Arbeitsrecht

Zulassung der Berufung – Kosten für Wildschadensschätzer nach Antragsrücknahme im Anschluss an gescheiterten Gütetermin

Aktenzeichen  19 ZB 21.1334

Datum:
30.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 27761
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BJagdG § 34, § 35
BayJG Art. 47, Art. 47a
AVBayJG § 24, § 27
BayKG Art. 2, Art. 20
VwGO § 124a Abs. 4 S. 5

 

Leitsatz

1. Ein Vertreter ist zur Anmeldung von Wildschäden im Namen und für die Geschädigte berechtigt. Der Vertreter ist für seine Person nicht Veranlasser des Vorverfahrens. Die Inanspruchnahme des Vertreters als  Veranlasser einer Amtshandlung iSd Art. 2 BayKG scheidet aus. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es bestehen ernstliche, die Zulassung der Berufung begründende Zweifel, ob die Gemeinde den Geschädigten gem. Art. 2 Abs. 1, Abs. 4 BayKG für die Kosten des Vorverfahrens in Anspruch nehmen kann, wenn dieser seinen Antrag auf Wildschadenerstattung wegen zu erwartender hoher zusätzlicher Schätzerkosten (Kosten in 6-facher Höhe des voraussichtlich entstandenen Schadens) nach dem gescheiterten Gütetermin zurücknimmt. (Rn. 12 – 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 16 K 18.02033 2021-04-15 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Berufung wird zugelassen, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
II. Der Streitwert wird vorläufig auf 618,32 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin ist Eigentümerin der Waldgrundstücke Fl.Nrn. 598, 706 und 734 Gemarkung Leidendorf. Sie und der Kläger (ihr Sohn) meldeten unter dem 18. April 2017 handschriftlich (Nennung beider Namen an der Spitze des Schreibens, Unterschrift durch Klägerin und Kläger) bei der Beklagten Wildschäden durch Rehwild betreffend die genannten Grundstücke an. In dem in „Ich“-Form formulierten Schreiben heißt es u.a.: „Eine gütliche Einigung ohne Wildschadenschätzer zur Protokollführung der Niederschrift am ersten Ortstermin ist leider nicht mehr möglich“. Als Ersatzpflichtige werden die Jagdpächterin und die Jagdgenossenschaft genannt. Unter dem 2. Mai 2017 meldeten die Klägerin und der Kläger (Nennung beider Namen an der Spitze des Schreibens, Unterschrift durch Klägerin und Kläger) – nunmehr mit einem Formblatt – wiederum einen Wildschaden betreffend die drei genannten Grundstücke an. Als Ersatzpflichtige werden der „Revierinhaber“ und die Jagdgenossenschaft genannt. Ausgeführt wird, dass eine gütliche Einigung nicht mehr zu erwarten sei und die Gemeinde unverzüglich einen Schätzungstermin am Schadensort anzuberaumen habe. Eine weitere Anmeldung eines Wildschadens betreffend die drei genannten Grundstücke erfolgte – wiederum mit einem Formblatt – durch die Klägerin und den Kläger (Nennung beider Namen an der Spitze des Schreibens, Unterschrift durch Klägerin und Kläger) unter dem 25. September 2017.
Am 25. Oktober 2017 fand aufgrund der geltend gemachten Wildschäden ein Gütetermin statt. Die Beklagte erstellte über diesen Gütetermin eine „Niederschrift über die Anmeldung von Wildschaden/Herbeiführen einer gütlichen Einigung“. In diesem Schreiben heißt es, zwischen den Beteiligten sei eine gütliche Einigung wie folgt zustande gekommen: Die/der Ersatzpflichtige verpflichte sich eine Entschädigung in Höhe von 400,- Euro (zahlbar sofort) zu gewähren. Ersichtlich war bei dem Termin die Wildschadenschätzerin Frau S. anwesend.
Aufgrund „fehlerhafter/unvollständiger“ Erstellung des Protokolls und „unzureichender Einladung“ zum Termin vom 25. Oktober 2017 lud die Beklagte sodann (erneut) „zum ersten Ortstermin“, „zur örtlichen Besichtigung der angemeldeten Wildschäden“, „zur Erlangung einer gütlichen Einigung“ am 20. Dezember 2017. Über diesen Termin (dessen Notwendigkeit die Klägerin und der Kläger in Anbetracht der Ergebnisse des Termins vom 25.10.2017 unter dem 13.12.2017 bezweifelt hatten) fertigte die Beklagte einen Aktenvermerk. Danach nahm an dem „Ortstermin zur Güteverhandlung“ u.a. nunmehr der Wildschadenschätzer H. teil. Im Aktenvermerk werden u.a. als Teilnehmer die Klägerin als „Geschädigte“ und der Kläger als „Bevollmächtigter des Geschädigten“ genannt. Dem Aktenvermerk ist zudem u.a. zu entnehmen, dass auf der Basis der unverbindlichen Schadenssumme von 100,- Euro Güteverhandlungen durchgeführt worden seien. „Die Geschädigte“ wäre mit der entsprechenden Zahlung einverstanden. Die Jagdpächter erklärten, den Schaden nicht in der Güteverhandlung begleichen zu wollen, sie beabsichtigten die Beauftragung eines Rechtsanwaltes und baten um formale Fortführung des Verfahrens. Der Wildschadenschätzer habe im weiteren Verlauf erklärt, ein formales Gutachten würde Kosten in Höhe von 1.000,- bis 2.000,- Euro verursachen. Bürgermeister B. habe daraufhin die Güteverhandlung für gescheitert erklärt und die weiteren Verhandlungen beendet. Er habe den Wildschadenschätzer mündlich mit der Erstellung des entsprechenden Sachschadengutachtens beauftragt. Nach dem offiziellen Ende der Güteverhandlung habe „der Geschädigte“ nach Rücksprache mit dem Wildschadenschätzer erklärt, die Anträge auf Wildschadenerstattung zurückzuziehen, da die Kosten des erforderlichen Gutachtens in keinem sinnvollen Verhältnis zur Schadenssumme stünden.
Unter dem 28. November 2017 stellte der Wildschadenschätzer H. der Beklagten für die Teilnahme „zur örtlichen Besichtigung der Wildschäden“ 618,32 Euro in Rechnung („Zeitaufwand gemäß § 9 JVEG 450 Euro“, Aufwendungen gemäß § 5 JVEG 69,60 Euro“ plus Mehrwertsteuer). Unter dem „24.01.17“ (gemeint 24.1.2018) bat die Beklagte den Kläger, ihr den Betrag von 618,32 Euro zu überweisen. Der Kläger habe „als bevollmächtigter Vertreter“ der Klägerin Wildschäden angemeldet. Er sei als Veranlasser der Aufwendungen im Verwaltungsverfahren gehalten, diese der Beklagten zu ersetzen.
Nachdem der Kläger in der Folgezeit die Forderung nicht beglich, die Beklagte daraufhin eine Pfändungs- und Einziehungsverfügung gegen den Kläger erließ und dessen Bankkonto pfändete, verpflichtete das Verwaltungsgericht A. die Beklagte mit Beschluss vom 16. August 2018 im Verfahren AN 14 E 18.00884, die Vollstreckung der Forderung in Höhe von 618,32 Euro gemäß Rechnung vom 24. Januar 2018 vorläufig einzustellen. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht u.a. aus, es sei überwiegend wahrscheinlich, dass die Vollstreckung rechtswidrig sei, weil es an einem vollstreckbaren Leistungsbescheid nach Art. 23 Abs. 1 VwZVG und damit an einer allgemeinen Voraussetzung der Verwaltungsvollstreckung fehle. Das Schreiben vom 24. Januar 2018 sei nicht als öffentlich-rechtlicher Verwaltungsakt, sondern als bloße Zahlungsaufforderung einzuordnen.
Unter dem 26. September 2018 (die jeweiligen Entwürfe der Beklagten tragen die Daten 21.9. bzw. 27.9.2018) erließ die Beklagte sodann gegen die Klägerin und den Kläger Bescheide des Inhalts, dass diese Kostenersatz für die Bestellung des Wildschadenschätzers in Höhe von 618,32 Euro zu leisten hätten. Die Haftung bestehe jeweils gesamtschuldnerisch. Die Hinzuziehung eines Wildschadenschätzers sei gemäß § 27 AVBayJG erforderlich gewesen. Die Kosten des Vorverfahrens seien von der zuständigen Behörde zu regeln.
Die hiergegen erhobene Klage der Kläger blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht führte (nach einer Einzelrichterübertragung) in seinem klageabweisenden Urteil vom 15. April 2021 u.a. aus, sowohl die Klägerin als auch der Kläger seien gleichermaßen persönlich kostenpflichtig. Es finde sich (anders als von den Klägern vorgetragen) „nicht ansatzweise“ ein Hinweis darauf, dass der Kläger lediglich als Vertreter der Klägerin fungiere. Aus § 27 Abs. 1 AVBayJG ergebe sich keine materielle Kostentragungspflicht der Beklagten für entstehende Schätzkosten. Bereits der Wortlaut dieser Regelung stehe einer derartigen Annahme klar entgegen. Bezüglich der Kostenverteilung fänden sich in Bayern keine gesetzlichen Regelungen. Grundsätzlich seien unter Berücksichtigung des bisherigen Streitstandes nach billigem Ermessen und entsprechend den allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen die Kosten des Vorverfahrens im Verhältnis des gegenseitigen Obsiegens und Unterliegens zu verteilen. Ebenso folge aus dem im Kostenrecht geltenden Veranlasserprinzip, dass bei einer Antragsrücknahme der Antragsteller als Veranlasser entstandene Kosten zu tragen habe (vgl. Art. 2 Abs. 1 Kostengesetz – KG). Nach diesen Maßgaben erweise es sich als rechtmäßig, wenn die Beklagte die Kläger „nach Rücknahme deren Anträge“ durch Erklärung des Klägers gesamtschuldnerisch zur Zahlung der im Verfahren auf Wildschadensersatz entstandene Kosten herangezogen habe (Art. 2 Abs. 1 und 4 KG). Die Kläger seien als Veranlasser im Sinne des Kostenrechts anzusehen. Sie hätten die Anträge auf Ersatz von Wildschäden gestellt und demgemäß die Einleitung eines Verfahrens auf Wildschadensersatz herbeigeführt. Der Wildschadenschätzer sei gerade auf ausdrücklichen Antrag der Kläger zum Gütetermin geladen worden. Die Kosten seien nach Art. 8 Abs. 2 Satz 1 KG auch im Falle einer Antragsrücknahme unvermindert zu erheben. Eine Fehlerhaftigkeit der geltend gemachten Auslagen der Höhe nach sei weder von den Klägern substantiiert vorgebracht worden noch sonst ersichtlich. Die Kostenentscheidung der Beklagten erweise sich auch nicht als unbillig.
Die Kläger beantragen aufgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) die Berufung zuzulassen. Der Beklagten sei aus einer Vielzahl von Wildschadenfällen bekannt, dass alleinige Eigentümerin „des Grundstücks“ die Klägerin sei. Ebenso sei der Beklagten bekannt, dass der Kläger, „soweit er wegen Belangen dieses Grundstücks“ auftrete, immer in Vollmacht seiner betagten Mutter handle. Die Stellvertretung sei der Beklagten bekannt gewesen, auch wenn sich der Kläger im Rechtsverkehr gegenüber Dritten nicht immer so eindeutig geäußert habe. Der Kläger sei auch nicht „Geschädigter“, der aus eigenem Recht einen Wildschadenersatzanspruch hätte stellen können, weil er „das betreffende Waldgrundstück“ nicht selbständig und auf eigene Rechnung bewirtschafte. Dafür gebe es keinerlei Anhaltspunkte im Sachverhalt. Mithin könne der Kläger nicht als Kostenschuldner geführt werden. Auch die Klägerin schulde die streitgegenständlichen Kosten nicht. Die Klägerin sei nicht Veranlasser. Vielmehr sei aufgrund ausdrücklichen gesetzlichen Auftrags die Gemeinde gesetzlich verpflichtet, bei Fehlschlagen einer gütlichen Einigung einen Schätzer zu beauftragen. Auftraggeber sei eindeutig die Gemeinde. Zudem würden die Kosten der Schadenfeststellung im erforderlichen Rahmen vom Schadensersatz umfasst. Was den Wildschaden angehe, sei ein anderer Weg außer der Schadenfeststellung über ein Sachverständigengutachten nicht ersichtlich und vom Gesetz nicht vorgesehen. Immer dann, wenn eine Gemeinde einen Antrag nicht von vornherein zurückweise, sei der Schaden ohne gütliche Einigung zwingend durch einen Schätzer festzustellen. Dies stelle auch § 27 Abs. 1 Satz 1 AVBayJG klar. Die Schätzungskosten seien in jedem Falle Schadensersatzfeststellungskosten, die nicht dem Geschädigten auferlegt werden könnten.
II.
Die Berufung ist wegen von den Klägern ausreichend dargelegten Gründen (§ 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO) wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils zuzulassen.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestünden nur dann, wenn die Klägerseite im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Solche schlüssigen Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 19). Es reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen. Das wird zwar regelmäßig der Fall sein. Jedoch schlagen Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4/03 – juris Rn. 9).
Es ist schon ernstlich zweifelhaft, ob die Beklagte den Kläger gesamtschuldnerisch zur Kostenerstattung verpflichten konnte. Zwar muss ein Anmeldender klarstellen, ob er für sich oder für einen Dritten in Vollmacht handelt. Die Anmeldung muss jedenfalls so geartet sein, dass es sich aus ihr von selbst ergibt, wer der Berechtigte ist (Schuck in Schuck, Bundesjagdgesetz, 3. Auflage 2019, § 34 Rn. 4). Dem hat der Kläger in den hier streitgegenständlichen Schadensmeldungen nicht genügt. Die Beklagte geht aber selbst davon aus, dass der Kläger bevollmächtigter Vertreter der Klägerin/der Geschädigten ist. Dies hat sie in ihrem Schreiben vom 24. Januar „2017“ (gemeint 2018) ebenso zum Ausdruck gebracht wie in dem Aktenvermerk über den Termin vom 20. Dezember 2017. Ein Vertreter ist zur Anmeldung von Schäden berechtigt (Schuck in Schuck a.a.O.; Leonhardt, Jagdrecht in Bayern, Stand August 2021, zu § 34 BJagdG Rn. 9). Da der Kläger (hier) aber ersichtlich die als Geschädigte genannte Klägerin vertreten hat, mithin in deren Namen aufgetreten ist (vgl. § 164 Abs. 1 BGB) scheidet seine Inanspruchnahme als (nach Auffassung der Beklagten) Veranlasser einer Amtshandlung im Sinne des Art. 2 KG aus (vgl. Rott/Stengel, Verwaltungskostenrecht in Bayern, Stand 1.6.2020, Art. 2 I/66: „Ein Antrag kann durch einen Bevollmächtigten für einen anderen gestellt werden. Der Bevollmächtigte ist für seine Person nicht Veranlasser“). Soweit die Beklagte (nunmehr) ausführt, der Kläger sei „Bewirtschafter“ der betroffenen Grundstücke, sind dafür aus den vorgelegten Behördenakten hinreichende Anhaltspunkte (mit der Folge, dass der Kläger als „Geschädigter“ im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 BJagdG in Betracht kommen könnte) nicht ersichtlich. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die Beklagte dazu im Rahmen ihrer Untersuchungspflicht (vgl. Art. 24 Abs. 1 BayVwVfG) Ermittlungen getätigt hätte.
Ernstliche Zweifel bestehen auch dahingehend, ob die Beklagte die Klägerin (und den Kläger) gemäß Art. 2 Abs. 1 und Abs. 4 KG in Anspruch nehmen kann. Dem Verwaltungsgericht ist beizupflichten, dass sich bezüglich der hier im Streit stehenden Kostenverteilung in Bayern keine gesetzlichen Regelungen finden lassen (anders noch § 47 Abs. 4 AGBayJG i.d.F. 1983; nach dieser Vorschrift war der Ersatzberechtigte an den Kosten des Vorverfahrens zu beteiligen, soweit er sie unnötigerweise verursacht hat oder soweit er für die Entstehung des Schadens mitverantwortlich ist). Insbesondere scheiden (unstreitig) als Anspruchsgrundlage für die Kostenerstattungsbescheide § 25 Abs. 3, § 26 Abs. 1 Satz 1, § 26 Abs. 3 und § 27 AVBayJG (anwendbar über § 35 BJagdG und § 47a BayJG) aus. Leonhardt (Jagdrecht in Bayern, Stand August 2021, zu Art. 47a BayJG Erl. 13.1, zu § 27 AVBayJG Erl. 4) geht davon aus, dass die Erhebung von Kosten (Gebühren und Auslagen) im Rahmen des gemeindlichen Vorverfahrens allein nach Art. 20 KG möglich ist. Die Gemeinde könne – da das Vorverfahren dem eigenen Wirkungskreis zuzuordnen sei, vgl. Art. 47a Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz BayJG – Kosten erst dann erheben, wenn sie auf der Grundlage des Art. 20 Abs. 1 KG eine entsprechende Rechtsgrundlage durch Erlass einer Kostensatzung geschaffen hat. Weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass im Bereich der Beklagten die Erhebung der streitgegenständlichen Kosten in einer Kostensatzung geregelt ist. Soweit Leonhardt (a.a.O.) als „Ausweg“ die Möglichkeit nennt, eine Erstattung der Unkosten, die der Gemeinde aus der Durchführung des Vorverfahrens erwachsen (vor allem betreffend die von ihr gezahlte Entschädigung an den von ihr beigezogenen Wildschadenschätzer) könne „wohl“ dadurch erreicht werden, dass diese Kosten vom Ersatzberechtigten gegenüber der Gemeinde übernommen werden und im Vorbescheid als Rechtsverfolgungskosten ausgewiesen werden, die neben dem eigentlichen Wildschaden vom Ersatzverpflichteten an den Ersatzberechtigten zu leisten sind, konnte die Beklagte diesen Weg aufgrund der „Antragsrücknahme“ nicht beschreiten. Soweit Frank/Käsewieter (Jagdrecht in Bayern, 4. Aufl., Stand Mai 2018, zu § 27 AVBayJG) hinsichtlich der Kostenverteilung (insbesondere betreffend die Auslage der an den Wildschadenschätzer zu zahlenden Entschädigung) unter Verweis auf die in Bayern gegenwärtig fehlende gesetzliche Regelung auf Art. 20 KG nicht eingehen, vielmehr darauf hinweisen, dass die Kosten meistens unter Berücksichtigung des bisherigen Streitstands nach billigem Ermessen und im Verhältnis des gegenseitigen Obsiegens und Unterliegens verteilt würden (vgl. auch Schuck, a.a.O., § 35 BJadgG Rn. 37: Grundlage dürften §§ 91 ff. ZPO in entsprechender Anwendung sein), wäre zunächst festzuhalten, dass den streitgegenständlichen Bescheiden Ermessenserwägungen fehlen. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wäre zwar eine Ergänzung, nicht aber ein Nachholen von Ermessenserwägungen möglich (§ 114 Satz 2 VwGO). Auch hätte es für diesen Fall zwar durchaus nahegelegen, den Umstand der „Antragsrücknahme“ zulasten der Klägerin (bzw. des Klägers) zu berücksichtigen (vgl. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO, Art. 8 Abs. 2 KG). Allerdings hat die Klägerin (bzw. der Kläger) den Verzicht auf Entschädigung nicht auf zu erwartende Erfolglosigkeit gestützt, sondern auf zu befürchtende unverhältnismäßige Schätzerkosten. Zudem würde sich für diesen Fall die Frage stellen, ob die Beklagte die vom Schätzer in Rechnung gestellten 618,32 Euro fordern darf. Ein Wildschadenschätzer hat, wie sich aus § 24 Abs. 2 AVBayJG ergibt, für seine ehrenamtliche Tätigkeit gemäß Art. 85 BayVwfG einen Entschädigungsanspruch auf Ersatz von notwendigen Auslagen und Verdienstausfall. Ob der hier geforderte Betrag (Abrechnung gemäß § 9 – Sachverständigenhonorare betreffend – und § 5 JVEG) diesen Vorgaben entspricht, erschließt sich bislang nicht.
Hinzu kommt: Soweit die Beklagte ihren Bescheid auf Art. 2 Abs. 1 KG stützt, erscheint es weiter fraglich, ob die Kläger die Amtshandlung „Teilnahme eines Wildschadenschätzers an einem Ortstermin“ im Sinne der genannten Vorschrift „veranlasst“ haben. Veranlasser einer Amtshandlung und Kostenschuldner ist, wer für die Amtshandlung tatsächlich in verantwortlicher Weise ursächlich ist (Stengel/Rott, a.a.O., Art. 2 I/65). Wird eine Amtshandlung auf Antrag vorgenommen, stehen die kostenrechtliche Veranlassung und damit der Kostenschuldner, nämlich der Antragsteller fest (Stengel/Rott, a.a.O.). Es ist zweifelhaft, ob die Klägerin (bzw. der Kläger) aufgrund ihrer Schadensmeldungen als derartige Antragsteller anzusehen sind. Es liegt nicht ferne, dass sie durch die Schadensmeldungen kostenrechtlich vielmehr (lediglich) den Anstoß für die behördliche Tätigkeit gegeben haben. Insoweit ist auch in den Blick zu nehmen, dass Veranlasser neben einem Antragsteller auch ist, wer durch sein Tun, Verhalten oder Unterlassen oder durch einen von ihm selbst oder seiner Sache zu vertretenden Umstand die Amtshandlung als adäquater Verursacher auslöst (Stengel/Rott, a.a.O.). Dies könnten hier auch der/die Revierinhaber oder die Jagdgenossen sein. Gegen die Annahme, dass die Kläger die inmitten stehende Amtshandlung (Schätzertätigkeit) veranlasst, mithin kausal und zurechenbar die vom Schätzer geltend gemachten Kosten im Sinne des Art. 2 Abs. 1 KG verursacht haben, könnte darüber hinaus zudem sprechen, dass gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 KG Kosten nicht erhoben werden für Amtshandlungen, die überwiegend im öffentlichen Interesse von Amts wegen vorgenommen werden; sind sie von einem Beteiligten veranlasst, so sind ihm dafür die Kosten aufzuerlegen, soweit dies der Billigkeit nicht widerspricht. Dafür, dass hier die streitgegenständliche Kostenverursachung auf einer Amtshandlung beruht, die überwiegend den öffentlichen Interessen von Amts wegen vorgenommen wird, könnte sprechen, dass gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 AVBayJG Wild- und Jagdschäden gerichtlich erst dann geltend gemacht werden können, wenn ein Vorverfahren bei der zuständigen Gemeinde durchgeführt worden ist. Die Gemeinde ist sodann verpflichtet unverzüglich einen Schätzungstermin am Schadensort anzuberaumen, zudem ist ein Schätzer zu laden, wenn ein Beteiligter dies beantragt, eine gütliche Einigung nicht zu erwarten ist oder wenn andere Gründe es erfordern (§ 26 Abs. 1 Satz 3 BayJG). Die Durchführung des Vorverfahrens stellt mithin eine öffentlich-rechtliche Aufgabe der Gemeinde dar, die Ladung des Schätzers entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Insbesondere soll (zur Erreichung einer gütlichen Einigung der Beteiligten) § 26 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 AVBayJG sicherstellen, dass die Beteiligten vor Ort (hier unter Einbeziehung des Sachverständigen) fundierte Feststellungen treffen und Aussagen tätigen können. Damit dient die Besichtigung des Schadensortes (vgl. § 26 Abs. 1 Satz 1 AVBayJG) auch als Grundlage für einen Vorbescheid (§ 27 Abs. 3 Satz 1 AVBayJG) mit zutreffenden tatsächlichen Feststellungen. Mithin ist, wenn eine Gemeinde den Antrag nicht als offensichtlich unbegründet gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 AVBayJG zurückweist, der Schaden – wenn keine gütliche Einigung zustande kommt – zwingend durch einen Schätzer festzustellen (§ 27 Abs. 1 Satz 1 AVBayJG). Auch dies könnte dafür sprechen, dass die Schätzerkosten im Grundsatz als erforderliche Schadensfeststellungskosten in Betracht kommen, die entweder von Amts wegen im öffentlichen Interesse entstanden sind (was grundsätzlich eher ferne liegt, allerdings fehlen insoweit jegliche Erwägungen der Beklagten), oder aber gemäß § 35 BJagdG (ggf. auch) dem Jagdpächter oder der Jagdgenossenschaft als Veranlasser aufzuerlegen sind. Dies könnte hier auch ggf. deshalb als nicht unbillig eingeschätzt werden, da der Schätzer am Ortstermin am 20. Dezember 2020 einen Schaden (von 100,- Euro) festgestellt hat (die nicht mehr herangezogene Schätzerin beim Ortstermin vom 25.7.2017 hatte einen Schaden von 400,- Euro festgestellt). Soweit § 29 Abs. 2 Satz 2 AVBayJG (Kostenentscheidung über die Kosten des Vorverfahrens nach billigem Ermessen) hier gegebenenfalls sinngemäß Anwendung finden könnte, könnte es ebenfalls als eher unbillig anzusehen sein, wenn ein Geschädigter (auch wenn – wie hier – der Antrag auf Entschädigung wegen zu erwartender hoher zusätzlicher Schätzerkosten zurückgezogen wurde) mit Kosten in 6-facher Höhe des (voraussichtlich) entstandenen Schadens überzogen würde. Erwägungen im Rahmen der Ausübung billigen Ermessens hätten ggf. (unter Berücksichtigung und Abwägung der vorherigen Ausführungen) eine Aufteilung der abrechenbaren Schätzerkosten dahingehend in den Blick nehmen können, dass der/die Jagdpächter bzw. die Jagdgenossenschaft (es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, ob Regelungen zwischen dem/den Jagdpächter(n) und der Jagdgenossenschaft über eine Kostentragung bestehen) einen Teil der Kosten – orientiert am grob festgestellten Schaden (Schätzerin: 400,- Euro, Schätzer: 100,- Euro) zu übernehmen haben.
Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine Inanspruchnahme der Klägerin bzw. des Klägers gemäß Art. 2 Abs. 1 a. E. KG in Betracht kommen könnte, weil die Amtshandlung in deren Interesse (ohne Vorliegen einer Veranlasserstellung) vorgenommen wurde (zu den Voraussetzungen im einzelnen Stengel/Rott, a.a.O., I/74) haben sich nicht ergeben.
Offen bleibt schließlich, ob den Klägern ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein Begehren auf Erlass eines Kostenanspruchs gem. Art. 16 Abs. 2 Satz 1 KG zustehen könnte (vgl. dazu BayVGH, U.v. 18.2.2013 – 10 B 10.1028 – juris).
Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) kommt schon mangels Erfüllung des Darlegungsgebots (§ 124a Abs. 4 Satz 5 VwGO) nicht in Betracht.


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