Bankrecht

Unwirksamer Widerruf eines Kfz-Finanzierungsdarlehens

Aktenzeichen  5 U 4896/19

Datum:
14.1.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 22978
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 492 Abs. 2

 

Leitsatz

Schutzzweck beim Verbraucherkredit ist es, den Verbraucher in die Lage zu vesetzen, eine sachgerechte Entscheidung für oder gegen eine beabsichtigte Kreditaufnahme zu fällen. Es sollen dem Verbraucher die finanziellen Folgen aufgezeigt werden, die mit der Kreditaufnahme verbunden sind; ein weiterer Zweck besteht darin, dem Verbraucher vor Vertragsschluss einen Vergleich mit Angeboten anderer Kreditgeber zu ermöglichen (ebenso BGH  BeckRS 2006, 06858). (Rn. 12) (red. LS Andy Schmidt)

Verfahrensgang

29 O 7151/19 2019-07-25 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 25.07.2019, Aktenzeichen 29 O 7151/19, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 80.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des von dem Kläger gegenüber der beklagten Bank erklärten Widerrufs eines Kfz-Finanzierungsdarlehens.
Der Kläger hat in erster Instanz geltend gemacht, sein am 17.10.2018 erklärter Widerruf des im Oktober 2016 geschlossenen Darlehensvertrags sei wirksam, weil die Beklagte ihn nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht informiert habe. Wegen der weiteren Einzelheiten, auch der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit Endurteil vom 25.07.2019 abgewiesen, weil der Widerruf verfristet und damit unwirksam gewesen sei. Dem Kläger seien alle erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB in den ihm zur Verfügung gestellten Vertragsunterlagen erteilt worden. Die Beklagte könne sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsbelehrung berufen.
Gegen dieses am 01.08.2019 zugestellte Endurteil richtet sich die am 28.08.2019 eingelegte Berufung, die der Kläger nach Fristverlängerung bis zum 13.11.2019 mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz begründet hat. Er trägt vor, die Beklagte könne sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsbelehrung berufen, weil sie in ihren ADB die Aufrechnungsbefugnis und das Zurückbehaltungsrecht des Darlehensnehmers gravierend eingeschränkt und über die Rechtsfolgen des Widerrufs im Hinblick auf die Versicherungsverträge und im Hinblick auf den verbundenen Kaufvertrag fehlerhaft belehrt habe.
Der Kläger beantragt unter Abänderung des Ersturteils,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 74.581,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB hieraus zu zahlen nach Herausgabe und Übereignung des Fahrzeuges des Fabrikats: BMW, Modell: M4 Cabrio 317 kW, Fahrgestell-Nr.: …09 nebst Fahrzeugschlüsseln und -papieren durch den Kläger an die Beklagte.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Annahme des Fahrzeuges des Fabrikats: BMW, Modell: M4 Cabrio 317 kW, Fahrgestell-Nr.: …09, in Verzug befindet.
3. Hilfsweise:Die Revision wird zugelassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat mit dem Kläger am 22.11.2019 zugestellten Beschluss vom 20.11.2019 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Kläger hat hierzu mit Schriftsatz vom 07.01.2020 Stellung genommen. Die Beklagte könne sich nicht auf die Schutzwirkung des Musters berufen. Die Widerrufsfolgen seien falsch dargestellt und der Gesamtbetrag des Darlehens zu hoch und damit falsch angegeben.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Ersturteil, die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und den bereits zitierten Hinweisbeschluss Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 25.07.2019, Aktenzeichen 29 O 7151/19, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen. Der Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 07.01.2020 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung:
Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf ein Urteil des LG Ravensburg die Auffassung vertritt, dass sich die Beklagte nicht auf den Musterschutz berufen könne, da sie in Ziffer 10.3. der Allgemeinen Darlehensbedingungen die Aufrechnungsbefugnis und das Zurückbehaltungsrecht des Darlehensnehmers gravierend eingeschränkt habe, trifft das nicht zu. Diese Argumentation berücksichtigt die aktuelle BGH Rechtsprechung nicht, nach der dies auf die Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsbelehrung gerade keine Auswirkung hat. So hat der BGH im Beschluss vom 02.04.2019, XI ZR 463/18, juris ausdrücklich ausgeführt, dass es in der Rechtsprechung des Senats geklärt sei, dass eine inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Widerrufsbelehrung nicht dadurch undeutlich werde, dass die Vertragsunterlagen an anderer, drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthielten. Erst recht gelte dies ohne Rücksicht auf die Art ihrer Gestaltung, soweit Zusätze außerhalb der Widerrufsbelehrung zwar eine unzulässige und damit unwirksame Abweichung von Vorschriften des Verbraucherschutzrechts aufwiesen, aber nicht in Zusammenhang mit der Unterrichtung über das Widerrufsrecht als solches stünden. Dass in den Darlehensvertrag einbezogene Allgemeine Geschäftsbedingungen eine unwirksame Regelung zu einer Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis enthielten, sei damit für die Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsbelehrung ohne Auswirkung.
Auch die geringfügige Abweichung zwischen Ratensumme und den Einzelraten um 5 ct führt nicht dazu, dass die Widerrufsfrist nicht angelaufen ist. Die vom Kläger gerügte Abweichung von 5 ct zwischen dem dem Kläger mitgeteilten Gesamtbetrag und der rechnerischen Summe aller ausgewiesenen Teilzahlungen führt nicht dazu, dass eine der erteilten Pflichtangaben (Gesamtbetrag, einzelne Raten) als falsch anzusehen wäre, da sie auf der zwingend vorzunehmenden Rundung auf ganze Cent der zu leistenden Raten beruht. Im übrigen wären die vom Kläger behaupteten Abweichungen infolge der um 5 Cent divergierenden Berechnung des Gesamtbetrags und der Summe der Raten derart marginal, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass dadurch der Schutzzweck von Art. 10 Abs. 2 Buchst. h VerbrKrVertrRL 2008/48/EG bzw. Art. 247 § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 iVm. § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB tangiert wäre. Der Schutzzweck der mit dem (jeweiligen) Formerfordernis versehenen Informationspflicht besteht in der umfassenden Information und Warnung des Verbrauchers. Er soll die Möglichkeit erhalten, eine sachgerechte Entscheidung für oder gegen die beabsichtigte Kreditaufnahme zu fällen, und es sollen ihm die finanziellen Folgen aufgezeigt werden, die mit ihr verbunden sind; ein weiterer Zweck besteht darin, dem Verbraucher vor Vertragsschluss einen Vergleich mit Angeboten anderer Kreditgeber zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 09.05.2006, XI ZR 119/05, Rn. 26 zu der Vorläufernorm § 4 Abs. 1 S. 4 VerbrKrG in der Fassung 01.10.2000 bis 31.07.2001; Erwägungsgründe Nr. 18, 19, 27, 31, 32 VerbrKrVertrRL 2008/48/EG). Ein bloßer Rechenfehler oder das Übersehen einer – vertraglich möglicherweise geschuldeten – Notwendigkeit, die Folgen einer mathematisch korrekten Rundung durch Anpassung einer der Raten anschließend wieder auszugleichen, der zu einer Abweichung in der einer Größenordnung von 5 ct auf einen Gesamtbetrag von 71.820,70 € führt, hat keine Auswirkungen auf die Möglichkeit des Verbrauchers, die auf ihn zukommende monatliche Belastung oder Gesamtbelastung einschätzen zu können oder das ihm vorliegende Angebot mit Angeboten anderer Kreditgeber vergleichen zu können (vgl. zu der Angabe eines aufgrund eines Rechenfehlers falsch angegebenen Gesamtbetrags unter der Geltung des § 4 Abs. 1 S. 4 VerbrKrG in der Fassung 01.10.2000 – 31.07.2001 BGH, Urteil vom 14.10.2003, XI ZR 134/02, unter II.3; BGH, Urteil vom 09.05.2006, XI ZR 119/05, Rn. 28).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
Entgegen der Auffassung der Kläger liegen die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO für eine Revisionszulassung nicht vor. Aus demselben Grund war eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung möglich, § 522 Abs. 2 Nr. 3, 4 ZPO, da eine Einzelfallentscheidung zu treffen war, die auf der Grundlage der bestehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs getroffen wird. Mündliche Verhandlung ist nicht geboten, weil die Rechtsverfolgung für die Beklagte keine existentielle Bedeutung hat und das erstinstanzliche Urteil zutreffend begründet ist (§ 522 Abs. 2 S.1 Nr. 4 ZPO; vgl. dazu Bericht und Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags vom 1. Juli 2011, BT-Drucks. 17/6406, Seite 9). Es liegt auch kein Fall der Divergenz vor. Die Revision ist zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung wegen Divergenz zuzulassen, wenn in der Entscheidung des Berufungsgerichts ein abstrakter Rechtssatz aufgestellt wird, der von einem in anderen Entscheidungen eines höheren oder eines gleichgeordneten Gerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweicht. Eine solche Abweichung ist nicht ersichtlich (vgl. BGH, Beschluss vom 28.06.2016, II ZR 290/15, Rn. 7, juris m.w.N.).
Der Streitwert ist wie hingewiesen in Höhe des im Berufungsverfahrens verfolgten Zahlbetrags zu bestimmen, §§ 47, 48 GKG.


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