Bankrecht

Gesetzlichkeitsfiktion der Musterbelehrung

Aktenzeichen  5 U 1002/20

Datum:
23.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 36290
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EGBG Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3, Anl. 7

 

Leitsatz

Wird in der Widerrufsbelehrung auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers hingewiesen, ein bereits ausbezahltes Darlehen mit Zinsen zurückzuzahlen und der insoweit zu zahlenden Zinsbetrag mit 0 € pro Tag angegeben, ermöglicht dies dem Verbraucher, abzusehen, ob überhaupt und wenn ja in welcher Höhe im Falle des Widerrufs für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens Sollzinsen zu zahlen sind. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

27 O 12605/19 2020-01-23 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 23.01.2020, Aktenzeichen 27 O 12605/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des insgesamt zu vollstreckenden Betrags abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 23.430,29 € festgesetzt.

Gründe

Die Parteien streiten über den Widerruf des von der beklagten Bank gewährten Autofinanzierungskredits.
Der Kläger nahm zur Finanzierung seines Pkw am 04.03.2016 bei der Beklagten ein Darlehen über netto 23.430,29 € auf (Anl. K 1). Er widerrief den Darlehensvertrag mit Schreiben vom 28.12.2018 (Anl. K 3).
Der Kläger war vor dem Landgericht der Meinung, sein Widerruf sei nicht verfristet gewesen, weil die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprochen habe.
Er hat beantragt,
I. Der Kläger schuldet ab seiner Widerrufserklärung vom 28.12.20118 aus dem mit der Beklagten zwecks Finanzierung des Fahrzeuges des Fabrikats: Volkswagen, Modell: Tiguan, Fzg-Ident-Nr. …13, abgeschlossenen Darlehensvertrag zu der Darlehensvertrag-Nr…74 weder Zins- noch Tilgungsleistungen gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB.
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 9.279,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB hieraus zu zahlen nach Herausgabe des Fahrzeuges des Fabrikats: Volkswagen, Modell: Tiguan, Fzg-Ident-Nr. …13, nebst Fahrzeugschlüsseln und -papieren durch den Kläger an die Beklagte.
I. Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit der Annahme des Kraftfahrzeuges des Fabrikats: Volkswagen, Modell: Tiguan, Fzg-Ident-Nr. …13, sich in Verzug befindet.
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.242,84 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat
Klageabweisung beantragt
und im Wege der Hilfswiderklage Feststellungsklage wegen des vom Kläger zu erstattenden Wertverlusts des erworbenen Fahrzeugs erhoben.
Der Kläger hat Abweisung der Hilfswiderklage beantragt.
Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 23.01.2020 abgewiesen, weil die Widerrufsfrist bei Erklärung des Widerrufs längst abgelaufen gewesen sei. Gegen das ihm am 24.01.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.02.2020 Berufung eingelegt, die er nach Fristverlängerung bis zum 25.05.2020 mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz begründet hat. Der Senat hat den Kläger mit ihm am 08.06.2020 zugestellten Beschluss vom 28.05.2020 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie aus den dort mitgeteilten Gründen keine Erfolgsaussicht habe, und dem Kläger eine Frist zur Stellungnahme von 2 Wochen bis zum 22.05.2020 gesetzt. Mit Schriftsatz vom 22.06.2020 ist der Kläger dem entgegengetreten. Die Kaskadenverweisung sei bekanntlich unionsrechtswidrig. Auf die Gesetzlichkeitsfiktion könne sich die Beklagte entgegen der Ansicht des BGH nicht berufen. Das Verfahren sei auszusetzen und ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten. Die Beklagte könne sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion berufen, weil bei einem verbundenen Geschäft – wie hier – keine Zinsen nach dem Widerruf zu zahlen seien. Die hier gegebenen Rundungsdifferenzen hätte die Beklagte bei der Schlussrate berücksichtigen können. Er reiche auch nicht, nur die Anschrift einer Aufsichtsbehörde anzugeben. Die Revision sei zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
das Ersturteil aufzuheben und nach seien erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Weitere Einzelheiten, insbesondere auch hinsichtlich der Anträge der Beklagten im Rahmen der Hilfswiderklage, ergeben sich aus dem Ersturteil, dem bereits zitierten Hinweisbeschluss und den im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätzen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 23.01.2020, Aktenzeichen 27 O 12605/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen, auch der Schriftsatz vom 22.06.2020 führt zu keinem anderen Ergebnis. Der BGH hat zuletzt in 3 Beschlüssen vom 26.05.2020 entscheiden, dass die Beklagte sich wegen ihrer Widerrufsbelehrung auf die Gesetzlichkeitsfiktion von Anl. 7 Art.247 §§ 6,12 EGBGB berufen kann und auch eine Aussetzung der Verfahren wegen deren Vorlage an den EuGH nicht veranlasst ist (Beschluss vom 26.5.2020, XI ZR 570/19, Vorinstanz OLG München, B. v. 28.10.2019, 19 U 3839/19; s.a. Beschluss vom 26.5.2020, XI ZR 569/19, Vorinstanz OLG München, B. v. 24.10.2019, 17 U 4484/19; s.a. Beschluss vom 26.5.2020, XI ZR 359/19, Vorinstanz OLG München, B. v. 25.6.2019, 17 U 1599/19).
Wird – wie hier – in der Widerrufsbelehrung auf die Verpflichtung des Darlehensnehmers hingewiesen, ein bereits ausbezahltes Darlehen mit Zinsen zurückzuzahlen und der insoweit zu zahlenden Zinsbetrag mit 0 € pro Tag angegeben, ermöglicht dies dem Verbraucher, abzusehen, ob überhaupt und wenn ja in welcher Höhe im Falle des Widerrufs für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens Sollzinsen zu zahlen sind (BGH, Urt. v. 5.11.2019, XI ZR 650/18 Rn. 20-25; s.a. BGH, Urt. v. 5.11.2019, XI ZR 11/19 Rn.18-23). Das hindert die Annahme der Gesetzlichkeitsfiktion nicht.
Der im Kreditvertrag anzugebende „vom Verbraucher zu zahlende Gesamtbetrag“ muss sämtliche Kosten, einschließlich der Zinsen, Provisionen, Steuern und Kosten jeder Art umfassen, die der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag zu zahlen hat und die dem Kreditgeber bekannt sind. Etwa die Abweichung durch die nach kaufmännischen Grundsätzen vorzunehmende Rundung auf zwei Nachkommastellen bei Ermittlung der zu zahlenden Einzelraten ist marginal und nicht geeignet, dem Verbraucher ein unzutreffendes Bild seiner wirtschaftlichen Gesamtbelastung zu vermitteln (BGH, Beschluss vom 11.2.2020, XI ZR 648/18 Rn. 29-33).
Der Kläger trägt keine Tatsachen vor, aus denen sich ergeben sollte, dass die im Darlehensvertrag benannte Aufsichtsbehörde nicht oder zutreffend bezeichnet wurde und damit die gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB zu erteilende Pflichtangabe nicht im Darlehensvertrag enthalten war. Mit der im Darlehensvertrag angegebenen Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (vgl. Anlage K1 Seite 5 von 11) hat die Beklagte die für sie zuständige Aufsichtsbehörde benannt (vgl. die gemäß Art. 49 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 468/2014 der Europäischen Zentralbank (ECB/2014/17 / SSM-Rahmenverordnung) erstellte Liste weniger bedeutender Institute, die von einer nationalen zuständigen Behörde (National Competent Authority – NCA; vorliegend die BaFin) direkt beaufsichtigt werden). Soweit der Kläger meint, hinsichtlich der Nennung der zuständigen Aufsichtsbehörde liege eine Falschinformation vor, weil die BaFin Sitze in Berlin und Frankfurt habe, teilt der Senat diese Ansicht nicht. Durch die Nennung einer Adresse der BaFin ist der Darlehensnehmer in der Lage, sich an die zuständige Aufsichtsbehörde zu wenden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Der Streitwert wird vorliegend gemäß §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO wie hingewiesen durch den Nettodarlehensbetrag bestimmt.


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