Bankrecht

Prämienanpassung und Verjährung von Rückforderungsansprüchen in der Krankenversicherung

Aktenzeichen  82 O 4057/20

Datum:
15.4.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 26098
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Landshut
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG § 203 Abs. 2, Abs. 5
BGB § 195, § 199

 

Leitsatz

1. Eine Beitragserhöhung in der privaten Krankenversicherung genügt in formeller Hinsicht den gesetzlichen Anforderungen, wenn sie die Mitteilung enthält, dass sich die maßgebliche Rechnungsgrundlage um den geltenden Schwellenwert verändert hat (Anschluss an BGH BeckRS 2020, 37391). (Rn. 24 und 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verjährungsfrist für den Prämienrückforderungsanspruch nach einer Beitragserhöhung beginnt mit Ablauf des Jahres, in dem der Versicherungsnehmer Kenntnis von der Prämienanpassung erlangt hat (Anschluss an OLG Köln BeckRS 2017, 148327). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist für die Beklagte vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages.
IV. Der Streitwert für das Verfahren wird auf 10.397,25 € festgesetzt bis 21.03.2021 und ab 21.03.2021 auf 9.141,38 €.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
I.
Der Kläger kann gegenüber der Beklagten keinerlei Ansprüche hinsichtlich der Prämienerhöhungen zum 01.01.2013 geltend machen, weil diese Ansprüche bei Klageerhebung im Jahr 2020 nach §§ 195, 199 BGB verjährt waren.
Unstreitig sind sämtliche Mitteilungen zur Beitragsanpassung dem Kläger zugegangen.
Somit hatte er spätestens mit dem Zugang der jeweiligen Versicherungsscheine Kenntnis der Ausgestaltung der Mitteilung über die jeweilige Beitragsanpassung. Die Beklagte hat diesbezüglich die Einrede der Verjährung erhoben. Für die Beitragsanpassungen gilt die dreijährige Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB.
Der Kläger hatte mit der Übersendung der Schreiben zur Beitragsanpassung jeweils Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen. Es ist nicht erforderlich, dass er den Vorgang rechtlich zutreffend bewertet. Die Kenntnis der Prämienanpassungen als solche genügt. Der Kläger muss nicht den Schluss gezogen haben, dass diese unwirksam sind (vgl. OLG Köln, 20 U 128/16, Urteil vom 10.03.2017).
Somit hatte der Kläger jeweils mit Erhalt der Schreiben für die Erhöhungen zum 01.01.2013 über die Prämienanpassungen Kenntnis, so dass nach §§ 195, 199 BGB sämtliche Ansprüche vor dem Jahr 2017 im Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2020 verjährt waren.
II.
Der Kläger kann gegenüber der Beklagten hinsichtlich der Prämienerhöhungen zum 01.01.2017, 01.01.2018, 01.01.2019 und 01.01.2020 keinerlei Ansprüche geltend machen, da diese formell wirksam waren. Die materielle Wirksamkeit wurde von der Klagepartei nicht angegriffen.
Für die nicht verjährten Beitragserhöhungen ab dem 01.01.2017 besteht aus Sicht des Gerichts grundsätzlich Feststellungsinteresse, ebenso wie für die Nutzungen (vgl. BGH Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19). Ein Feststellungsinteresse ist zu bejahen, wenn der Anspruch seiner Natur nach sinnvollerweise erst nach Abschluss seiner Entwicklung beziffert werden kann. Dies wäre hier der Fall.
Die Beitragserhöhungen erfüllen die Voraussetzungen einer nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Mitteilung.
Aus den Mitteilungen für die Erhöhungen kann der Versicherungsnehmer aus Sicht des Gerichts mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über dem geltenden Schwellenwert die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat.
Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämien nach § 203 Abs. 5 VVG erfordert die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 S. 1 VVG veranlasst hat. Der Versicherer muss dagegen nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses anzugeben (vgl. BGH Urteil vom 16.12.2020, IV ZR 294/19). Dem Kunden müssen die maßgeblichen Rechnungsgrundlagen genannt werden und die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände. Dies kann beispielsweise die Sterbewahrscheinlichkeit sein. Es kann jedoch auch ein anderer Punkt sein. Die Mitteilung hat nicht den Zweck, dem Versicherungsnehmer eine Plausibilitätskontrolle der Prämienanpassung zu ermöglichen.
Ob die Voraussetzungen einer nach § 203 Abs. 5 VVG erforderlichen Mitteilung erfüllt sind, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Wenn der Versicherungsnehmer den Mitteilungen nicht mit der gebotenen Klarheit entnehmen kann, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über dem geltenden Schwellenwert die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat, ist die Erhöhung unwirksam. Die Informationen zur Beitragsanpassung müssen das Ergebnis der aktuellen Überprüfung mitteilen.
Abstrakt formelhafte Ausführungen sind für eine ordnungsgemäße Begründung im Sinne des § 203 VVG nicht ausreichend. Andernfalls würde der Versicherungsnehmer lediglich über die allgemeinen gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen informiert werden. Auch wenn dem Versicherungsnehmer nicht die Überprüfung der Plausibilität der konkreten Prämienanpassungen ermöglicht werden muss, so muss der Versicherungsnehmer den Mitteilungen dennoch mit der gebotenen Klarheit entnehmen können, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat. Das Ergebnis der aktuellen Überprüfung ist mitzuteilen.
Die Mitteilungen für die Prämienerhöhungen zum 01.01.2017, 2018, 2019 und 2020 erfüllen diese formellen Voraussetzungen.
In dem Anschreiben für die Anpassung zum 01.01.2017 (vgl. Anlage BLD 2) steht, dass es zu höheren Ausgaben kommen könne und deshalb die Beklagte jährlich für jeden Tarif die tatsächlichen mit den kalkulierten Leistungsauszahlungen vergleiche. Es wird ausgeführt, dass die Ausgaben teilweise niedriger ausgefallen sind, als ursprünglich erwartet und daher in diesen Tarifen die Beiträge gesenkt würden, bei anderen Tarifen sich der Beitrag dagegen erhöhe, da die Ausgaben für die Gesundheitsleistungen höher ausgefallen seien, als berechnet. Dem Betreff des Schreibens und dem anschließenden Versicherungsschein lässt sich entnehmen, für welche Tarife dies genau gilt. Somit hat aus Sicht des Gerichts in diesem Schreiben die Beklagte das Ergebnis ihrer aktuellen Überprüfung mitgeteilt. Sie hat die Rechnungsgrundlage Leistungsausgaben als maßgebliche Rechnungsgrundlage dargestellt. Die Angabe der Rechnungsgrundlage, die die Prämienanpassungen ausgelöst hat, fordert die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 16.12.2020 (vgl. BGH IV ZR 294/19).
Somit genügt aus Sicht des Gerichts das Anschreiben für die Erhöhungen zum 01.01.2017 dem Inhalt nach § 203 Abs. 5 VVG. Die Rechnungsgrundlage ist angegeben und die für die Prämienanpassungen entscheidenden Umstände sind angegeben. Der Versicherungsnehmer konnte der Mitteilung somit mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat. Dem Kläger wurde auch das Ergebnis der aktuellen Überprüfung mitgeteilt.
Auch das Anschreiben für die Anpassung zum 01.01.2018 erfüllt diese Voraussetzungen. Auch hier wurde dem Kläger mitgeteilt, dass die Beklagte jährlich für jeden Tarif die tatsächlichen mit den kalkulierten Leistungsauszahlungen vergleiche und, dass die Ausgaben für die Gesundheitsleistungen höher ausgefallen seien, als berechnet. Auch hier ergibt sich aus dem Anschreiben und dem anschließenden Versicherungsschein genau, für welche Tarife dies gilt.
Somit erfüllt das Anschreiben für die Erhöhungen zum 01.01.2018 ebenso die Voraussetzungen des § 203 Abs. 5 VVG.
Dies gilt auch für die Mitteilung für die Anpassungen zum 01.01.2019. Auch dieses Mitteilungsschreiben (vgl. Anlage BLD 2) teilt mit, dass sich in der Krankenversicherung die Beiträge ändern, weil die Ausgaben für die Gesundheitsleistungen höher bzw. niedriger ausgefallen seien, als ursprünglich erwartet. Dies ergibt sich auch aus der mitübersandten Kundeninformation mit dargestellten Grafiken. Auch hiermit ergibt sich somit für den Versicherungsnehmer, dass die unterschiedlichen Ausgaben für die Gesundheitsleistungen der Umstand waren, der für die Beitragsanpassung entscheidend war. Dies war erkennbar für den Versicherungsnehmer die maßgebliche Rechnungsgrundlage, die der Auslöser für die konkrete Prämienanpassung war.
Auch die Mitteilung für die Beitragserhöhungen zum 01.01.2020 erfüllt die Voraussetzungen des § 203 Abs. 5 VVG. Unter dem Punkt „Hintergründe zur Beitragsanpassung“ gibt die Beklagte die Rechnungsgrundlagen und den auslösenden Faktor an. Sie gibt an, welche wesentlichen Rechnungsgrundlagen sie überprüft hat und welches die maßgeblichen Gründe für die Beitragsanpassung in den jeweiligen Tarifen seien. Diese Mitteilung erfüllt eindeutig sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen und die Voraussetzungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Urteil vom 16.12.2020 (IV ZR 294/19). Die Rechnungsgrundlage ist angegeben und die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände sind angegeben. Der Versicherungsnehmer konnte der Mitteilung mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen über dem geltenden Schwellenwert und damit die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat. Somit wurde aus Sicht des Gerichts auch das Ergebnis der aktuellen Überprüfung mitgeteilt im Anschreiben zur Beitragserhöhung ab 01.01.2020.
Somit erfüllen aus Sicht des Gerichts die Mitteilungen für die Erhöhungen ab 01.01.2017, 2018, 2019 und 2020 die formellen Voraussetzungen des § 203 VVG und die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Urteil vom 16.12.2020 (IV ZR 294/19). Somit sind diese Erhöhungen wirksam und sämtliche Klageansprüche diesbezüglich unbegründet.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.


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