Bankrecht

Unwirksamkeit einer Sicherungsabrede bei Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit

Aktenzeichen  2 O 14564/17

Datum:
17.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 35073
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 242, § 307 Abs. 1, § 770, § 771, § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1
VOB/B § 17 Nr. 4

 

Leitsatz

Eine formularmäßige Sicherungsabrede, in der die Einrede der Anfechtbarkeit des Vertrags auch für den Fall der arglistigen Täuschung ausgeschlossen ist, ist nach § 307 Abs. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners unwirksam. Dies führt vorliegend zur Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede, da die unwirksame Klausel auch in nach dem vertraglichen Willen zwingend zu verwendenden Formblättern enthalten ist, sodass für den Fall der Annahme einer nur teilweisen Unwirksamkeit der Sicherungsabrede unklar bliebe, wie mit den Formblättern zu verfahren wäre, sodass der vertragliche Wille nicht ermittelbar ist (vgl. BGH BeckRS 2017, 134136; Abgrenzung zu BGH BeckRS 2016, 12055). (Rn. 14 – 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, die Bürgschaft vom 12.10.2012 der Sparkasse im Landkreis …, in Höhe von 21.100,- € an die Klägerin herauszugeben.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 16 % und die Beklagte 84 %.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 22.400,00 €. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,- € abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.275,00 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und in der Hauptsache begründet. Lediglich hinsichtlich der als Nebenforderung geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten ist die Klage unbegründet und insoweit abzuweisen.
I.
1. Zum Herausgabeanspruch:
Die Klägerin kann von der Beklagten die Herausgabe der Bürgschaftsurkunde an sich verlangen. Anspruchsgrundlage hierfür ist § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternative BGB.
Die Beklagte hat die Bürgschaft der Sparkasse im Landkreis … vom 12.10.2012 von der Klägerin als Sicherheit ohne rechtlichen Grund erlangt. Denn die im Bauvertrag, Ziffer 4 BVB, getroffene Sicherheitsabrede ist wegen Verstoßes gegen § 307 BGB unwirksam.
Bei den BVB handelt es sich um von der Beklagten als Verwenderin gestellte Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Jedenfalls der Verzicht auf die Einrede der Anfechtung gemäß Ziffer 4.3 BVB benachteiligt die Klägerin als Vertragspartnerin der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (§§ 307 Abs. 1, 242 BGB) (siehe hierzu a). Die Unwirksamkeit dieser Klausel führt vorliegend zur Gesamtunwirksamkeit der Sicherheitenklausel (siehe hierzu b).
a) Der formularmäßige uneingeschränkte Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit – in Abweichung von § 17 Nr. 4 VOB/B – ist nach überwiegender obergerichtlicher Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, unwirksam. Denn dadurch wird selbst eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch den Verwender ausgeschlossen (vgl. OLG München, Urteil vom 3.6.2014, 9 U 3404/13 Bau, IBR 2017, 23 [die Nichtzulassungsbeschwerde hiergegen wurde mit Beschluss des BGH vom 2.11.2016, VII ZR 158/14, zurückgewiesen] unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 16.9.1993, VII ZR 206/92, NJW 1993, 3264 ff.).
Auch die Kommentierungen von Ripke, IBR 2015, 1016, und Windorfer, NZBau 2017, 460, vertreten diese Ansicht.
Die abweichende Rechtsauffassung im Urteil des LG Köln vom 8.7.2014 (27 O 16/14, NZBau 2015, 36) überzeugt nicht und steht im Widerspruch zur Entscheidung desselben Gerichts vom 20.11.2012 (27 O 197/12, NJOZ 2013, 1380).
b) Diese unangemessene Benachteiligung führt nicht nur zur Unwirksamkeit der Klausel zum Verzicht auf die Einrede der Anfechtung, also zur hierauf beschränkten Teilunwirksamkeit, sondern nach Ansicht der Kammer zur Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsklausel.
Zwar ist der BGH in seinem Urteil vom 16.6.2016, VII ZR 29/13, IBR 2016, 455, bei einem Verzicht auf die Einreden des § 770 Abs. 1 und 2 BGB von einer bloßen Teilunwirksamkeit ausgegangen. Insoweit ist der hier vorliegende Sachverhalt jedoch entgegen der Auffassung der Beklagtennicht in vollem Umfang vergleichbar. Denn vorliegend würde die Aufrechterhaltung der Sicherungsabrede ohne den unwirksamen Teil, also ohne den erklärten Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit, zu einem Widerspruch zur vertraglichen Regelung insoweit führen, als Ziffer 4.3 BVB zwingend die Verwendung von Formblättern (421 bzw. 422) vorsieht, die die unwirksame Klausel ihrerseits wieder enthalten. Soll nun – bei geltungserhaltender Reduktion – die entsprechende Formblattklausel deshalb ganz entfallen oder soll im Formblatt nur die entsprechend unwirksame Passage entfallen? Insoweit bleibt unklar, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie die Unwirksamkeit der Klausel gekannt hätten. Deshalb fehlt es an einer inhaltlichen „Trennbarkeit“ der unwirksamen Klausel von der Verpflichtung zur Sicherheitenstellung fehlen, wie sie im Urteil des BGH bejaht worden war.
So hat auch der BGH mittlerweile in seinem Urteil vom 24.10.2017, XI ZR 600/16, IBR 2018, 76 (= NJW 2018, 857 ff., eine Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsabrede bejaht. Zwar lag der dortigen Entscheidung eine Gewährleistungsbürgschaft zugrunde und nicht – wie im Sachverhalt des Urteils vom 16.6.2016, eine Vertragserfüllungsbürgschaft. Streitgegenständlich ist vorliegend freilich eine „Vertragserfüllungs- und Mängelansprüchebürgschaft“ (Formular 421), wobei der formularmäßige Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit auch für die reine Mängelansprüchebrügschaft (Formular 422) gelten soll.
Insoweit ist der vorliegende Sachverhalt eher mit demjenigen vergleichbar, der dem Urteil vom 24.10.2017 zugrunde lag. Dies auch deshalb, weil auch dort klauselmäßig vorgegeben war, dass die Bürgschaft inhaltlich dem Formular einer bauvertraglichen Anlage zu entsprechen hatte, wenn auch dort der Hauptschuldnerin die Verwendung des entsprechenden Formulars nicht verbindlich vorgegeben war (vgl. BGH, a.a.O., Rdnr. 26). Hier war dies jedoch sogar zusätzlich der Fall.
Deshalb kann die Sicherheitsabrede auch hier nicht in der Weise aufrechterhalten werden, dass die Klägerin als Hauptschuldnerin im Ergebnis eine Bürgschaft ohne die unwirksame Klausel zu stellen hat. Die Sicherheitsabrede ist insoweit nicht teilbar, sondern als konzeptionelle untrennbare Einheit zu verstehen (vgl. BGH, a.a.O., Rdnr. 28-33).
Jedenfalls aus der Kombination der Klauseln „Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit“ und „Verpflichtung zur Verwendung des Formblatts“ ergibt sich also die Gesamtunwirksamkeit der Sicherungsabrede.
2. Zum Antrag auf vorgerichtliche Anwaltskosten:
Insoweit hat die Klägerin keinen Anspruch. Als Anspruchsgrundlage hierfür kämen grundsätzlich §§ 280 Abs. 1, 286 BGB in Betracht.
Allerdings forderte die Klägerin die Beklagte erstmals mit Schreiben ihrer nunmehrigen Prozessbevollmächtigten vom 22.2.2017 unter Fristsetzung zur Herausgabe der Bürgschaft auf (Anlage K 7) und setzte ihr mit weiterem Anwaltsschreiben vom 8.3.2017 vergeblich eine diesbezügliche Nachfrist (Anlage K 8). Erst durch diese Mahnung trat Verzug ein. Das erst verzugsbegründende Mahnscheiben wird aber noch nicht vom Verzögerungsschaden umfasst.
Eines vorherigen gerichtlichen Hinweises an die Klägerin insoweit hat es nicht bedurft, nachdem es sich lediglich um eine Nebenforderung handelt (§ 139 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Im übrigen beträgt der Gegenstandswert nicht 21.100,- €, sondern nur 5.275,- €, so dass allenfalls 480,20 € netto angefallen wären.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO. § 92 Abs. 2 ZPO war nicht anzuwenden, da die Zuvielforderung der Klägerin (bezüglich der Nebenforderung) nicht nur verhältnismäßig geringfügig war.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 709 Satz 1. § 711 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 709 Satz 2 ZPO.
III.
Bezüglich der Streitwertfestsetzung wird Bezug genommen auf Ziffer I. des Beschlusses vom 11.10.2017 (Bl. 8/9 d.A.).


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