Bankrecht

Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei der Rückforderung von Ausschüttungen an einen Kommanditisten

Aktenzeichen  3 O 2126/16

Datum:
23.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 146564
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HGB § 171 Abs. 1, Abs. 2, § 172 Abs. 4
InsO § 93, § 178 Abs. 3, § 201 Abs. 2 S. 1
BGB § 195, § 199, § 204 Abs. 1 Nr. 10, § 226, § 666, § 713

 

Leitsatz

1 Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Forderungen, für die der Kommanditist haftet, hat der Insolvenzverwalter. Dieser muss insbesondere angeben, welche der einzelnen Gläubigerforderungen seiner Klage und ggf. in welcher Reihenfolge zugrunde liegen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2 Macht der Kommanditist geltend, dass seine Inanspruchnahme nicht erforderlich sei, weil bereits die Insolvenzmasse zur Befriedigung der Gläubiger ausreiche, trägt er insoweit die Darlegungs- und Beweislast. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.000,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.09.2015 zu zahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist begründet.
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Einlagenrückzahlung in Höhe von 8.000,00 Euro gemäß § 171 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 93 InsO.
Nach § 171 Abs. 1 HGB haftet der Kommanditist den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist. Ist über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so wird während der Dauer des Insolvenzverfahrens das den Gesellschaftsgläubigern nach § 171 Abs. 1 HGB zustehende Recht durch den Insolvenzverwalter oder Sachwalter ausgeübt (§ 171 Abs. 2 HGB). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 24.11.2016 klargestellt, dass vorliegend die Gläubigerforderung gemäß § 171 Abs. 2 HGB und nicht die Einlageforderung geltend gemacht werde.
1. Unstreitig ist über das Vermögen der MS Annabelle Schulte das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Somit ist der Kläger vorliegend gemäß § 93 InsO i.V.m. § 171 Abs. 2 HGB aktivlegitimiert.
2. Unstreitig handelt es sich bei dem Beklagten um den Kommanditisten der Insolvenzschuldnerin, so dass dieser grundsätzlich gemäß § 171 Abs. 2 HGB in Anspruch genommen werden kann.
3. Gegenüber dem Beklagten wurde vorliegend eine Einlagenrückgewähr in Höhe von 8.000,00 Euro vorgenommen. Der Beklagte hat am 06.12.2006, am 22.12.2004 und am 16.12.2005 nämlich unstreitig Ausschüttungen in Höhe von insgesamt 8.000 € erhalten.
Entgegen der Auffassung des Beklagten handelt es sich vorliegend um eine Einlagenrückgewähr im Sinne des § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB. Unter Rückzahlung im Sinne des § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB ist jede Zuwendung an den Kommanditisten zu verstehen, durch die dem Gesellschaftsvermögen ein Wert ohne eine entsprechende Gegenleistung entzogen wird. Ob der Rechtsgrund für die Zuwendung oder Entnahme in dem Gesellschaftsverhältnis liegt und ob der Kommanditist überhaupt ein Recht darauf hat, ist für § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB ohne Bedeutung (vgl. Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Auflage 2014, § 172, Rdnr. 21). Entgegen der Ansicht der Beklagtenpartei ist es daher in rechtlicher Hinsicht unerheblich, ob der Beklagte einen Anspruch auf jährliche Ausschüttung hatte. Das von der Beklagtenpartei zitierte Urteil des BGH vom 01.07.2014 (BGH GWR 2014, 458) betrifft nur das Innenverhältnis zwischen Kommanditist und Gesellschaft und ist daher für die hier vorliegende Konstellation ohne Bedeutung.
Konsequenz der Bewertung der Ausschüttungen als Einlagenrückgewähr ist, dass die Kommanditeinlage in dieser Höhe gemäß § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB als gegenüber den Gläubigern nicht geleistet gilt mit der Folge, dass die Außenhaftung des Kommanditisten in dieser Höhe wieder auflebt
4. Weiterhin ist die Leistung des Beklagten auch zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger erforderlich. Der Anspruch nach § 171 Abs. 2 HGB ist nämlich nur insoweit begründet, als die Leistung zur Befriedigung derjenigen Gesellschaftsgläubiger, denen der Kommanditist haftet, erforderlich ist (vgl. Strohn, a. a. O., Rdnr. 94 m.w.N.). Die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der Forderungen, für die der Kommanditist haftet, hat der Insolvenzverwalter. Dieser muss insbesondere angeben, welche der einzelnen Gläubigerforderungen seiner Klage und ggfs. in welcher Reihenfolge zugrunde liegen (vgl. Strohn a .a. O., Rdnr. 96 und 114). Dieser Darlegungslast ist der Kläger nach Auffassung des Gerichts vorliegend nachgekommen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 24.11.2016 klargestellt, dass in erster Linie die Gläubigerforderung der C. AG geltend gemacht werde. Unter Bezugnahme auf Anlage K 8 hat der Kläger des Weiteren klargestellt, dass es sich bei der Forderung der C. AG um eine Forderung aus Darlehensvertrag vom 29.11.2005 handele, der zum 12.07.2012 gekündigt worden sei. Zum 18.11.2014 habe die Darlehensforderung insgesamt 15.352.390,31 Euro betragen. Unter Berücksichtigung u.a. eines Verwertungserlöses in Höhe von 5.960.580,74 € sowie einer Forderungsrücknahme in Höhe von 561.132,96 € durch die Gläubigerin sei nun nachträglich vom Insolvenzverwalter eine Forderung in Höhe von 8.830.676,62 € festgestellt worden. Nach dem Dafürhalten des Gerichts genügen diese Angaben, welche im Übrigen vom Kläger durch die Anlagen K 7 und K8 verifiziert wurden, der dem Kläger grundsätzlich obliegenden Substantiierungslast.
Soweit vom Beklagten in diesem Zusammenhang geltend gemacht wurde, dass seine Inanspruchnahme nicht erforderlich sei, weil bereits die Insolvenzmasse zur Befriedigung der Gläubiger ausreiche, trägt er insoweit die Darlegungs- und Beweislast (vgl. Strohn a. a. O., Rdnr. 96 m.w.N.). Dazu wurde vom Beklagten jedoch nicht weiter vorgetragen, so dass der Beklagte insoweit beweisfällig geblieben ist. Im Übrigen ergibt sich die Erforderlichkeit einer Inanspruchnahme des Beklagten schon aus dem Umstand, dass weder die Verwertung des Schiffes mit einem Verkaufserlös von 5.960.580,74 € noch die zusätzliche Inanspruchnahme sämtlicher Kommanditisten in Höhe von 1.145.870,00 € zur vollständigen Befriedigung allein der Gläubigerin C. AG mit einer Forderung von 8.830.676,62 € ausreicht.
5. Schließlich kann sich der Beklagte vorliegend auch nicht mit den von ihm erhobenen Einreden oder Einwendungen verteidigen.
Gemäß § 178 Abs. 3 InsO wirkt die Eintragung in die Tabelle für die festgestellten Forderungen ihrem Betrag nach und ihrem Rang nach wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen Insolvenzgläubigern, wenn sie im Prüftermin nicht ausdrücklich bestritten wird. Gegenüber der Schuldnerin – hier der Kommanditgesellschaft – ergibt sich die Rechtskraftwirkung aus § 201 Abs. 2 S. 1 InsO. Zwar regelt § 201 Abs. 2 S. 1 InsO ausweislich der amtlichen Überschrift nur die Vollstreckungsmöglichkeit nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Dennoch nimmt die Rechtsprechung eine mittelbare Rechtskraftwirkung aus § 201 Abs. 2 S. 1 InsO an, welche bereits vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens und auch außerhalb des Insolvenzverfahren eingreift. Die Wirkung des § 129 Abs. 1 HGB wird jedoch dahingehend eingeschränkt, dass ein gemäß § 128 HGB haftender Gesellschafter zur Gewährung rechtlichen Gehörs an dem Forderungsfeststellungsverfahren zu beteiligen ist und Gelegenheit haben muss, der Forderungsanmeldung mit Wirkung für seine persönliche Haftung zu widersprechen (BGH NJW 2006, 1344, 1347). Hinsichtlich der Rechtskraftwirkung zu Lasten eines Kommanditisten werden unterschiedliche Auffassungen vertreten.
a) So wird teilweise eine Wirkung des Tabelleneintrags gegenüber einem Kommanditisten abgelehnt (vgl. Uhlenbruck/Sinz, InsO, 14. Auflage 2015, § 178 Rdnr. 33; Münchener Kommentar, Schumacher, InsO, Band 2, 3. Auflage 2013, § 178 Rdnr. 72).
b) Nach anderer Auffassung ist entscheidend, ob der Kommanditist im Prüftermin oder im schriftlichen Verfahren der Forderung widersprochen hat oder nicht (vgl. Strohn, a.a.O., § 171, Rn. 96). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass nur der Insolvenzverwalter und die Insolvenzgläubiger widerspruchsberechtigt sind. Zudem kann der Schuldner selbst widersprechen, vgl. § 178 Abs. 1 Satz 2 InsO. Der Widerspruch des Schuldners hindert zwar nicht die Feststellung der Forderung selbst, jedoch entfällt die Titelfunktion der Insolvenztabelle gemäß § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO. Ist eine Kommanditgesellschaft Schuldnerin, können grundsätzlich nur die zur Vertretung berufenen Gesellschafter im Sinne des § 178 Abs. 1 Satz 2 InsO widersprechen. Dies sind gemäß § 161 Abs. 2 HGB in Verbindung mit § 125 Abs. 1 HGB die vertretungsberechtigten Komplementäre. Kein Vertretungsrecht steht dem Kommanditisten zu, vgl. § 170 HGB. Der Kommanditist hat vielmehr auf einen Widerspruch eines vertretungsberechtigten Gesellschafters hinzuwirken (vgl. MüKo/Brandes/Gehrlein, InsO, 3. Auflage 2013, § 93 Rdnr. 31). Um dies effektiv zu gewährleisten wird teilweise verlangt, dass auch dem Kommanditisten der Eröffnungsbeschluss im Sinne des § 30 Abs. 2 InsO zugestellt wird (vgl. LG München II, Beschluss vom 11.04.2016, Az. 14 O 3470/15).
Teilweise wird vertreten, dass der Begriff des Schuldners im Sinne des §§ 178 Abs. 1 Satz 2, 201 Abs. 2 Satz 1 InsO weit auszulegen ist. Im Fall einer unbeschränkten persönlichen Haftung eines Gesellschafters sei dieser auch als Schuldner zu behandeln (vgl. Münchener Kommentar, § 93, Rdnr. 31).
c) Des Weiteren wird die Rechtskraftwirkung auch ohne jede weitere Voraussetzung bejaht.
d) Letztlich kann die Frage der Rechtskraftwirkung der Insolvenztabelle zu Lasten eines Kommanditisten nach Auffassung des Gerichts vorliegend jedoch dahinstehen, da die vom Beklagten erhobenen Einwendungen bzw. Einreden nicht durchgreifen.
aa) Soweit vom Beklagten die Einrede der Verjährung erhoben wurde, ist diese nicht erfolgreich. Das Darlehen der C. AG wurde am 12.07.2012 von dieser gekündigt (vgl. Anlage K 8). Vorliegend gilt die Regelverjährung des § 195 BGB, welche drei Jahre beträgt. Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, vorliegend somit mit Schluss des Jahres 2012. Die Verjährung trat hier grundsätzlich am 31.12.2015 ein. Allerdings wurde die Verjährung durch die Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB gehemmt. Da das Insolvenzverfahren, soweit ersichtlich, noch nicht beendet ist, besteht die Hemmung fort mit der Folge, dass eine Verjährung nicht eingetreten ist.
bb) Soweit vom Beklagten des Weiteren eingewendet wurde, dass die Forderung der C. AG in Höhe von 9.391.809,57 Euro nur für den Ausfall festgestellt wurde und somit der Höhe nach nicht endgültig feststehe, greift auch dieser Einwand nicht. Wie sich aus der vom Kläger vorgelegten Anlage K 7 ergibt, wurde die Forderung nunmehr in Höhe von 8.830.676,62 Euro vom Insolvenzverwalter festgestellt, und zwar ohne die Einschränkung „für den Ausfall“.
cc) Soweit schließlich vom Beklagten vorgetragen wurde, dass aus anderen Fonds bekannt sei, dass jahrelange Stundungsvereinbarungen zwischen der Schuldnerin und der darlehensgebenden Bank dazu führten, dass die beklagte Partei sich nicht wegen des Eintritts der Verjährung bei Dritten schadlos habe halten können und daher die Einwendung des Schikaneverbots gemäß § 226 BGB erhoben werde, stellt dieser Einwand erkennbar eine reine Vermutung dar, die bislang durch nichts belegt wurde. Das nähere Eingehen auf diesen Einwand erübrigt sich somit. Entgegen der Auffassung der Beklagtenpartei war es hier Sache der Beklagtenpartei, ihre Einwendungen und Einreden näher zu substantiieren. Es wäre dem Beklagten auch möglich und zumutbar gewesen, die erforderlichen Informationen zu den näheren Umständen des Darlehens mit der C. AG erlangen. Zum Einen steht einem Kommanditisten das Kontrollrecht nach § 166 HGB zu, zum Anderen aber hat er ein kollektives Auskunftsrecht gemäß §§ 713, 666 BGB (vgl. Weipert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. 2014, § 166, Rn. 3).
II.
Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus § 291 ZPO i.V.m. § 288 Abs. 1 ZPO.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 2 ZPO.


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