Bankrecht

Keine Rückabwicklungsansprüche hinsichtlich der Finanzierung eines gebrauchten BMW X3 wegen verfristeten und somit unwirksamen Widerrufs

Aktenzeichen  29 O 3551/19

Datum:
20.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 48124
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 355, § 356b Abs. 1, Abs. 2, § 491 Abs. 1, § 492 Abs. 2, § 495 Abs. 2
EGBGB Art. 247 § 3 Nr. 10, Nr. 11, § 7 Nr. 3

 

Leitsatz

1. Die konkrete Angabe des Verzugszinssatzes in einem Verbraucherdarlehensvertrag ist nicht erforderlich. Der Verzugszins ist durch die Angabe von “fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr” ausreichend angegeben.  Eine Verpflichtung zur Angabe einer absoluten Zahl lässt sich weder dem Gesetzestext noch der Gesetzesbegründung oder der zugrunde liegenden Verbraucherkreditrichtlinie entnehmen und würde lediglich Formalismus ohne irgendwelchen Informationsvorteil für einen Verbraucher darstellen. Informationsgehalt für den Verbraucher hat nur die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unbekannte Höhe des Verzugszinssatzes zum Zeitpunkt des Vorliegens der Verzugsvoraussetzungen und nicht der Verzugszinssatz zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. (Rn. 60 – 62) (red. LS Andy Schmidt)
2. Das Widerrufsrecht des Darlehensnehmer aus § 495 Abs. 2 BGB unterliegt der Verwirkung (ebenso BGH BeckRS 2018, 3224 Rn. 11). Die maßgebliche Frist für das Zeitmoment läuft mit dem Zustandekommen des Verbraucherdarlehensvertrags an. Da das Widerrufsrecht als Gestaltungsrecht anders als die aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Ansprüche nicht verjährt, kann weder aus den gesetzlichen Verjährungsfristen noch aus den gesetzlichen Verjährungshöchstfristen auf ein “Mindestzeitmoment” geschlossen werden.  (Rn. 83 – 85) (red. LS Andy Schmidt)
3. Hinsichtlich des Umstandsmomentes gilt: Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren (ebenso BGH BeckRS 2016, 12590 Rn. 41). Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht bzw. wenn die Parteien den Darlehensvertrag einvernehmlich beendet haben. (Rn. 86 – 91) (red. LS Andy Schmidt)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 33.440,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige, aber unbegründete Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
A.
Die Klage ist zulässig.
Das Landgericht München I ist gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 GVG sachlich und gemäß §§ 12, 17 ZPO örtlich zuständig.
Die Klagepartei hat Feststellungsinteresse hinsichtlich der Frage, ob die Zahlung von Zins und Tilgung weiterhin geschuldet ist. Denn die Beklagte bestreitet die Wirksamkeit des Widerrufs und berühmt sich somit dieser Ansprüche. Eine alleinige Leistungsklage würde dem Rechtschutzbedürfnis des Klägers nicht vollumfänglich gerecht werden, da darin nicht rechtskräftig festgestellt werden würde, dass die Klagepartei Ansprüche auf Zins und Tilgung nicht mehr zu leisten haben.
B.
Die Klage ist unbegründet. Der Klagepartei stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags zu, weil der von der Klagepartei mit Schreiben vom 28.07.2018 erklärte Widerruf verfristet und damit unwirksam war.
I.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag vom 22.03.2017 um ein Allgemein-Verbraucherdarlehen im Sinne des § 491 Abs. 1 BGB (in der bei Vertragsschluss maßgeblichen Fassung v. 21.03.2016 bis 09.06.2017) handelt, sodass der Klagepartei ein Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs. 1, 355 BGB (in der entsprechenden Fassung) zustand.
II.
Die Widerrufsfrist war jedoch bei Erklärung des Widerrufs längst abgelaufen. Insbesondere sind die Voraussetzungen des Beginns der Widerrufsfrist gemäß § 356b Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB (in der maßgeblichen Fassung ab 21.03.2016) eingehalten.
1.
Die Voraussetzung des § 356b Abs. 1 BGB a.F. ist erfüllt, weil die Klagepartei eine Abschrift ihrer Vertragserklärung erhalten hat. Die Klagepartei hat unstreitig ein Exemplar des Vertragstextes erhalten. Damit lag ihr aber eine Abschrift ihrer Vertragserklärung vor.
Zwar bezeichnet der Begriff „Vertragsurkunde“ nur das von beiden Vertragsparteien unterzeichnete schriftliche Original des Vertrags (BGH XI ZR 381/16). Entgegen der Ansicht der Klagepartei ist es jedoch nicht erforderlich, dass auch die „Abschrift“ unterzeichnet ist.
In den Gesetzesmaterialien (Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie v. 21.1.2009, BT-Drs. 16/11643, S. 80) wird hierzu ausgeführt:
„Eine Abschrift ist unabhängig von ihrer Herstellung jedes Dokument, das den Vertragsinhalt wiedergibt, ohne dass es besonderer förmlicher Zusätze, wie beispielsweise einer Unterschrift, bedarf. So ist Artikel 10 Abs. 1 Satz 2 der Verbraucherkreditrichtlinie zu verstehen, der von einer „Ausfertigung“ spricht.“
Die Klagepartei verkennt nach Überzeugung die Anforderungen an eine Abschrift. Wie bereits dargestellt, kommt es für die Abschrift gerade nicht darauf an, dass dieses von beiden Parteien unterzeichnet ist. Bei dem Dokument, das von beiden Parteien unterzeichnet ist, handelt es sich gerade nicht um die Abschrift sondern die Vertragsurkunde. Die Abschrift ist nur eine Ausfertigung der Vertragsurkunde, die bestätigt, dass diese inhaltlich identisch mit der Vertragsurkunde ist. Dies liegt vorliegend unstreitig vor.
Unschädlich ist ebenfalls, dass die Widerrufsbelehrung nach der Unterschrift der Klagepartei auf im Darlehensvertrag folgt. Der Darlehensvertrag ist klar ersichtlich eine einheitliche Urkunde, wie sich schon aus der Paginierung ergibt. Im Rahmen dieser Urkunde wurde der Klagepartei die Widerrufsbelehrung erteilt. Dies genügt den gesetzlichen Anforderungen.
2.
Die Widerrufsinformation der Beklagten selbst ist nicht zu beanstanden.
a.
Die Beklagte kann sich hier jedenfalls auf die Schutzwirkung des Musters nach Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB i.d.F. ab 21.03.2016 berufen, da sie gegenüber der Klagepartei in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form ein Formular verwendet hat, das dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht.
Dass die Beklagte auf die Umrahmung verzichtet hat, ist unschädlich, da die Widerrufsinformation durch die graue Unterlegung und den Abdruck auf einer separaten Seite ausreichend hervorgehoben ist und auch sonst deutlich gestaltet wurde.
Sonstige konkrete Einwände erhebt der Kläger nicht. Daher kann sich die Beklagte auf den Musterschutz berufen. Die Einwendung, dass fehlerhaft bzw. irreführend über eine nicht bestehende Zinszahlungsverpflichtung aufgeklärt worden sei, kann deshalb nicht gehört werden. Denn der Text entspricht der Musterwiderrufsbelehrung. Die Beklagte durfte diesen so übernehmen, um nicht dem Musterschutz zu verlieren. Undeutlichkeiten, die sich in der Musterwiderrufsbelehrung selbst finden, gehen zulasten des Verbrauchers.
Die diesbezüglichen klägerischen Einwendungen greifen folglich nicht durch.
Die Widerrufsinformation ist somit nicht zu beanstanden.
3.
Die Klagepartei hat auch sämtliche erforderlichen Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6-13 EGBGB a.F. ordnungsgemäß erhalten. Die von der Klagepartei gerügten Fehler liegen nicht vor.
Zur Erteilung der Pflichtangaben kann die Beklagte den gesamten Vertragstext verwenden. Einzubeziehen sind auch die Allgemeinen Darlehensbedingungen, die unstreitig mitübergeben worden sind.
Die Allgemeinen Darlehensbedingungen wurden hier als Teil des Darlehensvertrags ausgehändigt und sind damit selbst Bestandteil dieses Vertrages (schon klar ersichtlich aus der von der Klagepartei selbst vorgelegten Anlage K1, dort ausdrücklich Seite 1 bis 7). Die Angaben liegen daher nicht in sonstigen Dokumenten vor, sondern sie sind in der Vertragsurkunde selbst enthalten. Sie befinden sich zudem für den Verbraucher leicht auffindbar und übersichtlich gestaltet, sodass der Voraussetzung einer „klaren und verständlichen“ Angabe Genüge getan ist.
Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ist der Darlehensgeber nicht gehalten, die erforderlichen Pflichtangaben im Vertragsformular selbst zu erteilen, sondern kann dies beispielsweise auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen tun, ohne dass es eines gesonderten Hinweises im Vertragsformular auf den Standort der Informationen bedürfte (BGH U. v. 04.07.2018 – XI ZR 741/16, OLG München B. v. 25.09.2018 – 17 U 2661/18). Die Beklagte konnte somit ohne Weiteres die erforderlichen Pflichtangaben in den Allgemeinen Darlehensbedingungen verorten, da diese Teil des Vertragsdokuments waren.
Die Pflichtangaben wurden alle ordnungsgemäß erteilt.
a. Pflichtangabe zur Art des Darlehens, Art. 247 § 3 Nr. 2 EGBGB
Entgegen der Ansicht der Klagepartei ist die Pflichtangabe zur Art des Darlehens (Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 2 EGBGB a.F.) in den Vertragsunterlagen enthalten. In den Gesetzesmaterialien (Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie v. 21.1.2009, BT-Drs. 16/11643, S. 123) heißt es hierzu:
„Nach Nummer 2 muss die „Art des Darlehens“ angegeben werden. Dies entspricht Artikel 5 Abs. 1 Satz 4 Buchstabe a, Artikel 6 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe a der Verbraucherkreditrichtlinie. Nummer 2 umfasst auch die „Produktbeschreibung“ aus dem Europäischen Standardisierten Merkblatt für grundpfandrechtlich gesicherte Verbraucherdarlehensverträge. Bei der „Art“ kann zunächst zwischen Darlehensverträgen und anderen entgeltlichen Finanzierungshilfen unterschieden werden. Die Vertragsart kann deshalb zum Beispiel auch als „Leasingvertrag“ bezeichnet werden. Die Art kann sich aber auch auf die nähere Ausgestaltung des Darlehens beziehen, z.B. ein befristetes oder unbefristetes Darlehen mit regelmäßiger Tilgung oder Tilgung am Ende der Laufzeit. Auch die besonderen Formen, die in §§ 503 bis 505 BGB-E genannt werden, stellen Darlehensarten dar.“
Die Beklagte hat diese Pflichtangabe vorliegend erteilt.
Sie ist auf dem Darlehensantragsformular auf Seite 1 von 7 der Darlehensunterlagen oben die Angaben „Darlehensantrag Ratenkredit“ enthalten, sowie weiter unter „Zahlungsplan“ die Laufzeit und die einzelnen Tilgungsraten. Die Art des Darlehens ist hieraus klar ersichtlich. Fehler ergeben sich nicht.
b. Pflichtangabe zu sonstigen Kosten, Art. 247 § 3 Nr. 10 EGBGB
Entgegen der Auffassung der Klagepartei war eine etwaige Vermittlungsprovision des Händlers nicht im Darlehensvertrag anzugeben (Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 10 EGBGB a.F.). Nach § 3 Nr. 10 EGBGB sind „alle sonstigen Kosten, insbesondere in Zusammenhang mit der Auszahlung oder der Verwendung eines Zahlungsauthentifizierungsinstruments“ anzugeben. Der Sinn der Information besteht nach den Gesetzesmaterialien darin, dem Darlehensnehmer einen Überblick über die sonstigen Kosten eines Darlehensvertrags zu verschaffen. Darunter fallen alle Gebühren, Auslagen und sonstigen Kosten, die der Darlehensnehmer im Zusammenhang mit dem Vertrag zu tragen hat. Fallen weitere Kosten in einem separaten Vertrag an, sind diese Kosten jedoch nicht bei Nr. 10 anzugeben (Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie v. 21.1.2009, BT-Drs. 16/11643, S. 124).
Bei den von der Klagepartei behaupteten Vermittlungsprovisionen handelt es sich schon nicht um Kosten in diesem Sinne (vgl. Schürnbrand in MüKo, 7. Aufl. 2016, § 491a Rn. 33).
Im Übrigen genügt der Verweis auf das geltende Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank, um den Verbraucher ausreichend über die Kosten zu informieren. Insoweit macht sich das Gericht die Ausführungen des OLG München, B. v. 21.09.2018, Az. 19 U 2544/18 zu Eigen:
„Soweit der Kläger rügt, der pauschale Verweis in Punkt 6.2 der Darlehensbedingungen hinsichtlich der Gebühren für die von der Bank erbrachten Leistungen auf das Preis- und Leistungsverzeichnis ohne dessen Aushändigung und ohne konkrete Bezeichnung der Fundstelle, sei nicht hinreichend, kann dem nicht gefolgt werden.
Der Darlehensnehmer soll durch diese Information erkennen können, welche sonstigen Kosten beim Abschluss des Darlehensvertrags anfallen…. Diesen Anforderungen genügen die Informationen in Ziffer 6.2 der Allgemeinen Darlehensbedingungen, welche lauten: Die Bank kann für die von ihr erbrachten Leistungen eine angemessene Gebühr gem. § 315 BGB verlangen, insbesondere für Ratenplanänderung und Stundung. Die jeweils gültigen Konditionen sind dem Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank zu entnehmen, das unter … abgerufen werden kann, oder werden auf Verlangen mitgeteilt.
Der Kläger wird darin über die Art der von ihm ggf. zu tragenden Kosten in Kenntnis gesetzt soweit darüber, dass deren Höhe von der Beklagten nach billigem Ermessen bestimmt wird und er diese dem jeweils geltenden Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank entnehmen kann.
Damit konnte der Kläger als Darlehensnehmer seine Verpflichtungen zur Kostentragung bereits aus den ihm überlassenen Allgemeinen Darlehensbedingungen hinreichend konkret erkennen, der Aushändigung des Preis- und Leistungsverzeichnisses darüber hinaus bedürfte es ebenso wenig wie einer konkreten Bezifferung.“
Daher scheidet ein Fehler aus.
c. Pflichtangabe zum Verzugszinssatz, Art. 247 § 3 Nr. 11 EGBGB
Die nach Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 11 EGBGB a.F. erforderlichen Angaben zum Verzugszinssatz und der Art und Weise seiner etwaigen Anpassung sowie ggf. anfallenden Verzugskosten sind ebenfalls ordnungsgemäß im Vertrag aufgeführt.
Die Angaben sind auf dem Darlehensantragsformular selbst (Seite 1 von 7 der Vertragsunterlagen) unter „Wichtige Hinweise“, „Ausbleibende Zahlungen“ enthalten. Dort heißt es „Für ausbleibende Zahlungen werden die gesetzlichen Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins pro Jahr (…) berechnet.“ Damit wird den Anforderungen an eine klare und verständliche Angabe Genüge getan.
Aus Sicht des Gerichts ist hier nicht die konkrete Angabe des Verzugszinssatzes erforderlich. Der Verzugszins ist durch die Angabe von „fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz pro Jahr“ vielmehr ausreichend angegeben. Soweit dies in der Literatur teilweise anders gesehen wird, folgt dem das Gericht nicht. Eine Verpflichtung zur Angabe einer absoluten Zahl lässt sich weder dem Gesetzestext noch der Gesetzesbegründung oder der zugrunde liegenden Verbraucherkreditrichtlinie entnehmen und würde zudem reinen Formalismus ohne Informationsvorteil für den Verbraucher darstellen. Informationsgehalt für den Verbraucher hat nur die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unbekannte Höhe des Verzugszinssatzes zum Zeitpunkt des Vorliegens der Verzugsvoraussetzungen und nicht der Verzugszinssatz zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. LG Heilbronn, Urteil v. 30.01.2018, 6 O 358/17, BeckRS 2018, 738). Der Gesetzgeber selbst definiert in § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB den Verzugszinssatz für das Jahr mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Mehr kann von einer Bank nicht verlangt werden. Auch dem Muster der Anlage 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB ist nichts Entgegenstehendes zu entnehmen.
Für den Verbraucher ist weiter aus der Formulierung „über dem jeweiligen Basiszinssatz“ die Art und Weise der Anpassung des Verzugszinssatzes ersichtlich, nämlich dass sich der Verzugszinssatz allein bei Änderung des Basiszinssatzes ändern wird. Dem Informationsinteresse des Verbrauchers wird damit Genüge getan, ohne dass es einer näheren Erläuterung des Basiszinssatzes an dieser Stelle bedurft hätte. Dem Verbraucher sollen die Informationen zur Verfügung gestellt werden, die für ihn zur Abschätzung der Folgen eines etwaigen Zahlungsverzugs erforderlich sind. Es ist dem durchschnittlich verständigen Verbraucher aber ausgehend von den Angaben im Darlehensantragsformular ohne Weiteres möglich und zumutbar, den für ihn geltenden Verzugszinssatz bzw. dessen Änderung unter Bezugnahme auf den Basiszinssatz zu ermitteln. Daher ist es aus Sicht des Gerichts auch unschädlich, dass sich ein Hinweis auf die Ermittlung und Bekanntmachung des Basiszinssatzes nur in Ziffer 3.3 der Allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten befindet, ohne dass auf diesen Abschnitt konkret hingewiesen wurde.
Der Verweis bezüglich der Mahn- und Rücklastschriftgebühren auf das Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank ist ausreichend. Insoweit macht sich das Gericht die Ausführungen des OLG München, B. v. 21.09.2018, Az. 19 U 2544/18 zu Eigen:
„Soweit der Kläger rügt, der pauschale Verweis in Punkt 6.2 der Darlehensbedingungen hinsichtlich der Gebühren für die von der Bank erbrachten Leistungen auf das Preis- und Leistungsverzeichnis ohne dessen Aushändigung und ohne konkrete Bezeichnung der Fundstelle, sei nicht hinreichend, kann dem nicht gefolgt werden.
Der Darlehensnehmer soll durch diese Information erkennen können, welche sonstigen Kosten beim Abschluss des Darlehensvertrags anfallen…. Diesen Anforderungen genügen die Informationen in Ziffer 6.2 der Allgemeinen Darlehensbedingungen, welche lauten: Die Bank kann für die von ihr erbrachten Leistungen eine angemessene Gebühr gem. § 315 BGB verlangen, insbesondere für Ratenplanänderung und Stundung. Die jeweils gültigen Konditionen sind dem Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank zu entnehmen, das unter … abgerufen werden kann, oder werden auf Verlangen mitgeteilt.
Der Kläger wird darin über die Art der von ihm ggf. zu tragenden Kosten in Kenntnis gesetzt soweit darüber, dass deren Höhe von der Beklagten nach billigem Ermessen bestimmt wird und er diese dem jeweils geltenden Preis- und Leistungsverzeichnis der Bank entnehmen kann.
Damit konnte der Kläger als Darlehensnehmer seine Verpflichtungen zur Kostentragung bereits aus den ihm überlassenen Allgemeinen Darlehensbedingungen hinreichend konkret erkennen, der Aushändigung des Preis- und Leistungsverzeichnisses darüber hinaus bedürfte es ebenso wenig wie einer konkreten Bezifferung.“
Ein Fehler ist nicht ersichtlich.
d. Pflichtangabe zum Bestehen eines Widerrufsrechts, Art. 247 § 3 Nr. 13 EGBGB
Die Pflichtangabe gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 13 EGBGB a.F. befindet sich unmittelbar vor der Unterschrift unter der Überschrift „Unterschrift Darlehensantrag“, wo auf das Widerrufsrecht Bezug genommen. Im Übrigen beinhaltet S. 4 die gesamte Widerrufsbelehrung, die auch Teil des Darlehensvertrages ist. Damit hat die Beklagte ordnungsgemäß über das Bestehen eines Widerrufsrechts aufgeklärt.
e. Pflichtangabe Aufsichtsbehörde, Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB
Die Beklagte hat die Aufsichtsbehörde nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht auf Seite 1 der Anlage K1 unter der Überschrift Aufsichtsbehörde zutreffend angegeben. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übt als zuständige Verwaltungsbehörde gemäß § 6 Abs. 1 KWG die Aufsicht über die Institute nach Maßgabe des KWG aus.
Die Europäische Zentralbank war nicht zwingend als Aufsichtsbehörde zu nennen, da sie nicht eine direkte Aufsichtsbehörde der Beklagten ist. Seit November 2014 teilen sich die Bankenaufsicht die nationalen Behörden und die EZB. Die EZB ist seitdem für die Bankenaufsicht für Großbanken (bzw. „bedeutenden Instituten“) zuständig. Die Aufsicht über die übrigen Kreditinstitute verblieb grundsätzlich bei den nationalen Behörden. Ein solches bedeutendes Institut liegt vor, wenn der Gesamtwert der Vermögenswerte 30 Mrd EUR übersteigt oder – sofern der Gesamtwert der Vermögenswerte nicht unter 5 Mrd EUR liegt – 20 % des BIP. Ein solches Institut stellt die Beklagte nicht dar (vgl. hierzu die „list of supervised entities“ auf der Website www.bankingsupervision.europa.eu). Jedoch hat die Beklagte überobligatorisch auch die Europäische Zentralbank auf S. 1 der Anlage K1 als Aufsichtsbehörde genannt. Der gerügte Fehler ist deshalb schon ansatzweise nicht ersichtlich.
f. Pflichtangabe Verfahren bei Kündigung, Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EGBGB
Gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EGBGB muss der Darlehensvertrag „klar und verständlich“ Angaben über „das einzuhaltende Verfahren bei Kündigung des Vertrags“ enthalten. In den Gesetzesmaterialien wird zu dieser Vorschrift ausgeführt: „Nach Nummer 5 ist – entsprechend Artikel 10 Abs. 2 Buchst. s) der Verbraucherkreditrichtlinie – das Verfahren bei der Kündigung im Vertrag anzugeben. Hierbei sind insbesondere die Bestimmungen des § 500 BGB-E zu beachten. Die Regelung soll dem Darlehensnehmer verdeutlichen, wann eine Kündigung des Darlehensgebers wirksam ist und wie der Darlehensnehmer selbst den Vertrag kündigen kann. Bei befristeten Darlehensverträgen muss zumindest darauf hingewiesen werden, dass eine Kündigung nach § 314 BGB möglich ist“ (vgl. BT-Drs. 16/11643, S. 128). Hieraus folgert eine Meinung in Literatur und Rechtsprechung, dass im Rahmen der Pflichtangabe nach Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EGBGB auf sämtliche Kündigungsrechte sowohl des Darlehensgebers als auch des Darlehensnehmers und bei einem befristeten Darlehensvertrag insbesondere auch auf das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers aus wichtigem Grund gemäß § 314 BGB hinzuweisen ist (vgl. Palandt/Weidenkaff, 77. Aufl. 2018, Art. 247 § 6 EGBGB Rn. 3; MüKoBGB/Schürnbrand, 7. Aufl. 2016, § 492 Rn. 27; Merz, in: Kümpel, Bank und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2011, Rn. 10.203; OLG Frankfurt, Urt. v. 11.04.2017, Gz. 25 U 110/16, Rn. 28; OLG Koblenz, Beschluss vom 15.10.2015, Gz. 8 U 241/15, Rn. 19; LG Arnsberg, Urt. v. 17.11.2017, Gz. 2 O 45/17, Rn. 19 ff.). Das Gericht schließt sich dieser Auffassung aber ausdrücklich nicht an. Im Gegenteil vertritt das Gericht die Meinung, dass bei befristeten Verträgen, wie dem streitgegenständlichen, die Darstellung des einzuhaltenden Verfahrens bei Kündigung nicht erforderlich ist. Das Gericht schließt sich den überzeugenden Ausführungen des Oberlandesgerichts Stuttgart (Urteil vom 28.5.2019, Az. 6 U 78/18) an:
„Entgegen der Auffassung des Kl. sind schon gar keine Informationen zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung eines – wie hier – befristeten Darlehensvertrags erforderlich, um dem Pflichtangabenerfordernis des Art. 247 § 6 I Nr. 5 EGBGB zu genügen.
(1) Dem Wortlaut des Art. Artikel 247 § 6 I Nr. 5 BGB ist zunächst nicht zu entnehmen, ob sich die Pflichtangabe „das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung“ nur auf das Kündigungsverfahren bei unbefristeten, oder ob es sich auch auf das Verfahren bei – wie hier – befristeten Verträgen bezieht.
(2) Jedoch geht die Vorschrift auf Art. 10 II Buchst. s der Verbraucherkreditrichtlinie zurück, der eine Information über „die einzuhaltenden Modalitäten bei der Ausübung des Rechts auf Kündigung des Kreditvertrags“ fordert.
Das damit in Bezug genommene „Recht auf Kündigung“ kann jedoch nach der Systematik der Richtlinie nur das in Art. 13 der Richtlinie genannte Recht auf ordentliche Kündigung unbefristeter Verträge sein, weil die Richtlinie andere Kündigungsrechte nicht regelt (i. Erg. ebenso Herresthal, ZIP 2018, 753 [756]). Für dieses Ergebnis spricht auch Erwägungsgrund 33 der Richtlinie, der einerseits gleichfalls nur das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers bei unbefristeten Verträgen in Bezug nimmt und andererseits klarstellt, dass die innerstaatlichen Rechtsvorschriften über die Beendigung von Kreditverträgen aufgrund eines Vertragsbruchs von der Richtlinie nicht berührt werden: Das erfasst in erster Linie die außerordentliche Kündigung (auch) von befristeten Verträgen, die vorliegend in Rede steht und bezüglich derer der Kl. Hinweise vermisst; sie ist nach alledem von der Richtlinie nicht erfasst.
(3) Damit scheidet eine Auslegung des Art. 247 § 6 I Nr. 5 EGBGB aus, wonach ein Hinweis auf das entsprechende Verfahren bei der Kündigung befristeter Verträge Pflichtangabe sei. Denn wenn die Richtlinie in Art. 10 II Buchst. s nur das Kündigungsrecht im Fall unbefristeter Verträge in Bezug nimmt und Art. 14 der Richtlinie regelt, dass die Widerrufsfrist in Gang gesetzt wird, wenn die nach Art. 10 II erforderlichen Angaben gemacht sind, schließt es bereits der vollharmonisierende Ansatz der Richtlinie aus, dass durch den nationalen Gesetzgeber der Fristlauf von weiteren Anforderungen – also etwa bei befristeten Verträgen von einer Information über das Verfahren bei Kündigung befristeter Verträge – abhängig gemacht wird.“
Vergleichbar äußerte sich das Oberlandesgericht München in seinem Hinweis vom 09.05.2019 (Az. 19 U 1054/19).
Auf diese Frage kommt es im Ergebnis jedoch gar nicht an, da die Beklagte die Klagepartei über ihr außerordentliches Kündigungsrecht aufgeklärt hat.
Auf Seite 1 der übergebenen Unterlagen (Anlage K1), welche die wesentlichen Pflichtangaben enthält, wird unter wichtige Hinweise mit Fettschrift unter Kündigung ausgeführt:
„Kündigung: vgl. Ziffer 4 und 5 der Allgemeinen Darlehensbedingungen“
In Ziffer 4.4 der ADB heißt es sodann:
„4.4 Kündigung aus wichtigem Grund
Das Recht des Darlehensnehmers/Mitdarlehensnehmers zur Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt. (…)“
Der Hinweis in Ziff. 4.4 der ADB ist klar und verständlich. Die Gestaltung ermöglicht es einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständlichen Verbraucher, die jeweils einschlägigen Angaben aufzufinden. Eine wörtliche Nennung des § 314 BGB bedarf es nach Ansicht des Gerichts nicht. Nach der einschlägigen BGH-Rechtsprechung ist die Aufnahme des Hinweises in den ADB der Beklagten auch zulässig (vgl. BGH XI ZR 741/16).
Die Pflichtangabe des Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EGBGB wurde somit ordnungsgemäß erteilt.
g. Pflichtangabe zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, Art. 247 § 7 Nr. 3 EGBGB
Entgegen der Ansicht der Klagepartei hat die Beklagte auch ordnungsgemäß auf das Recht zur vorzeitigen Rückzahlung und die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung hingewiesen (vgl. OLG München B. v. 30.07.2018 – 17 U 1469/18). Die erforderlichen Angaben befinden sich unter Ziffer 4.3 der Allgemeinen Darlehensbedingungen der Beklagten. Weiter ist es ausreichend, dass die Beklagte hier „nur“ auf die vom Bundesgerichtshof vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen verwiesen und die maßgeblichen Faktoren aufgezählt hat. Die Angabe einer konkreten Berechnungsformel war dagegen nicht erforderlich. Schon dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass hier eine konkrete Formel anzugeben wäre. Gefordert wird vielmehr nur die „Angabe der Berechnungsmethode“. Damit wird dem gesetzgeberischen Ziel, dass der Verbraucher die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nachvollziehen und seine Belastung im Fall einer vorzeitigen Darlehensablösung zutreffend abschätzen kann (Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Verbraucherkreditrichtlinie, BT-Drs. 16/11643, S. 87) hinreichend Rechnung getragen. Schließlich heißt es auch in dem Muster nach Anlage 4 zu Art. 247 § 2 EGBGB nur „Festlegung der Entschädigung (Berechnungsmethode) gemäß § 502 BGB“. Von der Beklagten ist aber keine genauere Formulierung als vom Gesetzgeber zu erwarten. Für den Verbraucher ist aus den Angaben der Beklagten klar ersichtlich, wo die Obergrenze der Vorfälligkeitsentschädigung liegt und nach welchen maßgeblichen Faktoren sie sich berechnet. Dies genügt. Dazu kommt, dass die konkrete mathematische Formel so abstrakt und schwer verständlich ist, dass sie einem normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher keinen zusätzlichen Informationsgewinn im Vergleich zu dem Hinweis auf die Anwendung der Berechnungsmethode des BGH mit den wesentlichen Parametern bietet (LG Heilbronn, Urteil v. 30.01.2018, 6 O 358/17, BeckRS 2018, 738).
Im Übrigen wäre Rechtsfolge einer nicht ordnungsgemäßen Angabe über die Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB a.F., dass der Anspruch der Beklagten auf Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen wäre (OLG Köln, Urteil vom 29.11.2018, Az. 24 U 56/18 beck-online.GROSSKOMMENTAR, § 502 BGB, Rn. 44).
4. Die 14-tägige Widerrufsfrist wurde damit ordnungsgemäß in Gang gesetzt, sodass sie bei Erklärung des Widerrufs durch die Klagepartei längst abgelaufen war.
III.
Darüber hinaus wäre das Widerrufsrecht der Klagepartei – fehlerhafte Widerrufsbelehrung/Pflichtangaben unterstellt – jedoch auch verwirkt, so dass es auf Fehler in der Widerrufsbelehrung und den Pflichtangaben im Ergebnis gar nicht ankäme.
1. Für die Verwirkung des Widerrufsrechts bei Verbraucherdarlehensverträgen gelten nachfolgende Grundsätze (vgl. BGH, Beschluss vom 23.1.2018 – XI ZR 298/17 Rn. 12 ff):
(1) Das Widerrufsrecht des Darlehensnehmer aus § 495 Abs. 2 BGB unterliegt der Verwirkung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 23.1.2018 – XI ZR 298/17 Rn. 11).
(2) Die maßgebliche Frist für das Zeitmoment läuft mit dem Zustandekommen des Verbraucherdarlehensvertrags an (BGH, Urteile vom 12.07.2016 – XI ZR 501/15, Rn. 40; vom 14.03.2017 – XI ZR 442/16, Rn. 27 und 10.10.2017 – XI ZR 393/16, Rn. 10). Da das Widerrufsrecht als Gestaltungsrecht anders als die aus dem Rückgewährschuldverhältnis resultierenden Ansprüche nicht verjährt und im Übrigen auch § 218 BGB auf das Widerrufsrecht keine Anwendung findet (BGH, Urteil vom 10.10.2017 – XI ZR 555/16, Rn. 18), kann weder aus den gesetzlichen Verjährungsfristen (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2017 – XI ZR 455/16, Rn. 21) noch gar aus den gesetzlichen Verjährungshöchstfristen (dazu BGH, Urteil vom 10.10.2017 – XI ZR 393/16 a.a.O.) auf ein „Mindestzeitmoment“ zurückgeschlossen werden. Dagegen betrifft der Zeitraum zwischen der Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrages und dem Widerruf nicht das Zeitmoment. Er kann aber – wenn auch nicht im Sinne einer Vermutung nach Ablauf einer wie auch immer definierten Mindestspanne (vgl. BGH, Beschluss vom 12.09.2017 – XI ZR 365/16 Rn. 8) – bei der Prüfung des Umstandsmomentes Berücksichtigung finden.
(3) Für das im Einzelfall zu prüfende Umstandsmoment hat der BGH ausgeführt:
Gerade bei beendeten Verbraucherdarlehensverträgen kann das Vertrauen des Unternehmers auf ein Unterbleiben des Widerrufs schutzwürdig sein, auch wenn die von ihm erteilte Widerrufsbelehrung ursprünglich den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprach und er es in der Folgezeit versäumt hat, den Verbraucher nachzubelehren (BGH, Urteile vom 12.07.2016 – XI ZR 501/15, Rn. 41 und vom 21.2.2017 – XI ZR 381/16, Rn. 22). Das gilt in besonderem Maße, wenn die Beendigung des Darlehensvertrags auf einen Wunsch des Verbrauchers zurückgeht (BGH, Urteil vom 11.10.2016, XI ZR 482/15, Rn. 30) bzw. wenn die Parteien den Darlehensvertrag einvernehmlich beendet haben (BGH, Urteil vom 10.10.2017 – XI ZR 393/16, Rn. 8, BGH, Beschluss vom 12.09.2017 – XI ZR 365/16, Rn. 8).
Es kommt weder auf die Kenntnis des Darlehensnehmers vom Fortbestand seines Widerrufsrechts noch auf das Vertrauen des Darlehensgebers an, der Darlehensnehmer habe in sonstiger Weise Kenntnis vom Fortbestand seines Widerrufsrechts erlangt. Dass der Darlehensgeber davon ausgeht oder ausgehen muss, der Darlehensnehmer habe von seinem Widerrufsrecht keine Kenntnis, schließt vielmehr eine Verwirkung nicht aus (vgl. u.a. BGH, Urteile vom 10.10.2017 – XI ZR 443/16 Rn. 26, – XI ZR 449/16 Rn. 19 und XI ZR 555/16, Rn. 19 mwN). Gleiches gilt für den Umstand, dass der Darlehensgeber „die Situation selbst herbeigeführt hat“, weil er eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht erteilt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 23.1.2018 – XI ZR 298/17, Rn. 18 mwN). Das Fehlen einer Nachbelehrung steht bei beendeten Verträgen der Annahme schutzwürdigen Vertrauens nicht entgegen (BGH, Urteil vom 12.07.2016 – XI ZR 501/15, Rn. 41). Die Möglichkeit der Nachbelehrung besteht zwar nach Beendigung des Verbraucherdarlehensvertrages fort. Eine Nachbelehrung ist indessen nach Vertragsbeendigung sinnvoll nicht mehr möglich, weil die Willenserklärung des Verbrauchers, deren fortbestehende Widerruflichkeit in das Bewusstsein des Verbrauchers zu rücken Ziel der Nachbelehrung ist, für den Verbraucher keine in die Zukunft gerichteten wiederkehrenden Rechtsfolgen mehr zeitigt.
2. Gemessen an diesen Grundsätzen war im vorliegenden konkreten Einzelfall bei Ausübung des Widerrufsrechtes bereits dessen Verwirkung eingetreten.
Das Zeitmoment ist erfüllt. Der Widerruf wurde erst am 28.07.2018 erklärt, also über ein Jahr nach Abschluss des Darlehensvertrags vom 22.03.2017. Angesichts einer Widerrufsfrist von zwei Wochen und einer geplanten Vertragslaufzeit von 48 Monaten ist dadurch das Zeitmoment erfüllt.
Auch liegen die Voraussetzungen für das Umstandsmoment vor. Ganz wesentlich für die Annahme des Umstandsmoments berücksichtigt das Gericht dabei, dass der Darlehensvertrag bereits vor Erklärung des Widerrufs am 28.07.2018 das Darlehen auf seinen Wunsch hin am 19.07.2018 vollständig und vorbehaltslos zurückführte. Die Hauptpflichten aus dem Darlehensvertrag waren dadurch beidseitig erfüllt und der Vertrag beendet. Die Tatsache, dass erst mit Schreiben vom 07.08.2018, also nach Erklärung des Widerrufs, die Beklagte ihr Sicherungseigentum an dem finanzierten Pkw aufgab, führt nicht dazu, dass der Umstandsmoment ausgeschlossen wäre. Denn es ist nicht zwingend erforderlich, dass zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung die Beklagte bereits ihr Sicherungseigentum vollständig aufgegeben hat. Dies wäre nur ein weiterer Umstand, der für eine Verwirkung spräche. Es ist jedoch im vorliegenden Fall bereits ausreichend, dass die Klagepartei das Darlehen auf eigenen Wunsch hin vollständig abgelöst hat. Denn damit hat die Klagepartei automatisch einen Anspruch gegenüber der Beklagten erworben, das Eigentum an dem finanzierten Fahrzeug übertragen zu bekommen. Dieser Anspruch ergibt sich ohne weiteres aus der Sicherheitenabrede. Ab dem Zeitpunkt der vollständigen Rückzahlung im Einvernehmen mit der Beklagten war folglich nur noch eine Frage der Abwicklung, dass die Beklagte ihre Sicherheiten gegenüber der Klagepartei auch dinglich tatsächlich aufgibt, schuldrechtlich war sie bereits dazu verpflichtet. Es ist sodann allein vom Zufall abhängig, wann diese schuldrechtliche Verpflichtung vollzogen wird. Für das Gericht ist nicht entscheidend, dass der Vollzug im vorliegenden Fall (zufällig) erst nach Erklärung des Widerrufs vorgenommen wurde. Denn die Verpflichtung bestand von vornherein. Gegen die Annahme eines Umstandsmoments spricht auch nicht, dass zwischen der vollständigen und vorbehaltslosen Rückführung und der Erklärung des Widerrufs nur neun Tage liegen. Zwar kann dieser Zeitraum geeignet sein, eigenständig das Umstandsmoment zu begründen. Dass dieser Zeitraum vorliegend nicht extrem lang ist, schließt das Umstandsmoment jedoch nicht aus. Im Gegenteil konnte sich die Beklagte in diesem Zeitraum bereits darauf einrichten, dass ein Widerrufsrecht nicht geltend gemacht wird. Denn die Klagepartei hatte ja gerade auf eigenen Wunsch den Darlehensvertrag abgelöst. Folglich begründen nach Überzeugung des Gerichts die vorliegenden Umstände des Einzelfalls die Annahme eines Umstandsmoments und somit in Verbindung mit dem Zeitmoment die Annahme der Verwirkung des Widerrufsrechts.
IV.
Der Antrag auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten ist aufgrund der obigen Ausführungen ebenfalls unbegründet. Ein Verzug der Beklagten scheidet schon mangels wirksamen Widerrufs der Klagepartei aus. Die Nebenansprüche folgen dem Schicksal des Hauptanspruchs.
C.
Über die Hilfswiderklage war mangels Bedingungseintritt nicht zu entscheiden; der Klage wurde nicht stattgegeben.
D.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 2 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß §§ 39, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO in Höhe des Nettodarlehensbetrages festgesetzt.
Die Entscheidung erging durch den Einzelrichter (§ 348a ZPO).


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