Arbeitsrecht

Zurückweisung einer sofortiger Beschwerde gegen Kostenfestsetzungsbeschluss im Verfassungsbeschwerdeverfahren: Keine Festsetzung einer Erhöhungsgebühr gem Anl 1 Teil 1 Nr 1008 GVG bei anwaltlicher Vertretung mehrerer Beschwerdeführer, die sich gegen denselben Akt der öffentlichen Gewalt wenden

Aktenzeichen  1 BvR 2736/08

Datum:
27.10.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 34a BVerfGG
§ 11 Abs 1 RPflG
§ 14 Abs 1 RVG
§ 37 Abs 2 S 2 RVG
Anl 1 Teil 1 Nr 1008 RVG
§ 104 Abs 2 S 1 ZPO
§ 567 Abs 2 ZPO
§ 91 ZPO
Spruchkörper:
1. Senat 1. Kammer

Verfahrensgang

vorgehend BVerwG, 19. August 2008, Az: 4 A 1001/08 (4 A 1025.06), Beschlussvorgehend BVerwG, 2. Juli 2008, Az: 4 A 1025/06 (4 A 1010.04), Beschlussvorgehend BVerfG, 23. Februar 2010, Az: 1 BvR 2736/08, Stattgebender Kammerbeschluss

Gründe

I.
1
Die beiden Beschwerdeführer haben mit Erfolg Verfassungsbeschwerde gegen die Höhe der Entschädigung erhoben, die ihnen für
die Übernahme ihres Grundstücks, das in einem für den Ausbau des Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld festgelegten Entschädigungsgebiet
liegt, zugestanden wurde. Mit Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 23. Februar 2010 hob das Bundesverfassungsgericht
den letztinstanzlichen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts wegen Verletzung des Eigentumsrechts der Beschwerdeführer auf
(NVwZ 2010, S. 512) und verwies die Sache zurück an das Bundesverwaltungsgericht. Die Bundesrepublik Deutschland wurde verpflichtet,
die notwendigen Auslagen der Beschwerdeführer zu tragen. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit wurde auf 145.000
€ festgesetzt.

2
Der Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführer beantragte im Kostenfestsetzungsverfahren auf Grundlage eines Gegenstandswerts
von 145.000 € die Kosten für das anwaltliche Tätigwerden vor dem Bundesverfassungsgericht zu erstatten. Neben der – nicht
in Streit stehenden – Verfahrensgebühr und Auslagenpauschale wurde die Festsetzung einer Erhöhungsgebühr mit einem Satz von
0,3 in Höhe von 475,50 € beantragt. Die Erhöhungsgebühr sei nach dem Gebührentatbestand der Nr. 1008 des Vergütungsverzeichnisses
des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (nachfolgend: VV-RVG) zu berücksichtigen, da in dieser Sache mehrere Auftraggeber vorhanden
gewesen seien und der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe gewesen sei. Letzteres sei der Fall, wenn mehrere Parteien
ein einheitliches Recht in gemeinschaftlicher Trägerschaft geltend machten. So seien im Streitfall die beiden Beschwerdeführer
durch den angefochtenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts in ihrer Eigentümerstellung an ein und derselben Sache verletzt
worden. Das betroffene Grundstück stehe in gemeinschaftlicher Trägerschaft der Beschwerdeführer.

3
Die Rechtspflegerin wies in ihrem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 8. September 2010 den Antrag auf Festsetzung einer Erhöhungsgebühr
zurück. Im Verfahren der Verfassungsbeschwerde bestimme die subjektive Beschwer der jeweiligen Beschwerdeführer den Gegenstand
des Verfahrens. Es komme insoweit bei mehreren Beschwerdeführern nur eine Erhöhung des Gegenstandswerts, jedoch keine Festsetzung
einer Erhöhungsgebühr in Betracht.

4
Gegen die teilweise Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags haben die Beschwerdeführer fristgerecht sofortige Beschwerde
eingelegt und auf ihre bisherige Begründung verwiesen. Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II.
5
Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

6
Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin erhobene sofortige Beschwerde ist nach § 104 Abs. 3 Satz 1,
§ 567 Abs. 2 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthaft. In Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beruht die Entscheidung über
die Erstattung der notwendigen Auslagen auf § 34a BVerfGG. Diese Regelung schließt es jedoch nicht aus, ergänzend Grundsätze
des sonstigen Prozessrechts heranzuziehen, soweit dem nicht Besonderheiten des verfassungsgerichtlichen Verfahrens entgegen
stehen (vgl. BVerfGE 46, 321 ; 50, 254 ; 81, 387 , 89, 313 ; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten
Senats vom 31. Juli 2008 – 2 BvR 274/03, 2 BvR 937/03 -, NJW 2008, S. 3207). Im Regelfall spricht nichts dagegen, die Grundsätze
des § 91 ZPO entsprechend anzuwenden (vgl. BVerfGE 50, 254 ; 89, 313 ); eine schematische Anwendung der Regelungen
der ZPO kommt indes nicht in Betracht (vgl. BVerfGE 46, 321 ).

7
Eine – nach § 22 BVerfGG vor dem Bundesverfassungsgericht zulässige – Vertretung durch einen Rechtsanwalt lässt dann eine
Erhöhungsgebühr entstehen, wenn ein Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit für mehrere Beschwerdeführer tätig wird und wenn
der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist (Nr. 1008 VV-RVG).

8
Eine solche Identität des Gegenstands ist indes nicht gegeben, wenn Verfassungsbeschwerden mehrerer Auftraggeber sich gegen
denselben Akt der öffentlichen Gewalt wenden. Der Gegenstand des Verfahrens wird durch die jeweilige subjektive verfassungsrechtliche
Beschwer jedes einzelnen Beschwerdeführers bestimmt. Der über das subjektive Interesse jedes Beschwerdeführers hinausgehenden
objektiven Bedeutung des Verfahrens wird in solchen Verfahren gegebenenfalls durch eine Erhöhung des Gegenstandswerts im Rahmen
der Festsetzung nach § 37 Abs. 2 Satz 2, § 14 Abs. 1 RVG Rechnung getragen (vgl. BVerfGE 96, 251 ; BVerfG, Beschluss
des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Juni 2000 – 1 BvR 1864/94 -, NJW-RR 2001, S. 139; Graßhof, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge,
BVerfGG, § 34a Rn. 79 ). So liegt es im Streitfall. Die beiden Beschwerdeführer haben mit der Verfassungsbeschwerde
die Verletzung ihres jeweiligen Eigentumsrechts an dem gemeinsamen Grundstück gerügt und damit unterschiedliche Verfahrensgegenstände
begründet.

9
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben