Bankrecht

Berufung, Gesellschafterversammlung, Gesellschaft, Gesellschafter, Gesellschafterbeschluss, Auslegung, Feststellung, Pflichteinlage, Beteiligung, Zahlung, Agio, Filmfonds, Form, Treuhandkommanditistin, Beschluss der Gesellschafterversammlung, Feststellung des Jahresabschlusses, Co KG

Aktenzeichen  7 U 2993/20

Datum:
21.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 56026
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

6 O 18942/18 2020-01-09 Urt LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts München I vom 09.01.2020, Az. 6 O 18942/18, in Ziff. 1 dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, die Klägerin von den aufgrund der Austragung des Beklagten aus dem Handelsregister entstandenen Notarkosten in Höhe von 440,- € und von Eintragungskosten in Höhe von 60,- € freizustellen.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und bleibt die Klage abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 genannte Endurteil des Landgerichts München I, soweit es noch Bestand hat, sind vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Gegen dieses Urteil wird die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Gründe

A.
Die Klägerin macht gegen den Beklagten die Zahlung eines negativen Abfindungsguthabens geltend.
Die Klägerin ist ein Filmfonds in der Form einer Publikums KG.
Mit Beitrittserklärung vom 26.06.2003 laut Anl. K 1 beteiligte sich der Beklagte als Direktkommanditist mit einer Zeichnungssumme von 300.000,00 € an der Klägerin.
§ 4 Nr. 3 Abs. 1 S. 2-4 des Gesellschaftsvertrages (Anl. B 1, S. 81 f.; im Folgenden als GV bezeichnet) lautete zum Beitrittszeitpunkt:
„(…) Die Treugeber und Direktkommanditisten sind verpflichtet, 54% der Pflichteinlage zuzüglich eines Agios in Höhe von 3% nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen als Geldeinlage zu leisten. 46% der Pflichteinlage werden zinslos fällig, wenn die Treugeber und Direktkommanditisten diesen Betrag in voller Höhe aus erwirtschafteten und zur Ausschüttung anstehenden Gewinnen der Gesellschaft leisten können. Sobald in dieser Höhe ausschüttungsfähige Gewinne zur Verfügung stehen, werden diese mit dem ausstehenden Teil der Pflichteinlage in gleicher Höhe verrechnet. Direktkommanditisten werden jeweils mit 103% der Pflichteinlage als Haftsumme (…) in das Handelsregister eingetragen.“
§ 23 Nr. 6 Abs. 1 S. 2 GV lautet:
„Kann über die Höhe der Abfindung zwischen dem Komplementär und dem ausscheidenden Gesellschafter (…) kein Einvernehmen erzielt werden, wird die Abfindung durch einen von der Wirtschaftsprüferkammer M. zu benennenden Wirtschaftsprüfer als Schiedsgutachter, der auch über die Kosten seiner Inanspruchnahme entsprechende Bestimmungen der §§ 91 f. ZPO zu befinden hat [sic], verbindlich ermittelt.“
Der Beklagte zahlte 54% des Beteiligungsbetrages zuzüglich 3% Agio an die Klägerin.
Am 24.07.2012 fasste die Gesellschafterversammlung der Klägerin laut des Protokolls der 10. ordentlichen Gesellschafterversammlung (Anl. K 2) folgenden Beschluss: „Die Gesellschafterversammlung beschließt, den bisherigen Wortlaut des § 4 Ziffer 3 Abs. 1 S. 3 durch den folgenden Wortlaut zu ersetzen: „6% der Pflichteinlage werden zinslos fällig, wenn sie durch die Geschäftsführung der Gesellschaft zum Zwecke der Durchsetzung der steuerlichen Interessen sowie zur Bestandswahrung der Gesellschaft schriftlich eingefordert werden; der Rest der ausstehenden Pflichteinlage kann nur zinslos eingefordert werden, wenn ein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst wird.“
Mit Schreiben vom 27.01.2014 stellte die Klägerin 6% der Pflichteinlage fällig und forderte den Beklagten entsprechend § 4 Nr. 3 Abs. 1 S. 3 GV n.F. auf, einen Betrag von 18.000,00 € einzuzahlen, was der Beklagte in der Folge auch tat.
Nach ordentlicher Kündigung der Beteiligung schied der Beklagte zum 31.12.2015 aus der Klägerin aus.
Die Klägerin behauptet, das auf den 31.12.2015 ermittelte Abfindungsguthaben des Beklagten sei negativ und belaufe sich auf einen Betrag von – 21.800,00 €. Darin enthalten seien Kosten für die Bearbeitung des Austritts des Beklagten aus der Klägerin in Höhe von 500,00 €.
Die Klägerin beantragte daher:
Die Beklagtenpartei wird verurteilt, an die Klägerin EUR 21.800,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Hilfsweise:
Der Klägerin wird eine angemessene Frist zur Einholung eines Schiedsgutachtens eingeräumt.
Der Beklagte beantragte,
Klageabweisung.
Er erwiderte, dass durch die bisherigen Zahlungen an die Klägerin die Einlage vollständig erbracht sei. Der Restbetrag sei nämlich nach § 4 Nr. 3 a.F. vom Beklagten nur in Form der Verrechnung von Gewinnen zu leisten gewesen. Somit bestehe gemäß § 167 Abs. 3 HGB gegenüber der Klägerin keine Verpflichtung des Beklagten auf Zahlung eines negativen Abfindungsguthabens.
Darüber hinaus könne gemäß § 4 Nr. 3 n. F. ein etwaiger Rest der ausstehenden Pflichteinlage nur eingefordert werden, wenn darüber ein entsprechender Gesellschafterbeschluss gefasst worden sei. Dies sei aber nicht geschehen. 7 U 2993/20 – Seite 4 – Im Übrigen sei ein etwaiger Anspruch der Klägerin verjährt.
Schließlich erhob der Beklagte die Einrede des Schiedsvertrages, da die Klägerin das in § 23 GV vorgesehene Schiedsgutachten nicht erholt habe.
Das Landgericht München I wies mit Endurteil vom 09.01.2020, Az. 6 O 18942/18, die Klage als unbegründet ab.
Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils vom 09.01.2020 wird – mit der Maßgabe, dass der Beklagte an der Klägerin nicht, wie dort versehentlich ausgeführt, über eine Treuhandkommanditistin, sondern als Direktkommanditist beteiligt war – gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagebegehren unter Ergänzung und Präzisierung ihres bisherigen Vorbringens weiter.
Sie trägt nunmehr vor, dass die Gesellschafter der Klägerin – und damit auch der Beklagte – durch die Feststellung der Jahresabschlüsse auch die ausstehenden Einlagen als Forderung der Gesellschaft gegen die Gesellschafter in Form eines konstitutiven Schuldanerkenntnis anerkannt hätten.
Hinsichtlich der Kosten des Austritts des Beklagten aus der Klägerin führt die Klägerin aus, dass zumindest die Kosten für die Eintragung der Löschung des Beklagten als Kommanditist aus dem Handelsregister vom Beklagten zu tragen seien. Diese Kosten umfassten die Notarkosten sowie die Gerichtsgebühren und beliefen sich auf 588,- €, von denen allerdings aufgrund einer behaupteten Pauschalabrede mit dem Beklagtenvertreter nur 500,- € (anteilige Notarkosten in Höhe von 440,- € und Eintragungskosten in das Handelsregister in Höhe von 60,- €) geltend gemacht würden.
Sie beantragt daher:
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 09.01.2020 (Az. 6 O 18942/18) wird die Beklagtenpartei verurteilt, an die Klägerin EUR 21.800,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Hilfsweise beantragt die Klägerin:
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 09.01.2020 (6 O 18942/18) wird die Beklagtenpartei verurteilt, an die Klägerin 21.300,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen und die Klägerin von den Notarkosten aufgrund der Austragung des Beklagten aus dem Handelsregister in Höhe von 440,- € und von den Eintragungskosten in Höhe von 60,- € freizustellen.
Hilfsweise für den Fall, dass dem Leistungsbegehren der Klägerin nicht stattgegeben wird, beantragt die Klägerin:
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I vom 09.01.2020 (Az.: 6 O 18942/18) wird festgestellt, dass der Betrag in Höhe von 500,- € für die Austragung aus dem Handelsregister im Rahmen der Berechnung des Abfindungsguthabens der Beklagtenpartei als unselbständiger Rechnungsposten zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte bestritt, dass der Beklagte den in mitten stehenden Jahresabschlüssen zugestimmt habe, und dass die Kosten in Höhe von 588,- € von der Klägerin bereits bezahlt seien.
Der Senat hat am 16.09.2020 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.
B.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist ganz überwiegend unbegründet, da zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Beklagten am 31.12.2015 keine „rückständige Einlage“ mehr bestand, sodass in Ermangelung eines weiteren Gesellschafterbeschlusses iSd. § 4 Ziffer 3 Abs. 1 S. 3 GV n.F. der Beklagte nicht über die von ihm bereits erbrachte Einlage hinaus am Verlust der Gesellschaft teilnimmt.
Die Berufung der Klägerin hat nur insoweit Erfolg, als sie gegen den Beklagten Anspruch auf Freistellung von den Notarkosten und den Gerichtsgebühren in Höhe von insgesamt 500 € hat, die aufgrund des Ausscheidens des Beklagten entstanden.
I.
1. Da die Verluste der Gesellschaft entsprechend dem Verlustanteil des Gesellschafters abzuschreiben sind, kann sein Kapitalkonto zwar grundsätzlich negativ werden. Dies bedeutet für den Kommanditisten nach § 167 Abs. 3 HGB jedoch nur, dass er in Ermangelung besonderer Abreden oder Beschlüsse der Gesellschafter grundsätzlich nicht nachschusspflichtig ist und auch die §§ 735, 739 BGB nicht gelten, sodass er gegenüber den Mitgesellschaftern nicht ausgleichspflichtig werden kann. Er verliert allenfalls seinen (bislang) positiven Kapitalanteil und hat bei Verlusten der Gesellschaft, die den Kapitalanteil übersteigen, maximal die rückständige Pflichteinlage sowie die rückzahlbaren Entnahmen zu leisten. Die Haftsumme spielt keine Rolle.
Da im streitgegenständlichen Fall unstreitig keine rückzahlbaren Entnahmen vorgenommen wurden, muss der Beklagte maximal eine etwaige noch rückständige Pflichteinlage leisten (vgl. Kindler in Koller/Kindler/Roth/Drüen, HGB, 9. Auflage 2019, Rdnr. 4 zu § 167 HGB).
a. Der Senat hat bezüglich des hier streitgegenständlichen Gesellschaftsvertrages bereits mit Urteil vom 12.10.2016 (Az. 7 U 2180/16 – veröffentlicht in ZIP 2017, 679 – 681) entschieden, dass nach § 4 Nr. 3 GV a.F. die Pflichteinlage 100% des Zeichnungsbetrages (und damit im streitgegenständlichen Fall 300.000,00 €) betrug. Die in § 4 Nr. 3 Abs. 1 S. 2 – 4 GV a.F. getroffene Regelung war nur eine Fälligkeitsregelung, mit der 46% der Pflichteinlage zunächst gestundet und damit nicht zur Zahlung durch den Kommanditisten an die Gesellschaft fällig wurden. Denn dort war eine dahingehende Teilung des Pflichteinlagebetrages vorgesehen, dass 54% „der Pflichteinlage“ zuzüglich eines Agios als Geldeinlage zu zahlen waren, wobei die diesbezügliche Fälligkeit sich aus der Beitrittserklärung und § 4 Nr. 5 Abs. 1 S. 1 GV ergab. Die in § 4 Nr. 3 Abs. 1 S. 3 ausdrücklich genannten weiteren „46% der Pflichteinlage“ sollten demnach nach Vorliegen bestimmter Voraussetzungen erst später „fällig“ und durch Verrechnung mit erwirtschafteten und zur Ausschüttung anstehenden Gewinnen durch den Gesellschafter geleistet werden (Senatsurteil, Rdnr. 29).
b. Der Senat hat in seinem Urteil vom 12.10.2016 des Weiteren entschieden, dass mit der Neufassung des § 4 Nr. 3 Abs. 1 S. 3 GV durch den Gesellschafterbeschluss vom 24.07.2012 weitere 6% des jeweiligen Zeichnungsbetrages zur Zahlung durch die Kommanditisten als Teil der Pflichteinlage fällig gestellt wurden, die bisherige diesbezügliche Stundung also beendet wurde (Senatsurteil aaO).
c. Der Senat musste sich in seinem Urteil vom 12.10.2016 nicht dazu verhalten, welche Regelung die Gesellschafter mit ihrem Beschluss vom 24.07.2012 bezüglich der restlichen 40% der Zeichnungssumme getroffen haben. Diese Frage ist im streitgegenständlichen Fall nunmehr aber zu klären und dahingehend zu entscheiden, dass die Gesellschafter durch § 4 Nr. 3 Abs. 1 S. 3 2. HS. GV n.F. § 167 Abs. 3 HGB dahingehend abbedungen haben, dass der von den Gesellschaftern noch nicht geleistete Teil ihrer Pflichteinlage nur soweit „rückständig“ iSd. § 167 Abs. 3 HGB sein soll, als durch Gesellschafterbeschluss von den Gesellschaftern die Zahlung des noch ausstehenden Teils ihrer Pflichteinlage verlangt, diese also fällig gestellt wurde.
Da der Gesellschaftsvertrag einer Publikumsgesellschaft wie der Klägerin objektiv auszulegen ist (vgl. bspw. BGH, Urteil vom 09.06.2015 – II ZR 420/13, Rdnr. 25), ist § 4 Nr. 3 Abs. 1 S. 3 2. HS. GV n.F. ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittsgesellschafters einheitlich so auszulegen, wie sein Wortlaut von verständigen und redlichen Gesellschaftern unter Abwägung der Interessen der Gesellschafter verstanden wird (vgl. dazu Grüneberg in Palandt, 79. Auflage, München 2020, Rdnr. 16 zu § 305 c BGB). Auf die individuellen Vorstellungen der Gesellschafter bei Beschlussfassung kommt es daher grundsätzlich nicht an.
Nur der übereinstimmende Wille aller an der Beschlussfassung beteiligter Gesellschafter könnte dem Beschlusswortlaut oder einer anderweitigen Auslegung vorgehen. Die Behauptung, einer bestimmten vertraglichen Regelung liege eine übereinstimmende Vorstellung der Parteien zugrunde, betrifft jedoch eine innere Tatsache, über die nur dann Beweis zu erheben ist, wenn auch schlüssig behauptet worden ist, dass die Gesellschafter ihren übereinstimmenden Willen einander zu erkennen gegeben haben. Wird ein Zeuge zum Beweis einer nicht in seiner Person eingetretenen inneren Tatsache benannt, ist ein derartiger Beweisantrag nur dann erheblich, wenn die Umstände schlüssig dargelegt sind, aufgrund deren er Kenntnis von der inneren Tatsache erlangt hat (vgl. BGH, Urteil vom 29. März 1996 – II ZR 263/94 Rn. 14). Da es daran im streitgegenständlichen Fall jedoch fehlt, war der zum übereinstimmenden Willen der Gesellschafter von der Klägerin angebotene Zeuge F. L. (Berufungsbegründungsschriftsatz vom 15.07.2020, S. 4 und 5, Bl. 126 und 127) nicht zu vernehmen.
Ausgangspunkt der objektiv vorzunehmenden Auslegung hat damit der Wortlaut des § 4 Nr. 3 Abs. 1 S. 3 2. HS. GV n.F. zu sein. Dieser deutet darauf hin, dass die restlichen 40% der Zeichnungssumme weiterhin Teil der Pflichteinlage sein sollen mit der Folge, dass auch sie nur gestundet wären, da ausdrücklich vom „Rest der ausstehenden Pflichteinlage“ die Rede ist. Von einer Kapitalherabsetzung ist in der Neufassung des § 4 Nr. 3 Abs. 1 S. 3 2. HS. GV dagegen nicht die Rede. Eine solche wäre bei der im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigenden Interessenlage der Gesellschafter auch nicht interessengerecht, da Anlass der Neufassung des § 4 Nr. 3 Abs. 1 S. 3 GV gerade ein weiterer Liquiditätsbedarf der Gesellschaft zur Finanzierung finanzgerichtlicher Prozesse war, die Gesellschaft also aus den vorhandenen Mitteln die voraussichtlichen Prozesskosten nicht aufbringen konnte. In einer solchermaßen angespannten finanziellen Situation kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Gesellschafter eine Kapitalherabsetzung um 40% beschließen und der Gesellschaft damit die Möglichkeit zukünftiger Eigenkapitalbeschaffung nehmen.
Damit würde der Beklagte nach der Rechtsprechung des BGH zum Begriff der „rückständigen Einlage“ iSd. § 167 Abs. 3 HGB, wonach eine noch offene Einlageverpflichtung (wie hier die restlichen 40% der Zeichnungssumme) unabhängig von ihrer Fälligkeit eine „rückständige Einlage“ iSd. § 167 Abs. 3 HGB darstellt (BGH, Urteil vom 30.01.2018 – II ZR 108/16, Rdnr. 36), grundsätzlich bis zur vollen Höhe seiner Pflichteinlage am Verlust der Gesellschaft teilnehmen.
Dieses Ergebnis wäre jedoch nicht interessengerecht und widerspräche dem sich unmittelbar aus der Regelung ergebenden Zweck des § 4 Nr. 3 Abs. 1 S. 3 2. HS. GV n.F. Dieser soll nämlich sicherstellen, dass über eine weitere Inanspruchnahme der Kommanditisten nicht – wie im Fall der in HS. 1 bezeichneten 6% – die Geschäftsführung der Gesellschaft entscheiden kann, sondern es dazu immer eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung bedarf. Da dem Wortlaut des § 4 Nr. 3 Abs. 1 S. 3 2. HS. GV n.F. keine Differenzierung zwischen nach dem Beschluss vom 24.07.2012 ausgeschiedenen Gesellschaftern wie dem Beklagten einerseits und weiterhin in der Gesellschaft verbleibenden Gesellschaftern andererseits zu entnehmen ist, erstreckt sich der durch die Vorschrift bezweckte Schutz auch auf beide Gruppen gleichermaßen. Beide Gruppen sollen also nur dann weiter in Anspruch genommen werden können, wenn die Gesellschafter dies durch einen weiteren Beschluss für notwendig erachtet haben. Dieses sich schon aus dem Wortlaut des § 4 Nr. 3 Abs. 1 S. 3 2. HS. GV ergebende mit dem Beschluss vom 24.07.2012 verfolgte Ziel der Gesellschafter konnten diese hinsichtlich der Gruppe der nach dem 24.07.2012 ausscheidenden Gesellschafter nur durch eine teilweise Abbedingung des – wie sich aus 163 HGB ergibt – dispositiven § 167 Abs. 3 HGB dahingehend erreichen, dass der von den Gesellschaftern noch nicht geleistete Teil ihrer Pflichteinlage nur soweit „rückständig“ iSd. § 167 Abs. 3 HGB sein soll, als durch einen weiteren Gesellschafterbeschluss von den Gesellschaftern die Zahlung des noch ausstehenden Teils ihrer Pflichteinlage verlangt wird. Denn nur so wird verhindert, dass ein ausscheidender Gesellschafter ohne weiteren Gesellschafterbeschluss trotz vollständiger Einzahlung des bislang fällig gestellten Teils der Pflichteinlage noch darüber hinaus am Verlust der Gesellschaft teilnimmt. Ohne diese partielle Abbedingung des § 167 Abs. 3 HGB würde einem ausscheidenden Gesellschafter der Schutz des Erfordernisses eines Gesellschafterbeschlusses für jede weitere Inanspruchnahme entzogen. Denn beim Ausscheiden eines Gesellschafters würde sich in diesem Fall bei Vorliegen eines negativen Kapitalkontos – auf welcher Berechnungsgrundlage auch immer – allein dadurch eine weitere Inanspruchnahme des ausscheidenden Gesellschafters ergeben, ohne dass hierüber zuvor ein Gesellschafterbeschluss herbeigeführt worden wäre.
Soweit die Klägerseite von einer Einlageforderung von noch 40% der Zeichnungssumme ausgeht, ist ihr deshalb entgegen zu halten, dass in dieser Höhe eine rückständige Einlage nicht besteht, da es an einem entsprechenden Gesellschafterbeschluss, der jedoch aufgrund gesellschaftsvertraglicher Regelung erforderlich wäre, fehlt. Festzuhalten ist aber auch, dass nach Ausscheiden der Beklagten eine Einlageforderung in o.g. Höhe auch nicht aufgrund eines künftigen Gesellschafterbeschlusses mehr gegenüber dem Beklagten geltend gemacht werden kann, da diesem eine Mitwirkung bei der Beschlussfassung nach Ausscheiden verwehrt ist.
Da im streitgegenständlichen Fall ein Beschluss der Gesellschafterversammlung über eine weitere Inanspruchnahme der Gesellschafter aber unstreitig nicht gefasst wurde, besteht aufgrund der vom Beklagten bereits erbrachten Zahlung von insgesamt 60% der Zeichnungssumme keine „rückständige Einlage“ mehr, sodass der Beklagte als Kommanditist nicht mehr am Verlust der Gesellschaft teilnimmt und deshalb ein etwaiges negatives Kapitalkonto auch nicht ausgleichen muss.
2. Daran ändert auch die von der Klägerin unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom 02.03.2009 – II ZR 264/07 in der Berufung erstmals erhobene Behauptung, die Gesellschafter – und damit auch der Beklagte – hätten durch die Feststellung der Jahresabschlüsse die zu diesem Zeitpunkt noch ausstehenden Forderung der Gesellschaft gegen die Gesellschafter anerkannt (Schriftsatz der Klägervertreter vom 09.09.2020, S. 2, Bl. zu 137 d.A.), nichts.
a. Nach der Rechtsprechung des BGH setzt die Annahme, die Feststellung eines Jahresabschlusses führe im Innenverhältnis zu „rechtliche(n) Konsequenzen für die Ansprüche zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern im Sinne eines – zivilrechtlich verbindlichen – Schuldanerkenntnisses“, voraus, dass der jeweilige von der Gesellschaft in Anspruch genommene Gesellschafter dem Jahresabschluss zugestimmt hat und damit auch in seiner Person eine Anerkenntnisserklärung abgegeben hat (vgl. BGH, Urteil vom 02.03.2009 – II ZR 264/07, Rdnr. 2 „mit der Stimme des Ehemanns der Beklagten (seiner Alleinerbin) gefassten Gesellschafterbeschluss(es)“ und Rdnr. 15, wo von einer „einvernehmlichen“ Feststellung des Jahresabschlusses die Rede ist). Sollten dagegen nur die anderen Gesellschafter dem Jahresabschluss zugestimmt haben, läge schon gar keine Willenserklärung des in Anspruch genommenen Gesellschafters vor, die ein Anerkenntnis begründen würde.
Nachdem der Beklagte eine Zustimmung seinerseits zu den (von der Klägerin nicht näher bezeichneten) Jahresabschlüssen in der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2020 ausdrücklich bestritten hat (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2020, S. 2, Bl. 139 d.A.), handelt es sich bei der erstmals in der Berufung von der Klägerin vorgebrachten Behauptung, der Beklagte habe den Jahresabschlüssen zugestimmt und damit die streitgegenständliche Forderung anerkannt, um ein neues Angriffsmittel iSd. § 531 Abs. 2 ZPO, mit dem die Klägerin in der Berufungsinstanz nicht mehr gehört werden kann. Die Klägervertreterin konnte auf die diesbezügliche Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2020 auch nicht erklären, warum die Behauptung eines Anerkenntnisses der streitgegenständlichen Forderung nicht schon in erster Instanz vorgebracht worden sei.
b. Zudem könnte die Feststellung des Jahresabschlusses im Verhältnis zu einem zustimmenden Gesellschafter auch nur dann eine Anerkenntniswirkung haben, wenn dem Jahresabschluss die konkrete Forderung der Gesellschaft gegen den jeweiligen zustimmenden Gesellschafter zu entnehmen ist. Denn nur dann kann die Zustimmung zur Feststellung des Jahresabschlusses dahingehend ausgelegt werden, dass der Gesellschafter damit erklärt, der Gesellschaft diese konkrete Summe zu schulden (vgl. insoweit die Beschlussfassung in dem der BGH-Entscheidung zu Grunde liegenden Fall, BGH, Urteil vom 02.03.2009 – II ZR 264/07, Rdnr. 2).
Dem Sachvortrag der Klägerin im Schriftsatz der Klägervertreter vom 09.09.2020 (S. 2, Bl. zu 137 d.A.) lässt sich der Inhalt der Jahresabschlüsse (welcher auch immer) jedoch nicht entnehmen, sodass auch nicht beurteilt werden kann, ob diese Jahresabschlüsse überhaupt eine Anerkenntniserklärung der Gesellschafter beinhalten. Die von der Klägerin im Schriftsatz vom 09.09.2020 in Bezug genommenen Anlagen B 4 und K 2 enthalten jedenfalls keine Jahresabschlüsse. In der Akte befindet sich lediglich (Anlage zu K 4) ein – nach Ausscheiden des Beklagten erstellter und daher unbehelflicher – Jahresabschluss 2015. Auch auf den diesbezüglichen Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2020 hat die Klägervertreterin die entsprechenden Jahresabschlüsse nicht vorgelegt. Im Übrigen würde der Jahresabschluss 2015 auch inhaltlich kein Schuldanerkenntnis tragen: Der Jahresabschluss enthält keine Angaben zu der streitgegenständlichen Forderung der Klägerin gegen den Beklagten. In Abschnitt III Passiva des Anhangs werden nämlich nur die Kapitalanteile aller Kommanditisten insgesamt aufgeführt. Selbst wenn angenommen werden sollte, dass der Beklagte einem entsprechenden Jahresabschluss der Vorjahre zugestimmt haben sollte, so lässt sich daraus keine Erklärung entnehmen, dass er eine konkrete Forderung der Klägerin gegen ihn anerkannt hätte.
3. Da demnach schon dem Grunde nach ein Zahlungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten nicht besteht, kommt es auf die Frage, ob vorab ein Schiedsgutachten zur Höhe des negativen Abfindungsguthabens zu erholen gewesen wäre, nicht an. Auch das mit Schriftsatz der Klägervertreter vom 20.11.2019 als Anl. K 6 vorgelegte, im Verfahren des Landgerichts München I, Az. 11 O 19833/17, zum Fonds E. P. M. GmbH & Co. KG III erholte Gerichtsgutachten des Sachverständigen Dr. E. S. vom 23.10.2019 spielt daher im streitgegenständlichen Verfahren keine Rolle.
II.
Bezüglich der von der Klägerin vom Beklagten verlangten Zahlung einer Gebühr in Höhe von 500,00 € hat die Berufung keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen den Beklagten lediglich einen Freistellungsanspruch in dieser Höhe.
1. § 18 S. 2 GV sieht vor, dass, soweit ein Beteiligungsinteressent oder Treugeber in das Handelsregister eingetragen werden soll, er die Kosten der Beglaubigung der Handelsregistervollmachten, Handelsregistereintragungen und möglicher Änderungen zu tragen hat. Darunter fallen sowohl die Gerichtsgebühren für die Löschung der Eintragung des Beklagten als Kommanditisten im Handelsregister als auch die für die Anmeldung der Löschung zur Eintragung in das Handelsregister angefallenen Notarkosten, da § 12 HGB die Mitwirkung eines Notars erfordert. Diese Gebühren belaufen sich unstreitig auf 588,40 €, davon 60,- € Eintragungskosten in das Handelsregister und Notarkosten in Höhe von 528,- € (zur Berechnung vgl. Berufungsbegründungsschriftsatz S. 6, Bl. 128 d.A.). Da die Klägerin jedoch eine Pauschalabrede mit dem Beklagtenvertreter in Höhe von (nur) 500 € behauptet, macht sie vorliegend Notarkosten nur in anteiliger Höhe von 440,- € geltend (vgl. Schriftsatz der Klägervertreter vom 09.09.2020, S. 3, zu Bl. 137; Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2020, S. 2, Bl. 139).
Der Vortrag der Klägerin zur Höhe der Eintragungskosten erfolgte zwar erstmals in der Berufungsbegründung (dort S. 6, Bl. 128 d.A.). In erster Instanz hatte die Klägerin dagegen nur pauschal „Bearbeitungskosten“ für die Austragung aus dem Handelsregister in Höhe von 500,00 € (Schriftsatz der Klägervertreter vom 07.05.2020, S. 10 Bl. 28 d.A.) behauptet. Der in der Berufung neue Vortrag zur konkreten Höhe der Eintragungskosten kann jedoch nach § 531 ZPO im Rahmen der Berufungsentscheidung berücksichtigt werden, da er insoweit unstreitig ist. Bestritten hat der Beklagte in der Berufungserwiderung nämlich nicht den Anfall und die Höhe der Gebühren, sondern nur die Bezahlung der Notar- und Gerichtsgebühren durch die Klägerin (vgl. Berufungserwiderungsschriftsatz S. 3, Bl. 136 d.A.).
2. Nachdem der Beklagte in der Berufungserwiderung bestritt, dass die Klägerin die Notar- und Gerichtsgebühren bereits bezahlt habe, hätte die Klägerin die Zahlung nachweisen müssen, um einen Aufwendungserstattungsanspruch nach § 18 S. 2 GV zu begründen. Der für die Zahlung ebenfalls erstmals in zweiter Instanz angebotene Zeugenbeweis (Berufungsbegründung, S. 6, Bl. 128) ist verspätet und damit nicht zu erheben (§ 531 Abs. 2 ZPO). Die Klägerin hat nicht entschuldigt, dass Vortrag und Beweisangebot zu konkret angefallenen Kosten und ihre Bezahlung erst in zweiter Instanz erfolgten. Es ist auch nicht ersichtlich, warum dieser Vortrag – der sich nach der einschlägigen gesellschaftsvertraglichen Bestimmung, die auf konkrete Kosten abstellt, aufdrängte – nicht bereits in erster Instanz erfolgte, zumal der Klägerin aus der Senatsentscheidung vom 31.07.2019 – 7 U 4149/18 – bekannt war, dass das im Rechtsmittelzug übergeordnete Berufungsgericht gegen die Geltendmachung pauschal berechneter Kosten durchgreifende Bedenken erhoben hatte. Da die Klägerin die Zahlung der Gebühren nicht bewiesen hat, steht ihr nur ein Anspruch gegen den Beklagten auf Freistellung von den durch die Löschung des Beklagten als Kommanditisten im Handelsregister entstandenen Notar- und Gerichtskosten zu. § 250 BGB ändert daran nichts, da sich dieser nur auf Schadensersatzansprüche bezieht, streitgegenständlich jedoch kein Schadensersatzanspruch ist. Den Freistellunganspruch hat die Klägerin in der Berufung auch hilfsweise geltend gemacht.
3. Dem Freistellungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten steht auch keine Durchsetzungssperre entgegen. Denn diese erstreckte sich nur auf Ansprüche, die im Rahmen einer nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters aus der Gesellschaft zu erstellenden Abfindungsbilanz zu berücksichtigen wären. Da die Abfindungsbilanz jedoch auf den Zeitpunkt des Ausscheidens des Beklagten aus der Klägerin und damit auf den 31.12.2015 zu beziehen ist, bleiben Ansprüche, die erst nach diesem Zeitpunkt entstehen, in ihrem Rahmen unberücksichtigt. Dies gilt damit auch für den anteiligen Erstattungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten bezüglich der Notar- und Gerichtsgebühren in Höhe von 500,- €. Da die Löschung erst nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der Klägerin erfolgte, entstanden auch die Gebühren erst nach dem Ausscheiden des Beklagten aus der Klägerin und damit nach dem 31.12.2015.
C.
Der Ausspruch zu den Kosten beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Denn die hier streitgegenständliche Beschlusslage besteht gleichgelagert in einer Vielzahl von Beteiligungen an mehreren Fonds, wobei derzeit bundesweit ca. 150 Klagen rechtshängig sind.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben