Bankrecht

Von Amts wegen vorzunehmende Überprüfung einer Widerrufsbelehrung

Aktenzeichen  3 O 16352/19

Datum:
18.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 39922
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 495

 

Leitsatz

Die Übereinstimmung von vorformulierten Widerrufsbelehrungen mit den gesetzlichen Vorschriften ist eine Rechtsfrage und ohne Bindung an das Parteivorbringen zu untersuchen (Rn. 26). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 22.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Klagepartei stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche aus der Rückabwicklung des Darlehensvertrags zu, weil der von der Klagepartei erklärte Widerruf verfristet und damit unwirksam war.
I.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag um ein Verbraucherdarlehen im Sinne des § 491 Abs. 1 BGB (in der bei Vertragsschluss maßgeblichen Fassung) vom 20.9.2013 handelt, so dass der Klagepartei ein Widerrufsrecht nach §§ 495 Abs. 1, 355 BGB (in der entsprechenden Fassung) zustand.
II.
Die Widerrufsfrist war jedoch bei Erklärung des Widerrufs längst abgelaufen. Insbesondere sind die Voraussetzungen des Beginns der Widerrufsfrist gemäß § 356b Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB (in der maßgeblichen Fassung) eingehalten.
Die Klagepartei hat auch sämtliche erforderlichen Pflichtangaben gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6-13 EGBGB a.F. ordnungsgemäß erhalten. Der von der Klagepartei zuletzt noch gerügte Fehler liegt nicht vor. Die Widerrufsinformation der Beklagten ist nicht zu beanstanden.
Die Beklagte kann sich hier jedenfalls auf die Schutzwirkung des Musters nach Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB berufen, da sie gegenüber der Klagepartei in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form ein Formular verwendet hat, das dem Muster sowohl inhaltlich als auch in der äußeren Gestaltung vollständig entspricht.
Entgegen der Ansicht der Klagepartei wurde mit der Angabe des Zinsbetrags mit „0,00 Euro“ im Rahmen der Widerrufsfolgen auch der Gestaltungshinweis des Musters korrekt umgesetzt, denn dort heißt es nur, dass der genaue Zinsbetrag in Euro pro Tag einzufügen ist und Centbeträge als Dezimalstellen anzugeben sind. Diese Voraussetzungen sind aber auch bei der Angabe von „0,00 Euro“ erfüllt.
Der Widerspruch zu dem vorangehenden bzw. nachfolgenden Satz war für die Beklagte unvermeidbar, ohne den Text des Musters einer inhaltlichen Bearbeitung zu unterziehen und sich so der Schutzwirkung des Musters zu begeben. Die Einfügung der Angabe „0,00 Euro“ macht die Widerrufsinformation im Übrigen aber auch nicht irreführend, da für den durchschnittlich verständigen Verbraucher offensichtlich ist, dass es sich um einen Formulardarlehensvertrag handelt, der für verschiedene Vertragsgestaltungen offen sein muss. Die Angabe von „0,00 Euro“ ist auch nicht geeignet, den Verbraucher von der Ausübung des Widerrufsrechts abzuhalten. Es handelt sich um eine Regelung zugunsten des Darlehensnehmers, durch die dieser sogar besser gestellt wird, als dies gesetzlich möglich wäre. Der Verbraucher kann aber aus einer solchen für ihn günstigen Regelung keinen Belehrungsfehler herleiten. Was sich in vorliegendem Fall von dem vom BGH entschiedenen Fall (Urteil v. 5.11.19, XI ZR 650/18) unterscheiden soll, konnte die Klageseite dem Gericht in der mündlichen Verhandlung vom 21.1.20 trotz Nachfrage nicht nachvollziehbar darlegen. Insbesondere ist gerichtsbekannt, dass bislang fast ausschließlich die Darlehen direkt an die Jeweils vermittelnde Auteverkäuferin ausbezahlt wurde. TZ 20 des zitierten BGH-Urteils spricht i.Ü. von einem „ausbezahlten“ Darlehen. Es ist dem Gericht nicht ersichtlich warum es auf die Person des Auszahlungsempfängers hinsichtlich der Angabe des Tageszinses in der Widerrufsinformation ankommen sollte.
Das Gericht hat i.Ü. entsprechend der Vorgaben des BGH, wonach die Übereinstimmung von vorformulierten Widerrufsbelehrungen mit den gesetzlichen Vorschriften eine Rechtsfrage ist und ohne Bindung an das Parteivorbringen zu untersuchen ist (BGH, Urteil vom 20.6.2017 – XI ZR 72/16) die streitgegenständlichen Widerrufsinformationen auch über die von der Klagepartei beanstandeten Passagen hinaus überprüft, indes keinen, den Lauf der Widerrufsfrist hindernden Fehler feststellen können. Nach alledem sind die streitgegenständlichen Widerrufsinformationen nicht zu beanstanden.
Zur Begründung wird ergänzend auf die Gründe der Urteile BGH XI ZR 650/18 sowie XI ZR 11/19 v. 5.11.19 Bezug genommen.
Die 14-tägige Widerrufsfrist wurde damit ordnungsgemäß in Gang gesetzt, sodass sie bei Erklärung des Widerrufs durch die Klagepartei mehr als 2 Jahre nach Vertragsschluss längst abgelaufen war.
Auf die Fragen des Rechtsmissbrauchs und der Verwirkung sowie einer etwaigen Wertersatzpflicht der Klagepartei kommt es daher schon nicht mehr an.
II.
Die Klage war daher insgesamt abzuweisen. Der Antrag auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten bzw. Erstattung der Selbstbeteiligung ist aufgrund der obigen Ausführungen ebenfalls unbegründet. Ein Verzug der Beklagten scheidet schon mangels wirksamen Widerrufs der Klagepartei aus.
Über die Hilfswiderklage war mangels Bedingungseintritt nicht zu entscheiden.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
Der Streitwert wurde gemäß §§ 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO in Höhe des Nettodarlehensbetrages festgesetzt. Die Klagepartei begehrt, so gestellt zu werden, als hätte sie den finanzierten Autokaufvertrag niemals geschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 07.04.2015, XI ZR 121/14). Über die Hilfswiderklage wurde nicht entschieden, § 45 Abs. 1 S. 2 GKG.


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