz zur Abgabe der Betreuung an einen ehrenamtlichen Betreuer zu erhalten (vgl. BT-Drucks. 19/8694 S. 30 f.). Diese Erwägungen sind aber auf den Fall, dass ein entlassener Betreuer nach seiner Entlassung eigenmächtig weiter für den Betreuten tätig wird, ersichtlich nicht übertragbar. Ein Bedürfnis für die Vergütung des Betreuers ist insoweit auch nicht erkennbar.
12
(2) Dass die Entlassung des Betreuers rückwirkend entfällt, wenn sein Rechtsmittel gegen die Entlassung Erfolg hat (vgl. OLG Köln FamRZ 1998, 841; Staudinger/Bienwald BGB [2017] § 1908 b BGB Rn. 143), vermag entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht die Schlussfolgerung zu rechtfertigen, dass dem Betreuer bei einem erfolglosen Rechtsmittel gegen seine Entlassung bis zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung eine Vergütung zustehen müsse. Denn die eigenmächtige Fortsetzung der Tätigkeit eines entlassenen Betreuers ist einem erfolgreichen Rechtsmittel gegen die Entlassung nicht vergleichbar.
13
b) Unter Anwendung dieser Grundsätze kann der Beteiligte zu 1 eine Vergütung, die über die ihm vom Beschwerdegericht zuerkannte hinausgeht, nicht verlangen. Den Beginn des Abrechnungszeitraums hat das Beschwerdegericht gemäß § 287 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FamFG, § 187 Abs. 1 BGB zutreffend mit dem 5. September 2019 angenommen, nachdem der Beschluss über die Bestellung des Beteiligten zu 1 zum (vorläufigen) Berufsbetreuer am 4. September 2018 an die Geschäftsstelle übergeben worden ist. Der Vergütungszeitraum endete gemäß § 287 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 FamFG, § 188 Abs. 1 BGB mit dem Tag der Übergabe des Entlassungsbeschlusses an die Geschäftsstelle, also mit dem 17. Dezember 2019.
14
Dabei ist die Behauptung der Rechtsbeschwerde, die sofortige Wirksamkeit des Entlassungsbeschlusses sei nicht wirksam angeordnet worden, weil der Zeitpunkt der sofortigen Wirksamkeit entgegen § 287 Abs. 2 Satz 3 FamFG auf dem Beschluss nicht vermerkt worden sei, offensichtlich unzutreffend, nachdem auf dem Original des Beschlusses vermerkt ist, dass der Beschluss zum Zwecke der Bekanntgabe am 17. Dezember 2019 um 7:23 Uhr an die Geschäftsstelle übergeben wurde.
15
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann ein weitergehender Vergütungsanspruch des Betreuers auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Beteiligte zu 1 nach seiner Entlassung den Betreuerausweis entgegen seiner sich aus §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1893 Abs. 2 Satz 1 BGB ergebenden Verpflichtung nicht zurückgegeben hat.
16
Die Höhe der monatlichen Fallpauschale ergibt sich aus § 4 Abs. 1 VBVG in Verbindung mit der Vergütungstabelle C (C4.2.1) und wird von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen.
17
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
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