Bankrecht

Eintritt der Verjährung eines Anspruchs auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens

Aktenzeichen  18 U 5151/19

Datum:
22.9.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 47674
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 138, § 268
HGB § 235
BGB § 199, § 204

 

Leitsatz

1. Die Regelung des § 268 ZPO soll nur verhindern, dass der Sachentscheidung des Gerichts (über den ursprünglichen bzw. den geänderten Antrag) nachträglich die Grundlage entzogen werden kann (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Erklärungslast des Gegners gemäß § 138 Abs. 2 ZPO ist in Bestehen und Umfang davon abhängig, wie die darlegungspflichtige Partei vorgetragen hat. In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungspflichtigen Klägers das einfache Bestreiten des Beklagten. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur im Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Anspruch ist nach § 199 Abs. 1 BGB entstanden, sobald er erstmals vom Gläubiger geltend gemacht und mit einer Klage durchgesetzt werden. Der Anspruch auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens entsteht – ebenso wie der Verlustausgleichsanspruch – grundsätzlich mit dem Ausscheiden des und kann nach seiner Fälligkeit geltend gemacht bzw. mit Klage durchgesetzt werden. Das Fehlen einer Abfindungsbilanz hindert den Eintritt der Fälligkeit nicht.  (Rn. 37 – 39) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 O 2445/18 2019-07-29 Urt LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 29.07.2019, Az. 5 O 2445/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Traunstein ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 35.583,35 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin begehrt den Ausgleich des negativen Kapitalkontos des Beklagten nach dessen Ausscheiden aus einer atypisch stillen Gesellschaft.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstands und der Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts Traunstein vom 29.07.2019 (Bl. 110/112 d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 35.583,35 € nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 112/117 d.A.) verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 21.08.2019 (Bl. 123/126 d.A.) beantragte der Beklagte die Berichtigung des Tatbestandes des landgerichtlichen Urteils dahingehend, dass die Höhe des Kapitalkontos streitig gewesen sei. Das Landgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 12.09.2019 (Bl. 132/134 d.A.) zurückgewiesen.
Gegen das Endurteil vom 29.07.2019 hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
Der Beklagte verfolgt mit seiner Berufung den erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag in vollem Umfang weiter. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus:
Das Landgericht habe unter Missachtung der zivilprozessualen Dispositionsmaxime über einen nicht zur Entscheidung gestellten Streitgegenstand entschieden und dabei zumindest § 308 ZPO verletzt, indem es über die Ausgleichspflicht des Beklagten zum Beendigungszeitpunkt 31.12.2015 entschieden habe. Denn die Klägerin habe ihre Klage ursprünglich darauf gestützt, dass die Beteiligung des Beklagten als stiller Gesellschafter durch Kündigung der Klägerin vom 05.10.2015 zum 31.12.2016 beendet sei. In der Klageerwiderung vom 01.03.2019 habe der Beklagte vorgetragen, selbst bereits wirksam mit Schreiben vom 08.09.2014 (Anlage B1) zum 31.12.2015 gekündigt zu haben. Der Zugang und die Wirksamkeit seiner (zeitlich früheren) Kündigung seien von der Klägerin in der Replik vom 03.04.2019 unstreitig gestellt worden. Die verschiedenen Kündigungen von unterschiedlichen Personen zu alternativen Beendigungszeitpunkten stellten unterschiedliche Streitgegenstände dar. Die Klägerin habe jedoch zu keinem Zeitpunkt eine Klageänderung vorgenommen. Vielmehr habe sie unverändert den Antrag aus der Klageschrift gestellt. Wenn aber nicht klar sei, über welchen Streitgegenstand entschieden werden solle, läge ein Fall einer unzulässigen alternativen Klagenhäufung vor. Das Landgericht habe damit über einen nicht zur Entscheidung gestellten Streitgegenstand entschieden.
Die Entscheidung des Landgerichts, dass keine Klageänderung erfolgt sei, sei nach § 268 ZPO unanfechtbar. Außerdem sei das Berufungsgericht an die diesbezüglichen Feststellungen des Landgerichts wegen der Beweiskraft der tatsächlichen Feststellungen nach § 314 ZPO gebunden.
Eine Klageänderung sei (auch in der Berufungsinstanz) nicht sachdienlich, da der Beklagte im Falle der Zulassung der Klageänderung die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts rügen werde. Der Beklagte habe seinen Wohnsitz in Frankfurt am Main. Ein Fall von § 513 Abs. 2 ZPO liege nicht vor, da die rügelose Einlassung nur für den ursprünglichen Streitgegenstand, nicht aber für eine (noch nicht erfolgte) Klageänderung gelte. Die Rüge der örtlichen Unzuständigkeit sei auch nicht treuwidrig.
Des Weiteren sei das Landgericht rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klageforderung unverjährt sei. Der Beklagte beruft sich hier insbesondere auf das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 25.01.2018, Az. 6 U 134/17, dem ein inhaltsgleicher Sachverhalt zugrunde gelegen habe. Die Fälligkeit des Anspruchs folge nicht aus § 13 Nr. 1 f des Gesellschaftsvertrages (im folgenden GV), da diese Regelung nur bei positiven Abfindungsguthaben greife. Dies ergebe sich auch aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 06.12.2016, II ZR 262/15. Ungeachtet der Fälligkeit sei der Anspruch mit Wirksamwerden der Kündigung zum 31.12.2015 entstanden im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB. § 13 Abs. 1 f GV sei nach § 305 c Abs. 1 und 2 BGB so auszulegen, dass nur die Fälligkeit, nicht aber die Verjährung hinausgeschoben werde. Denn die dreijährige Regelverjährung gehöre zu den wesentlichen Grundgedanken des Verjährungsrechts. Der Anspruch sei bereits mit Wirksamwerden der Kündigung gemäß § 271 BGB zum 31.12.2015 fällig geworden. Für die Anspruchsentstehung nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB müsse der Anspruch nicht bezifferbar sein, vielmehr reiche aus, dass die Klägerin eine verjährungshemmende Feststellungsklage erheben könne. § 235 HGB sei mangels „Auflösung“ der stillen Gesellschaft durch die Kündigung eines einzelnen Gesellschafters nicht einschlägig. Gleichwohl seien die hierfür entwickelten Grundsätze der Ausnahme von der Durchgangssperre auf den vorliegenden Fall anwendbar, da vor Beendigung der Auseinandersetzung im Spätherbst 2015 mit Sicherheit festgestanden habe, dass die Klägerin jedenfalls einen bestimmten Betrag verlangen könne. Der Saldo des Beklagten sei zu diesem Zeitpunkt weit im Minus gewesen. Die Klägerin hätte daher schon damals zumindest eine die Verjährung hemmende Feststellungsklage erheben können. Der Mahnbescheid habe die Verjährung nicht hemmen können, da er sich auf einen anderen Streitgegenstand bezogen habe. Zudem sei der Streitgegenstand nicht ausreichend individualisiert gewesen. Dem Mahnbescheid sei auch der falsche Beendigungszeitpunkt und damit ein auf einen falschen Zeitpunkt bezogener Wirtschaftsprüfungsbericht zugrunde gelegen. Zudem sei dem Beklagten das im Mahnbescheid in Bezug genommene Aufforderungsschreiben vom 24.11.2017 nie zugegangen. Sollte das Berufungsgericht die Auffassung des Beklagten zum Verjährungsbeginn nicht teilen, sei im Hinblick auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz die Revision zuzulassen.
Daneben bestünden Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der in erster Instanz festgestellten Tatsachen.
Der Antrag des Beklagten auf Tatbestandsberichtigung vom 21.08.2019 sei mit Beschluss vom 13.09.2019 fehlerhaft abgelehnt worden. Der Beklagte habe die ordnungsgemäße Ermittlung des Saldos durch den Wirtschaftsprüfer vielfach angegriffen. Dennoch habe das Landgericht die Höhe des Saldos in den unstreitigen Teil des Tatbestandes aufgenommen.
Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht angenommen, der in Anlage K 9 vorgelegte Bericht des Wirtschaftsprüfers entspreche den Anforderungen des § 13 Nr. 1 g GV. Dabei habe die Klägerin ihrer Darlegungslast nicht genügt, ihre Behauptungen seien mangels Substanz nicht einlassungsfähig. Der Maßstab für ein „Ermitteln“ nach § 13 Nr. 1 g GV sei nicht eingehalten, da der als Anlage K 9 vorgelegte Bericht keine eigenen Ermittlungen enthalte. An vielen Stellen sei nur von einer Plausibilitätsprüfung die Rede. Für die Vertragskonformität des Berichts gemäß Anlage K 9 finde sich kein klägerischer Vortrag. Dies sei nur in der Klageschrift und damit im Hinblick auf den Bericht zum 31.12.2016 (Anlagen K 5 und K 6) geschehen. Fälschlicherweise sei das Landgericht davon ausgegangen, der Beklagte habe die korrekte Ermittlung des Saldos zugestanden. Das Landgericht durfte nicht die Vertragskonformität des Berichts in Anlage K 9 aus einem Schweigen des Beklagten zu den Anlagen K 5 und K 6 entnehmen. Die Weitergabe an andere (und damit auch an den Beklagten) sei in Anlage K 5 ausdrücklich untersagt worden.
Mit Schriftsatz vom 22.05.2020 erhob der Beklagte darüber hinaus die Einrede der Verwirkung, da die Klägerin den negativen Saldo nicht rascher geltend gemacht habe.
Der von der Klägerin behauptete Ausgleichsanspruch wäre, wenn er bestünde, eine Nachlassverbindlichkeit nach § 1967 BGB. In den Tenor sei daher ein Haftungsbeschränkungsvorbehalt nach § 780 ZPO aufzunehmen.
Der Beklagte beantragt,
Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Traunstein vom 29.07.2019 (Az. 5 O 2445/18) wird die Klage abgewiesen (Bl. 231 d.A.).
Die Klägerin beantragt,
Die Berufung wird zurückgewiesen (Bl. 231 d.A.).
Die Klägerin führt in Erwiderung auf die Berufung des Beklagten aus, dass streitgegenständlich der Zahlungsanspruch auf Ausgleich des negativen Kapitalkontos sei. Dagegen sei für die Bestimmung des Streitgegenstandes nicht entscheidend, welcher Abrechnungszeitpunkt maßgeblich gewesen sei. Es handele sich um einen einheitlichen Lebenssachverhalt. Die Klägerin habe deshalb keine Klageänderung vollzogen.
Die Verjährung sei durch Zustellung des Mahnbescheids rechtzeitig im Jahr 2018 gehemmt worden. Die Klageforderung sei auch ausreichend individualisiert gewesen, insbesondere deshalb, weil der Beklagte genau gewusst habe, um welche Forderung es sich handele.
Die Berechnungsgrundlagen und die zugrundeliegenden Behauptungen des Wirtschaftsprüfers seien von dem Beklagten nicht substantiiert angegriffen worden. Dies sei aber angesichts der Darlegungen der Klägerin in erster Instanz erforderlich gewesen. Lediglich bei Fehlen einer Erläuterung zu den Ursachen und Gründen der fehlenden Reserven dürfe sich ein Anleger auf ein einfaches Bestreiten der Behauptungen der Klagepartei beschränken. Die Klägerin weist hier auf die Entscheidung des BGH Beck RS 2017,108464 hin. Im Zweifel hätte der Beklagte sich nähere Informationen durch Ausübung seines vertraglichen Informations- und Kontrollrechts beschaffen können und müssen.
Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 08.07.2020 (Bl. 212/213 d.A.) auf die Einzelrichterin übertragen. Diese hat am 04.08.2020 mit den Parteien mündlich zur Sache verhandelt.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 26.09.2019 (Bl. 142/188 d.A.), 12.11.2019 (Bl. 196/200 d.A.), 22.05.2020 (Bl. 205/207 d.A.), 01.07.2020 (Bl. 210/211 d.A.), 31.07.2020 (Bl. 227/229 d.A.), 24.08.2020 (Bl. 237/247 d.A.) und 07.09.2020 (Bl. 248/253 d.A.), die Schriftsätze der Klägerin vom 14.10.2019 (Bl. 191/195 d.A.), 18.06.2020 (Bl. 208/209 d.A.), 27.07.2020 (Bl. 218/224 d.A.), 28.07.2020 (Bl. 225/226 d.A.), 25.08.2020 (Bl. 233/236), 07.09.2020 (Bl. 254/256 d.A.), 10.09.2020 (Bl. 257/258 d.A.) und 15.09.2020 (Bl. 259/260 d.A.) sowie die Ladungsverfügung vom 08.07.2020 mit Hinweis gemäß § 139 ZPO (Bl. 214/216 d.A.) und das Protokoll vom 04.08.2020 (Bl. 230/232 d.A.), jeweils mit den zugehörigen Anlagen, verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet und war daher zurückzuweisen.
Es sind weder die verfahrensrechtlichen Rügen des Beklagten begründet noch greifen seine materiellrechtlichen Einwendungen durch.
1. Der Klägerin ist nicht unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO etwas anderes zuerkannt worden, als sie beantragt hat. Zwar ist zutreffend, dass die Klägerin ihren Antrag auf Zahlung von 35.583,35 € zunächst auf die Berechnung des negativen Abfindungsguthabens zum 31.12.2016 gestützt hat, weil sie zum damaligen Zeitpunkt noch davon ausging, dass ihre Kündigung vom 05.10.2015 das Gesellschaftsverhältnis zum 31.12.2016 beendete. Mit Schriftsatz vom 03.04.2019 (Bl. 57/58 d.A.) hat sie den unverändert gebliebenen Antrag aber im Klagegrund dahingehend unter Vorlage eines neuen Wirtschaftsprüfungsberichts (Anlage K9) berichtigt, dass sie nunmehr den zum 31.12.2015 berechneten Verlustausgleichsanspruch aufgrund der Kündigung des Beklagten vom 08.09.2014 geltend macht. Damit hat die Klägerin aber wirksam beantragt, den Beklagten zum Ausgleich des negativen Abfindungsguthabens zum Zeitpunkt 31.12.2015 zu verurteilen. Der Antrag in dieser Form wurde mangels Zustellung des Schriftsatzes vom 03.04.2019 durch Antragstellung in der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2019 (Bl. 83 d.A.) rechtshängig. Dass sowohl die Klägerin selbst als auch das Landgericht die Berichtigung des Klagegrundes nicht als Klageänderung angesehen haben, ändert hieran nichts. Entscheidend ist, dass auch das Landgericht das klägerische Begehren dahingehend ausgelegt hat, dass der zum 31.12.2015 berechnete Ausgleichsanspruch begehrt wird, und nur über diesen Anspruch entschieden hat.
Anders als der Beklagte meint, liegt auch keine unzulässige alternative Klagenhäufung vor. Denn aus dem Vortrag der Klägerin wird zumindest konkludent deutlich, dass sie den gestellten Antrag primär auf das negative Abfindungsguthaben zum 31.12.2015 stützt und nur hilfsweise auf den Ausgleichsanspruch zum 31.12.2016. Die Klägerin hat nämlich auf die Ausführungen des Beklagten in der Klageerwiderung hin in ihrer Replik vom 03.04.2019 (Bl. 57/58 d.A.) unstreitig gestellt, dass der Beklagte das Gesellschaftsverhältnis bereits durch seine eigene Kündigung vom 08.09.2014 zum 31.12.2015 beendet hat. Wenn die Klägerin daneben ausführt, dass es darauf nicht wesentlich ankomme, weil das negative Abfindungsguthaben zu beiden Zeitpunkten in gleicher Höhe bestehe, macht sie den Anspruch zum 31.12.2016 nicht gleichrangig und alternativ zu dem Anspruch zum 31.12.2015 geltend. Vielmehr lässt sich ihren Ausführungen entnehmen, dass sie nunmehr ihr Begehren vorrangig auf das negative Abfindungsguthaben zum 31.12.2015 stützt. Deswegen hat sie auch mit der Replik den neuen Wirtschaftsprüfungsbericht zum Beendigungszeitpunkt 31.12.2015 (Anlage K9) vorgelegt.
2. Der Beklagte kann die Anfechtung des landgerichtlichen Urteils auch nicht auf § 268 ZPO stützen. Zwar erklärt diese Vorschrift die Beurteilung der Frage, ob eine Klageänderung vorliegt bzw. ob diese zulässig ist, für unabänderlich. Für das hiesige Verfahren hat die Regelung jedoch keine Auswirkung. Denn sie soll nur verhindern, dass der Sachentscheidung des Landgerichts (über den ursprünglichen bzw. den geänderten Antrag) nachträglich die Grundlage entzogen werden kann (Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl., § 268 Rn. 1). Das Landgericht hat aber gerade über den Antrag auf Ausgleich des negativen Abfindungsguthabens zum 31.12.2015 entschieden, weil es diesen Anspruch als von der ursprünglichen Klage umfasst ansah. Damit ist dieser Antrag auch Streitgegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Dass die Klägerin nach Auffassung des Beklagten die Klage gar nicht geändert habe bzw. jedenfalls die Klageänderung nicht sachdienlich sei, ist nach § 268 ZPO der Überprüfung entzogen. Zudem handelt es sich bei der Beurteilung, ob sich die Ergänzung des Klagegrundes innerhalb des zunächst geschilderten Lebenssachverhalts hält oder einen eigenständigen, weiteren Lebenssachverhalt und damit eine Klageänderung begründet, um keine tatsächliche Frage, sondern um eine rechtliche Bewertung.
3. Zu Recht hat das Landgericht den Beklagten zur Zahlung von 35.583,35 € nebst Zinsen verurteilt. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ausgleich des negativen Abfindungsguthabens nach § 13 Nr. 1 d) GV. Die Berechnung dieses Rückzahlungsanspruchs und des diesem zugrunde liegenden Abfindungsguthabens des stillen Gesellschafters ist in § 13 Nr. 1 Satz 1 GV und die des Auseinandersetzungswerts in § 6 und § 13 GV nachvollziehbar und verständlich näher geregelt.
a. Nach den Feststellungen des Landgerichts, an die das Berufungsgericht nach § 314 ZPO gebunden ist und die auch zwischen den Parteien unstreitig sind, schied der Beklagte durch seine Kündigung vom 08.09.2014 zum 31.12.2015 aus dem atypisch stillen Gesellschaftsverhältnis mit der Klägerin aus. Ebenso unstreitig hatte er bzw. sein Rechtsvorgänger bis zu diesem Zeitpunkt Ausschüttungen in Höhe von 35.583,35 € erhalten.
Eine Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses aufgrund des von dem Beklagten mit Schreiben vom 23.09.2014 erklärten Widerrufs wird mit der Berufung nicht mehr geltend gemacht und ist auch nicht ersichtlich. Insbesondere sind keine tatsächlichen Umstände vorgetragen, die ein Widerrufsrecht des Beklagten begründen würden.
b. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Beklagten zum 31.12.2015 dessen Kapitalkonto einen negativen Wert in Höhe von 47.156,61 € aufwies. Dies ergibt sich aus dem als Anlage K9 vorgelegten Bericht der Klägerin, mit dem diese die Berechnung für den Stichtag 31.12.2015 nachreichte.
Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Beklagte den Vortrag der Klägerin zur Höhe des Kapitalkontos zum Stichtag 31.12.2015 nicht wirksam bestritten hat. Auf die zutreffende Begründung des Beschlusses vom 12.09.2019, mit dem der Tatbestandsberichtigungsantrag zurückgewiesen wurde, wird Bezug genommen. Das frühere Bestreiten des Beklagten bezog sich auf den behaupteten negativen Saldo zum 31.12.2016. Dass dieses frühere Bestreiten auch das Bestreiten des zeitlich später behaupten negativen Saldos zum 31.12.2015 beinhalten soll, überzeugt nicht. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte auch nur gerügt hatte, dass die Berechnung der Klägerin von einem falschen Beendigungszeitpunkt ausgegangen sei. Bei dem Vortrag der Klägerin in der Replik handelt es sich erkennbar um neuen Sachvortrag, da ein neuer Betrag zu einem abweichenden Beendigungszeitpunkt behauptet wird. Es ist auch nicht zutreffend, dass der Vortrag der Klägerin überhaupt nicht einlassungsfähig gewesen wäre. Zumindest ein Bestreiten der Höhe des behaupteten negativen Saldos wäre möglich gewesen, ohne sich mit den vorgelegten Wirtschaftsprüfungsberichten auseinander zu setzen.
Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, dass in der Rüge des Beklagten mit Schriftsatz vom 15.07.2019 (nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz), die Wirtschaftsprüfungsberichte entsprächen nicht dem Gesellschaftsvertrag, weil sie den Stand des Kapitalkontos nicht „ermitteln“ würden, sondern nur eine Plausibilitätskontrolle vornähmen, auch ein Bestreiten des Saldos zum 31.12.2015 liegen sollte, wäre sein Bestreiten nicht ausreichend substantiiert gewesen. Der Vortrag der Klägerin würde auch dann nach 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelten. Die Erklärungslast des Gegners gemäß § 138 Abs. 2 ZPO ist in Bestehen und Umfang davon abhängig, wie die darlegungspflichtige Partei vorgetragen hat. In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung des darlegungspflichtigen Klägers das einfache Bestreiten des Beklagten. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur im Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 2014 – VI ZR 271/13, NJW-RR 2014, 830 Tz. 7; Urteil vom 4. April 2014 – V ZR 275/12, ZIP 2014, 1532 Tz. 11). Gemessen an diesen Voraussetzungen wäre ein einfaches Bestreiten des von der Klägerin vorgelegten Zahlenwerks durch den Beklagten nicht ausreichend gewesen. Denn die Klägerin legte mit den Anlagen K5, K6 und K9 ein umfangreiches Zahlenwerk vor, aus dem sich das negative Abfindungsguthaben nachvollziehen lässt. Zwar hat die Klägerin mit der Anspruchsbegründung zunächst nur zum Beendigungszeitpunkt 31.12.2016 unter Vorlage der Anlage K5 und K6 vorgetragen. Nachdem die Klägerin aber in der Replik vom 03.04.2019 unstreitig gestellt hat, dass das Gesellschaftsverhältnis bereits durch Kündigung durch den Beklagten zum 31.12.2015 endete, hat sie einen auf diesen Beendigungszeitpunkt angepassten Wirtschaftsprüfungsbericht als Anlage K9 vorgelegt. Dem Beklagten ist zwar einzuräumen, dass die Klägerin bezogen auf den jetzt als richtig erkannten Beendigungszeitpunkt schriftsätzlichen Vortrag zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs vermissen lässt. Da aber der als Anlage K9 vorgelegt Bericht auf die früheren Berichte vom 31.01.2018 (Anlage K5) und 04.08.2017 (Anlagen K6) Bezug nimmt und der ursprüngliche Vortrag der Klägerin den Inhalt dieser Berichte abbildete, erscheint der Sachvortrag der Klägerin in der Gesamtschau als ausreichend substantiiert. Jedenfalls durfte der Beklagte sich in dieser Situation nicht auf ein schlichtes Bestreiten zurückziehen, sondern hätte im einzelnen bestreiten müssen, welche Ansätze in den Wirtschaftsprüfungsberichten er für nicht zutreffend hält. Dies gilt umso mehr, als das negative Abfindungsguthaben zu beiden Beendigungszeitpunkten die Höhe der erhaltenen Ausschüttungen bei weitem übersteigt. Dass in dem Bericht vom 31.01.2018 (Anlage K5) die Weitergabe nur an atypisch stille Gesellschafter, deren Beteiligung zum 31.12.2016 endete, gestattet war, ändert nichts daran, dass das Zahlenwerk dem Beklagten zugegangen und bekannt ist. Außerdem lässt sich die Bezugnahme auf diesen Bericht in dem ergänzenden Bericht vom 17.03.2019 als nachträgliche Genehmigung der Weitergabe auslegen. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf den substantiierten Vortrag der Klägerin wäre der Beklagte gehalten gewesen, sich bei der Klägerin durch Ausübung seiner vertraglichen Informations- und Kontrollrechte nach § 10 GV näher über sein Auseinandersetzungsguthaben zu informieren und auf dieser Grundlage konkret vorzutragen und zu bestreiten.
c. Dem Einwand des Beklagten, der Bericht entspreche nicht den Vorgaben des § 13 Nr. 1 g GV, insbesondere habe der Wirtschaftsprüfer keine eigenen Ermittlungen angestellt, kann nicht gefolgt werden. Der als Anlage K9 vorlegte ergänzende Bericht vom 17.03.2019 erklärt eingangs, dass für die Nachberechnung zunächst von dem bereits geprüften Zahlenwerk für Kündigungen mit Wirkung zum 31.12.2016 ausgegangen werde, um dann anschließend auf den 31.12.2015 überzuleiten. Als nächstes nimmt der Bericht Bezug auf den Prüfungsbericht vom 31.01.2018 (Anlage K5), mit dem die Abfindungsguthaben der atypisch stellen Gesellschaft zum Ablauf 31.12.2016 durch den Wirtschaftsprüfer T. geprüft und berichtet wurden. Im Weiteren führt der Bericht vom 17.03.2019 (Anlage K9) aus, dass sich, da keine Firmenwerte bzw. stillen Reserven der Klägerin mehr vorhanden waren, die als Zusatzwert über die Salden der Kapitalkonten im Abfindungsguthaben hätten vergütet werden können, die Auseinandersetzungswerte aus den jeweiligen Kontosalden der einzelnen atypisch stillen Gesellschafter zusammen setzen, die im Folgenden für den Beklagten detailliert dargelegt werden. Zur Ermittlung der stillen Reserven wird auf den früheren Bericht vom 09.01.2017 Bezug genommen sowie auf den beigefügten Sonderbericht vom 25.01.2018, der speziell zum Austrittsjahr 2015 gefertigt wurde und bestätigt, dass keine stillen Reserven vorhanden sind. Bereits dem Vorwort zu dem Bericht vom 31.01.2018 (Anlage K5) lässt sich entnehmen, dass dieser in Auftrag gegeben wurde, weil die Klägerin in mehreren Rechtsstreitigkeiten unterlegen war, da die bis dahin vorgelegten Prüfberichte keine eigenen Ermittlungen angestellt hatten, sondern sich auf eine Überprüfung der Zahlen der Klägerin beschränkt hatten. Vor diesem Hintergrund wurde die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft nunmehr damit beauftragt, eigene Ermittlungen, insbesondere zum Substanzwert, Ertragswert und zu den stillen Reserven vorzunehmen, was dann auch erfolgte. Dabei wird im Einzelnen dargelegt, welche Unterlagen der Prüfung zugrunde lagen und in welchen Schritten diese erfolgte. Daneben wurde ausgeführt, dass es im Hinblick darauf, dass ab dem Jahr 2001 jährlich eine stetige Substanzminderung eingetreten sei, zu keinen wertmäßig abweichenden Ergebnissen gegenüber der früheren Überprüfung gekommen sei. Auch das OLG Dresden geht in seinem Urteil vom 25.09.2019 (Az: 5 U 729/19, vorgelegt als Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 14.10.2019, Bl. 191/195 d.A.) davon aus, dass die vorgelegten Berichte die Anforderungen des Gesellschaftsvertrages erfüllen. Im Ergebnis wurde ein negativer Endsaldo der Gewinn- und Verlustkonten des Beklagten in Höhe von 62.702,45 € und ein negativer Kontostand in Höhe von 47.156,61 € ermittelt, so dass die Klägerin den Ausgleich des negativen Kapitalkontos bis zur Höhe der empfangenen Ausschüttungen verlangen kann.
d. Die Klageforderung ist auch – entgegen des zunächst erteilten Hinweises vom 08.07.2020 – nicht verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB begann nämlich nicht bereits am 31. Dezember 2015, sondern frühestens am 01.01.2016 zu laufen, da der Anspruch erst zu diesem Zeitpunkt entstanden war (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Sie endete damit gemäß § 195 BGB frühestens am 31. Dezember 2019.
(1) Der Anspruch ist am 01.01.2016 mit Wirksamwerden der Kündigung durch den Beklagten entstanden und frühestens zu diesem Zeitpunkt fällig geworden.
Ein Anspruch ist nach § 199 Abs. 1 BGB entstanden, sobald er erstmals vom Gläubiger geltend gemacht und mit einer Klage durchgesetzt werden kann (BGH Urt. v. 8. Juli 2008 – XI ZR 230/07, ZIP 2008, 1762 Tz. 17; Urt. v. 18. Juni 2009 – VII ZR 167/08, ZIP 2009, 1821 Tz. 19). Der Anspruch auf Zahlung eines Auseinandersetzungsguthabens entsteht – ebenso wie der Verlustausgleichsanspruch – grundsätzlich mit dem Ausscheiden des Gesellschafters (BGH, Urt. v. 11. Juli 1988 – II ZR 281/87, ZIP 1988, 1545; Urt. v. 14. Juli 1997 – II ZR 122/96, ZIP 1997, 1589) und kann nach seiner Fälligkeit geltend gemacht bzw. mit Klage durchgesetzt werden (§ 271 Abs. 1).
Da die Kündigung des Beklagten zum 31.12.2015 Uhr erfolgte, schied dieser erst am 01.01.2016 aus der Gesellschaft aus. Denn am 31.12.2015 war der Beklagte noch bis zum Ablauf des Tages Gesellschafter der Klägerin. Solange der Beklagte aber Gesellschafter der Klägerin ist, kann auch der Verlustausgleichsanspruch der Klägerin nicht entstanden sein und von dieser noch nicht geltend gemacht werden. Soweit das Oberlandesgericht Koblenz in seinem Urteil vom 25.01.2018, 6 U 134/17, ausführt, ein Gesellschafter scheide zwar nicht eine tatsächliche, sondern lediglich – in rechtlicher Hinsicht – eine logische Sekunde später und damit noch im alten Jahr aus der Gesellschaft aus, hält die Einzelrichterin diese Überlegung entgegen des zunächst erteilten Hinweises für nicht mehr überzeugend. Denn anders als in Fällen, in denen die juristische Sekunde bemüht wird, um beispielsweise den sachenrechtlichen Durchgangserwerb zu erklären, greifen die Vorgänge im vorliegenden Fall in tatsächlicher Hinsicht zeitlich nacheinander: Bis zum Ende der Kündigungsfrist war der Beklagte Gesellschafter der Klägerin, erst nach Ablauf der Kündigungsfrist ist er ausgeschieden. Erst zu diesem Zeitpunkt, das heißt mit seinem Ausscheiden, entsteht dann der Ausgleichsanspruch. So ist es auch der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.07.2010 entnehmen, der ein Fall zugrunde lag, in dem der Gesellschaftsvertrag zum 31.12.2000 gekündigt worden war. Der negative Abfindungsanspruch war im dortigen Fall innerhalb von sechs Monaten nach dem Ausscheiden des Gesellschafters zu begleichen. Dementsprechend ging der Bundesgerichtshof davon aus, dass der Anspruch Anfang Juli 2001 (und nicht Ende Juni) 2001 fällig wurde (BGH, Urteil vom 19.07.2010, II ZR 57/09, ZIP 2010, 1637, Tz. 8). Dass zwischen 24:00 Uhr und 00:00 Uhr keine, auch keine logische Sekunde existiert, hat der Bundesgerichtshof bereits mit Beschluss vom 8. Mai 2007 (Az.: VI ZB 74/06, NJW 2007, 2045) entschieden.
Da der Beklagte demnach erst am 01.01.2016 ausgeschieden ist, wurde nach § 271 BGB der Verlustausgleichsanspruch frühestens zu diesem Zeitpunkt fällig. Das Fehlen einer Abfindungsbilanz hindert den Eintritt der Fälligkeit nicht (BGH, Urteil vom 18.06.2009, VII ZR 167/08, ZIP 2009, 1821, Tz. 19). Auf die Argumentation des Beklagten, im vorliegenden Fall sei für die Berechnung der Verjährungsfrist nach § 199 Abs. 1, § 195 BGB ausnahmsweise nicht auf die Fälligkeit, sondern nur auf das Entstehen des Anspruchs abzustellen, da sonst die Verjährung unbillig lange hinausgeschoben werde, kommt es damit nicht mehr an.
Die Verjährung beginnt nach § 199 Abs. 1 BGB – unabhängig von den subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 BGB – frühestens am Ende des Jahres 2016. Die Verjährungsfrist läuft daher nach § 195 BGB nicht vor dem 31.12.2019 ab.
(2) Die Klägerin hat die Verjährung vor Ablauf der Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt. Es kann daher offen bleiben, ob sich aus § 13 Nr. 1 f) GV oder § 235 HGB ein späterer Fälligkeitszeitpunkt des Ausgleichsanspruchs ergeben würde oder ob sich die Fälligkeit mangels abweichender Regelung nach § 271 BGB (sofortige Fälligkeit) bestimmt.
(a) Zwar führte der Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids, der am 23. Juli 2018 beim Amtsgericht Hamburg-Altona eingegangen ist, nicht zu einer wirksamen Hemmung der Verjährungsfrist nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Denn der im Mahnbescheid bezeichnete Anspruch deckt sich nicht mit dem zuletzt von der Klägerin geltend gemachten Anspruch.
Anspruch im Sinne des § 690 Abs. 1 Nr. 3 Hs. 1 ZPO meint den (vom materiellen Anspruch zu unterscheidenden) prozessualen Anspruch im Sinne von Streitgegenstand (BGH, Beschluss v. 21. Oktober 2014 – IX ZB 12/12, MDR 2015, 27 Tz. 145 f.). Dieser bestimmt sich nach dem Klageantrag und dem zugrundeliegenden Lebenssachverhalt (sog. zweigliedriger Streitgegenstandsbegriff, vgl. BGH, Urteil vom 19.2.1991 – IX ZR 96/91, NJW 1992,1172 mwN). Zwar hat die Klägerin den Klageantrag im Laufe des Verfahrens nicht geändert. Der zuletzt von der Klägerin angegebene Klagegrund deckt sich jedoch nicht mit dem im Mahnverfahren anhängig gemachten.
Die Klägerin hat den prozessualen Anspruch im Mahnverfahren individualisiert, indem sie auf das Aufforderungsschreiben vom 24.11.2017 (Anlage K7) Bezug genommen hat. Mit diesem Schreiben macht die Klägerin aber ebenso wie in der Anspruchsbegründung vom 02.01.2019 (Bl. 10/33 d.A.) eindeutig und ausschließlich den Negativsaldo zum 31.12.2016 aufgrund der von ihr ausgesprochenen Kündigung vom 05.10.2015 geltend. Der Anspruch auf Ausgleich des Negativsaldos zum 31.12.2015 aufgrund der Kündigung des Beklagten vom 08.09.2014 ist hiervon entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht umfasst.
Zum Lebenssachverhalt (Klagegrund) sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen Betrachtungsweise zu dem durch den Vortrag der Klagepartei zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören (BGH, Urteil vom 19. 11. 2003 – VIII ZR 60/03, NJW 2004, 1252). Demnach stellen zwei unabhängig voneinander erklärte Kündigungen unterschiedliche Lebenssachverhalte dar, weil die Kündigungen von unterschiedlichen Vertragspartnern erklärt und auf unterschiedliche Gründe gestützt wurden und das Gesellschaftsverhältnis zu unterschiedlichen Zeitpunkten beenden. Das zeigt sich schon daran, dass die Klägerin in Reaktion auf den Vortrag des Beklagten in der Klageerwiderung, er habe das Gesellschaftsverhältnis bereits zum 31.12.2015 gekündigt, einen neuen Wirtschaftsprüfungsbericht in Auftrag gab und als Anlage K 9 in den Prozess einführte. Dass sich die Höhe des Ausgleichsanspruchs dadurch nicht veränderte, beruht alleine auf der zu beiden Zeitpunkten desolaten wirtschaftlichen Situation der Klägerin. Dass zwei verschiedene Streitgegenstände gegeben sind, ergibt sich auch aus folgender Überlegung: Angenommen, die Klägerin hätte die Klage allein auf den Ausgleichsanspruch zum 31.12.2016 gestützt und wäre mit dieser Klage abgewiesen worden, weil das Gesellschaftsverhältnis zu diesem Zeitpunkt nicht beendet wurde, stünde wohl außer Zweifel, dass sie eine erneute Klage erheben dürfte, die auf den Ausgleich des negativen Kapitalkontos zum 31.12.2015 gerichtet wäre. Die Rechtskraft der ersten Klage darf in einem solchen Fall der zweiten Klage nicht im Wege stehen. Damit muss aber von unterschiedlichen Streitgegenständen ausgegangen werden. Dieser Einschätzung steht auch § 268 ZPO nicht entgegen. Denn auf die materiellrechtliche Frage der Verjährungshemmung hat es keinen Einfluss, dass das Landgericht das Abstellen auf den früheren Beendigungszeitpunkt nicht als Klageänderung gewertet hat. Die Regelung des § 268 ZPO soll lediglich aus prozessökonomischen Gründen verhindern, dass einer erstinstanzlichen Entscheidung in der Sache durch eine abweichende Beurteilung der Frage, ob eine Klageänderung vorliegt bzw. ob eine solche zulässig ist, und damit aus prozessualen Gründen die Grundlage entzogen wird. Auch aus § 213 BGB, den die Klägerin anführt, folgt keine andere Bewertung. Denn § 213 BGB setzt voraus, dass die geltend gemachten Ansprüche denselben Klagegrund haben (Palandt/Ellenberger, BGB, 79. Aufl., § 213 Rn. 2). Für die Beurteilung, ob ein einheitlicher Klagegrund oder zwei verschiedene vorliegen, gibt die Vorschrift keine Anhaltspunkte.
(b) Die Klägerin hat die Verjährung aber nachträglich durch Geltendmachung des prozessualen Anspruchs basierend auf der Kündigung zum 31.12.2015 gehemmt. Denn mit Schriftsatz vom 03.04.2019 (Bl. 57/58 d.A.) hat sie den Klagegrund dahingehend unter Vorlage eines neuen Wirtschaftsprüfungsberichts (Anlage K 9) ergänzt, dass sie nunmehr den zum 31.12.2015 berechneten Verlustausgleichsanspruch aufgrund der Kündigung des Beklagten vom 08.09.2014 geltend macht. Zwar wurde der neue Streitgegenstand mangels Zustellung des Schriftsatzes vom 03.04.2019 erst durch Antragstellung in der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2019 (Bl. 83 d.A.) rechtshängig. Dies war jedoch ausreichend, da die Verjährungsfrist frühestens zum 31.12.2019 endete. Dass die Klägerin nach ihrer eigenen Vorstellung mit Geltendmachung des Anspruchs zum 31.12.2015 keine Klageänderung vornehmen wollte, ist unbeachtlich, da es sich um eine reine Rechtsfrage handelt. Auf obige Ausführungen wird Bezug genommen.
e. Die Geltendmachung des Anspruchs durch die Klägerin ist auch nicht verwirkt.
Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde (BGH, Urteil vom 15. 9. 2010 – XII ZR 148/09, NJW 2010, 3714).
Unabhängig von der Frage, ob während des Laufs der Regelverjährungsfrist des § 195 BGB eine Verwirkung des Anspruchs überhaupt denkbar ist, hat der Beklagte zu dem „Umstandsmoment“ in keiner Weise vorgetragen, warum er aufgrund des Verhaltens der Klägerin davon ausgehen durfte, diese werde den Anspruch nicht mehr geltend machen. Denn nach dem eigenen Vortrag des Beklagten hat die Klägerin ihm im Vorfeld des hiesigen Verfahrens mehrfach Vergleichsangebote zur Abgeltung ihrer Forderung unterbreitet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO bestimmt.
Ein Vorbehalt der beschränkten Erbenhaftung nach § 780 ZPO war trotz des Antrags des Beklagten vom 22.05.2020 (Bl. 206 d.A.) nicht in den Tenor aufzunehmen, weil der Beklagte seine Erbenstellung nicht ausreichend dargetan hat. Zwar hat der Beklagte zunächst behauptet, als Erbe des am 22.01.2002 verstorbenen Otto Frey in den Gesellschaftsvertrag eingetreten zu sein. Die Klägerin ist dem unter Vorlage eines Testaments, das den Beklagten lediglich als Vermächtnisnehmer ausweist (Anlage K20), entgegen getreten. Der Beklagte hat hierauf nicht mehr erwidert und auch keinen Beweis für seine Behauptung angetreten.
IV.
Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Dies gilt auch im Hinblick auf das Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 25.01.2018, 6 U 134/17, BeckRS 2018,42875. Dass der gleiche Sachverhalt von zwei Gerichten unterschiedlich beurteilt wird (hier die Frage, zu welchem Zeitpunkt eine Kündigung zum Jahresende wirksam wird und der Gesellschafter ausscheidet), begründet noch keine Divergenz. Hinzukommen muss, dass der Beurteilung unterschiedliche Rechtssätze zu Grunde liegen (BGH, Hinweisbeschluss vom 09. 07. 2007 – II ZR 95/06, NJW-RR 2007, 1676). Dies ist hier nicht der Fall. Die abweichende Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz fußt darauf, dass es die Fälligkeit des Anspruchs nicht erst eine tatsächliche Sekunde nach dem Ausscheiden des Gesellschafters, sondern bereits eine logische Sekunde später annimmt. Der Bundesgerichtshof hat aber bereits mit Beschluss vom 8. Mai 2007 (Az.: VI ZB 74/06, NJW 2007, 2045) entschieden, dass zwischen 24:00 Uhr und 00:00 Uhr keine, auch keine logische Sekunde existiert.


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