Bankrecht

IV ZR 253/20

Aktenzeichen  IV ZR 253/20

Datum:
22.6.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2022:220622UIVZR253.20.0
Normen:
§ 203 Abs 2 S 1 VVG
§ 208 S 1 VVG
§ 8b Abs 1 MB/KK 2009
§ 8b Abs 2 MB/KK 2009
Spruchkörper:
4. Zivilsenat

Leitsatz

§ 8b Abs. 2 MB/KK 2009 weicht entgegen § 208 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG ab und ist daher unwirksam. Dies lässt die Wirksamkeit von § 8b Abs. 1 MB/KK 2009 sowie einer Tarifbedingung, wonach beim Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen eine Abweichung von mehr als 5% eine Prämienanpassung ermöglicht, unberührt.

Verfahrensgang

vorgehend OLG Köln, 22. September 2020, Az: I-9 U 237/19, Urteilvorgehend LG Köln, 18. September 2019, Az: 23 O 392/18

Tenor

Auf die Revision der Beklagten und unter Zurückweisung der weitergehenden Revision wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 22. September 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben,
1. als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 8.779,05 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2019 verurteilt worden ist und
– als festgestellt worden ist, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe von Nutzungen verpflichtet ist, die sie vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2018 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger ab dem 1. Januar 2015 auf die Beitragserhöhungen im Tarif Z.  zum 1. April 2014 in Höhe von monatlich 7,01 € sowie im Tarif S.  zum 1. April 2018 in Höhe von monatlich 47,84 € gezahlt hat;
2. als festgestellt worden ist, dass die Beklagte dem Kläger zur Herausgabe von Nutzungen verpflichtet ist, die sie vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2018 aus dem Prämienanteil gezogen hat, den der Kläger bis zum 31. Dezember 2014 auf die Beitragserhöhungen im Tarif A.  zum 1. Januar 2010 in Höhe von monatlich 39,27 € und zum 1. Januar 2011 in Höhe von 36,49 €, im Tarif Z.  zum 1. Januar 2010 in Höhe von monatlich 7,17 € und zum 1. April 2014 in Höhe von monatlich 7,01 € sowie im Tarif S.  zum 1. Januar 2010 in Höhe von monatlich 22,29 €, zum 1. Januar 2011 in Höhe von monatlich 14,34 € und zum 1. April 2013 in Höhe von 24,01 € gezahlt hat, und
– als festgestellt worden ist, dass die Beklagte die herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 15. Januar 2019 zu verzinsen hat.
Im unter 2. genannten Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Im übrigen Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 9.546,09 € festgesetzt.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.
2
Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen umfassen unter anderem die “Musterbedingungen 2009 – MB/KK 2009 – des Verbandes der privaten Krankenversicherung” sowie die “Tarifbedingungen” der Beklagten. In den Muster- und Tarifbedingungen heißt es, wobei die Tarifbedingungen kursiv gedruckt sind:
Ҥ 8b Beitragsanpassung
1. Im Rahmen der vertraglichen Leistungszusage können sich die Leistungen des Versicherers z.B. wegen steigender Heilbehandlungskosten, einer häufigeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen oder aufgrund steigender Lebenserwartung ändern. Dementsprechend vergleicht der Versicherer zumindest jährlich für jeden Tarif die erforderlichen mit den in den technischen Berechnungsgrundlagen kalkulierten Versicherungsleistungen und Sterbewahrscheinlichkeiten. Ergibt diese Gegenüberstellung für eine Beobachtungseinheit eines Tarifs eine Abweichung von mehr als dem gesetzlich oder tariflich festgelegten Vomhundertsatz, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst. […]
1.1 Ergibt die Gegenüberstellung nach Absatz 1 Satz 2 bei den Versicherungsleistungen eine Abweichung von mehr als 10 %, werden alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst; bei einer Abweichung von mehr als 5 % können alle Beiträge dieser Beobachtungseinheit vom Versicherer überprüft und, soweit erforderlich, mit Zustimmung des Treuhänders angepasst werden.
[…]
2. Von einer Beitragsanpassung kann abgesehen werden, wenn nach übereinstimmender Beurteilung durch den Versicherer und den Treuhänder die Veränderung der Versicherungsleistungen als vor-übergehend anzusehen ist.
3. […]”
3
Der Kläger unterhält in der Krankheitskostenversicherung die Tarife A.  , Z.  und S.  . Die Beklagte informierte ihn über folgende Beitragserhöhungen:
– zum 1. Januar 2010 im Tarif A.   um 39,27 €, Tarif Z.  um 7,17 € und Tarif S.  um 22,29 € (Schreiben vom November 2009)
– zum 1. Januar 2011 im Tarif A.   um 36,49 € und im Tarif S.   um 14,34 € (Schreiben vom November 2010)
– zum 1. April 2013 im Tarif S.   um 24,01 € (Schreiben vom Februar 2013)
– zum 1. April 2014 im Tarif Z.   um 7,01 € (Schreiben vom Februar 2014)
– zum 1. April 2017 im Tarif A.   um 84,97 € und im Tarif Z.   um 4,92 € (Schreiben vom Februar 2017)
– zum 1. April 2018 im Tarif S.   um 47,84 € (Schreiben vom Februar 2018)
4
Im Schreiben vom November 2009, dem unter anderem ein Nachtrag zum Versicherungsschein beigefügt war, hieß es auszugsweise:
“[…]
Weil die Versicherten aber auch mehr denn je diese optimale medizinische Versorgung nutzen, stiegen die Ausgaben für Gesundheitsleistungen rapide – insbesondere im vergangenen Jahr. Deshalb müssen wir die Beiträge in der privaten Krankenversicherung zum 1. Januar 2010 anpassen.
[…]
Weitere Einzelheiten haben wir für Sie in der beigefügten Information zusammengestellt.
[…]
Ihren neuen Beitrag finden Sie im Nachtrag zum Versicherungsschein.
[…]”
5
Das Schreiben vom November 2010 – mit beigefügtem Nachtrag zum Versicherungsschein – lautete auszugsweise:
“[…]
Um das garantieren zu können, ist es notwendig, die Versicherungsleistungen und Beiträge in einem ausgewogenen Verhältnis zu halten. Die jährliche Überprüfung hat ergeben, dass die Beiträge in einigen unserer Tarife angeglichen werden müssen.
[…]”
6
Im Schreiben vom Februar 2013 – mit beigefügtem Nachtrag zum Versicherungsschein – hieß es auszugsweise:
“[…]
Wir […] unternehmen große Anstrengungen, um den Anstieg der Beiträge zu bremsen. Hierzu zählen beispielsweise unsere Gesundheitsprogramme. Diese bieten wir Patienten an, um bestmögliche Behandlungserfolge zu erzielen. Auch die Beratung bei Arzneimitteln oder unser Fallmanagement helfen, steigende Kosten abzuschwächen.
Gleichzeitig optimieren wir die eigene Kostenstruktur. So konnten wir unsere Kosten für die Verwaltung stetig senken. Wir setzen auch in diesem Jahr in erheblichem Umfang erwirtschaftete Überschüsse für Sie ein, um den Beitragsanstieg abzumildern.
Trotz dieser Maßnahmen ist diese Beitragsanpassung unvermeidlich.
[…]”
7
Im Schreiben vom Februar 2017, dem ein Nachtrag zum Versicherungsschein und weitere Anlagen beigefügt waren, hieß es auszugsweise:
“[…]
Warum ändert sich Ihr Beitrag?
Der wichtigste Grund sind die gestiegenen Gesundheitskosten. Diagnose- und Therapiemethoden entwickeln sich immer weiter. Diese haben ihren Preis. Doch sie helfen Ihnen, schneller gesund zu werden. Bei vielen chronischen Erkrankungen erhöhen sie die Lebensqualität.
Weitere Gründe für die Beitragsanpassung entnehmen Sie bitte der Beilage ‘Ein Praxisbeispiel der [Versicherer]’.
[…]”
8
Der Kläger hält die Beitragserhöhungen für unrechtmäßig. Mit Anwaltsschreiben vom 2. November 2018 forderte er die Beklagte zur Rückzahlung der seiner Ansicht nach zu viel gezahlten Prämien einschließlich der daraus gezogenen Nutzungen auf.
9
Soweit für die Revision noch von Interesse hat der Kläger mit seiner Klage die Rückzahlung der auf die Erhöhungen entfallenden Prämienanteile in Höhe von 16.388,72 € nebst Zinsen sowie die Feststellung begehrt, dass die Beklagte die Nutzungen, die sie aus den auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen gezogen hat, an den Kläger herauszugeben und ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.
10
Einen in der Klageschrift angekündigten Antrag auf Feststellung, dass die Beitragserhöhungen unwirksam sind und der Kläger nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet ist, hat der Kläger vor dem Landgericht für erledigt erklärt und für den Fall, dass sich die Beklagte der Erledigungserklärung nicht anschließen sollte, beantragt festzustellen, dass dieser Feststellungsantrag – soweit er für erledigt erklärt wurde – ursprünglich zulässig und begründet war. Die Beklagte hat der Teilerledigungserklärung zunächst widersprochen und sich ihr später unter Verwahrung gegen die Kostenlast angeschlossen.
11
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger neben seinen weiteren Anträgen auch den Antrag auf Feststellung gestellt, dass sein Feststellungsantrag zur Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen und der nichtbestehenden Zahlungspflicht – auch soweit er für erledigt erklärt wurde – ursprünglich zulässig und begründet war. Das Oberlandesgericht hat das landgerichtliche Urteil unter Abweisung der weitergehenden Klage dahingehend abgeändert, dass die Beklagte zur Zahlung von 9.546,09 € nebst Zinsen seit dem 15. Januar 2019 verurteilt worden ist. Außerdem hat es festgestellt, dass die Beklagte die Nutzungen, die sie vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2018 aus den auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen gezogen hat, an den Kläger herauszugeben und ab dem 15. Januar 2019 zu verzinsen hat.
12
Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

13
Die Revision hat nur zum Teil Erfolg.
14
I. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in VersR 2021, 95 veröffentlicht ist, geht davon aus, dass die Parteien den auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache gerichteten Klageantrag bereits erstinstanzlich übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Eine Entscheidung sei insoweit nicht veranlasst. Die Tarifanpassungen in den Tarifen Z.  zum 1. April 2014 und 1. April 2017 sowie im Tarif S.   zum 1. Januar 2011 und 1. April 2018 seien wegen der Unwirksamkeit der Beitragsanpassungsklausel in § 8b Abs. 1, Abs. 2 MB/KK 2009 endgültig unwirksam. Nach deren eindeutigen Wortlaut werde dem Versicherer die Möglichkeit eingeräumt, auch im Falle einer nur vorübergehenden Veränderung der Versicherungsleistungen eine Beitragsanpassung vorzunehmen. Dies widerspreche insoweit §§ 12b Abs. 2 Satz 2 VAG a.F., § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG, § 203 Abs. 2 VVG, nach denen eine Prämienanpassung nur zulässig sei, wenn die Veränderung nicht nur vorübergehender Art sei.
15
Die übrigen Tariferhöhungen seien wegen einer unzureichenden Begründung in den jeweiligen Mitteilungsschreiben in formeller Hinsicht unwirksam und erst durch Zustellung der Klageerwiderung geheilt und zum 1. April 2019 wirksam geworden. Vorliegend genügten die von der Beklagten vorgelegten Begründungsschreiben nebst Anlagen nicht den zu stellenden Mindestanforderungen nach § 203 Abs. 5 VVG. Es sei erforderlich, in der Mitteilung zur Begründung der Prämienanpassung die Rechnungsgrundlage zu nennen, deren Veränderung die Prämienanpassung ausgelöst habe. Aus den Schreiben vom November 2009 und 2010 sowie Februar 2013 ergebe sich schon nicht im Ansatz, welche der beiden in § 203 Abs. 2 VVG genannten Rechnungsgrundlagen sich verändert habe. Ebenso wenig werde dargestellt, welche konkreten Tarife von diesen Veränderungen betroffen seien und ob es eine Veränderung der in § 203 Abs. 2 VVG genannten Berechnungsgrundlagen gegeben habe, die auch die im Gesetz angegebene Quote übersteige oder ob wegen einer Überschreitung des Schwellenwertes von 5 % eine Beitragsanpassung nach § 8b MB/KK vorgenommen worden sei. In dem jüngeren Änderungsschreiben aus Februar 2017 werde zwar mitgeteilt, dass wichtigster Grund für die Änderung des Beitrags die gestiegenen Gesundheitskosten seien. Es fehle indes die Angabe, dass die Veränderung den gesetzlich festgelegten Schwellenwert von 10 % überschritten habe oder ob wegen einer Überschreitung des Schwellenwertes von 5 % eine Beitragsanpassung nach § 8b MB/KK vorgenommen worden sei. Konkrete Angaben zu den Rechnungsgrundlagen und deren Veränderung fänden sich auch in den beifügten Beilagen nicht.
16
Der Kläger könne die Rückzahlung geleisteter Erhöhungsbeträge für den Zeitraum von Januar 2015 bis Dezember 2018 in Höhe von 9.546,09 € verlangen. Die übrigen Rückzahlungsansprüche seien verjährt. Der Zinsanspruch folge aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen aus den von ihm gezahlten erhöhten Prämienanteilen aufgrund der nicht wirksam begründeten oder von Beginn an unwirksamen Prämienerhöhungen vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2018.
17
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nur teilweise stand.
18
1. Das Berufungsgericht ist allerdings rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Antrag des Klägers auf Feststellung, die Prämienerhöhungen seien unwirksam und er sei zur Zahlung der Erhöhungsbeträge nicht verpflichtet, in erster Instanz übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist und über einen Antrag auf Feststellung der Erledigung nicht mehr zu entscheiden war. Entgegen der Ansicht der Revision ist durch das klageabweisende landgerichtliche Urteil nicht die Wirksamkeit der Prämienerhöhungen rechtskräftig festgestellt worden.
19
Der zunächst erklärte Widerspruch der Beklagten stand ihrem späteren Anschluss an die Erledigungserklärung des Klägers nicht entgegen. Eine Prozesserklärung ist – mangels abweichender Regelung wie etwa in § 269 Abs. 1 ZPO – nach der Dispositionsmaxime frei rücknehmbar, wenn sie noch keine unmittelbar prozessgestaltende Wirkung hatte, die angestrebte gerichtliche Entscheidung noch nicht ergangen ist und durch sie auch keine geschützte Position der Gegenseite entstanden ist (BGH, Beschluss vom 25. März 2020 – XII ZR 29/19, ZfSch 2021, 43 Rn. 4). Eine Änderung ihrer Erwiderung auf die Teilerledigungserklärung war der Beklagten daher weiterhin möglich, während andererseits die Erledigungserklärung des Klägers bestehen und damit anschlussfähig blieb, solange er sie nicht widerrief und damit zu seinem ursprünglichen Klageantrag zurückkehrte (vgl. BGH, Urteil vom 7. Juni 2001 – I ZR 157/98, NJW 2002, 442 unter 1 [juris Rn. 19]).
20
Mit der übereinstimmenden Erledigungserklärung in der Hauptsache wurde die Rechtshängigkeit der Feststellungsklage beendet (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2018 – I ZR 126/15, GRUR 2019, 527 Rn. 47). Dem klageabweisenden Urteil des Landgerichts ist daher keine Entscheidung über diesen Antrag zu entnehmen, die in Rechtskraft hätte erwachsen können.
21
2. Das Berufungsgericht geht weiter zu Recht davon aus, dass bei einer Prämienanpassung nach § 203 Abs. 2 VVG erst durch die Mitteilung einer den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügenden Begründung die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt wird (vgl. Senatsurteile vom 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 21 ff.; vom 19. Dezember 2018 – IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 66).
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3. Das Berufungsgericht hat den erforderlichen Inhalt der nach § 203 Abs. 5 VVG mitzuteilenden maßgeblichen Gründe zutreffend bestimmt. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils mit Urteil vom 16. Dezember 2020 (IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56) entschieden und im Einzelnen begründet hat, erfordert die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 aaO Rn. 26).
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4. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die von der Beklagten mitgeteilten Gründe für die Prämienerhöhungen zum 1. Januar 2010, 1. Januar 2011, 1. April 2013 und 1. April 2017 diese Voraussetzungen einer nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Mitteilung nicht erfüllen. Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 38). Revisionsrechtlich relevante Fehler sind hier nicht zu erkennen.
24
Nach der im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Beurteilung des Berufungsgerichts konnte ein Versicherungsnehmer den Mitteilungen nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über dem geltenden Schwellenwert die konkreten Beitragserhöhungen ausgelöst hat. Die Schreiben aus November 2009 und 2010 sowie Februar 2013 enthalten keine Angaben dazu, welche der beiden Rechnungsgrundlagen sich verändert habe. Aber auch für das Schreiben vom Februar 2017 ist die Annahme des Berufungsgerichts, es fehle an einem eindeutigen Hinweis darauf, welche geänderte Rechnungsgrundlage für die konkrete Prämienerhöhung maßgeblich gewesen sei, nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht entnimmt diesen Schreiben nur die Erwähnung gestiegener Gesundheitskosten; dass im Schreiben vom November 2010 stattdessen der auch in § 203 Abs. 2 Satz 3 VVG enthaltene Begriff “Versicherungsleistungen” verwendet wird, ist ohne Bedeutung für die tragenden Erwägungen des Berufungsgerichts. Das bewertet es rechtsfehlerfrei dahingehend, daraus ergebe sich nicht, dass es einen vorab festgelegten Schwellenwert für eine Veränderung der Leistungsausgaben gibt, dessen Überschreitung die hier in Rede stehende Prämienanpassung ausgelöst hat. Für dieses Ergebnis kam es bezüglich aller vier Schreiben nicht darauf an, dass das Berufungsgericht – insoweit abweichend von den zuvor zutreffend bestimmten Anforderungen an die Begründung einer Prämienanpassung – darüber hinaus auch das Fehlen der Angabe beanstandet hat, ob der gesetzliche oder ein in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen festgelegter Schwellenwert überschritten wurde.
25
Soweit das Berufungsgericht die Angabe vermisst, welche konkreten Tarife von diesen Veränderungen betroffen seien, bezieht sich dies auf die Überschreitung einer bestimmten Rechnungsgrundlage im festgelegten Umfang als Voraussetzung der Prämienanpassung, und nicht auf die Frage, in welchem Tarif die Beklagte eine Prämienanpassung vorgenommen hat. Entgegen der Ansicht der Revision ist es daher nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die beigefügten Nachträge zum Versicherungsschein, in denen für jeden Tarif die jeweilige Prämienerhöhung aufgeführt war, nicht als ausreichende Mitteilung angesehen hat.
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5. Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die in der Klageerwiderung nachgeholten Angaben zu den Gründen der Prämienanpassungen nur zu einer Heilung ex nunc führen (vgl. Senatsurteile vom 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 42; vom 19. Dezember 2018 – IV ZR 255/17, BGHZ 220, 297 Rn. 66), so dass die Beitragserhöhungen gemäß § 203 Abs. 5 VVG erst ab dem zweiten auf die Zustellung der Klageerwiderung am 27. Februar 2019 folgenden Monat, d.h. ab April 2019, wirksam wurden.
27
6. Das Berufungsgericht ist auch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Rückgewähranspruch des Klägers aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Erhöhungsbeträge, die er ohne wirksame Prämienanpassungserklärung gezahlt hat, der Höhe nach uneingeschränkt umfasst. Die Höhe des Rückzahlungsanspruchs wird von der Revision – bis auf die Einrede der Verjährung – zu Recht nicht angegriffen.
28
7. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dagegen die Prämienanpassungen im Tarif Z.   vom 1. April 2014 und 1. April 2017 sowie im Tarif S.   zum 1. Januar 2011 und 1. April 2018 mit der Begründung für endgültig unwirksam gehalten, dass es für diese Erhöhungen an einer wirksamen Prämienanpassungsklausel fehle.
29
a) Bei den genannten Prämienanpassungen lag die Veränderung der Versicherungsleistungen jeweils unterhalb des gesetzlich vorgesehenen Schwellenwerts von 10 % gemäß § 203 Abs. 2 VVG in Verbindung mit § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG beziehungsweise (dem bis zum 31. Dezember 2015 geltenden) § 12b Abs. 2 Satz 2 VAG a.F. Diese gesetzlichen Vorschriften erlauben jedoch eine Herabsetzung des Schwellenwerts in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Auf dieser Grundlage hat die Beklagte durch die sich an § 8b MB/KK 2009 (im Folgenden: MB/KK) anschließende Regelung in den Tarifbedingungen den Schwellenwert auf 5 % gesenkt; dieser Wert wird nach den Feststellungen des Berufungsgerichts durch die Veränderung der Versicherungsleistungen bei den hier in Rede stehenden Prämienanpassungen jeweils überschritten.
30
b) Die Regelungen in § 8b MB/KK zu den Voraussetzungen einer Prämienanpassung stehen einer Anwendung des niedrigeren Schwellenwertes für eine Prämienanpassung aus den Tarifbedingungen der Beklagten nicht entgegen.
31
aa) Noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass § 8b Abs. 2 MB/KK unwirksam ist (so auch OLG Karlsruhe, VersR 2022, 421 unter 2 b bb (1), (2) [juris Rn. 106 f.]; OLG Schleswig, Urteil vom 13. Dezember 2021 – 16 U 94/21, juris Rn. 24 ff.; OLG Rostock, Beschluss vom 8. Dezember 2021 – 4 U 90/21, juris Rn. 11 ff.; Waldkirch in Bruck/Möller, VVG 9. Aufl. § 8b MB/KK 2009 Rn. 12; PK-VVG/Brömmelmeyer, 4. Aufl. § 203 Rn. 14; Voit in Prölss/Martin, VVG 31. Aufl. § 8b MB/KK 2009 Rn. 2; Rogler, r+s 2020, 647; Werber, VersR 2021, 288, 289; a.A. Boetius, VersR 2021, 101, 102). Diese Regelung weicht entgegen § 208 Satz 1 VVG zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG ab (vgl. Klimke in Boetius/Rogler/Schäfer, Rechtshandbuch Private Krankenversicherung § 31 Rn. 91). Während nach der gesetzlichen Vorschrift eine Prämienanpassung zwingend voraussetzt, dass die Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage nicht nur als vorübergehend anzusehen ist, sieht § 8b Abs. 2 MB/KK vor, dass der Versicherer bei einer nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung von der Prämienanpassung absehen “kann”, d.h. auch in diesem Fall ist sie nicht ausgeschlossen. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 26. Januar 2022 – IV ZR 144/21, VersR 2022, 312 Rn. 10; st. Rspr.). Nach dem eindeutigen Wortlaut wird der Versicherungsnehmer dieser Regelung keinen anderen Inhalt entnehmen können als die auch bei nur vorübergehender Veränderung bestehende Möglichkeit einer Prämienanpassung. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist dagegen nicht erkennbar, dass das Wort “kann” in diesem Zusammenhang als Ausdruck der Verwaltungsrechtssprache zu qualifizieren sein könnte und dem Versicherer daher eine Entscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen auferlege (so LG Berlin VersR 2021, 829) und daraus folge, dass eine Prämienanpassung ausgeschlossen sei, wenn sachliche Gründe entgegenstünden, zu denen insbesondere das Fehlen einer dauerhaften Äquivalenzstörung gehöre (vgl. Boetius, VersR 2021, 101, 102). Ebenso wenig wird er daraus, dass eine Prämienanpassung gemäß § 8b Abs. 1 Satz 3 MB/KK nur “soweit erforderlich” erfolgt, darauf schließen, dass es bei einer als nur vorübergehend anzusehenden Veränderung an dieser Erforderlichkeit fehlen könnte (a.A. Boetius aaO).
32
Dies ist daher – ungeachtet dessen, dass häufigere Prämienanpassungen auch der Vermeidung großer Prämiensprünge dienen können (vgl. BT-Drucks. 12/6959, S. 62 zu § 12b Abs. 2 VAG a.F.) – als erweiterte Ermächtigung des Versicherers zu einer Beitragserhöhung ein Nachteil für den Versicherungsnehmer, der nach § 208 Satz 1 VVG unzulässig ist. Aus einer Abweichung von halbzwingenden Vorschriften des Versicherungsvertragsgesetzes zum Nachteil des Versicherungsnehmers folgt die Unwirksamkeit nach § 307 BGB (vgl. Senatsurteil vom 2. April 2014 – IV ZR 58/13, r+s 2015, 347 Rn. 22 m.w.N.). An die Stelle der unwirksamen Regelung tritt gemäß § 306 Abs. 2 BGB die gesetzliche Vorschrift des § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG, so dass bei einer nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage eine Neufestsetzung ausgeschlossen ist.
33
bb) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hat die Unwirksamkeit von § 8b Abs. 2 MB/KK jedoch nicht zur Folge, dass auch § 8b Abs. 1 MB/KK unwirksam wäre und darüber hinaus – wovon das Berufungsgericht unausgesprochen ausgeht – die hier maßgebliche Regelung in den Tarifbedingungen der Beklagten, die auf § 8b Abs. 1 Satz 2 MB/KK Bezug nimmt, nicht mehr anwendbar wäre.
34
(1) § 8b Abs. 1 MB/KK weicht nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den gesetzlichen Vorschriften über die Prämienanpassung ab.
35
§ 8b Abs. 1 MB/KK enthält dieselben Voraussetzungen der Prämienanpassung wie § 203 Abs. 2 VVG und erlaubt diese insbesondere nur bei einer Veränderung der Rechnungsgrundlagen, die nicht nur als vorübergehend anzusehen ist (vgl. auch OLG Stuttgart, MDR 2022, 370, 371 [juris Rn. 75]; OLG Karlsruhe, VersR 2022, 421 unter 2 b bb (2) (b) [juris Rn. 110]; OLG Schleswig, Urteil vom 13. Dezember 2021 – 16 U 94/21, juris Rn. 28; a.A. OLG Rostock, Beschluss vom 8. Dezember 2021 – 4 U 90/21, juris Rn. 15; PK-VVG/Brömmelmeyer, 4. Aufl. § 203 Rn. 14; Werber, VersR 2021, 288, 289). Von den zwingenden Gesetzesvorschriften soll ersichtlich keine Abweichung vorgenommen werden. Mit der Regelung des § 8b Abs. 1 MB/KK in Verbindung mit den Tarifbedingungen macht der Versicherer allein von der ihm in § 155 Abs. 3 Satz 2 VAG eröffneten Möglichkeit Gebrauch, den Schwellenwert für die Prüfung einer Beitragsanpassung von 10 % auf 5 % abzusenken.
36
§ 8b Abs. 1 MB/KK entspricht inhaltlich und teilweise wörtlich den gesetzlichen Prämienanpassungsvorschriften; ein eigenständiger Regelungsgehalt käme diesen Bestimmungen nur dann zu, wenn sie vom Gesetz zugunsten des Versicherungsnehmers abwichen (vgl. zu den entsprechenden Vorgängerregelungen in § 12b Abs. 2 VAG a.F. und § 8b MB/KK 94 Senatsurteil vom 16. Juni 2004 – IV ZR 117/02, BGHZ 159, 323 unter II 1 b [juris Rn. 12]). Auch ohne dass in seinem Satz 3 die erforderliche Abweichung der zu vergleichenden Rechnungsgrundlagen ausdrücklich als “nicht nur als vorübergehend anzusehen” bezeichnet wird, entnimmt der durchschnittliche Versicherungsnehmer dieser Regelung, dass sie sich nur auf solche Veränderungen bezieht. Denn der auch für ihn erkennbare Sinnzusammenhang von Abs. 1 und Abs. 2 zeigt, dass eine besondere Regelung für den Ausnahmefall einer Veränderung, die “als vorübergehend anzusehen” ist, in Abs. 2 enthalten ist. Das bedeutet für ihn im Umkehrschluss, dass die übrigen Fälle einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung in Abs. 1 geregelt sind, ohne dass dies dort noch ausdrücklich erwähnt werden müsste.
37
(2) Der Bestand der Regelung in § 8b Abs. 1 MB/KK wird auch durch die Streichung von § 8b Abs. 2 MB/KK nicht beeinträchtigt.
38
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch dann Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen – unwirksamen – Regelungen stehen. Nur wenn der als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrages nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss, ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel (Senatsurteil vom 31. März 2021 – IV ZR 221/19, BGHZ 229, 266 Rn. 64 m.w.N.). Die inhaltliche Trennbarkeit einer Klausel und damit die Möglichkeit ihrer Zerlegung in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil ist immer dann gegeben, wenn der unwirksame Teil der Klausel gestrichen werden kann, ohne dass der Sinn des anderen Teils darunter leidet (sog. blue-pencil-test); ob beide Bestimmungen den gleichen Regelungsgegenstand betreffen, ist dabei unerheblich (Senatsurteil vom 31. März 2021 aaO m.w.N.).
39
Nach diesem Maßstab hat die Regelung über die Voraussetzungen einer Prämienanpassung, einschließlich des Erfordernisses einer nicht nur vorübergehenden Veränderung der Rechnungsgrundlagen, auch dann Bestand, wenn die Regelung zu den Folgen einer nur vorübergehenden Veränderung in Absatz 2 unwirksam ist (vgl. OLG Karlsruhe, VersR 2022, 421 unter 2 b bb (2) (b) [juris Rn. 111]; OLG Schleswig, Urteil vom 13. Dezember 2021 – 16 U 94/21, juris Rn. 28; LG Oldenburg VersR 2021, 632 Rn. 61; LG Berlin VersR 2021, 829 unter I 2. 1.2 [juris Rn. 71]; LG Hannover VersR 2021, 626 unter I 3 a bb [juris Rn. 115]). Denn der verbleibende Sinn der Regelung wird dadurch nicht beeinträchtigt, sondern ist weiterhin aus sich heraus verständlich und besagt, dass eine Prämienanpassung zwingend eine nicht nur vorübergehende Veränderung der Rechnungsgrundlage erfordert. Dasselbe gilt für die – ebenfalls dem Gesetz folgende – Möglichkeit zur tariflichen Absenkung des Schwellenwertes in Absatz 1, von der in den Tarifbedingungen Gebrauch gemacht wurde.
40
c) Die materiellen Voraussetzungen der Prämienanpassung im Übrigen liegen hier unstreitig vor.
41
8. Zu Recht ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Verjährung des Anspruchs auf Rückzahlung der ab dem 1. Januar 2015 geleisteten Prämienanteile durch die Zustellung der Klageschrift am 15. Januar 2019 rechtzeitig gehemmt wurde und diese Ansprüche nicht verjährt sind.
42
Die dreijährige Regelverjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Entgegen der Ansicht der Revision entsteht jedoch nicht mit der unwirksamen Prämienerhöhung und der ersten darauf erfolgten monatlichen Teilzahlung bereits ein einheitlicher Bereicherungsanspruch in Höhe aller in Zukunft darauf geleisteter Prämien. Die Rückzahlungsansprüche aufgrund unwirksamer Beitragserhöhungen entstehen vielmehr jeweils mit der Zahlung der Erhöhungsbeträge (vgl. Senatsurteil vom 17. November 2021 – IV ZR 113/20, VersR 2022, 97 Rn. 41). Bei rechtsgrundlos erbrachten Leistungen, die periodisch fällig und dementsprechend bezahlt werden, entsteht mit jeder Zahlung ein sofort fälliger und damit ein regelmäßig zeitlich wiederkehrender Bereicherungsanspruch (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2008 – XI ZR 409/06, WM 2008, 1258 Rn. 12).
43
Entgegen der Ansicht der Revision können die Grundsätze der Verjährung bei der Schadenseinheit nicht auf Bereicherungsansprüche übertragen werden. Nach diesen Grundsätzen gilt der gesamte Schaden, der auf einem bestimmten einheitlichen Verhalten beruht, bereits mit der ersten Vermögenseinbuße als eingetreten, sofern mit den einzelnen Schadensfolgen bereits beim Auftreten des ersten Schadens gerechnet werden konnte; die Verjährung des Ersatzanspruchs erfasst dann auch solche nachträglich eintretenden Schadensfolgen, die im Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs als möglich voraussehbar waren (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2016 – VI ZR 200/15, VersR 2017, 170 Rn. 15 m.w.N.). Bereicherungsansprüche entstehen dagegen nicht durch ein schädigendes Verhalten des Leistungsempfängers – hier etwa die unwirksame Prämienerhöhung -, sondern durch die Verfügungen des Leistenden. Dass ein Anspruch noch nicht bezifferbar und mit der Leistungsklage durchsetzbar sein muss, um die Verjährungsfrist in Gang zu setzen (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 2016 aaO Rn. 12), ändert nichts daran, dass der Anspruch aber bereits entstanden sein muss.
44
9. Das Berufungsgericht ist auch noch grundsätzlich zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte die vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2018 gezogenen Nutzungen aus den zurückzuzahlenden Prämienanteilen nach § 818 Abs. 1 BGB herauszugeben hat. Zu Unrecht hat es aber einen solchen Herausgabeanspruch auch auf die Nutzungen erstreckt, die die Beklagte vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2018 aus den bis zum 31. Dezember 2014 gezahlten und nicht geschuldeten Prämienanteilen gezogen hat. Auch die erst später gezogenen Nutzungen aus den bis zu diesem Zeitpunkt gezahlten Prämien sind von diesem Hauptanspruch abhängende Nebenleistungen im Sinne von § 217 BGB (vgl. Senatsurteil vom 3. Juli 1980 – IVa ZR 38/80, WM 1980, 1244 unter 4 [juris Rn. 31]), die daher zusammen mit dem Hauptanspruch auf Rückzahlung der bis zum 31. Dezember 2014 geleisteten Prämienzahlungen verjährten; dies gilt auch dann, wenn sie erst nach Ablauf der den Hauptanspruch betreffenden Verjährungsfrist beziffert werden können (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2014 – V ZR 309/12, NJW 2015, 1007 Rn. 10).
45
10. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht dem Kläger Zinsen aus den herauszugebenden Nutzungen ab Rechtshängigkeit zugesprochen.
46
§ 291 BGB als Anspruchsgrundlage für Prozesszinsen greift bei einer Klage, die auf die Feststellung einer Verbindlichkeit gerichtet ist, nicht ein (Senatsurteil vom 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 59). Auch ein Verzugszinsanspruch aufgrund einer Mahnung des Klägers kommt nicht in Betracht. Zwar hat der Kläger mit Schreiben vom 2. November 2018 neben den Prämienanteilen auch die daraus gezogenen Nutzungen von der Beklagten gefordert. Dies war hier aber nicht verzugsbegründend. Der Gläubiger kann aus einer Mahnung keine Rechte herleiten, wenn er eine weit übersetzte Forderung geltend macht (Senatsurteil vom 29. Juli 2015 – IV ZR 384/14, VersR 2015, 1101 Rn. 49). Dies ist hier der Fall, da der Kläger in seinem Schreiben Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem gesamten Erhöhungsbetrag als Nutzungsersatz begehrte; das ist als tatsächlich gezogene Nutzung aus Krankenversicherungsbeiträgen fernliegend.
47
11. Die Sache ist nur teilweise entscheidungsreif. Die bereits als begründet festzustellenden Ansprüche umfassen die Rückzahlung der Erhöhungsbeträge aus den Prämienanpassungen zum 1. Januar 2010 im Tarif A.  um 39,27 €, Tarif Z.   um 7,17 € und Tarif S.   um 22,29 €, zum 1. Januar 2011 im Tarif A.  um 36,49 € und im Tarif S.   um 14,34 €, zum 1. April 2013 im Tarif S.   um 24,01 € und zum 1. April 2017 im Tarif A.   um 84,97 € und im Tarif Z.  um 4,92 €, soweit sie im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2018 gezahlt wurden, und die Herausgabe in diesem Zeitraum daraus gezogener Nutzungen. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zur formellen Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen zum 1. Januar 2011 und 1. April 2017 erfassen auch die in diesen Mitteilungen enthaltenen Erhöhungen im Tarif S.  beziehungsweise Z.  ; diesbezüglich ging das Berufungsgericht zwar – unzutreffend – von einer endgültigen materiellen Unwirksamkeit aus, was aber an der formellen Unwirksamkeit auch dieser Prämienanpassungen nichts ändert. Damit ergibt sich – insoweit entsprechend der Berechnung des Berufungsgerichts – für diese Beitragserhöhungen ein Zahlungsanspruch von 8.779,05 €.
48
Wie ausgeführt hat der Kläger jedoch keinen Anspruch auf Nutzungen, die aus den bis zum 31. Dezember 2014 gezahlten Erhöhungsbeträgen gezogen wurden, und auf Zinsen aus den herauszugebenden Nutzungen. Insoweit ist daher das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen die Klageabweisung durch das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen.
49
Die darüberhinausgehende Klage bedarf dagegen zu ihrer Entscheidung noch einer Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit der Prämienanpassungen im Tarif Z.   zum 1. April 2014 sowie im Tarif S.   zum 1. April 2018 durch das Berufungsgericht. Das Berufungsurteil ist daher auch aufzuheben, soweit die Beklagte zur Rückzahlung der vom 1. Januar 2015 bis zum 31. Dezember 2018 auf diese Prämienanpassungen gezahlten Erhöhungsbeträge nebst Zinsen sowie zur Herausgabe der daraus gezogenen Nutzungen verurteilt worden ist.
50
III. Im zuletzt genannten Umfang der Aufhebung ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das zu prüfen haben wird, ob die Prämienanpassungen im Tarif Z.   zum 1. April 2014 sowie im Tarif S.   zum 1. April 2018 formell rechtmäßig waren.
Prof. Dr. Karczewski     
      
Harsdorf-Gebhardt     
      
Dr. Brockmöller
      
Dr. Bußmann     
      
Dr. Bommel     
      


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