Arbeitsrecht

Zur Beschwerdeberechtigung eines Versorgungsträgers bei Missachtung seiner rechtlichen Stellung

Aktenzeichen  7 UF 646/17

Datum:
22.6.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2018, 96
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VKVV § 3 Abs. 2 S. 1
VersAusglG § 10 Abs. 1 S. 2
FamFG § 58, § 59 Abs. 1
FamGKG § 20 Abs. 1, § 50 Abs. 1 S. 2

 

Leitsatz

Wird bei einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich übersehen, dass für den ausgleichsberechtigten Ehegatten bereits ein Versicherungskonto in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht und deshalb angeordnet, dass bei einem anderen Versorgungsträger ein Konto zu begründen ist, berechtigt dies die beteiligten Versorgungsträger zur Beschwerde.
2 Die Beschwerdeberechtigung eines Versorgungsträgers ergibt sich bereits dann, wenn der Versorgungsausgleich mit einem im Gesetz nicht vorgesehenen Eingriff in seine Rechtsstellung verbunden ist, welche nicht nur vorliegen kann, wenn Versorgungsanrechte bei ihm abgezogen oder gutgeschrieben werden, sondern auch dann, wenn ein bei ihm bestehendes Anrecht zu Unrecht nicht in den Ausgleich einbezogen wird oder der Ausgleich unzutreffenderweise nicht zu Gunsten eines bei ihm bestehenden Versicherungskontos des Ausgleichsberechtigten erfolgt (im Anschluss an BGH BeckRS 2012, 08203; BeckRS 2009, 09321; BeckRS 2000, 02756). Diese Grundsätze gelten nicht nur für öffentlich-rechtliche Versorgungsträger, sondern auch für die Träger der betrieblichen Altersvorsorge, die Träger der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes oder private Versorgungsträger (im Anschluss an BGH BeckRS 2012, 24893). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

001 F 514/16 2017-05-04 Bes AGSTRAUBING AG Straubing

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung B… S… wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Straubing vom 04.05.2017 in Ziffer 2 (Entscheidung zum Versorgungsausgleich) zur Entscheidung über den Ausgleich des von der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung B… S… erworbenen Anrechts abgeändert und neu gefasst wie folgt:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung B… S… (Vers.-Nr. …) zu Gunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 16,6070 Entgeltpunkten auf sein Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung B… S… (Vers.-Nr. …), bezogen auf den 30.06.2016, übertragen.
2. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller, geboren am …, und die Antragsgegnerin, geboren am …, schlossen am 02.06.1978 die Ehe.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 01.06.2016 hat der Antragsteller bei dem Amtsgericht – Familiengericht – Straubing Scheidungsantrag einreichen lassen, welcher der Gegenseite am 13.07.2016 zugestellt worden ist.
In der Zeit vom 01.06.1978 bis 30.06.2016 hat der Antragsteller Versorgungsanrechte bei der L… A… erworben. Die Antragsgegnerin hat Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung und bei der L… A… erworben.
Mit Auskunft vom 30.01.2017 hat die Deutsche Rentenversicherung B… S… den Ehezeitanteil des von der Antragsgegnerin bei ihr erworbenen Anrechts mit 33,2139 Entgeltpunkten mitgeteilt und einen Ausgleichswert von 16,6070 Entgeltpunkten, korrespondierender Kapitalwert 112.627,49 Euro, vorgeschlagen.
Die Deutsche Rentenversicherung B … S… hat – unter der Versicherungsnummer … – mit Auskunft vom 19.09.2016 mitgeteilt, dass der Antragsteller bei ihr in der Zeit vom 01.06.1978 bis 30.06.2016 keine Anrechte erworben habe.
Das Amtsgericht – Familiengericht – Straubing hat mit Endbeschluss vom 04.05.2017 die am 02.06.1978 geschlossene Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich wie folgt durchgeführt:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers bei der L…) zu Gunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe einer Steigerungszahl von 15,9103, bezogen auf den 30.06.2016, übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung B… S… (Vers.-Nr….) zu Gunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 16,6070 Entgeltpunkten auf ein zu begründendes Konto bei der Deutschen Rentenversicherung B…, bezogen auf den 30.06.2016, übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der L… (Vers.-Nr. …) zu Gunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe einer Steigerungszahl von 11,1206, bezogen auf den 30.06.2016, übertragen.
Gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich, welche ihr am 11.05.2017 zugestellt worden ist, hat die Deutsche Rentenversicherung B… S… mit Schriftsatz vom 16.05.2017, eingegangen bei dem Amtsgericht Straubing am 24.05.2017, Beschwerde eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, sie sei zuständige Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung für den Antragsteller. Dieser habe bei ihr unter der Nummer … bereits ein Versicherungskonto. Der Ausgleich des von der Antragsgegnerin bei ihr erworbenen Anrechts hätte deshalb zu Gunsten des für den Antragsteller bei ihr, der Beschwerdeführerin, bestehenden Kontos durchgeführt werden müssen.
Den übrigen Verfahrensbeteiligten ist rechtliches Gehör eingeräumt worden.
Der Ankündigung des Senats, ohne mündliche Anhörung zu entscheiden, haben sie zugestimmt bzw. nicht widersprochen.
II.
Die Beschwerde führt zu der von der Beschwerdeführerin begehrten Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung zum Versorgungsausgleich.
1. Die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung B… S… ist gemäß §§ 58 ff. FamFG statthaft und zulässig.
1.1. Die Beschwerdeführerin ist gemäß § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdeberechtigt. Die Beschwerdeberechtigung eines Versorgungsträgers ergibt sich bereits dann, wenn der Versorgungsausgleich mit einem im Gesetz nicht vorgesehenen Eingriff in seine Rechtsstellung verbunden ist, welche nicht nur vorliegen kann, wenn Versorgungsanrechte bei ihm abgezogen oder gutgeschrieben werden, sondern auch dann, wenn ein bei ihm bestehendes Anrecht zu Unrecht nicht in den Ausgleich einbezogen wird oder der Ausgleich unzutreffenderweise nicht zu Gunsten eines bei ihm bestehenden Versicherungskontos des Ausgleichsberechtigten erfolgt (vgl. BGH FamRZ 2012, 851; FamRZ 2009, 853; FamRZ 2000, 746). Diese Grundsätze gelten nicht nur für öffentlich-rechtliche Versorgungsträger, sondern auch für die Träger der betrieblichen Altersvorsorge, die Träger der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes oder private Versorgungsträger (BGH FamRZ 2013, 207).
1.2. Die Beschwerdeführerin hat ihr Rechtsmittel wirksam auf eine Korrektur der Ausgleichsentscheidung des von der Antragstellerin in der Ehezeit bei ihr erworbenen Anrechts beschränkt (vgl. BGH FamRZ 2011, 547). Dies hat zur Folge, dass der Senat die Entscheidung des Amtsgerichts nur in dem hierdurch eröffneten Rahmen zu überprüfen hat. Eine Überprüfung der Entscheidung zu den übrigen Anrechten der Ehegatten erfolgt dagegen nicht.
2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Die interne Teilung eines Anrechts erfolgt gemäß § 10 Abs. 1 S. 2 VersAusglG durch richterlichen Gestaltungsakt. Dieser muss den ausgleichspflichtigen Ehegatten, den Versorgungsträger des auszugleichenden Anrechts, die Höhe des Ausgleichsbetrages, die Bezugsgröße, in welcher das Anrecht auszugleichen ist, und den Zeitpunkt, zu welchem der Ausgleich durchzuführen ist, bezeichnen.
Der Ausgleichsberechtigte muss grundsätzlich nur in konkret identifizierbarer Weise bezeichnet werden, da die interne Teilung bei dem Versorgungsträger durchzuführen ist, bei dem das auszugleichende Anrecht besteht.
Sind Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung auszugleichen, ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Träger der Rentenversicherung einerseits regional als eigenständige öffentlich-rechtliche Körperschaften organisiert sind, andererseits die gesetzliche Rentenversicherung aber ein einheitliches Gesamtsystem darstellt. Bei der Anordnung der internen Teilung eines Anrechts in der gesetzlichen Rentenversicherung muss deshalb neben dem ausgleichsberechtigten Ehegatten auch der regionale Träger der Rentenversicherung bezeichnet werden, bei welchem das Anrecht zu Gunsten des Ausgleichsberechtigten übertragen werden soll. Besteht für den Ausgleichsberechtigten bei einem regionalen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bereits ein Versicherungskonto, muss der Ausgleich zu Gunsten dieses Versicherungskontos erfolgen, weil jeder Versicherte im System der gesetzlichen Rentenversicherung stets nur ein Versicherungskonto haben darf, § 149 SGB IV.
Wie sich aus der Auskunft der Beschwerdeführerin für den Antragsteller vom 19.09.2016 – auch – ergibt, besteht für diesen bei der Beschwerdeführerin bereits ein Versicherungskonto mit der Versicherungsnummer … . Der Ausgleich des von der Antragsgegnerin in der Ehezeit bei der Beschwerdeführerin erworbenen Anrechts muss daher zu Gunsten dieses Versicherungskontos erfolgen. Die Deutsche Rentenversicherung B… durfte, da der Antragsteller bereits über ein Versicherungskonto bei der Deutschen Rentenversicherung B… S… verfügte, nicht angewiesen werden, zur Durchführung des Ausgleichs ein Versicherungskonto für den Antragsteller zu begründen, welches die Deutsche Rentenversicherung Bund gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 VKVV sofort wieder hätte sperren müssen.
Für die Durchführung des Ausgleichs ist von den von der Beschwerdeführerin mitgeteilten Werten auszugehen. Keiner der Beteiligten hat gegen diese Werte Einwendungen erhoben. Auch der Senat kann Fehler bei ihrer Berechnung nicht feststellen.
Im Wege der internen Teilung sind deshalb zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der Beschwerdeführerin zu Gunsten des Antragstellers auf das für ihn bei der Beschwerdeführerin bestehende Konto 16,6070 Entgeltpunkte zu übertragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 20 Abs. 1 FamGKG, 150 FamFG.
Die Entscheidung zum Verfahrenswert beruht auf §§ 40, 50 Abs. 1 FamGKG.
Auszugehen ist von den Nettoeinkünften, welche die beteiligten Ehegatten in einem Zeitraum von drei Monaten erzielen. Die Ehegatten haben ihre monatlichen Nettoeinkünfte mit insgesamt 2.568,27 Euro angegeben. Das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen beträgt danach 7.704,81 Euro. Der Verfahrenswert für das Versorgungsausgleichsverfahren beträgt grundsätzlich 10% des von den Ehegatten in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens für jedes von der Entscheidung betroffene Anrecht. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war ein Anrecht, weshalb sich rechnerisch ein Verfahrenswert von 770,- Euro ergäbe. Gemäß § 50 Abs. 1 S. 2 FamGKG beträgt der Verfahrenswert in Versorgungsausgleichssachen, dies betrifft auch das Beschwerdeverfahren, jedoch mindestens 1.000,- Euro.
Gegen diese Entscheidung findet ein Rechtsmittel nicht statt, weil die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde nicht vorliegen.


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