Bankrecht

Grenzen der Befreiung von wiederaufgelebter Kommanditistenhaftung durch Vertrag zwischen Kapitalanleger-Verbraucher und gewerblicher Ankäuferin von Beteiligungen auf dem Zweitmarkt

Aktenzeichen  24 O 2699/17

Datum:
9.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZInsO – 2018, 2423
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HGB § 160, §§ 171 ff., § 172 Abs. 4
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, § 257, § 305 Abs. 2 Nr. 2, § 307 Abs. 1 S. 1, S. 2, Abs. 2

 

Leitsatz

1 Erwirbt eine gewerbliche Ankäuferin von einem Verbraucher auf dem Zweitmarkt eine Kommanditbeteiligung, so ist eine Regelung in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach der Verbraucher sie von Ansprüchen aus § 172 Abs. 4 HGB wegen vor Kaufvertragsabschluss an ihn geleisteter Zahlungen freizustellen hat, wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot unwirksam, wenn die Ankäuferin diese Norm nicht klar und im Einzelnen in ihren Bedingungen darstellt. (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine solche vorformulierte Freistellungsvereinbarung ist zudem unwirksam im Hinblick darauf, dass sie es der Ankäuferin ermöglichen würde, das zentrale wirtschaftliche Risiko auf den Verkäufer abzuwälzen, obwohl dieser durch die Veräußerung für sich selbst einen Schlussstrich bezüglich der konkreten Anlage ziehen möchte. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3 Ein etwaiger, sich aus einer solchen Freistellungsvereinbarung ergebender Befreiungsanspruch wandelt sich mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Kommanditgesellschaft in einen Zahlungsanspruch mit der Folge des Anlaufens der Verjährung nach § 199 Abs. 1 BGB. (Rn. 38 – 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.879,85 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen.
I.
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere ist das angegangene Landgericht Landshut gem. §§ 1 ZPO, 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG sachlich und gem. §§ 12, 13 ZPO örtlich zuständig.
II.
Die Klage ist unbegründet.
1.) Nr. 3. lit.b der allgemeinen Geschäftsbedingungen im Kaufvertrag, Anlage K1, ist nicht Bestandteil des Vertrages geworden, § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB.
Die Klausel hat schon keinen hinreichend verständlichen bzw. zweifelsfreien Inhalt.
Das Transparenzgebot ist nunmehr auch gesetzlich in § 307 Abs. 1 S. 2 geregelt. Der Gesetzgeber beabsichtigt damit aber keine inhaltliche Änderung, sondern lediglich eine Klarstellung des von der Rspr. angewandten Transparenzgebots. Die wirksame Einbeziehung von AGB setzt daher die Prüfung sowohl anhand von § 305 Abs. 2 als auch § 307 Abs. 1 S. 2 voraus. Danach müssen schriftlich niedergelegte Vertragsklauseln stets klar und verständlich abgefasst sein. Für einen Durchschnittskunden unverständliche Klauseln werden nicht Vertragsbestandteil. Anders als bei § 307 Abs. 1 S. 2 geht es bei der Einbeziehungskontrolle freilich nicht um die inhaltliche Würdigung einzelner Klauseln, sondern um die formal-sprachliche Transparenz der AGB insgesamt. Aus sich heraus nicht verständlich sind insbesondere AGB, die auf ein Regelwerk oder Normen verweisen, welche selbst nicht mit abgedruckt sind (Verweisungsklauseln). Verweisen die AGB, hinsichtlich derer der Verwender dem Kunden die Möglichkeit der Kenntnisnahme verschafft hat, auf weitere AGB, so müssen auch diese dem Kunden mitgeteilt werden (MüKoBGB/Basedow, § 305 Rn. 73).
Dabei sind mehrere Punkte zu berücksichtigen. Zum einen wird durch die Formulierung „Insbesondere gilt“ nicht zweifelsfrei oder hinreichend verständlich, ob es sich bei den nachfolgenden Regelungen um selbstständige Punkte oder um Präzisierungen handelt. Nr. 3 der Anlage K1 enthält eine Fiktion dahingehend, dass sich die Parteien im Innenverhältnis so zu stellen haben, wie sie stehen würden, als wenn die dingliche Wirkung bereits zum Stichtag eingetreten wäre. Schließlich führt Nr. 3 lit. b) das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung ohne Normbezug auf, ohne dies weiter zu klären.
Die Klägerin als gewerbliche Ankäuferin im Bereich des Zweitmarktes für Beteiligungen hätte insbesondere die streitentscheidende Norm des § 172 Abs. 4 HGB klarer und näher darstellen müssen. Es ist für den Verbraucher nicht aus sich heraus ersichtlich, was zu einem „Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung“ führen soll.
Zu einer für einen Durchschnittskunden hinreichend verständlichen und transparenten, zumindest kurzen Darstellung der wesentlichen Grundzüge der „Kommanditistenhaftung gemäß §§ 171 ff. HGB“ bzw. der „Umstände, die sie begründen“ in den von ihr verwendeten AGB bestand für die Klägerin umso mehr Anlass, als sie auch nicht – jedenfalls nicht ohne weiteres – darauf vertrauen durfte, der Durchschnittskunde sei in der Lage, Grund bzw. Höhe seiner (etwaig zum Stichtag) wiederaufgelebten Kommanditistenhaftung gemäß § 172 Abs. 4 HGB unschwer seinen (bereits vorhandenen) Unterlagen entnehmen zu können (OLG Düsseldorf Urt. v. 2.2.2018 – 22 U 33/17).
Im Übrigen ist auch von einer Treuwidrigkeit durch die Klägerin auszugehen. Auf der einen Seite lässt sich die Klägerin eine Freistellung zusichern, auf der anderen Seite sei dieser Anspruch erst in der Insolvenz der Schifffahrtsgesellschaft entstanden bzw. ihr zur Kenntnis gelangt (OLG Düsseldorf, aaO).
Auf Grund der oben aufgeführten Punkte ist das Gericht der Auffassung, dass sich in einer Gesamtschau eine für den Verbraucher nicht selbst erklärende, undurchsichtige Gestaltung ergibt, Nr. 3 lit. b) des Kaufvertrages wird deshalb nicht Vertragsbestandteil.
2.) Darüber hinaus wäre Nr. 3 lit b) des Kaufvertrages unangemessen benachteiligend sowie intransparent.
a.) Der Anwendungsbereich der Inhaltskontrolle ist eröffnet. Es handelt sich bei der Stichtagsabgrenzung nicht um eine Regelung, welche den konkreten Leistungsinhalt des Vertrages festlegen würde.
b.) Die Benachteiligung ist unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
Unangemessen ist die Benachteiligung, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interesse auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne vor vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen (Für viele BGH NJW 2010, 57). Zur Beurteilung bedarf es einer umfassenden Würdigung, in die die Art des konkreten Vertrages, die typischen Interessen beider Parteien, die Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise und die sich aus der Gesamtheit der Rechtsordnung ergebenden Bewertungskriterien einzubeziehen sind (BGH, NJW 2010, 2793). Zu berücksichtigen sind auch die gesetzlichen Regelbeispiele einer unangemessenen Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 2 BGB.
Entsprechend der Formulierung des Vertrages in Anlage K1 steht es der Klägerin frei, das zentrale wirtschaftliche Risiko auf den Verkäufer abzuwälzen, wohingegen der Verkäufer durch die Veräußerung auf dem Zweitmarkt für sich selbst einen Schlussstrich bezüglich der konkreten Anlage ziehen möchte. Damit ist die Regelung für sich gesehen schon unwirksam.
c.) Die Formulierung verstößt jedoch gegen das Transparenzgebot. Dieses verpflichtet den Verwende, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartners in den AGB möglichst klar, einfach und präzise darzustellen (BGH, NJW 21016, 1575). Faktisch hat die Klägerin nicht dargestellt, was dem Beklagten bei dem vorliegenden Verkauf droht: Der Verlust einer ggf. noch werthaltigen Anlage, gepaart mit der Übernahme des vollständigen wirtschaftlichen Risikos.
3.) Unabhängig davon, ergibt sich auch die Verjährung der streitgegenständlichen Forderung.
Gegenständlich macht die Klägerin einen Freistellungsanspruch nach § 257 BGB geltend. Der Befreiungsanspruch verjährt nach allgemeiner, zutreffender, Meinung nach der allgemeinen Verjährungsfrist nach 3 Jahren (BeckOGK/Röver, 1.4.2018, BGB § 257 Rn. 23). Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat bereits einen Wertungswiderspruch dahingehend erkannt, dass der Befreiungsanspruch bereits verjährt ist, bevor die Forderung, von der freizustellen, fällig ist. Entsprechend würde auch der Befreiungsanspruch auch als besondere Ausprägung des Aufwendungsersatzanspruchs fällig, wenn der Ersatzberechtigte die Verbindlichkeit eingegangen ist (MüKoBGB/Krüger, 7. Aufl. 2016, BGB § 257 Rn. 8). Nach allgemeinen verjährungsrechtlichen Grundsätzen wäre der Zeitpunkt, zu dem ein Befreiungsanspruch entsteht und fällig wird, auch maßgeblich dafür, zu welchem Zeitpunkt die Verjährungsfrist dieses Anspruchs beginnt (§ 199 I Nr. 1 BGB) mit der Folge, dass es hierfür auf den Eintritt der Fälligkeit der Drittforderung, von der Freistellung begehrt wird, nicht ankäme (s. dazu Senat, NJW-RR 2010, 333 [334] Rn. 11 f. und BGHZ 185, 310 [318] = NJW 2010, 2197 Rn. 20 f.; BGHZ 189, 45 [53 f.] = NJW 2011, 2351 Rn. 23) (so BGH, NJW 2018, 1873, 1874). Um diese nicht sinnvollen und unbefriedigenden Folgen zu vermeiden, beginnt nach der neueren Rechtsprechung des BGH die Verjährungsfrist für den Befreiungsanspruch eines Treuhänders nach § 257 S. 1 BGB frühestens mit dem Schluss des Jahrs zu laufen, in dem die Forderung fällig wird, von der zu befreien ist (s. dazu BGHZ 185, 310 [318 ff.] = NJW 2010, 2197 Rn. 20 ff.; BGHZ 189, 45 [53 f.] = NJW 2011, 2351 Rn. 23 und BGH, Beschluss vom 26.6.2012 – II ZR 223/11, BeckRS 2012, 18286 Rn. 5; vgl. auch Senat, NJW-RR 2010, 333 [334] Rn. 11 ff.) (ebenfalls BGH, NJW 2018, 1873, 1874 f.).
Der Bundesgerichtshof geht bei der Verjährung von Freistellungsansprüchen auch in jüngster Rechtsprechung vom Vorliegen von Wertungswidersprüchen aus, welche auch dem Zweck des § 257 Abs. 1 BGB zuwiderlaufen (BGH, NJW 2018, 1873, 1874). Dem wird gegenüber getreten, indem davon ausgegangen wird, dass sich der Befreiungsanspruch vor der Fälligkeit der Drittforderung, von welcher zu befreien ist, in einen Zahlungsanspruch umwandelt.
Eine solche Umwandlung des Befreiungsanspruch ist vor Fälligkeit der Drittforderung, welche hier im Jahr 2014 erfolgte (vgl. Anlage K3), dann anzunehmen, wenn die Inanspruchnahme des Befreiungsgläubigers durch den Drittgläubiger mit Sicherheit zu erwarten ist und feststeht, dass für die Erfüllung der Drittforderung auf die Mittel des Befreiungsschuldners zurückgegriffen werden muss. In einem solchen Fall ist der Schluss des Jahres maßgeblich, in welchem der Zahlungsanspruch durch Umwandlung entsteht.
Befindet sich der Befreiungsgläubiger in einer Lage, die seine Inanspruchnahme durch den Drittgläubiger mit Sicherheit erwarten lässt und steht fest, dass für die Erfüllung der Drittforderung auf die Mittel des Befreiungsschuldners zurückgegriffen werden muss, so wandelt sich der Befreiungsanspruch in einen Zahlungsanspruch um; der Befreiungsgläubiger kann dann Zahlung an sich selbst verlangen (vgl. BGH, NJW 1994, 49 [50] und NZI 2015, 277 [278] Rn. 15; RGZ 78, 26 [34]; RG, JW 1934, 685, Nr. 3; s. auch BeckOGK/Röver, 15.8.2017, § 257 BGB Rn. 28; MüKoBGB/Krüger, 7. Aufl. 2016, § 257 Rn. 5, jew. mwN) (so BGH, NJW 2018, 1873, 1875).
Die Insolvenz über das Vermögen der M. mbH & Co – KG wurde mit Beschluss vom 08.04.2013 eröffnet. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt muss es der Klägerin zwingend klar gewesen sein, dass mit der Rückforderung aller gezahlten Ausschüttungen seitens des Insolvenzverwalters zu rechnen ist. Alles andere würde schlicht unverständlich und grob fahrlässig erscheinen. Die Klägerin ist ausweislich der Anlage K1 selbst davon ausgegangen, dass entsprechende Ausschüttungen an den Beklagten erfolgt sind, ansonsten wäre es auch nicht nötig gewesen, ihr die Gewinnausschüttungen ab einem bestimmten Tag zufallen zu lassen.
Einer gesonderten zusätzlichen Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter bedarf es nicht, um von einer Umwandlung des Freistellungsin einen Zahlungsanspruch auszugehen. Unabhängig davon, dass die vorgelegte Anlage K2 in Anbetracht der Aushellungen schon mit großer Wahrscheinlichkeit nicht die streitgegenständliche Forderung selbst betrifft, kann nicht auf die ledigliche Zahlungsaufforderung durch den Insolvenzverwalter abgestellt werden. Dieser Zeitpunkt ist für den Insolvenzverwalter im Rahmen einer insolvenzrechtlichen Behandlung bzw. Abwicklung nicht zwingend bindend und kann daher zeitlich nicht genau festgelegt werden. Eine Bezugnahme auf diesen Zeitpunkt würde die Rechtsunsicherheit in diesem Bereich erheblich fördern. Den Entstehungszeitpunkt der Insolvenz führt im Übrigen auch die Klägerin selbst in ihrer Klage auf.
Soweit die Klägerin im Schreiben vom 21.02.2017 (Anlage K3) aufführt, dass die getätigten Auszahlungen nicht aus Gewinnen der Gesellschaft geleistet wurden, ist dies zutreffend, führt aber in Anbetracht der planmäßigen Erwirtschaftung bilanzieller Verluste durch die Anlage dazu, dass dieses Risiko auch beim Ankauf der Beteiligung für den objektiven Betrachter schon erkennbar gewesen sein muss. Im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung ist es damit klar, dass eine Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter in Höhe der nicht von Gewinnen gedeckten Ausschüttungen anstehen muss.
Diese Umstände waren der Klägerin auch mit der Insolvenzeröffnung und damit bereits im Laufe des Jahres 2013 bewusst, § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
Aus den Umständen ergibt sich nicht, dass eine andere Verjährung von den Vertragsparteien gewollt gewesen wäre (BeckOK BGB/Henrich, 46. Ed. 1.5.2018, BGB § 199 Rn. 10).
4.) Im Übrigen wäre auch der Nachhaftungsanspruch nach § 160 HGB verjährt (OLG Düsseldorf, Beck RS 2018, 1178).
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO.

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