Bankrecht

Berufung, Gesellschafterbeschluss, Pflichteinlage, Auslegung, Erstattung, Abfindung, Anspruch, Gesellschafter, Gesellschaft, Berechnung, Schiedsklausel, Berufungsverfahren, Klage, Forderung

Aktenzeichen  472 S 3215/19

Datum:
28.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 55982
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

3 C 270/19 2019-07-15 Endurteil AGLANDSBERG AG Landsberg

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Landsberg am Lech vom 15.07.2019, Az. 3 C 270/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Landsberg am Lech ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Ausgleich eines behaupteten negativen Abfindungsguthabens.
Die Klägerin ist ein Filmfonds in Form einer Publikums KG. Die Beklagte beteiligte sich am 20.11.2004 an der Klägerin als Direktkommanditistin mit einer Pflichteinlage in Höhe von 40.000,00 € zzgl. 3% Agio. Die Beklagte leistete anlässlich ihres Eintritts 50% dieser Pflichteinlage sowie das Agio. Gemäß § 4 Ziffer 3 („Kommanditeinlagen der Treugeber und Direktkommanditisten“} des ursprünglichen Gesellschaftsvertrags, dort Abs. 2 S. 2, sollte die restliche Pflichteinlage zinslos zur Zahlung fällig werden, wenn die Treugeber und Direktkommanditisten diesen Betrag in voller Höhe aus erwirtschafteten und zur Ausschüttung anstehenden Gewinnen der Gesellschaft leisten können.
Am 25.07.2012 wurde § 4 Ziffer 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags dahingehend geändert, dass weitere 4,5% der Pflichteinlage fällig sind, wenn sie durch die Geschäftsführung eingefordert werden; der Rest der ausstehenden Pflichteinlage sollte nur dann zinslos eingefordert werden können, wenn ein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst wird.
Die Beklagte leistete weitere 4,5% ihrer Pflichteinlage. Zum 31.12.2015 kündigte sie ihre Beteiligung.
Die Klägerin behauptet ein negatives Abfindungsguthaben der Beklagten in Höhe von 4.504,00 €, welches die Beklagte ihr zu erstatten habe.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstands erster Instanz wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Feststellungen des Ersturteils Bezug genommen. Hinsichtlich der Einzelheiten des Gesellschaftsvertrags wird auf die Anlagen B1 und B4 Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen. Es hat dies damit begründet, dass die Beklagte sich in zulässiger Weise darauf berufen habe, dass in § 23 Ziffer 6 des Gesellschaftsvertrags eine Schiedsgutachtenabrede getroffen worden und diese hier einschlägig sei.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Die Schiedsklausel sei vorliegend nicht anwendbar. Jedenfalls hätte das Amtsgericht entsprechend § 319 Abs. 1 S. 2 HS 2 BGB selbst entscheiden bzw. eine Frist zur Einholung des Schiedsgutachtens setzen müssen. Da die Einlage der Beklagten zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus der Gesellschaft noch nicht vollständig geleistet war, bestehe der Anspruch auf Ausgleich des negativen Auseinandersetzungsguthabens. Zuletzt (Schriftsatz vom 25.09.2020) wurde insbesondere auch damit argumentiert, dass es wegen § 8 Ziffer 3 und § 19 des Gesellschaftsvertrags für die Verlustbeteiligung des Kommanditisten nicht darauf ankomme, ob und inwieweit die noch ausstehenden Einlagen fällig sind. In dem genannten Schriftsatz wird zudem der Standpunkt vertreten, dass die Klägerin im Zusammenhang mit dem Ausscheiden der Beklagten einen Erstattungsanspruch in Höhe von 500,00 €, jedenfalls aber in Höhe der für die Austragung aus dem Handelsregister anfallenden Gerichts- und Notarkosten in Höhe von 204,00 € habe.
Die Klägerin beantragt,
Unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Landsberg am Lech vom 15.07.2019 (Az. 3 C 270/19) wird die Beklagtenpartei verurteilt, an die Klägerin EUR 4.504,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht von der Anwendbarkeit der Schiedsklausel ausgehen und beabsichtigen sollte, die Klage als derzeit unbegründet abzuweisen, wird beantragt festzustellen, dass die Forderung auf Erstattung der Austragungskosten von EUR 204,00 als unselbständiger Rechnungsposten zugunsten der Klägerin in die Berechnung des Abfindungsguthabens der Beklagtenpartei einzustellen ist.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Parteivortrags im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 30.09.2020 Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 511, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung erweist sich als unbegründet.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Erstattung des als negatives Abfindungsguthaben geforderten Betrags von 4.504,00 €. Der Anspruch besteht bereits dem Grunde nach nicht. Wenn das Amtsgericht die Klage – wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt – gleichwohl nur als derzeit unbegründet abgewiesen hat, hat es hierbei im Hinblick auf § 528 S. 2 ZPO zu verbleiben.
Zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Beklagten bestand keine rückständige Einlage mehr, sodass mangels eines Gesellschafterbeschlusses gemäß § 4 Ziffer 3 Abs. 2 S. 2 des Gesellschaftsvertrags n.F. die Beklagte nicht über die von ihr bereits erbrachte Einlage hinaus am Verlust der Gesellschaft teilnimmt. Die Kammer folgt insoweit der Rechtsprechung des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München (Urteil vom 29.05.2019, Az. 7 U 4149/18; Urteil vom 31.07.2019, Az. 7 U 651/19):
Gemäß § 167 Abs. 3 HGB nimmt der Kommanditist im Innenverhältnis nur bis zum Betrag seines Kapitalanteils und seiner noch rückständigen Einlage an dem Verlust der Gesellschaft teil. Gemäß § 4 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags a.F. war lediglich ein Teil der Pflichteinlage (50%) gestundet worden. Mit der Neufassung des Gesellschaftsvertrags wurden weitere 4,5% des Zeichnungsbetrags zur Zahlung durch die Kommanditisten als Teil der Pflichteinlage fällig gestellt. Hinsichtlich der weiteren 45,5% ist § 4 Ziffer 3 Abs. 2 S. 2 HS 2 des Gesellschaftsvertrags n.F. bei einem objektiven Auslegungsmaßstab so auszulegen, dass der dispositive § 167 Abs. 3 HGB dahingehend abbedungen wird, dass der von den Gesellschaftern noch nicht geleistete Teil ihrer Pflichteinlage nur insoweit „rückständig“ im Sinne des § 167 Abs. 3 HGB sein soll, als durch Gesellschafterbeschluss von den Gesellschaftern die Zahlung des noch ausstehenden Teils ihrer Pflichteinlage verlangt, diese also fällig gestellt wurde; denn es wäre nicht interessengerecht und würde dem sich unmittelbar aus der Regelung ergebenden Zweck des § 4 Ziffer 3 Abs. 2 S. 2 HS 2 n.F. widersprechen, wenn man die noch offene Einlageverpflichtung von 45,5% unabhängig von ihrer Fälligkeit als rückständige Einlage i.S.d. § 167 Abs. 3 HGB ansehen würde, bis zu deren Höhe der Kommanditist am Verlust der Gesellschaft teilnimmt. § 4 Ziffer 3 Abs. 2 S. 2 HS 2 n.F. soll nämlich sicherstellen, dass über eine weitere Inanspruchnahme des Kommanditisten nicht wie im Falle des HS 1 die Geschäftsführung entscheiden kann, sondern dass es dazu eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedarf. Nur durch eine Auslegung der Gesellschaftsvertragsklausel als teilweise Abbedingung des § 167 Abs. 3 HGB im o.g. Sinne wird verhindert, dass ein ausscheidender Gesellschafter ohne weiteren Gesellschafterbeschluss trotz vollständiger Einzahlung des bisher fällig gestellten Teils der Pflichteinlage weitergehend am Verlust der Gesellschaft teilnimmt.
Dieser Auslegung stehen aus Sicht der Kammer auch nicht die Regelungen in § 8 und § 19 des Gesellschaftsvertrags entgegen. Dort ist geregelt, dass die Gesellschafter an Gewinn und Verlust im Verhältnis ihrer festen Kapitalkonten I teilnehmen, auf denen der jeweilige Nominalbetrag der Pflichteinlage gebucht wird. Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass es für die Verlustbeteiligung des Kommanditisten im Innenverhältnis allein auf den Nominalbetrag der Pflichteinlage ankommt. Vielmehr enthält § 4 Ziffer 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags n.F. insoweit eine vorrangige und speziellere Regelung. Dafür spricht nicht zuletzt auch die Formulierung in § 8 Ziffer 3 des Gesellschaftsvertrags, wonach die Gesellschafter an Gewinn und Verlust im Verhältnis ihrer Kapitalkonten I „unter Berücksichtigung der weiteren Bestimmungen dieses Vertrags“ beteiligt sind.
Da vorliegend ein Beschluss der Gesellschafterversammlung gemäß § 4 Ziffer 3 Abs. 2 S. 2 HS 2 n.F. bis zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ausscheidens des Beklagten nicht gefasst wurde, besteht keine rückständige Einlage mehr und die Beklagte ist nicht verpflichtet, ein etwaiges negatives Kapitalkonto auszugleichen. Der Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten besteht dem Grunde nach nicht.
2. Da der Anspruch auf Ausgleich des negativen Abfindungsguthabens bereits dem Grunde nach nicht besteht, bedurfte es hier nicht der Erholung eines Schiedsgutachtens gemäß § 23 Ziffer 6 S. 2 des Gesellschaftsvertrags (OLG München, Urteil vom 29.05.2019, Az. 7 U 4149/18). Da die Parteien hier nicht über die Höhe der Abfindung sondern darüber streiten, ob aus rechtlichen Gründen überhaupt ein Anspruch der Klägerin auf Ausgleich eines negativen Abfindungsguthabens bestehen kann, ist die Schiedsgutachterklausel nicht einschlägig.
3. Über einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Bearbeitungskosten im Zusammenhang mit dem Austritt der Beklagten war im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden, da hier weder in erster noch in zweiter Instanz ein entsprechender gesonderter Zahlungsanspruch eingeklagt wurde. Da die Schiedsklausel nicht anwendbar und die innerprozessuale Bedingung, unter der im Berufungsverfahren der Hilfsantrag gestellt worden ist, nicht eingetreten ist (s.o.), bedarf es auch keiner Entscheidung, ob insoweit eine Forderung auf Erstattung der Austragungskosten von 204,00 € als unselbständiger Rechnungsposten zugunsten der Klägerin in die Berechnung des Abfindungsguthabens der Beklagten einzustellen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO).


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