Bankrecht

Abfindung, Gesellschaft, Gesellschafter, Berufung, Pflichteinlage, Darlehen, Frist, Gesellschafterbeschluss, Treugeber, Zahlung, Gesellschafterversammlung, Widerrufsfrist, Auslegung, Treuhandkommanditist, angemessene Frist, Ruhen des Verfahrens, Wiederaufnahme des Verfahrens

Aktenzeichen  8 O 19823/17

Datum:
4.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 55724
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, die Nebenintervenienten tragen die durch die Nebenintervention verursachten Kosten selbst.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 8.420,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist als unbegründet abzuweisen.
I.
Die Klage ist zulässig. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus §§ 12, 13 ZPO. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 23, 71 GVG.
II.
Die Klage ist (endgültig) unbegründet.
1. Die Klage ist unbegründet, da zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Beklagten am 31.12.2014 keine „rückständige Einlage“ mehr bestand, sodass in Ermangelung eines weiteren Gesellschafterbeschlusses im Sinne des § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags neuer Fassung der Beklagte nicht über die von ihm bereits erbrachte Einlage hinaus am Verlust der Gesellschaft teilnimmt. Auch ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung einer Bearbeitungsgebühr von 500,00 € infolge seines Ausscheidens zum 31.12.2014 besteht nicht. Das Gericht macht sich die überzeugenden aktuellen Ausführungen des Oberlandesgerichts München, Urteil vom 27.05.2020, Az. 7 U 594/20, BeckRS 2020, 11625) zu Eigen, die auf den vorliegenden Fall passen.
a) Demnach gilt, dass da die Verluste der Gesellschaft entsprechend dem Verlustanteil des Gesellschafters abzuschreiben sind, sein Kapitalkonto grundsätzlich negativ werden kann. Dies bedeutet für den Kommanditisten nach § 167 Abs. 3 HGB jedoch nur, dass er in Ermangelung besonderer Abreden oder Beschlüsse der Gesellschafter grundsätzlich nicht nachschusspflichtig ist und auch die §§ 735, 738 BGB nicht gelten, so dass er gegenüber den Mitgesellschaftern nicht ausgleichspflichtig werden kann. Er verliert allenfalls seinen (bislang) positiven Kapitalanteil und hat bei Verlusten der Gesellschaft, die den Kapitalanteil übersteigen, maximal die rückständige Pflichteinlage sowie die rückzahlbaren Entnahmen zu leisten. Die Haftsumme spielt keine Rolle.
Da im streitgegenständlichen Fall unstreitig keine rückzahlbaren Entnahmen vorgenommen wurden, muss der Beklagte maximal eine etwaige noch rückständige Pflichteinlage leisten.
Das Oberlandesgericht München hat bezüglich der hiermit aufgeworfenen Problematik bereits entschieden, dass nach § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags alter Fassung die Pflichteinlage 100 % des Zeichnungsbetrages (und damit im streitgegenständlichen Fall 100.000,00 €) betrug. Die in § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags alter Fassung getroffene Regelung war nur eine Fälligkeitsregelung, mit der 45 % der Pflichteinlage zunächst gestundet und damit nicht zur Zahlung durch die Kommanditisten an die Gesellschaft fällig wurden. Denn dort war eine dahingehende Teilung des Pflichteinlagebetrages vorgesehen, dass 55 % „der Pflichteinlage“ zuzüglich eines Agios als Geldeinlage zu zahlen waren, wobei die diesbezügliche Fälligkeit sich aus der Beitrittserklärung und § 4 Ziffer 5. Abs. 1 S. 1 des Gesellschaftsvertrags ergab. Die in § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags ausdrücklich genannten weiteren „45 % der Pflichteinlage“ sollten demnach nach Vorliegen bestimmter Voraussetzungen erst später „fällig“ und durch Verrechnung mit erwirtschafteten und zur Ausschüttung anstehenden Gewinnen durch den Gesellschafter geleistet werden.
Weiter hat das Oberlandesgericht München bereits entschieden, dass mit der Neufassung des § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags durch den Gesellschafterbeschluss vom 24.07.2012 weitere 6 % des jeweiligen Zeichnungsbetrages zur Zahlung durch die Kommanditisten als Teil der Pflichteinlage fällig gestellt wurden, die diesbezügliche Stundung also beendet wurde. Dieser Betrag von 6.000,00 € wurde vom Beklagten unstreitig bezahlt.
Die Frage welche Regelung die Gesellschafter mit ihrem Beschluss vom 24.07.2012 bezüglich der restlichen 39 % der Zeichnungssumme getroffen haben, wurde vom Oberlandesgericht München im Parallelverfahren zutreffend dahingehend entschieden, dass die Gesellschafter durch § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags neuer Fassung § 167 Abs. 3 HGB dahingehend abbedungen haben, dass der von den Gesellschaftern noch nicht geleistete Teil ihrer Pflichteinlage nur soweit „rückständig“ im Sinne des § 167 Abs. 3 HGB sein soll, als durch Gesellschafterbeschluss von den Gesellschaftern die Zahlung des noch ausstehenden Teils ihrer Pflichteinlage verlangt, diese also fällig gestellt wurde.
Dies ergibt sich aus der objektiven Auslegung des Gesellschaftsvertrags der Klägerin als Publikumsgesellschaft.
Ausgangspunkt der Auslegung hat dabei der Wortlaut des § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags neuer Fassung zu sein. Dieser deutet darauf hin, dass die restlichen 39 % der Zeichnungssumme weiterhin Teil der Pflichteinlage sein sollen, mit der Folge, dass auch sie nur gestundet wären, da ausdrücklich vom „Rest der ausstehenden Pflichteinlage“ die Rede ist. Von einer Kapitalherabsetzung ist in der Neufassung des § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags dagegen nicht die Rede. Eine solche wäre bei der im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigenden Interessenlage der Gesellschafter auch nicht interessengerecht, da Anlass der Neufassung des § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags gerade ein weiterer Liquiditätsbedarf der Gesellschaft war. In einer solchermaßen angespannten finanziellen Situation kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Gesellschafter eine Kapitalherabsetzung um 39 % beschließen und der Gesellschaft damit die Möglichkeit zukünftiger Eigenkapitalbeschaffung nehmen.
Damit würde der Beklagte nach der Rechtsprechung des BGH zum Begriff der „rückständigen Einlage“ im Sinne des § 167 Abs. 3 HGB, wonach eine noch offene Einlageverpflichtung (wie hier die restlichen 39 % der Zeichnungssumme) unabhängig von ihrer Fälligkeit eine „rückständige Einlage“ im Sinne des § 167 Abs. 3 HGB darstellt, grundsätzlich bis zur vollen Höhe ihrer Pflichteinlage am Verlust der Gesellschaft teilnehmen.
Dieses Ergebnis wäre jedoch nicht interessengerecht und widerspräche dem sich unmittelbar aus der Regelung ergebenden Zweck des § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags neuer Fassung. Dieser soll nämlich sicherstellen, dass über eine weitere Inanspruchnahme der Kommanditisten nicht – wie im Fall der eigens bezeichneten 6 % – die Geschäftsführung der Gesellschaft entscheiden kann, sondern es dazu immer eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedarf. Da dem Wortlaut des § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags neuer Fassung keine Differenzierung zwischen nach dem Beschluss vom 24.07.2012 ausgeschiedenen Gesellschaftern wie dem Beklagten einerseits und weiterhin in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschaftern andererseits zu entnehmen ist, erstreckt sich der durch die Vorschrift bezweckte Schutz auch auf beide Gruppen gleichermaßen. Beide Gruppen sollen also nur dann weiter in Anspruch genommen werden können, wenn die Gesellschafter dies durch einen weiteren Beschluss für notwendig erachtet haben. Dieses sich schon aus dem Wortlaut des § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags ergebende mit dem Beschluss vom 24.07.2012 verfolgte Ziel der Gesellschafter konnten diese hinsichtlich der Gruppe der nach dem 24.07.2012 ausscheidenden Gesellschafter nur durch eine teilweise Abbedingung des – wie sich aus § 163 HGB ergibt – dispositiven § 167 Abs. 3 HGB dahingehend erreichen, dass der von den Gesellschaftern noch nicht geleistete Teil ihrer Pflichteinlage nur insoweit „rückständig“ im Sinne des § 167 Abs. 3 HGB sein soll, als durch einen weiteren Gesellschafterbeschluss von den Gesellschaftern die Zahlung des noch ausstehenden Teils ihrer Pflichteinlage verlangt wird. Denn nur so wird verhindert, dass ein ausscheidender Gesellschafter ohne weiteren Gesellschafterbeschluss trotz vollständiger Einzahlung des bisher fällig gestellten Teils der Pflichteinlage noch darüber hinaus am Verlust der Gesellschaft teilnimmt. Ohne diese partielle Abbedingung des § 167 Abs. 3 HGB würde einem ausscheidenden Gesellschafter der Schutz des Erfordernisses eines Gesellschafterbeschlusses für jede weitere Inanspruchnahme entzogen. Denn beim Ausscheiden eines Gesellschafters würde sich in diesem Fall bei Vorliegen eines negativen Kapitalkontos – auf welcher Berechnungsgrundlage auch immer – allein dadurch eine weitere Inanspruchnahme des ausscheidenden Gesellschafters ergeben, ohne dass hierüber zuvor ein Gesellschafterbeschluss herbeigeführt worden wäre.
Soweit die Klägerin von einer Einlageforderung von noch 39 % der Zeichnungssumme ausgeht, ist ihr deshalb entgegen zu halten, dass in dieser Höhe eine rückständige Einlage nicht besteht, da es an einem entsprechenden Gesellschafterbeschluss, der jedoch aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelung erforderlich wäre, fehlt. Festzuhalten ist aber auch, dass nach Ausscheiden des Beklagten eine Einlageforderung in oben genannter Höhe auch nicht aufgrund eines künftigen Gesellschafterbeschlusses mehr gegenüber dem Beklagten geltend gemacht werden kann, da diesem eine Mitwirkung bei der Beschlussfassung nach Ausscheiden verwehrt ist.
Da im streitgegenständlichen Fall ein Beschluss der Gesellschafterversammlung über eine weitere Inanspruchnahme der Gesellschafter aber unstreitig nicht gefasst wurde, besteht aufgrund der vom Beklagten bereits erbrachten Zahlung von insgesamt 61 % der Zeichnungssumme keine „rückständige Einlage“ mehr, sodass der Beklagte als Kommanditist nicht mehr am Verlust der Gesellschaft teilnimmt und deshalb ein etwaiges negatives Kapitalkonto auch nicht ausgleichen muss.
Da demnach schon dem Grunde nach ein Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten nicht besteht, kommt es auf die Frage, ob vorab ein Schiedsgutachten zur Höhe des negativen Abfindungsguthabens zu erholen gewesen wäre, nicht an. Auch das als Anl. K6 vorgelegte, im Verfahren des Landgerichts München I, Az. 11 O 19833/17, erholte Sachverständigengutachten spielt daher im streitgegenständlichen Verfahren keine Rolle.
b) Bezüglich der von der Klägerin vom Beklagten verlangten Gebühr in Höhe von 500,00 € war die Klage ebenfalls abzuweisen. § 18 S. 2 des Gesellschaftsvertrags sieht nämlich nur vor, dass, soweit ein Beteiligungsinteressent oder Treugeber ins Handelsregister eingetragen werden soll, er die Kosten der Beglaubigung der Handelsregistervollmachten, Handelsregistereintragungen und möglicher Änderungen zu tragen hat. Derartige Register- und/oder Beglaubigungskosten hat die Klägerin aber zum Hauptantrag nicht vorgetragen. Vielmehr ist im Anschreiben der Steuerberaterin (Anlage K4, S. 3) davon die Rede, dass bei Ausscheidensfällen von ehemaligen Mitgesellschaftern pauschal 500,00 € pro Ausscheidensfall zu ersetzen seien. Derartige Kosten sind aber schon nicht vom Wortlaut der Regelung des § 18 S. 2 des Gesellschaftsvertrags gedeckt. Der Beklagte hat zudem eine Vereinbarung über eine Pauschalzahlung von 500,00 € im Zusammenhang mit seinem Ausscheiden wirksam bestritten. Die Klägerin ist in Bezug auf die entsprechende Behauptung beweisfällig geblieben.
Auch kann nicht der zum Hilfsantrag berechnete Betrag von 276,80 € im Rahmen des Hauptantrags in Ansatz gebracht werden. Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Austragung des Beklagten aus dem Handelsregister in Höhe von 276,80 € zu. Als Anspruchsgrundlage einzig infrage käme § 18 S. 2 des Gesellschaftsvertrages. Demnach gilt, dass „soweit ein Beteiligungsinteressent oder Treugeber ins Handelsregister eingetragen werden soll, er die Kosten der Beglaubigung der Handelsregistervollmachten, Handelsregistereintragungen und mögliche Änderungen zu tragen hat“. Hieraus folgt jedoch kein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Austragung des Beklagten aus dem Handelsregister. Hierfür spricht bereits der Wortlaut von § 18 S. 2 des Gesellschaftsvertrages. So ist nur von Kosten der Beglaubigung der Handelsregistervollmachten, Handelsregistereintragungen und möglicher Änderungen die Rede. Löschungen aus dem Handelsregister sind nicht erwähnt und auch nicht unter den Begriff der „Änderungen“ zu subsumieren. Dies folgt auch daraus, dass Adressaten der Regelung des § 18 S. 2 des Gesellschaftsvertrages „Beteiligungsinteressenten oder Treugeber“ sind. Der Begriff des „Beteiligungsinteressenten“ macht deutlich, dass die Regelung lediglich Kosten vor Abschluss der Beteiligung betrifft. Der Beklagte war im Zeitpunkt der Löschung des Beklagten aus dem Handelsregister weder „Beteiligungsinteressent“ noch „Treugeber“ im Sinne von § 18 S. 2 des Gesellschaftsvertrages, sondern bereits im Handelsregister eingetragener Direktkommanditist (vgl. Anlage K1). Aus § 18 S. 2 des Gesellschaftsvertrages folgt damit kein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Erstattung von Kosten für die Austragung des Beklagten aus dem Handelsregister.
2. Mangels Hauptanspruch besteht auch kein Zinsanspruch.
3. Über die Hilfsanträge war nicht zu entscheiden, da die Klage als endgültig unbegründet abgewiesen wurde und es auf die Anwendbarkeit des § 23 Ziffer 6 S. 2 des Gesellschaftsvertrags (Schiedsklausel) nicht ankam. Die Bedingung der Hilfsanträge ist damit nicht eingetreten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 S. 2 ZPO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, S. 2, 711 S. 1, S. 2 ZPO.
V.
Der Streitwert war nach § 63 Abs. 2 GKG festzusetzen und beruht auf § 3 ZPO.


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