Bankrecht

Anforderungen an Widerrufsbelehrung

Aktenzeichen  32 O 2715/19

Datum:
13.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46234
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 355 Abs. 2 S. 1,§ 488 Abs. 1 S. 2, § 492 Abs. 2, § 495 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 502 Abs. 3
EGBGB  Art. 247 § 6 Abs. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 3

 

Leitsatz

Für die nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB erforderliche Information über die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung ist die Angabe einer konkreten Berechnungsformel neben der Nennung einer Obergrenze nicht erforderlich.  (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klage ist zulässig.
1. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I folgt bereits aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses, § 281 ZPO.
2. Der Hauptantrag zu Ziffer 1 ist zulässig, insbesondere besteht das erforderliche Feststellungsinteresse. Da die Beklagte die Wirksamkeit des Widerrufs in Abrede stellt, berühmt sie sich vertraglicher Erfüllungsansprüche. Die Klagepartei muss sich insoweit nicht auf den Vorrang der Leistungsklage verweisen lassen. Denn diese bezieht sich auf die Rückgewähr der bis zum Widerruf erbrachten Leistungen, wohingegen sich die begehrte Feststellung, dass die Beklagte ab Zugang der Widerrufserklärung keine Ansprüche mehr auf Vertragszins und vertragsgemäße Tilgung hat, nicht mit der Leistungsklage abbilden lässt (vgl. BGH, Urteil vom 16.05.2017 – XI ZR 586/15). Letztlich kommt es hierauf aber auch nicht entscheidend an, da die Klage jedenfalls in der Sache abzuweisen ist.
II.
Die Klage ist nicht begründet.
Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu, da er den Kreditvertrag nicht wirksam widerrufen hat.
Dem Kläger stand zwar nach §§ 495 Abs. 1, 491 Abs. 1 BGB in der ab 21.03.2016 geltenden Fassung ein Widerrufsrecht zu, da er einen Verbraucherdarlehensvertrag mit Anschlussfinanzierung mit der Beklagten abgeschlossen hatte. Sein Widerruf vom 29.06.2018 ist aber nicht innerhalb der Widerrufsfrist erfolgt, da der Vertragsschluss bereits am 07.10.2016 erfolgte.
Die Widerrufsfrist beträgt in der Regel 14 Tage, §§ 355 Abs. 2 Satz 1, 495 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB, ebenfalls in der ab dem 21.03.2016 geltenden Fassung. Die Widerrufsfrist beginnt mit Vertragsschluss und nicht bevor der Darlehensgeber dem Darlehensnehmer eine für diesen bestimmte Vertragsurkunde, den schriftlichen Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder seines Antrags zur Verfügung gestellt hat und die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erteilt worden sind (§§ 355 Abs. 2 Satz 2, 356b Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB a.F.). Dem Kläger wurden bei Vertragsschluss die erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB in der ab 21.03.2016 geltenden Fassung mitgeteilt und eine Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB entsprechende Widerrufsinformation erteilt.
Die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB wurden ordnungsgemäß erteilt. Die dem Kläger erteilte Widerrufsinformation entspricht den gesetzlichen Bestimmungen. Der Vertrag enthält Angaben zur Frist und anderen Umständen für die Erklärung des Widerrufs sowie einen Hinweis auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers, ein bereits ausbezahltes Darlehen zurückzuzahlen und Zinsen zu vergüten. Der pro Tag zu zahlende Zinsbetrag ist angegeben. Zudem kann sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion durch unveränderte Übernahme des vorgesehenen Musters nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen.
1. Insbesondere hat die Beklagte ordnungsgemäß auf das Recht zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehensbetrages und die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung hingewiesen, Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB. Die erforderlichen Angaben befinden sich unter Ziffer 4 der „Europäischen Standardinformation für Verbraucherkredite“, dort „Vorzeitige Rückzahlung“. Sie befinden sich weiter unter Ziffer 4.3 der ADB der Beklagten, auf welche im Darlehensantragsformular auf Seite 8 unter „Vorzeitige Rückzahlung“ auch ganz konkret hingewiesen wird.
Für den Verbraucher ist aus diesen Angaben deutlich ersichtlich, wo die Obergrenze für eine mögliche Vorfälligkeitsentschädigung liegt. Vom Kläger wurde nicht vorgetragen und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass diese pauschalierte Obergrenze den Verbraucher unangemessen benachteiligen würde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach dem Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie die Vorfälligkeitsentschädigung unter anderem einen Schadensersatzanspruch des Kreditgebers erfasst, den er dadurch erleidet, dass er Kosten zur Refinanzierung des Darlehens hat, ihm aber Zinsansprüche, auf die er bei Darlehen mit fester Laufzeit und gebundenem Sollzinssatz vertrauen durfte, entgehen. Zusätzlich sollen durch die Vorfälligkeitsentschädigung auch die Bearbeitungsgebühren, die dem Darlehensgeber durch die vorzeitige Rückzahlung entstehen, abdeckt sein (…). Die im Vertrag genannte Pauschale in Höhe von 75,00 EUR bezieht sich offensichtlich auf sämtliche Ersatzansprüche, die die Beklagte im Zusammenhang mit der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens geltend machen kann. Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass die im Vertrag genannte Obergrenze in Höhe von 75,00 EUR unangemessen wäre. Sie ist daher auch nicht geeignet, den Verbraucher falsch zu informieren und ohne Grund von der Ausübung seines Rechts auf vorzeitige Darlehensrückführung abzuhalten. Zudem steht es dem Darlehensnehmer nach den Angaben im Vertrag auch offen, einen geringeren Betrag nachzuweisen.
Die Angabe einer konkreten Berechnungsformel war neben der Nennung einer Obergrenze hingegen nicht erforderlich. Schon dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass hier eine konkrete Formel anzugeben wäre. Gefordert wird vielmehr nur die „Angabe der Berechnungsmethode“. Maßgeblich ist dabei nach dem Willen des Gesetzgebers, dass der Verbraucher die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nachvollziehen und seine Belastung im Fall einer vorzeitigen Darlehensablösung zutreffend abschätzen kann (Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, …). Nach diesen Grundsätzen ist es ausreichend, dass die Beklagte in ihrem Vertrag auf die vom Bundesgerichtshof vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen verwiesen und die für eine Berechnung maßgeblichen Faktoren aufgezählt hat. Für den Verbraucher ist aus den Angaben der Beklagten klar ersichtlich, welche Faktoren bei der Berechnung der Entschädigung von Bedeutung sind und wo die Obergrenze der Vorfälligkeitsentschädigung liegt. Er kann daher seine maximale finanzielle Belastung für den Fall der vorzeitigen Darlehensrückführung zuverlässig abschätzen.
Insbesondere war in diesem Zusammenhang die Nennung der Aktiv-Aktiv- oder Aktiv-Passiv-Methode nicht erforderlich. Sie würde für den Verbraucher keinen zusätzlichen Gewinn an Erkenntnissen bringen. Die überwiegend verwendete Aktiv-Passiv-Methode ist eine finanzmathematische Berechnungsformel, die den finanziellen Nachteil als Differenz zwischen den Zinsen, die der Darlehensnehmer bei Abnahme des Darlehens tatsächlich gezahlt hätte, und der Rendite darstellt, die sich aus einer laufzeitkongruenten Wiederanlage der freigewordenen Beträge in sicheren Kapitalmarkttiteln ergibt. Der Differenzbetrag ist um die ersparte Risikovorsorge und die ersparten jährlichen Verwaltungsaufwendungen jeweils zu kürzen (…) Der durchschnittliche Verbraucher ist nicht in der Lage, auf Grundlage dieser Formel Berechnungen durchzuführen. Dies gilt schon deshalb, weil die Formel Parameter, wie sichere Kapitalmarkttitel, enthält, die ständigen Marktschwankungen unterliegen.
Die Beklagte kann sich zudem auf den Musterschutz gemäß Art. 247 § 2 Abs. 1 i.V.m. Anlage 4 EGBGB berufen. Sie hat den Gestaltungshinweis in Ziffer 4 des Musters der Anlage 4 zu Art. 247 § 2 Abs. 1 EGBGB richtig umgesetzt. Dort heißt es, dass die Festlegung der Entschädigung (Berechnungsmethode) gemäß § 502 BGB einzufügen ist. Insoweit hat die Beklagte den von ihr geforderten Entschädigungsbetrag in Höhe von 75,00 EUR korrekt eingesetzt. Zudem hat sie erläutert, dass sich der Betrag auch noch unter den Voraussetzungen des § 502 Abs. 3 BGB reduzieren könne, wobei sie die dort dargestellte Berechnungsmethode korrekt wiedergegeben hat. Eine weitergehende Berechnungsmethode enthält § 502 BGB nicht. Von der Beklagten kann nicht gefordert werden, dass sie Angaben macht, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen.
2. Die Widerrufsinformation ist ebenfalls ordnungsgemäß. Fehler in der Widerrufsinformation wurden von der Klagepartei schon nicht gerügt.
Die Beklagte kann sich hier insgesamt auf die Schutzwirkung des Musters nach Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB berufen, da sie gegenüber dem Kläger in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form ein Formular verwendet hat, das dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht. Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung auf Seiten 39 ff. durch eine Gegenüberstellung deutlich gemacht, dass sie das Muster übernommen hat.
Dass die Beklagte den Darlehensnehmer im Gegensatz zum Muster direkt angesprochen hat, ist nach den Gestaltungshinweisen zur Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB ausdrücklich zulässig.
Auf die Frage, ob Verwirkung eingetreten ist oder das Verhalten des Klägers den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens rechtfertigen könnte, kommt es damit nicht mehr an.
B.
Da die Klage abzuweisen war, ist die Bedingung, unter der die Hilfswiderklage erhoben worden ist, nicht eingetreten. Somit bedurfte es keiner Entscheidung über den im Rahmen der Hilfswiderklage gestellten Feststellungsantrag der Beklagten.
C.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 709 ZPO.


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