Bankrecht

Darlegungs- und Beweislast bei negativer Feststellungsklage

Aktenzeichen  20 U 4176/19

Datum:
15.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 17119
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 256

 

Leitsatz

Der Gegner einer negativen Feststellungsklage muss darlegen und beweisen, dass das Recht, dessen er sich berühmt, besteht.  (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

72 O 2091/18 2019-07-11 Endurteil LGLANDSHUT LG Landshut

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Landshut vom 11.07.2019, Az. 72 O 209/18, wird zurückgewiesen und die Klage in Höhe der Klageerweiterung in der Berufungsinstanz abgewiesen.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts Landshut vom 11.07.2019, Az. 72 O 209/18, in Ziffer 2 wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien kein Darlehensverhältnis besteht.
3. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Insoweit wird Ziffer 3 des Endurteils des Landgerichts Landshut vom 11.07.2019, Az. 72 O 209/18, abgeändert.
4. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über das Bestehen eines Darlehensverhältnisses.
Der Kläger behauptet, an die Beklagte ein Darlehen von 20.000,00 € ausgereicht zu haben. Erstinstanzlich verlangte er von der Beklagten die Rückzahlung von seiner Meinung nach fälligen Raten in Höhe von insgesamt 9.000,00 €. Drei weitere Raten in Höhe von insgesamt 3.000,00 € habe er bereits erhalten.
Die Beklagte bestritt das Bestehen eines Darlehensvertrags und begehrte mit der Widerklage die Feststellung, dass zwischen den Parteien kein Darlehensverhältnis bestehe. Die an den Kläger überwiesenen 3.000,00 € seien eine Zuwendung gewesen, aber keine teilweise Rückzahlung des Darlehens.
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Erstgericht wies sowohl die Klage als auch die Widerklage als unbegründet ab. Der Kläger habe das Bestehen eines Darlehensverhältnisses nicht beweisen können, während die Beklagte ihrerseits das Nichtbestehen des Darlehensverhältnisses nicht habe beweisen können.
Dagegen wenden sich beide Parteien mit der Berufung.
Der Kläger stützt seine Berufung im Wesentlichen darauf, dass das Erstgericht die erhobenen Beweise fehlerhaft gewürdigt habe und zu der Überzeugung hätte gelangen müssen, dass die Parteien einen Darlehensvertrag abgeschlossen hatten. In der Berufungsinstanz erweiterte er seine Klage auf den gesamten seiner Meinung nach nunmehr zurückzuzahlenden Betrag, abzüglich der seiner Meinung nach bereits erhaltenen 3.000,00 €.
Der Kläger beantragt,
Unter Abänderung des am 11.07.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Landshut wird die Beklagte verurteilt, an den Kläger 17.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu bezahlen und die dem Kläger entstandenen vorprozessualen Anwaltskosten in Höhe von 808,13 € zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung wie erstinstanzlich die Feststellung, dass zwischen den Parteien kein Darlehensverhältnis bestehe. Das Erstgericht habe rechtsirrig verkannt, dass nicht die Beklagte die Beweislast für die Begründetheit der Feststellungs-Widerklage trage.
Die Beklagte beantragt,
Unter Abänderung des am 11.07.2019 erlassenen Urteils des Landgerichts Landshut wird festgestellt, dass zwischen den Parteien kein Darlehensverhältnis besteht.
Die Parteien erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren (Kläger: Schriftsatz vom 19.05.2020, Beklagte: Schriftsatz vom 05.05.2020).
II.
Die Berufung des Klägers erweist sich als unbegründet, wohingegen die Berufung der Beklagten Erfolg hat.
1. Soweit das Erstgericht die Klage abgewiesen hat, beruht das angefochtene Urteil weder auf einem Rechtsfehler, noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen eine andere Entscheidung, §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO.
a) Gemäß § 533 ZPO ist die Klageerweiterung auf 17.000,00 € in der Berufungsinstanz sachdienlich und kann auf die Tatsachen gestützt werden, die der Senat ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat.
b) Das Landgericht ist zu Recht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger nicht habe beweisen können, dass er mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über 20.000,00 € abgeschlossen hat. Auf Grundlage der protokollierten Zeugenaussagen und des Vortrags der Parteien ist auch dem Senat unklar, welche Vereinbarungen die Parteien miteinander getroffen haben. Insbesondere vermag auch der Senat nicht zu der Überzeugung gelangen, dass die Beweisaufnahme den Abschluss des vom Kläger behaupteten Darlehensvertrages ergeben hat.
Schon der Vortrag der Klagepartei weist Widersprüche auf. Während schriftsätzlich vorgetragen wurde, dass (allein) die Beklagte das Darlehen aufgenommen habe, behauptete der Kläger, persönlich angehört im Termin vom 4.9.2019, dass „sie“ (gemeint waren die Beklagte, der Zeuge R. Sch. und die Zeugin S. K.) alle drei Monate Raten zurückzahlen sollten (vgl. Seite 6 oben des Protokolls). Die protokollierten Angaben der Zeugin S. K. sind vage, zum Teil widersprüchlich und insgesamt nicht geeignet, den vom Kläger behaupteten Darlehensvertrag zu belegen. Aus den Angaben des Zeugen R. Sch. ergibt sich ebenfalls nicht mit hinreichender Deutlichkeit der behauptete Darlehensvertrag. Zudem gab er an, dass die von ihm getätigten drei Teilzahlungen an den Kläger eine freiwillige Zuwendung gewesen seien, weil es dem Kläger finanziell schlecht gegangen sei. Gestützt wird letzteres durch den Hinweis zum Verwendungszweck der Überweisungen „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“.
Der Senat hat keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen, § 529 Abs. 1 Nr.1 ZPO. Er ist nicht gehalten, eine eigene Beweisaufnahme in der Berufungsinstanz durchzuführen.
c) Aus diesen Gründen ist auch die Klage in Höhe der in der Berufungsinstanz vorgenommenen Klageerweiterung abzuweisen.
2. Dagegen hat die Berufung der Beklagten Erfolg. Das Erstgericht hat die Beweislast hinsichtlich der negativen Feststellungs-Widerklage verkannt.
a) Bei der negativen Feststellungsklage trägt der Kläger die Feststellungslast, dass der Beklagte sich eines Rechts berühmt (vgl. Musielak/Voit/Foerste, 17. Aufl. 2020, Rn. 38, ZPO § 256 Rn. 38; zitiert nach beck-online), wohingegen derjenige, der sich des Rechts berühmt, beweisen muss, dass es auch besteht, denn die Beweislast ist von der Parteirolle im Prozess unabhängig (vgl. BGH NJW 2001, 2096, 2098; BGH NJW 2012, 3294; zitiert nach beck-online).
Wie bereits zuvor dargelegt, ist dem Kläger der Beweis, dass zwischen den Parteien ein Darlehensvertrag abgeschlossen wurde, nicht gelungen.
b) Der Widerklage fehlt auch nicht etwa das Rechtsschutzbedürfnis. Zwar gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass das zunächst vorhandene rechtliche Interesse an der negativen Feststellung in aller Regel erlischt, sobald der Gegner wegen desselben Gegenstands Leistungsklage erhebt und diese nicht mehr einseitig zurücknehmen kann (vgl. BGH NJW 1973, 1500, beck-online). Hier ist es allerdings so, dass der Kläger insgesamt lediglich 17.000,00 € aus dem von ihm behaupteten Darlehensvertrag über 20.000,00 € eingeklagt hat und behauptete, mit den erhaltenen 3.000,00 € sei ein Teil der Darlehensschuld beglichen worden. Die Leistungsklage und die negative Feststellungswiderklage sind insoweit nicht vollständig deckungsgleich. Daher besteht ein Interesse der Beklagten an der Feststellung, dass überhaupt kein Darlehensvertrag abgeschlossen wurde.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
2. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus §§ 708 Nr.10 Satz 1, 713 ZPO in Verbindung mit § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Da nach dieser Entscheidung nichts mehr aus dem erstinstanzlichen Urteil vollstreckt werden kann, erübrigte sich eine Entscheidung nach § 708 Nr.10 Satz 2 ZPO.
3. Der Streitwert war gem. § 45 Abs. 1 Sätze 1 und 3 GKG auf 20.000,00 € festzusetzen. Klage und Widerklage betreffen den gleichen Gegenstand, wenn sie nicht beide erfolgreich sein können. Eine erfolgreiche Klage setzt hier das Bestehen des behaupteten Darlehensvertrages voraus, während mit der Widerklage die Feststellung des Nichtbestehens eben jenes Darlehensvertrages begehrt wird. Allerdings macht der Kläger nicht den vollständigen Betrag von 20.000,00 € geltend, sondern nur einen Teilbetrag von 17.000,00 €. Da eine Darlehenssumme von insgesamt 20.000,00 € in Streit steht, war der Streitwert auf diesen Betrag festzusetzen. Zu diesem Ergebnis gelangt man sowohl dann, wenn man die Widerklage – wirtschaftliche Identität unterstellt – als die Klage mit dem höheren Wert im Sinne von § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG ansieht, als auch dann, wenn man die Teilklage im Wert von 17.000,00 € mit den insoweit nicht deckungsgleichen weiteren 3.000,00 € der Widerklage gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 GKG addiert. Insoweit kommt es für das Ergebnis nicht darauf an, welcher (Teil-) Betrag mit der Klage geltend gemacht wird und welcher Betrag für die negative Feststellungswiderklage gleichsam noch „übrigbleibt“, denn es geht insgesamt immer um den gesamten streitigen Darlehensbetrag von 20.000,00 €.
IV.
Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Rechtsfortbildung oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Es handelt sich lediglich um eine Einzelfallentscheidung.


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