Bankrecht

Kein Anspruch auf Zahlung einer restlichen Pflichteinlage in einen Filmfonds in Form einer Publikums-KG

Aktenzeichen  101 C 286/19

Datum:
21.6.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 59549
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Aichach
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HGB § 105 Abs. 3, § 106 Abs. 2, § 167 Abs. 3
BGB § 739
ZPO § 130a Abs. 4

 

Leitsatz

Der Kommanditist haftet nach der gesetzlichen Regelung für die Verluste der Gesellschaft auch im Innenverhältnis bis zur Höhe seiner rückständigen Einlage. Diese Regelung ist aber im Innenverhältnis vertraglich abdingbar.  (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Schiedsgutachten
Ein Schiedsverfahren war nicht zu betreiben gewesen, da sich die Parteien nicht nur um die Höhe des Abfindungsguthabens streiten, sondern der Anspruch durch den Beklagten grundsätzlich in Frage gestellt wird. In § 23 Ziff. 6 Abs. 1 S. 2 des Gesellschaftsvertrags ist die Einholung eines Schiedsgutachtens für den Fall vorgesehen, dass über die „Höhe der Abfindung“ kein Einvernehmen erzielt werde kann. Hier aber sieht der Beklagte in einer etwaigen Abfindung grundsätzlich nur einen positiven an ihn auszuzahlenden Betrag und niemals einen negativen noch zu zahlenden Betrag. Er stellt seine weitere Zahlungspflicht über den geleisteten Teil der Pflichteinlage hinaus also grundsätzlich in Frage. Die Einholung eines Schiedsgutachtens zur Frage, wie hoch ein noch zu zahlender Betrag wäre, ergibt vor diesem Hintergrund keinen Sinn.
Zahlungspflicht
Eine Ausgleichspflicht des Beklagten nach § 739 BGB in Verbindung mit §§ 106 Abs. 2, 105 Abs. 3 und 167 Abs. 3 HGB besteht nicht.
Zwar haftet der Kommanditist nach der gesetzlichen Regelung für die Verluste der Gesellschaft auch im Innenverhältnis bis zur Höhe seiner rückständigen Einlage. Diese Regelung ist aber im Innenverhältnis vertraglich abdingbar. Nach der Konzeption des vorliegenden Gesellschaftsvertrags sollte im Innenverhältnis nur bis zu einem Betrag von zunächst 54 % des Anteils, nach Gesellschaftsvertragsänderung bis zu einem Betrag von 60 % des Anteils gehaftet werden. Eine weitergehende Zahlungspflicht wurde von einem entsprechenden Beschluss der Gesellschafterversammlung abhängig gemacht (§ 4 Ziff. 3 Abs. 2 Halbsatz 2 des Gesellschaftsvertrags), der nicht getroffen wurde. Dass diese Regelung abschließend sein sollte und die gesetzliche Regelung verdrängen sollte, ergibt sich in der Gesamtschau der restlichen Bestimmungen des Vertrags. In § 4 Ziff. 3 Abs. 4 wird für das Außenverhältnis nämlich ausdrücklich aufgenommen, dass gegenüber Gläubigern der Gesellschaft in Höhe der Differenz zwischen geleisteter Pflichteinlage und im Handelsregister eingetragener höherer Haftsumme gehaftet wird. Es handelt sich dabei um die Wiedergabe einer ohnehin nicht durch die Gesellschafter disponierbarer gesetzlichen Regelung. Dass dies dennoch ausdrücklich klargestellt wird, kann im Umkehrschluss nur bedeuten, dass es im Innenverhältnis eben nicht so sein soll. Für das Ausscheiden eines Gesellschafters ist in allen Regelungen des Vertrags deswegen auch folgerichtig nur von „Abfindung“ die Rede (§ 4 Ziff. 5 Abs. 7 und insbesondere § 23 Ziff. 6). Der Begriff bezeichnet unzweifelhaft nur eine Zahlung der Gesellschaft an den (ehemals) Beteiligten, nicht eine Ausgleichszahlung in die andere Richtung.
Höhe der Einlage
Die Zahlungspflicht wäre nach § 167 Abs. 3 HGB im Übrigen auch auf die rückständige Einlage beschränkt. Auf die vollständige Einlage von 50.000 Euro sind unstreitig 30.000 Euro bezahlt. Der Beklagte hat vorgetragen, die restliche Einlage sollte aus erwirtschafteten und zur Ausschüttung anstehenden Gewinnen bzw. aus Darlehen geleistet werden. Dem ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. Sie hat lediglich vorgetragen, es handele sich um den Einwand der Erfüllung, für den der Beklagte darlegungsbelastet sei. Der Beklagte ist aber nach Ansicht des Gerichts seiner Darlegungslast soweit nachgekommen, dass die Klägerin nunmehr substantiiert vortragen bzw. bestreiten müsste. Es handelt sich bei dem Vortrag des Beklagten nämlich nicht um eine Behauptung ins Blaue hinein. Denn die Aufnahme von Darlehen in Höhe des Restbetrags der nicht einzuzahlenden Pflichteinlagen ist in § 5 Ziff. 5 des Gesellschaftsvertrags ausdrücklich vorgesehen. Aus dem als Anlage K4 vorgelegten Bericht der Geschäftsführung für das Geschäftsjahr 2014 ergibt sich, dass im Jahr 2005 Ausschüttungen von 4.777.781 Euro vorgenommen wurden. Auf die von der Klageseite rechnerisch ermittelte 100.000-Euro-Beteiligung entfiele nach dem von ihr angesetzten Verhältniswert von 7.100/4.270.379,82 eine Ausschüttung von 7.943,61 Euro, also auf die Beteiligung des Beklagten von 50.000 Euro ein Betrag von 3.971,81 Euro. Es ist deswegen davon auszugehen, dass auf den von der Gesellschaft nach § 8 des Gesellschaftsvertrags zu führenden Konten des Beklagten (Kapitalkonto I, variables Beteiligungskonto Kapitalkonto II und gesondertes Konto für den Leistungsverkehr) Buchungen stattgefunden haben. Es bleibt offen, ob und wie die Ausschüttung und die Darlehen der Gesellschaft, die unstreitig vollständig getilgt sind, verbucht wurden. Der Beklagte hat gar keine Möglichkeit, hier eingehender vorzutragen, weil er die Konten nicht führt, sondern die Klägerin.
Soweit die Klägerin vorträgt, die erwirtschafteten Gewinn seien zur Tilgung von Darlehen verwendet worden, handelt es sich bilanzrechtlich um einen Widerspruch. Die Tilgung eines Darlehens ist ein Aktiv-/Passivtausch und als solcher gewinnneutral.
Höhe des Fehlbetrags
Der Abfindungsbetrag bemisst sich nach § 23 Ziff. 6 des Gesellschaftsvertrags nach der Höhe des Verkehrswertes des Kapitalanteils zum Zeitpunkt des Ausscheidens. Die Klägerin errechnet so ein „negatives Auseinandersetzungsguthaben“.
Die Klägerin hat nicht schlüssig zur Höhe des Verkehrswertes des Kapitalanteils des Beklagten vorgetragen, so dass das Gericht sich außerstande sieht, die Höhe eines etwaigen Abfindungsguthabens zu bestimmen. (s.a. AG Groß-Gerau 66 C 92/18)
Pauschale Ausführungen zur Wertermittlung nach IDW S1 ersetzen keinen zwingen erforderlichen Sachvortrag. Für die Höhe der Nachschusspflicht ist die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet. Die Klägerin hat aber keinen Vortrag geleistet, aufgrund dessen das Gericht in der Lage gewesen wäre, die Höhe des Kapitalkontos nachzuvollziehen. Sie hat lediglich pauschal behauptet, der eingeforderte Betrag sei auf Basis anerkannter Standards berechnet. Eine Darstellung in rechnerischer Hinsicht ist nur ansatzweise erfolgt.
Die Klägerin hat außerdem selbst mitgeteilt, dass für den Beklagten keine individuelle Berechnung angestellt wurde. Vielmehr sei der Berechnung ein musterhafter Anleger mit einer Beteiligungssumme von 100.000 Euro zugrunde gelegt worden. Weshalb eine Berechnung in Bezug auf den Beklagten nicht erfolgt ist, wird nicht vorgetragen. Es müsste aber für die Klägerin ohne weiteres möglich sein, zum Kapitalkonto des Beklagten konkret und individuell vorzutragen. Nach § 8 des Gesellschaftsvertrags unterhält die Klägerin für jeden Gesellschafter in festes Kapitalkonto und ein variables Beteiligungskonto. Dort sollen Gewinnanteile, Entnahmen sowie sämtliche andere Zahlungen zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern gebucht werden.
Die Klägerin berechnet den Verkehrswert nach dem Ertragswert, der sich aus der Prognose der künftigen Überschüsse der Einnahmen über die Ausgaben ergibt. Die Klägerin bezieht sich dabei auf die als Anlage K3 vorgelegte „Berechnung“.
Dort wird einerseits erläutert, dass die Berechnung – die im Übrigen und im Einzelnen gerade nicht offengelegt wird und damit durch das Gericht gerade nicht auf Schlüssigkeit überprüft werden kann – auf Lizenzerlösen beruht, die bereits durch die Gesellschaft vereinnahmt sind, aber im Wege eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens auf die Folgejahre bis zur geplanten Auflösung der Gesellschaft im Jahr 2020 verteilt werden. Dieser PRAP soll großteils erst mit Auflösung der Gesellschaft aufgelöst werden. Für die prognostizierten handelsrechtlichen Gewinne heißt es folgerichtig in der Aufstellung, dass in den Jahren 2016 bis 2019 Gewinne zwischen 1.689.229,84 Euro bis 2.367.768,63 Euro, im Jahr 2020 dann aber Gewinne von 9.746.985,45 Euro anfallen sollen. Es ist für das Gericht mangels entsprechender Darlegungen nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage bereits vereinnahmte Gewinne bilanziell in die Zukunft verschoben werden. Es ist leicht vorstellbar, dass der Wert der Kapitalkonten der Kommanditisten zu einem bestimmten Zeitpunkt wesentlich höher anzusetzen ist, wenn Gewinne bereits gutgeschrieben und nicht nur als erwartete zukünftige Gewinne behandelt werden.
Außerdem erfolgt die als Anlage K3 vorgelegte „Berechnung“ in der Weise, dass die sich für die einzelnen Jahre ergebenden „Zahlungssalden“ über alle Gesellschafter bis zur geplanten Auflösung der Gesellschaft aufaddiert und dann auf eine Beteiligung von 100.000 Euro heruntergebrochen werden. Dies solle dann den Verkehrswert dieser Beteiligung darstellen und sich dieser auf -7.100 Euro belaufen. Ausgehend von diesem von der Klägerin eingebrachten Ansatz kommt es also auf die angesetzten jährlichen Zahlungssalden an. Diese ergeben sich nach der tabellarischen Darstellung in der „Berechnung“ der Anlage K3 im Wesentlichen aus den sich aus den prognostizierten Gewinnen der Gesellschaft ergebenden Gewerbesteuern (teilweise positiv, teilweise negativ) und der sich daraus ergebenden Steuerbelastung bei den Kommanditisten. Dem werden lediglich die geplanten Ausschüttungen der Gesellschaft entgegengestellt. Diese sind nur für das Abschlussjahr angesetzt und auch dort der Höhe nach nicht nachvollziehbar. Es ergibt sich insgesamt ein negativer Zahlungssaldo von 4.270.379,82 Euro. In dessen Berechnung sind allein 5.406.217,78 Euro wegen der pauschalierten Steuerbelastung berücksichtigt. Für diese wurde pauschal 35 Prozent angesetzt. Bei einem Ansatz einer individuellen Steuerlast von 40 Prozent ergäbe sich dem Rechenweg der Klägerin folgend ein Wert der 100.000-Euro-Beteiligung von dann -8.384 Euro. Bei einem Ansatz einer individuellen Steuerlast von 15 Prozent ergäbe sich dem Rechenweg der Klägerin folgend ein Wert von -1.963,74 Euro. Wenn individuell gar keine Einkommensteuer anfällt, etwa weil der Kommanditist anderweitig Verluste macht oder Verlustvortrag anzusetzen ist, ergibt sich sogar ein positiver Wert der Beteiligung von 1.861,86 Euro.
Da im vorliegenden Fall die Besteuerung auf der Ebene der Gesellschafter und gerade nicht auf Ebene der Gesellschaft stattfindet, ist dieses Ergebnis höchst problematisch. Denn die nachgelagerte Besteuerung dürfte sich gerade nicht auf die Ermittlung des Kapitalkontos und des Abfindungsguthabens auswirken. Denn die Folge wäre, dass die ertragswertorientierte Ermittlung des Unternehmenswertes davon abhängig gemacht würde, ob und in welcher Höhe andere, nicht mit dem Unternehmen identische Personen Steuern zu zahlen haben.
Die Berechnung ist auch vor dem Hintergrund nicht haltbar, dass sie hinsichtlich der Abfindungsguthaben nicht konkret erfolgt. Es wird lediglich eine Summe in Bezug auf alle Gesellschafter und des gesamten Kommanditkapitals angesetzt. Eine solche pauschale Berechnung erscheint aus mehreren Gründen unzureichend. Sie berücksichtigt nämlich insbesondere nicht, wann der Eintritt des jeweiligen Gesellschafters in die Klägerin erfolgt ist. Denn wenn nicht alle Gesellschafter im selben Jahr eingetreten sind, dürfte es zu unterschiedlichen Gewinn- und Verlustzuschreibungen gekommen sein, was wiederum Auswirkungen auf den Stand der Kapitalkonten und somit auf die Höhe des Ausgleichsanspruchs haben.
Die von der Klägerin als Anlagen vorgelegten und zum Sachvortrag zur Höhe des Anspruchs herangezogenen Berechnungen widersprechen sich im Übrigen selbst. In der Berechnung, die als Anlage K3 vorgelegt wurde, ist im Jahr 2016 eine Gewerbesteuer von -1.404.002,00 Euro angesetzt, in dem als Anlage K4 vorgelegten Bericht der Geschäftsführung hingegen +23.158 Euro, wobei in den übrigen Jahren die Beträge sich genau entsprechen.
Ein Sachverständigengutachten zu dem Verkehrswert war nicht einzuholen. Es handelte sich dabei um einen Ausforschungsbeweis. Es ist Aufgabe des Sachverständigen, dem Gericht fehlende Sachkunde zur Bewertung eines Sachverhalts zu vermitteln. Es ist nicht Aufgabe des Sachverständigen, die zugrunde liegenden Tatsachen zu ermitteln. Hier fehlt es an jeder Darlegung dazu, auf welcher Grundlage die Gewinne prognostiziert wurden, wie sich die angesetzte Gewerbesteuer bestimmt und wie sich die Höhe der Ausschüttungen ergibt. Es wurde letztlich mit einer Ausnahme keine einzige Anknüpfungstatsache für die sachverständige Unternehmensbewertung dargelegt. Diese Ausnahme ist der angesetzte pauschalierte Steuersatz, den das Gericht aus den genannten Gründen ohnehin für verfehlt hält.
Prospekte
Auf die Frage, inwieweit die Klägerin sich die Angaben in den Prospekten zurechnen lassen muss, die ebenfalls den Schluss nahelegen, es solle im Innenverhältnis über die Teilzahlung der Einlage hinaus keine weitere Zahlung geschuldet sein, kommt es im Ergebnis deswegen nicht mehr an. Eine solche Zurechnung ist allerdings vor dem Hintergrund naheliegend, dass er sich ausweislich seiner entsprechenden als Anlage K1 vorgelegten Erklärung „auf Grundlage des mir voll inhaltlich bekannten Prospektes an … beteiligte.
Kosten des Austritts
Soweit die Klägerin neben dem negativen Kapitalkonto zusätzliche Kosten des Austritts in Höhe von 500 Euro geltend macht, ist nicht dargelegt, worauf sich dieser Anspruch stützen soll. Eine entsprechende Regelung ist weder dem Gesellschaftsvertrag noch dem Gesetz zu entnehmen. Die Summe ist der Höhe nach auch nicht nachvollziehbar.
Die Klage war deswegen insgesamt zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 ZPO.


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