Bankrecht

Vertragsschluss, Frist, Berechnung, Beteiligung, Versicherungsmakler, Versicherung, Nutzungsersatz, Widerspruchsrecht, Versicherungsnehmer, Belehrung, Anlage, Mitteilung, Teilnahme, Privatgutachten, fehlende Angabe, nicht ausreichend, Sinn und Zweck

Aktenzeichen  22 O 1857/19

Datum:
1.10.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 50915
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Memmingen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
Dem Kläger stand bei Erklärung des Rücktritts am 09.09.2019 kein Recht zum Rücktritt gemäß § 8 Abs. 5 VVG a.F. mehr zu, weil die 30-tägige Frist insoweit bereits abgelaufen war. Ein Widerspruchsrecht nach § 5 a I 1 VVG a.F. stand ihm ohnehin nicht zu, da der Vertrag nicht im Policenmodell, sondern im Antragsmodell zustandegekommen war. Auch hinsichtlich dem durch das Policenbegleitschreiben eingeräumten Widerrufsrecht war die 30-tägige Frist abgelaufen.
1. Der unstreitig nicht erfolgte Hinweis auf die Beteiligung der Beklagten an einem Sicherungsfonds führt nicht dazu, dass die 30-Tage-Frist nicht in Gang gesetzt worden wäre. Eine entsprechende Mitteilung wäre – wenn überhaupt – nur im Falle eines gesetzlichen Widerspruchsrechts gemäß § 5 a I 1 VVG a.F. bei Vertragsschluss im Policenmodell notwendig gewesen, um die Frist gemäß § 5 a II 1 VVG a.F. in Gang zu setzen. Beim Vertragsschluss im Antragsmodell, welches hier unstreitig vorlag, wird eine entsprechende Mitteilung vom Gesetz in § 8 Abs. 5 VVG a.F. nicht verlangt. Von daher ist der Verweis der Klägerseite auf die Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 28.06.2019, VuR 2019, 342, welche einen Hinweis für erforderlich hält, unbehelflich und neben der Sache liegend.
2. Es kann dahinstehen, ob die Belehrung über das Rücktrittsrecht im Antragsformular ausreichend drucktechnisch hervorgehoben war (dies wird nach dem Gesetzeswortlaut zwar nicht verlangt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2015, 1023), der sich die Kammer anschließt, jedoch erforderlich) und die 30-Tage-Frist dadurch gemäß § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. in Lauf gesetzt hat.
Selbst wenn die Belehrung insoweit unzureichend gewesen wäre und die 30-tägige Frist deshalb nicht in Gang gesetzt hätte, so wäre der Rücktritt rund 14 Jahre nach Vertragsschluss jedenfalls rechtsmissbräuchlich, denn im Übersendungsschreiben vom 11.08.2005 war der Kläger jedenfalls deutlich darauf hingewiesen worden, dass er sich durch Absendung eines einfachen Schreibens binnen 30 Tagen nach Erhalt dieses Schreibens und der beigefügten Unterlagen vom Vertrag lösen kann. Jedenfalls ab Erhalt dieses Schreibens musste dem Kläger daher klar sein, dass er ein voraussetzungsloses Lösungsrecht vom Vertrag hat, auch wenn in dem Übersendungsschreiben hinsichtlich dem Loslösungsrecht fälschlicherweise auf § 5 a VVG a.F. hingewiesen wurde, obwohl ihm von Gesetzes wegen kein Widerspruchsrecht nach § 5 a VVG a.F., sondern ein Rücktrittsrecht nach § 8 VVG a.F. bzw. ein durch das Begletschreiben begründetes Widerrrufsrecht zustand. Diese Belehrung mag zwar hinsichtlich der Rechtsgrundlage falsch gewesen sein und sie war auch nicht durch Unterschrift bestätigt, wie dies § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. verlangt, aber Sinn und Zweck der Belehrungspflicht, nämlich den Kläger von dem voraussetzungslosen Loslösungsrecht zu unterrichten, waren jedenfalls erreicht. Der Kläger hat diese Kenntnis auch nicht bestritten. Dementsprechend hat auch der Europäische Gerichtshof (vgl. NJW 2020, 667 ff Rn 79) ausgeführt, dass wenn dem Versicherungsnehmer durch die fehlerhafte Belehrung nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben, es unverhältnismäßig wäre, wenn es ihm ermöglicht würde, sich von den Verpflichtungen aus einem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen.
Bei einer Gesamtschau ist dem Kläger durch die nicht ganz korrekte Belehrung im Zuleitungsschreiben im Ergebnis jedenfalls nicht die Möglichkeit genommen worden, sein Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben. Die Geltendmachung des Rücktrittsrechts rund 14 Jahre nach Vertragsschluss ist damit jedenfalls rechtsmissbräuchlich und deshalb zu versagen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Verkündet am 01.10.2020


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