Bankrecht

Echter Vertrag zugunsten Dritter

Aktenzeichen  30 U 2343/17

Datum:
18.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 51182
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 97 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 2, § 269 Abs. 3 S. 2, 4, § 522 Abs. 2, § 708 Nr. 10, § 711
GKG § 47 Abs. 1, §48 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO lässt im Falle eines in der ersten Instanz unterlaufenen Verfahrensfehlers eine Zurückverweisung grundsätzlich nur dann zu, wenn aufgrund des Verfahrensmangels außerdem eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist oder wenn das erstinstanzliche Verfahren überhaupt keine Grundlage für das Berufungsverfahren darstellen kann (vgl. BGH Beschluss vom 17.03.2008, Az.: II ZR 313/06).    (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Wirksamkeit eines Teilrücktritts scheitert nicht daran, dass es nicht festgestellt werden konnte, welcher Betrag dem Klagerücknahmeversprechen zuzuordnen ist. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

023 O 720/15 2017-06-01 Endurteil LGAUGSBURG LG Augsburg

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Endurteil des Landgerichts Augsburg vom 01.06.2017, Az.: 23 O 720/15, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.
3. Dieser Beschluss sowie das Endurteil des Landgerichts Augsburg sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch den Beklagten zu 1) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 1.000.000,- €.

Gründe

I.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, nachdem die Kläger mit Schriftsatz vom 12.09.2017 die von ihnen erweiterte Klage gegen die Beklagte zu 2) und 3) zurückgenommen haben, lediglich noch die gegen den Beklagten zu 1) erhobene Klage. Das Landgericht Augsburg hat mit Endurteil vom 01.06.2017 die Klage – zuletzt gerichtet auf die Zahlung von 1.000.000,- € – gegen den Beklagten zu 1) abgewiesen und die erst mit Schriftsatz vom 12.05.2017 erweiterte Klage auf die Beklagten zu 2) und 3) durch Prozessurteil als unzulässig abgewiesen. Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihren Antrag auf Zahlung von 1.000.000,- € als offene Teilklage gegen den Beklagten zu 1) weiter und beantragen zuletzt mit Schriftsatz vom 23.10.2017
1. Der Beklagte zu 1) wird zur Zahlung von 1.000.000,- € verurteilt, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % seit dem 13.01.2017.
Hilfsweise
2. Die Klage gegen den Beklagten zu 1) wird für zurückgenommen erklärt.
Der Beklagte zu 1) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte zu 2) beantragt,
den Klägern und Berufungsklägern seine außergerichtlichen Kosten aufzuerlegen.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Augsburg vom 01.06.2017 Bezug genommen.
Zur Begründung der Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO wird auf den vorangegangenen Hinweis des Senats vom 26.03.2018 und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Endurteils des Landgerichts Bezug genommen.
Ergänzend ist im Hinblick auf die Ausführungen der Kläger in dem Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 17.05.2018 Folgendes auszuführen:
1. Der Senat hat in dem Beschluss vom 26.03.2018 unter Ziffer 1 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Beklagte zu 1) bereits in der Verteidigungsanzeige vom 02.04.2015 die Schiedseinrede nach § 1032 BGB erhoben hat. Der Senat hat keine Ausführungen dazu gemacht, dass diese Einrede fallen gelassen wurde. Auch wurden keine Ausführungen dazu gemacht, dass die Einrede der Prozesskostensicherheit durch den Beklagten zu 1) fallen gelassen wurde. Unter Ziffer 5 des Beschlusses vom 26.03.2018 wurde vielmehr darauf hingewiesen, dass ein Antrag des Beklagten zu 1) gem. § 113 Satz 2 ZPO, die Klage für zurückgenommen zu erklären, nicht gestellt wurde. Ein Fall der Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung (vgl. hierzu im Einzelnen: Zöller/Geimer, ZPO, 33. Aufl., § 1029 Rn. 98 ff.) ist nicht gegeben. Soweit in dem ICC-Schiedsspruch vom 16.12.2013 entschieden wurde, dass Einwendungen gegen die Vollstreckung vor die Gerichte der jeweiligen Staaten gehören, so betrifft dies die vorliegende Klage nicht, da mit dieser ein eigenständiger Schadenseratzanspruch geltend gemacht wird und nicht die Vollstreckung der ICC-Entscheidung vom 01.07.2009. Die Berufung des Beklagten zu 1) auf die Schiedsabrede stellt auch keine unzulässige Rechtsausübung dar. Der Beklagte zu 1) hat an mehreren ICC-Schiedsgerichtsverfahren teilgenommen und müsste sich aufgrund der Schiedsvereinbarung auch an weiteren von den Klägern initiierten ICC-Schiedsgerichtsverfahren beteiligen. Warum der Rechtsgewährungsanspruch der Kläger und der besondere Schutzanspruch der Kläger aus dem deutsch-t. Investitionsschutzvertrag durch eine Verweisung auf die zwischen den Klägern und dem Beklagten zu 1) getroffene Schiedsgerichtsvereinbarung verletzt sein soll, ist in keiner Weise ersichtlich und von den Klägern auch nicht konkret dargetan.
2. Wie dem Beschluss des Senats vom 26.03.2018 zu entnehmen ist, kann die Frage, ob die Rechtskraft der Entscheidungen des ICC-Schiedsgerichts einer weiteren Entscheidung in der vorliegenden Sache durch deutsche Gerichte entgegensteht, letztlich dahinstehen, da jedenfalls – sofern die Rechtskraft der vorgenannten Entscheidungen der vorliegenden Klage nicht entgegensteht – dieser Anspruch aufgrund der getroffenen Schiedsvereinbarung ebenfalls vor dem ICC-Schiedsgericht geltend zu machen ist.
3. Die Kläger haben nunmehr auf den Hinweis des Senats mit Beschluss vom 26.03.2018 ihren Klageantrag mit Schriftsatz vom 17.05.2018 dahingehend konkretisiert, dass sie Zahlungen vorrangig an sich, hilfsweise an das Königreich T… begehren.
4. Dass der Teilrücktritt der Kläger vom 23.04.2010 von dem Anteilskaufvertrag vom 03.12.2006/12.07.2007 unwirksam ist und dies auch so von dem ICC-Schiedsgericht in seiner Entscheidung vom 18.04.2011 festgestellt wurde, wurde von den Klägern nicht belegt; aus den „Summary of Findings“ des Schiedsbeschlusses vom 18.04.2011 (Seite 40) ergibt sich diese Feststellung jedenfalls nicht und es ist auch nicht ersichtlich, dass die Frage der Unwirksamkeit des Teilrücktritts und die Fortgeltung des Klagerücknahmerechts dem ICC-Schiedsgericht zur Entscheidung gestellt worden wäre (so auch Kammergericht Berlin, Beschluss vom 23.02.2015, Seite 15). Auch der BGH hat in seiner Entscheidung vom 06.10.2016, soweit ersichtlich, hierzu keine Ausführungen gemacht. Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Landgericht Augsburg und dem Kammergericht Berlin von einer Wirksamkeit des Teilrücktritts aus. Der Umstand, dass das ICC-Schiedsgericht bei seiner Entscheidung vom 18.04.2011 nicht feststellen konnte, welcher Betrag dem Klagerücknahmeversprechen zuzuordnen ist, hat nicht die Unwirksamkeit des Teilrücktritts der Kläger von dem Anteilskaufvertrag und den Verzicht auf die nachträgliche Erfüllung der Verpflichtung zur Rücknahme der Schiedsklage zur Folge. Es handelt sich bei der Verpflichtung zur Rücknahme der Schiedsklage um eine selbständige Forderung, von der daher auch ein Teilrücktritt erklärt werden konnte. Soweit die Kläger diesen Teilrücktritt wegen Irrtums angefochten haben, sind auch für einen Irrtum keine Gründe ersichtlich. Sofern sie bei dem Teilrücktritt die Vorstellung hatten, einen Betrag in Höhe von 5.912.503,- € von dem Beklagten zu 1) verlangen zu können und mit diesem Antrag vor dem ICC-Schiedsgericht keinen Erfolg hatten, handelt es sich um einen unbeachtlichen Motivirrtum. Im Übrigen weist das Landgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend darauf hin, dass die Frage der Wirksamkeit des Teilrücktritts letztlich auch von dem ICC-Schiedsgericht zu entscheiden ist und der nationalen Gerichtsbarkeit entzogen ist.
5. Das Zeugnis der Zeugin B… von der C…bank AG wird auf Bl. 16 der Berufungsbegründung vom 12.09.2017 lediglich für den Vortrag angeboten, dass die C…bank AG den Auftrag gehabt habe, sich für das Königreich T… zu verbürgen, nicht jedoch für die tatsächliche Inanspruchnahme der C…bank AG als Bürgin. Ob der Schriftsatz der Kläger vom 17.05.2018 selbst einen Beweisantritt für die von dem Beklagten zu 1) mit Schriftsatz vom 16.11.2017 ausdrücklich bestrittene Tatsache beinhaltet und dieser Beweisantritt verspätet ist, kann jedoch letztlich offenbleiben, weil es auf diese Frage nicht entscheidend ankommt.
6. Der Senat schließt sich den Ausführungen des Kammergerichts Berlin in dem Beschluss vom 23.02.2015 an, dass es sich bei dem Vertrag vom 03.12.2006/12.07.2007 um keinen echten Vertrag zugunsten Dritter handelt; es wird insoweit Bezug genommen auf die Ausführungen des Kammergerichts Berlin vom 23.02.2015 unter Ziffer II. 1. d), Bl. 14 f.). Aus den von dem Kammergericht Berlin ausgeführten Gründen handelt es sich bei dem Vertrag auch nicht um einen sogenannten unechten Vertrag zugunsten Dritter. Insoweit ergibt sich auch aus der Systematik des Art. 112 Schweizer Obligationenrecht nichts anderes; ein unechter Vertrag zugunsten Dritter liegt nur vor, wenn die Voraussetzungen von Art. 112 Abs. 1 Schweizer Obligationenrecht erfüllt sind.
Hinsichtlich der Frage, ob bei einer normativen Betrachtung die Rechtsfolgen der rechtskräftigen Verurteilung des Königreichs T… durch das internationale Schiedsgericht am 01.07.2009 einen Schaden darstellen, den das Königreich T… von dem Beklagten zu 1) ersetzt verlangen kann, wird auf den Beschluss des Senats vom 26.03.2018 unter Ziffer I. 4. c) letzter Absatz Bezug genommen. Eine mündliche Verhandlung wäre nur dann geboten, wenn die Entscheidung des Senats auf eine umfassende neue rechtliche Würdigung gestützt würde und diese angemessen mit dem Berufungsführer nicht im schriftlichen Verfahren erörtert werden könnte (vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 522 Rn. 40). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
7. Hinsichtlich des fehlenden Antrags gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 ZPO wird auf Ziffer 5 des Beschlusses des Senats vom 26.03.2018 sowie auf Ziffer 1 des vorliegenden Beschlusses verwiesen. Auch der Hilfsantrag der Kläger hat daher keinen Erfolg.
8. Der Vollständigkeitshalber wird darauf hingewiesen, dass mit der Berufung die Befangenheit des Richters am Landgericht Dr. D… nicht gerügt wurde. § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO lässt im Falle eines in der ersten Instanz unterlaufenen Verfahrensfehlers eine Zurückverweisung im übrigen grundsätzlich nur dann zu, wenn aufgrund des Verfahrensmangels außerdem eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist oder wenn das erstinstanzliche Verfahren überhaupt keine Grundlage für das Berufungsverfahren darstellen kann (vgl. BGH Beschluss vom 17.03.2008, Az.: II ZR 313/06). Beide Voraussetzungen sind vorliegend ersichtlich nicht erfüllt. Ob ein Verfahrensfehler vorliegt und die Ablehnungsgesuche der Kläger vom 12.05.201 und vom 15.05.2017 zu Recht durch das Landgericht mit Beschlüssen vom 15.05.2017 und vom 31.05.2017 als unzulässig verworfen wurden, kann daher dahinstehen (vgl. hierzu Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 538 Rn. 15 sowie BGH a.a.O.).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, soweit die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) zurückgenommen wurde, auf § 269 Abs. 3 Satz 2, 4 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.


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