Bankrecht

Widerruf eines Darlehensvertrags – nicht ordnungsgemäße Zusätze

Aktenzeichen  5 U 1915/19

Datum:
25.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 46692
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EGBGB Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 3, § 12 Abs. 1 S. 3
BGB § 492 Abs. 2

 

Leitsatz

Eine inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Widerrufsbelehrung wird nicht dadurch undeutlich, dass die Vertragsunterlagen an anderer, drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthalten. Erst recht gilt dies ohne Rücksicht auf die Art ihrer Gestaltung, soweit Zusätze außerhalb der Widerrufsbelehrung zwar eine unzulässige und damit unwirksame Abweichung von Vorschriften des Verbraucherschutzrechts aufweisen, aber nicht in Zusammenhang mit der Unterrichtung über das Widerrufsrecht als solches stehen (Rn. 14). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

28 O 17157/18 2019-03-18 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 18.03.2019, Aktenzeichen 28 O 17157/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 33.188,01 € festgesetzt.

Gründe

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche nach Widerruf eines Darlehensvertrags, den er zur Finanzierung eines Pkws geschlossen hatte, geltend.
Der Darlehensvertrag datiert vom 15.04.2015 (vgl. Anl. K 1), der Widerruf wurde mit Schreiben vom 12.04.2017 erklärt (Anl. K 2). Wegen der weiteren Einzelheiten, auch der erstinstanzlich gestellten Anträge, wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Widerruf sei verfristet gewesen, da die Widerrufsfrist im Zeitpunkt des Widerrufs bereits abgelaufen gewesen sei. Der Kläger habe alle gemäß § 492 Abs. 2 BGB a.F. erforderlichen Pflichtangaben erhalten. Die Widerrufsinformation selbst, insbesondere auch im Punkt „Widerrufsfolgen“, sei ordnungsgemäß. Zudem könne sich die Beklagte auf die Schutzwirkung des Musters nach Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 S.3 und § 12 Abs. 1 S.3 EGBGB a.F. berufen.
Gegen dieses Urteil, das ihm am 22.03.2019 zugestellt worden ist, richtet sich die Berufung des Klägers, die er an dem einem gesetzlichen Feiertag folgenden Dienstag, den 23.04.2019 eingelegt und nach Fristverlängerung mit am 18.06.2019 eingegangenem Schriftsatz begründet hat. Er ist der Auffassung, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen habe, da eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung nicht erfolgt sei. Der Vertrag sei nicht unterschrieben worden, die ADB nicht ausreichend lesbar, die Europäischen Standardinformationen nicht Bestandteil des Vertrages geworden, die Angabe eines Tageszinses von 0,00 € unzutreffend und irreführend, es sei über die Modalitäten der Kündigung nicht belehrt worden, die Informationen über die Berechnungsmethode für die Vorfälligkeitsentschädigung im Falle vorzeitiger Rückzahlung seien nicht ordnungsgemäß, die Widerrufsbelehrung durch das unzulässige Aufrechnungsverbot in den ADB gesetzeswidrig geworden, es sei die Übergabe einer Abschrift des Darlehensvertrages unterblieben, weshalb die Widerrufsfrist nicht in Gang gesetzt worden sei, die Rückzahlungsverpflichtung des Darlehensnehmers unzutreffend behauptet worden, es fehle ein Widerrufsformular, die Vorlage an den EuGH zur Frage nach der Auslegung der Verbraucherkreditrichtlinie sei veranlasst und hilfsweise sei die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt in der Berufungsinstanz unter Abänderung des Urteils des Landgerichts München I, Az.: 28 O 17157/18 zu erkennen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag in Höhe von € 35.107,79 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB ab dem 01.05.2018 binnen sieben Tagen nach Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs …, Fahrgestellnummer …, zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Entgegennahme des Fahrzeugs aus dem Antrag zu 1) in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen Betrag von 2.193,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit für die außergerichtliche anwaltliche Rechtsverfolgung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt in der Berufungsinstanz:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 21.08.2019 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, da das Landgericht zu Recht von einer im Zeitpunkt des Widerrufs bereits abgelaufenen Widerrufsfrist ausgegangen sei. Es sei nicht erforderlich gewesen, dass die Beklagte den Vertrag unterschreibt, die ADB seien ausreichend lesbar, die Europäischen Standardinformationen seien Bestandteil des Vertrages geworden, die Angabe eines Tageszinses von 0,00 € zutreffend und nicht irreführend, über die Modalitäten der Kündigung habe nicht belehrt werden müssen, die Informationen über die Berechnungsmethode für die Vorfälligkeitsentschädigung im Falle vorzeitiger Rückzahlung seien ordnungsgemäß, die Widerrufsbelehrung nicht durch das unzulässige Aufrechnungsverbot in den ADB gesetzeswidrig geworden, die Übergabe einer Abschrift des Darlehensvertrages habe keinen Einfluss auf den Beginn der Widerrufsfrist, ein Widerrufsformular sei nicht erforderlich gewesen, weder die Vorlage an den EuGH zur Frage nach der Auslegung der Verbraucherkreditrichtlinie noch die Zulassung der Revision seien veranlasst.
Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 09.09.2019 eingewandt, er verweise mit Blick auf das (wohl) noch anstehende Verfahren nach § 544 ZPO im Hinblick auf die Ausführungen zum Tageszins 0,00 € auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf und eine weitere Entscheidung des LG Ravensburg und mache sich die Argumente zur Auslegung des Tageszinssatzes zu eigen. Der Kläger erhebe explizit den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens. Der Senat werde sich innerhalb des Zurückweisungsbeschlusses mit der entgegenstehenden Auslegung bzw. den insoweit ins Felde geführten Argumenten des OLG Düsseldorf (Urteil vom 28.05.2019 – 9 U 77/18) sowie des LG Ravensburg (Urteil vom 30.07.2019 – 2 O 164/19) auseinanderzusetzen haben. Die Revision sei zuzulassen, weil aufgrund der Entscheidung des OLG Düsseldorf divergierende obergerichtliche Auffassungen zum Tageszins von 0,00 € vorlägen.
Zur Ergänzung wird auf das landgerichtliche Urteil, den Hinweisbeschluss des Senats sowie die im Berufungsrechtszug eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 18.03.2019, Aktenzeichen 28 O 17157/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Die zulässige Berufung ist offensichtlich unbegründet. Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass im Zeitpunkt der Widerrufserklärung die Widerrufsfrist bereits abgelaufen war. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Hinweisbeschluss vom 21.08.2019 Bezug genommen. Die weiteren Ausführungen des Klägers mit Schriftsatz vom 09.09.2019 führen zu keiner geänderten Beurteilung.
Das Argument des OLG Düsseldorf, welches die Klausel für mehrdeutig hält und folglich die kundenfeindlichste Auslegung wählt, wonach 0,00 € nicht als Verzicht auf die Verzinsung verstanden werden könnten, teilt der Senat bereits im Ansatz nicht. Denn der Senat erachtet die Angabe von 0,00 € für eindeutig, so dass kein Raum für eine kundenfeindliche Auslegung verbleibt. Es ist auch nicht etwa deshalb von einer Mehrdeutigkeit auszugehen, weil der Sollzins an anderer Stelle mit einem Prozentbetrag genannt ist. Denn die 0,00 € beziehen sich erkennbar nur auf den Fall, dass der Widerruf erfolgt. Nachdem die Widerrufsfrist lediglich 14 Tage beträgt und damit der Zeitraum, für den die Bank auf Zinsen verzichtet, überschaubar ist, ist es plausibel, dass die Bank für diese wenigen Zinstage der Einfachheit halber auf Zinsen verzichtet.
Das Argument des LG Ravensburg, nach dem ein verständiger Verbraucher nicht annehmen werde, die Bank schenke ihm etwas, indem sie freiwillig auf Zinsbeträge verzichte, kann nicht gefolgt werden. Es ist durchaus plausibel, dass die Bank, die von einem zeitnahen Ablauf der Widerrufsfrist ausgeht, auf derartige Kleinbeträge verzichten will, da deren Erhebung aus ihrer Sicht einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde. Soweit das Landgericht einen Gegensatz zwischen der dem Vertrag beigefügten Widerrufsinformation und dem rechtsgeschäftlichen Teil des Vertrages annimmt, erscheint dies nicht nachvollziehbar, da auch die Widerrufsinformation Teil des Rechtsgeschäfts ist.
Soweit der Kläger explizit den Einwand rechtsmissbräuchlichen Verhaltens erhebt, bezieht sich dies wohl auf die zuvor zitierte Passage im Urteil des LG Ravensburg, wo es heißt, dass sich die Beklagte nicht auf den Musterschutz berufen könne, da sie in Ziffer 10.3. der Allgemeinen Darlehensbedingungen die Aufrechnungsbefugnis und das Zurückbehaltungsrecht des Darlehensnehmers gravierend eingeschränkt habe. Diese Argumentation berücksichtigt die aktuelle BGH Rechtsprechung nicht, nach der dies auf die Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsbelehrung gerade keine Auswirkung hat. So hat der BGH im Beschluss vom 02.04.2019-XI ZR 463/18, juris ausdrücklich ausgeführt, dass es in der Rechtsprechung des Senats geklärt sei, dass eine inhaltlich den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Widerrufsbelehrung nicht dadurch undeutlich werde, dass die Vertragsunterlagen an anderer, drucktechnisch nicht hervorgehobener Stelle einen inhaltlich nicht ordnungsgemäßen Zusatz enthielten. Erst recht gelte dies ohne Rücksicht auf die Art ihrer Gestaltung, soweit Zusätze außerhalb der Widerrufsbelehrung zwar eine unzulässige und damit unwirksame Abweichung von Vorschriften des Verbraucherschutzrechts aufwiesen, aber nicht in Zusammenhang mit der Unterrichtung über das Widerrufsrecht als solches stünden. Dass in den Darlehensvertrag einbezogene Allgemeine Geschäftsbedingungen eine unwirksame Regelung zu einer Beschränkung der Aufrechnungsbefugnis enthielten, sei damit für die Ordnungsmäßigkeit der Widerrufsbelehrung ohne Auswirkung.
Die Revision ist nicht zuzulassen. Es besteht keine Divergenz zu der zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 28.05.2019, 9 U 77/18), denn die Frage einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung war für das OLG Düsseldorf, das die Unwirksamkeit der dort gegenständlichen Widerrufserklärungen allein wegen Verwirkung annahm, nicht tragend (vgl. a.a.O. Rn. 33, juris). Eine Abweichung zu einem Obersatz der Vergleichsentscheidung liegt daher nicht vor (vgl. zu diesem Kriterium für die Annahme einer Divergenz BGH, Beschluss vom 23.03.2011, IX ZR 212/08, Rn. 3, juris m.w.N.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.


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