Baurecht

9 C 3/20

Aktenzeichen  9 C 3/20

Datum:
19.5.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2021:190521U9C3.20.0
Spruchkörper:
9. Senat

Leitsatz

1. Die Revisionsbegründung genügt den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO, wenn sie den Willen des Revisionsführers zur Durchführung des Revisionsverfahrens deutlich zum Ausdruck bringt und ihre Funktion erfüllt, die übrigen Beteiligten und das Revisionsgericht über die das Revisionsbegehren maßgeblich stützenden Gründe zu unterrichten.
2. Eine Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen kommt nicht in Betracht, soweit die Festsetzung einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme vorliegt. Aufwand und Kosten, die im Anwendungsbereich des § 135a BauGB bzw. § 8a BNatSchG a.F. abgerechnet werden könnten, sind dem Erschließungsbeitragsrecht entzogen.
3. Nicht alles, was sich in der ökologischen Bilanzierung eines Bebauungsplans positiv “ausgleichend” auswirkt, ist zugleich eine festgesetzte Ausgleichsmaßnahme i.S.d. § 1a Abs. 3 i.V.m. § 135a BauGB.

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, 13. Mai 2020, Az: 15 A 2995/18, Beschlussvorgehend VG Köln, 15. Mai 2018, Az: 17 K 4264/16, Urteil

Tenor

Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 13. Mai 2020 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einer Vorausleistung auf den Erschließungsbeitrag für die Herstellung einer öffentlichen Grünanlage. Sie ist Erbbauberechtigte u.a. eines Grundstücks, das mit einem mehrgeschossigen Wohnhaus bebaut ist und ca. 72 m Luftlinie von der als Erschließungsanlage abzurechnenden Grünanlage “Auerberger Mitte” entfernt liegt.
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Die ca. 9 675 m² große Grünanlage wurde mit dem am 8. Dezember 1995 öffentlich bekannt gemachten Bebauungsplan Nr. 7625-11 der Beklagten als “Öffentliche Grünfläche – Parkanlage mit Spielflächen” festgesetzt. Sie grenzt im Osten an eine weitere im Bebauungsplan festgesetzte öffentliche Grünfläche mit der Zweckbestimmung “Fläche für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft” (sog. SPE-Fläche) an. Im Übrigen weist der Bebauungsplan reine und allgemeine Wohngebiete sowie Mischgebiete aus.
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Die Grünanlage “Auerberger Mitte” wurde zwischen Oktober 2012 und Mai 2013 baulich hergestellt; in Abweichung vom Bebauungsplan fehlten allerdings zunächst noch zwei Teilflächen an der Grenze zu der SPE-Fläche im nordöstlichen Bereich sowie eine südwestliche “Querspange”. Im September 2015 stimmte die Bezirksvertretung Bonn einer ergänzten Entwurfsplanung zum Endausbau der “Grünen Mitte Auerberg” zu.
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Die Beklagte beabsichtigt, die Grünanlage “Auerberger Mitte” als selbständige Erschließungsanlage abzurechnen, wobei die Klägerin hinsichtlich mehrerer Flurstücke herangezogen werden soll. Zur Klärung der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob die abzurechnende Grünanlage die Voraussetzungen einer selbständigen Erschließungsanlage i.S.d. § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB erfüllt, wurde die Durchführung eines Musterverfahrens für eines der betroffenen Flurstücke vereinbart.
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Mit Bescheid vom 6. April 2016 setzte die Beklagte für das oben beschriebene Flurstück der Klägerin Vorausleistungen auf den Erschließungsbeitrag für die Herstellung der streitgegenständlichen Grünanlage in Höhe von 8 703,41 € fest. Sie ging dabei von einem umlagefähigen Aufwand von insgesamt ca. 829 000 € aus.
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Mit ihrer am 4. Mai 2016 erhobenen Klage bestritt die Klägerin zunächst insbesondere das Vorliegen der Voraussetzungen einer selbständigen Erschließungsanlage. Ergänzend machte sie geltend, es liege im Grunde ein Fall des Etikettenschwindels vor, weil die angeblich planerisch gewünschte Parkanlage mit Spielflächen in Wirklichkeit als eine dem umweltschutzrechtlichen Ausgleich dienende Fläche gedacht sei. Die Erhebung von Erschließungsbeiträgen sei unzulässig, weil es sich bei der abzurechnenden Grünanlage tatsächlich um eine naturschutzrechtliche Ausgleichsfläche handele.
7
Die Beklagte berief sich demgegenüber darauf, dass die Grünanlage “Auerberger Mitte” eine selbständige Erschließungsanlage darstelle, die nicht dem umweltschutzrechtlichen Ausgleich diene. Bei ihrer Gestaltung habe der Plangeber auch ökologische Aspekte einfließen lassen dürfen, tatsächlich diene sie aber primär der physischen und psychischen Erholung.
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Das Verwaltungsgericht Köln wies die Klage ab. Es ging dabei davon aus, dass die gesamte Grünanlage “Auerberger Mitte” – auch – als Ausgleichsfläche dienen solle, dies aber eine Abrechnung nach den §§ 127 ff. BauGB nicht ausschließe. Die Kostenerstattung nach § 135a Abs. 3 BauGB setze voraus, dass die Ausgleichsmaßnahmen den Eingriffsgrundstücken zugeordnet seien, wobei insoweit ein Entscheidungsspielraum der Gemeinde bestehe. Nehme diese – wie hier – keine Zuordnung vor, seien die Kosten einer Erschließungsbeitragserhebung nicht entzogen. Die Grünanlage “Auerberger Mitte” erfülle auch die Voraussetzungen einer selbständigen Erschließungsanlage.
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Das Oberverwaltungsgericht Münster ließ die Berufung der Klägerin zu und hob mit Beschluss vom 13. Mai 2020 den streitgegenständlichen Bescheid unter Änderung des Urteils des Verwaltungsgerichts auf. Die Erhebung eines Erschließungsbeitrags für die Grünanlage sei wegen des Vorrangs der Kostenerstattungsregelung des § 135a BauGB ausgeschlossen. Soweit der Anwendungsbereich der Kostenerstattung nach § 135a Abs. 2 bis 4 BauGB eröffnet sei, sei diese gegenüber den erschließungsbeitragsrechtlichen Vorschriften speziell und damit vorrangig. Maßgeblich für die Eröffnung des Anwendungsbereichs sei, ob die Grünflächenfestsetzung nach dem planerischen Willen der Gemeinde eine naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme darstelle oder nicht. Dies sei hier der Fall. Aus der Begründung des Bebauungsplans und der naturschutzfachlichen Bewertung des durch die Planung verursachten Eingriffs in Natur und Landschaft ergebe sich, dass der gesamten streitgegenständlichen Grünfläche nach dem planerischen Willen der Beklagten die Funktion einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme zugedacht gewesen sei. Dass die Beklagte die mit Spielgeräten auszustattende Grünfläche auch als Parkanlage mit Erholungsfunktion zugunsten der Wohnbebauung vorgesehen habe, führe zu keiner anderen Beurteilung. Danach könne dahinstehen, ob die Grünanlage überhaupt eine selbständige Erschließungsanlage sei.
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Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 127, 135a BauGB und macht geltend, bei der Ausweisung der Grünanlage “Auerberger Mitte” habe das Hauptaugenmerk auf deren Erschließungsfunktion und nicht auf der Ausgleichsfunktion gelegen. Eine Grünanlage könne auch dann als Erschließungsanlage nach § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB abgerechnet werden, wenn sie dem Ausgleich von Eingriffen in Natur und Landschaft diene. Andernfalls liefe die Möglichkeit der Erhebung von Erschließungsbeiträgen für derartige Anlagen ins Leere, weil ihnen regelmäßig ein Anteil am naturschutzrechtlichen Ausgleich zukomme. Soweit das Oberverwaltungsgericht den naturschutzrechtlichen Kostenausgleich als vorrangig ansehe, werde verkannt, dass es hier an der Zuordnung von Ausgleichsmaßnahmen zu bestimmten Eingriffsgrundstücken und damit an einer zwingenden Voraussetzung für die Kostenerstattung fehle.
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Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 13. Mai 2020 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 15. Mai 2018 zurückzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie hat Bedenken gegen die Zulässigkeit der Revision und verteidigt im Übrigen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet.
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A. Die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere genügt die Revisionsbegründung entgegen den Bedenken der Klägerin den Anforderungen des § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO.
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Nach dieser Vorschrift muss die Revisionsbegründung einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung dabei eine Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs und eine damit verbundene sachliche Auseinandersetzung mit den die Entscheidung der Vorinstanz tragenden Gründen, aus der hervorgeht, warum der Revisionskläger diese Begründung nicht als zutreffend erachtet (vgl. nur BVerwG, Urteile vom 3. März 1998 – 9 C 20.97 – BVerwGE 106, 202 m.w.N. und vom 20. März 2019 – 4 C 5.18 – NVwZ 2020, 404 Rn. 13). Ob diese Anforderungen erfüllt sind, ist im Einzelfall mit Blick auf den Sinn und Zweck des Begründungserfordernisses zu beantworten.
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Durch die Begründungspflicht soll der Revisionsführer gezwungen werden, die Aussichten einer Revision zu prüfen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 1981 – 5 C 57.80 – Buchholz 310 § 139 VwGO Nr. 56) und Inhalt, Umfang und Ziel des Revisionsangriffs von vornherein klarzustellen. Damit sollen die Einlegung unbedachter Rechtsmittel verhindert und das Revisionsverfahren sinnvoll vorbereitet und strukturiert werden. Dies dient der Entlastung des Revisionsgerichts sowie dem Interesse des Revisionsgegners, der wissen soll, in welchen Punkten er sich auf eine Verteidigung einzurichten hat (BVerwG, Beschluss vom 4. April 2019 – 1 C 44.18 u.a. – Buchholz 310 § 139 VwGO Nr. 90 Rn. 16; vgl. auch Beschluss vom 30. April 1980 – 7 C 88.79 – Buchholz 310 § 139 VwGO Nr. 55; Buchheister, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand Juli 2020, § 139 Rn. 34; Berlit, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand 1. April 2021, § 139 Rn. 21). Nicht erforderlich ist, dass sich der Revisionsführer dabei mit jedem Argument der Vorinstanz auseinandersetzt (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 – 7 C 17.09 – NVwZ-RR 2010, 781 Rn. 16). Maßgebend ist, dass die Revisionsbegründung den Willen des Revisionsführers zur Durchführung des Revisionsverfahrens deutlich zum Ausdruck bringt und ihre Funktion erfüllt, die übrigen Beteiligten und das Revisionsgericht über die das Revisionsbegehren maßgeblich stützenden Gründe zu unterrichten (vgl. zu entsprechenden Anforderungen an die Berufungsbegründung BVerwG, Beschluss vom 9. Juli 2019 – 9 B 29.18 – Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 233 Rn. 3 m.w.N.).
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Diese Anforderungen erfüllt die Revisionsbegründung der Beklagten. Denn sie lässt hinreichend deutlich erkennen, dass und in welcher Hinsicht die Beklagte die vom Oberverwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des planerischen Willens bei Erlass des Bebauungsplans für falsch hält und dass sie der Frage, ob der Bebauungsplan eine Zuordnung der festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen zu Eingriffsgrundstücken enthält, eine wesentliche Bedeutung zumisst für die Beurteilung des Verhältnisses von naturschutzrechtlichem Kostenausgleichsrecht zum Erschließungsbeitragsrecht. Als verletzte Normen werden dabei die §§ 127, 135a BauGB genannt. Inwieweit die Rügen der Beklagten sich auf revisibles Recht beziehen, ist keine Frage der Zulässigkeit der Revision, sondern ihrer Begründetheit.
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B. Die Revision ist auch begründet. Denn der Beschluss des Berufungsgerichts beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
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Das Oberverwaltungsgericht hat entscheidungstragend darauf abgestellt, dass die Erhebung von Erschließungsbeiträgen für die Herstellung der öffentlichen Grünanlage “Auerberger Mitte” hier wegen des Vorrangs der naturschutzrechtlichen Kostenerstattung ausgeschlossen sei. Dieser Ansatz ist zwar insoweit bundesrechtlich nicht zu beanstanden, als das Oberverwaltungsgericht die Anwendung des Erschließungsbeitragsrechts für ausgeschlossen hält, soweit der Anwendungsbereich der Kostenerstattung nach § 135a Abs. 2 bis 4 BauGB eröffnet ist (1.). Es verstößt jedoch gegen Bundesrecht, dass das Oberverwaltungsgericht diesen Anwendungsbereich hier als eröffnet angesehen und der öffentlichen Grünanlage “Auerberger Mitte” insgesamt die Funktion einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme zugesprochen hat (2.). Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts wird daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen (3.).
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1. Im Einklang mit Bundesrecht ist das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen, dass im Anwendungsbereich der naturschutzrechtlichen Kostenerstattung gemäß den §§ 135a bis 135c BauGB bzw. gemäß § 8a des Bundesnaturschutzgesetzes in der bis zum 31. Dezember 1997 und damit bei Erlass des Bebauungsplans Nr. 7625-11 geltenden Fassung (BNatSchG a.F.) eine Heranziehung – auch – zu Erschließungsbeiträgen nicht in Betracht kommt und der Beklagten insoweit kein Wahlrecht eingeräumt ist. Soweit eine naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme im Sinne dieser Vorschriften festgesetzt ist, ist daher eine Abrechnung über das Erschließungsbeitragsrecht ausgeschlossen (a); dabei kommt es nicht darauf an, ob eine Zuordnungsentscheidung nach § 135a Abs. 2 Satz 1 BauGB oder § 8a Abs. 3 Satz 2 BNatSchG a.F. getroffen worden ist (b).
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a) Für die Refinanzierung einer nach den Festsetzungen eines Bebauungsplans von der Gemeinde hergestellten öffentlichen Grünanlage kommen im Grundsatz sowohl das Erschließungsbeitragsrecht als auch die naturschutzrechtliche Kostenerstattung in Betracht. Nach § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB sind Erschließungsanlagen u.a. auch Parkflächen und Grünanlagen mit Ausnahme von Kinderspielplätzen, soweit sie nach städtebaulichen Grundsätzen innerhalb der Baugebiete zu deren Erschließung notwendig sind. Das Vorliegen einer erschließungsbeitragsfähigen selbständigen Grünanlage setzt dabei voraus, dass es sich um tatsächlich begrünte Flächen handelt, die dazu bestimmt sind, der Erholung von Menschen zu dienen, die in räumlicher Nähe zu der Anlage leben oder arbeiten (vgl. Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2020, § 127 Rn. 18b m.w.N.). Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB gehören zudem zu den rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten für die planerische Festsetzung von Ausgleichsflächen und Ausgleichsmaßnahmen (vgl. BT-Drs. 12/3944 S. 51 zu § 8a BNatSchG; BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 1997 – 4 NB 27.96 – BVerwGE 104, 68 ; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Okt. 2020, § 9 Rn. 234), weshalb eine im Bebauungsplan als öffentliche Grünanlage festgesetzte Fläche auch eine naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme i.S.d. § 8a BNatSchG a.F. bzw. § 135a i.V.m. § 1a Abs. 3 BauGB darstellen kann.
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Sowohl für Erschließungsbeiträge nach § 127 Abs. 1 BauGB als auch für Kostenerstattungsbeträge nach § 135a Abs. 3 BauGB gilt, dass diese zu erheben sind, der Gemeinde insoweit also kein Ermessen zusteht. Die Grundsätze für die Erhebung der Zahlungen unterscheiden sich jedoch in wesentlichen Punkten, je nachdem, ob die Abrechnung im Hinblick auf eine Erholungs- und Erschließungsfunktion oder aber eine naturschutzrechtliche Ausgleichsfunktion der Grünanlage erfolgt. Während die Gemeinde mit der Herstellung der Grünanlage als Erschließungsanlage eine eigene Aufgabe erfüllt und nach § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB einen Eigenanteil von zehn Prozent des beitragsfähigen Erschließungsaufwands selbst tragen muss, wird sie bei der Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen für den Vorhabenträger oder die Grundstückseigentümer tätig. Die Frage des Ausgleichs von Eingriffen in Natur und Landschaft gehört dabei zu den verbindlich zu klärenden Voraussetzungen für die bauliche Nutzung des Plangebiets und die Rechtmäßigkeit der Planung (vgl. zur Bedeutung des § 8a BNatSchG für das planungsrechtliche Abwägungsgebot etwa BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 1997 – 4 NB 27.96 – BVerwGE 104, 68 ); die Abrechnung der für den Ausgleich aufgewendeten Kosten folgt dem Verursacherprinzip. Demgegenüber ist die Erschließung durch Grünanlagen für ein Plangebiet zwar dienlich, für dessen Bebaubarkeit aber nicht zwingend erforderlich und richtet sich hinsichtlich der Abrechnung nach dem Vorteilsprinzip. Dies führt dazu, dass sich sowohl der Kreis der Zahlungspflichtigen als auch der Maßstab für die Verteilung der Kosten auf die einzelnen Schuldner unterscheiden. Vor diesem Hintergrund ist die Feststellung, nach welchem Abrechnungsregime eine Heranziehung zu Zahlungen für die Herstellung einer öffentlichen Grünanlage erfolgen soll, von wesentlicher Bedeutung.
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Im Ergebnis übereinstimmend mit der inzwischen nahezu einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist dabei davon auszugehen, dass eine Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen nicht in Betracht kommt, soweit die Festsetzung einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme vorliegt (so im Ergebnis OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 13. März 2013 – 9 S 22.12 – juris Rn. 9 ff. und vom 12. Juli 2017 – 5 N 5.15 – juris Rn. 5; VG Berlin, Urteil vom 28. Januar 2015 – 13 K 290.12 – juris Rn. 42; Birk, VBlBW 1998, 81 ; Driehaus, in: Schlichter u.a., BerlKomm zum BauGB, Stand 1. April 2021, § 127 Rn. 86a; ders. in: Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 12 Rn. 102 und Der Gemeindehaushalt 2020, 185 ; Boll/Reif, Die Kostenerstattung für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen, BWGZ 1999, 426 und ebenso Reif/Strayle, Arbeitsmappe Erschließungsbeitrag nach dem KAG, Stand Januar 2018, Nr. 2.3.5-2 S. 2 f.; Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger, BauGB/BauNVO, 9. Aufl. 2018, § 135a BauGB Rn. 11; Quaas, in: Schrödter, BauGB, 9. Aufl. 2019, § 127 Rn. 34; Kröninger, in: HK-BauGB, 4. Aufl. 2018, § 135a Rn. 11; Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2020, § 127 Rn. 18b; Eiding, in: Spannowsky/Uechtritz, BeckOK BauGB, Stand 1. Februar 2021, § 127 Rn. 78a; a.A. und für eine vorrangige Abrechnung nach Erschließungsbeitragsrecht noch Steinfort, VerwArch 86 (1995), 107 ; ebenso Hinweise des Deutschen Städtetages, NVwZ 1995, 876 ; ähnlich auch Sandmann, GuG 1995, 1 und Bunzel, NVwZ 1994, 960 ). Aufwand und Kosten, die im Anwendungsbereich des § 135a BauGB bzw. § 8a BNatSchG a.F. abgerechnet werden könnten, sind dem Erschließungsbeitragsrecht entzogen. Dabei kann dahinstehen, ob sich dies angesichts der dargelegten grundsätzlichen Unterschiede der Abrechnungssysteme bereits aus gesetzessystematischen Gründen unter dem Gesichtspunkt sich ausschließender Regimeentscheidungen und eines Vorrangs der am Verursacherprinzip orientierten naturschutzrechtlichen Kostenerstattung ergibt oder aus einer Anwendung von § 127 Abs. 1, § 129 Abs. 1 Satz 1 BauGB folgt, wonach die Gemeinden einen Erschließungsbeitrag nur zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für Erschließungsanlagen erheben. Denn anderweitig gedeckt kann ein Aufwand für eine Erschließungsanlage auch dann sein, wenn ein Dritter aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung Erschließungsmaßnahmen auf eigene Kosten durchführt oder wenn ein Anspruch der Gemeinde gegen einen Dritten auf Übernahme von Erschließungskosten besteht (vgl. dazu BVerwG, Urteile vom 18. September 1981 – 8 C 21.81 – Buchholz 406.11 § 125 BBauG Nr. 14 S. 8 f. und vom 9. November 1984 – 8 C 77.83 – BVerwGE 70, 247 ).
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b) Der Ausschluss des Erschließungsbeitragsrechts im Anwendungsbereich des § 135a BauGB bzw. § 8a BNatSchG a.F. ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht davon abhängig, ob die Gemeinde durch eine Zuordnungsentscheidung nach § 135a Abs. 2 Satz 1 BauGB bzw. § 8a Abs. 1 Satz 4, Abs. 3 Satz 2 BNatSchG a.F. die Voraussetzungen für eine tatsächliche Erhebung des naturschutzrechtlichen Kostenerstattungsbetrags geschaffen hat (vgl. auch Birk, VBlBW 1998, 81 ; Driehaus, in: Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 10. Aufl. 2018, § 12 Rn. 102 und Der Gemeindehaushalt 2020, 185 ; Reif/Strayle, Arbeitsmappe Erschließungsbeitrag nach dem KAG, Stand Januar 2018, Nr. 2.3.5-2 S. 2 f; Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger, BauGB/BauNVO, 9. Aufl. 2018, § 135a BauGB Rn. 11). Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 135a Abs. 3 Satz 2 BauGB besteht bei Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen die Pflicht zur Kostenerhebung. Wenn und soweit die Gemeinde naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen festsetzt, ist sie daher zur Zuordnung und Abrechnung nach den §§ 135a ff. BauGB verpflichtet, wobei eine Zuordnung auch nachträglich erfolgen kann, wie sich aus § 135a Abs. 2 Satz 2 BauGB ergibt. Dieser Verpflichtung kann sich die Gemeinde nicht dadurch entziehen, dass sie auf ein Abrechnungsregime zurückgreift, das anderen Grundsätzen folgt und daher nach dem Kreis der Schuldner und der Art und Höhe der Verpflichtungen zu ganz anderen Belastungen führt.
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2. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass die abzurechnende Grünanlage “Auerberger Mitte” nach dem planerischen Willen der Beklagten insgesamt eine naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme oder Ausgleichsfläche i.S.d. § 135a BauGB/§ 8a BNatSchG a.F. darstellt, verstößt jedoch gegen Bundesrecht.
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Das Oberverwaltungsgericht ist in Auslegung des Bebauungsplans Nr. 7625-11 zu der Feststellung gelangt, dass die öffentliche Grünanlage “Auerberger Mitte” die spezielle Funktion einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme erfüllt. Es hat die Grünanlage damit als Festsetzung zum Ausgleich der zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne der zum Zeitpunkt des Erlasses des Bebauungsplans geltenden Bestimmungen in § 8a Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BNatSchG a.F. verstanden. Dies erweist sich im Ergebnis als fehlerhaft.
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Der Bebauungsplan gehört zwar als ortsrechtliche Satzung dem irrevisiblen Landesrecht an mit der Folge, dass seine Auslegung grundsätzlich in letzter Instanz dem Oberverwaltungsgericht vorbehalten und dessen Auslegungsergebnis für das Revisionsgericht nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO bindend ist (vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 27. Januar 1998 – 4 NB 3.97 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 24 S. 19, vom 5. März 1999 – 4 B 5.99 – Buchholz 406.11 § 31 BauGB Nr. 39 S. 3 und vom 10. Januar 2018 – 4 BN 18.17 – juris Rn. 4). Diese Bindungswirkung entfällt aber dann, wenn das Auslegungsergebnis des Oberverwaltungsgerichts seinerseits gegen Bundesrecht verstößt oder unvollständig und in sich widersprüchlich ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 7. März 2017 – 9 C 20.15 – BVerwGE 158, 163 Rn. 20 und vom 9. August 2018 – 4 C 7.17 – BVerwGE 162, 363 Rn. 19). So liegt der Fall hier.
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a) Bundesrechtlich nicht zu beanstanden ist dabei der methodische Ansatz des Berufungsgerichts, die Frage der kostenrechtlichen Zuordnung der Grünanlage nach dem planerischen Willen und Konzept der Gemeinde zu beurteilen (vgl. etwa Driehaus, Der Gemeindehaushalt 2020, 185 ; Dirnberger, in: Jäde/Dirnberger, BauGB/BauNVO, 9. Aufl. 2018, § 135a BauGB Rn. 11) und zur Ermittlung des planerischen Willens maßgeblich auf die Begründung des Bebauungsplans sowie die dort thematisierte naturschutzfachliche Bewertung des durch die Planung verursachten Eingriffs in Natur und Landschaft abzustellen. Diese Vorgehensweise entspricht der üblichen Praxis und wird der Funktion der Planbegründung als wesentliche Hilfe für die Verdeutlichung und Auslegung eines Bauleitplans gerecht (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1987 – 4 C 57.84 – BVerwGE 77, 300 und Beschluss vom 23. Dezember 1997 – 4 BN 23.97 – NVwZ-RR 1998, 538).
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b) Die Auslegung des Oberverwaltungsgerichts, dass es sich bei der Grünanlage um eine Festsetzung für Ausgleichsmaßnahmen nach § 8a Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 BNatSchG a.F. handelt, steht auch nicht im Widerspruch zu den textlichen und zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplans (vgl. zu dieser Grenze der Auslegung der Planbegründung etwa BVerwG, Urteil vom 18. März 2004 – 4 CN 4.03 – BVerwGE 120, 239 ). Denn wie dargelegt kann die planerische Festsetzung einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme u.a. auch durch die Ausweisung einer öffentlichen Grünanlage nach § 9 Abs. 1 Nr. 15 BauGB erfolgen. Die Zweckbestimmung “Parkanlage mit Spielflächen” steht dem nicht entgegen, weil mit dem Begriff der “Parkanlage” nur zum Ausdruck gebracht wird, dass es sich um eine lediglich begrünte Fläche handelt, die nach gartenbaulichen, ökologischen, landschaftsästhetischen oder ähnlichen Gesichtspunkten gestaltet ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Juli 2011 – 4 BN 10.11 – BauR 2011, 1941; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2020, § 9 Rn. 129). Dass eine ausdrückliche Festsetzung der Ausgleichsfunktion im Bebauungsplan selbst fehlt, hindert die Auslegung als naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme ebenfalls nicht, weil jedenfalls § 8a BNatSchG a.F. eine solche explizite Festschreibung nicht vorgeschrieben hat. Gleichwohl dürfte sich eine zeichnerische oder textliche Klarstellung im Bebauungsplan, dass und in welchem Umfang Flächen “zum Ausgleich” festgesetzt werden, in der Praxis grundsätzlich empfehlen, zumal im Hinblick auf die Realisierbarkeit einer Kostenerstattung in der Regel auch eine entsprechende Zuordnungsentscheidung geboten sein wird.
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c) Der Auslegung des Oberverwaltungsgerichts liegt jedoch ein fehlerhaftes Verständnis vom Begriff der festgesetzten Ausgleichsmaßnahme i.S.d. § 8a BNatSchG a.F. zugrunde.
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Das Oberverwaltungsgericht stützt seine Auffassung, dass die öffentliche Grünanlage insgesamt dem Anwendungsbereich des § 8a BNatSchG a.F. unterfällt und eine “Festsetzung für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen” in diesem Sinne darstellt, auf die Ausführungen in der Planbegründung zu den wesentlichen Auswirkungen des Bebauungsplans auf Natur und Landschaft und zu sonstigen Umweltauswirkungen. Dabei bezieht es sich auf folgende im Beschluss wörtlich wiedergegebenen Passagen:
“Darüber hinaus soll der Verlust bzw. die Beeinträchtigung der Freiflächen im Plangebiet durch die ökologische Aufwertung der verbleibenden Freiflächen möglichst weitgehend ausgeglichen werden. Es ist daher vorgesehen, den zentralen öffentlichen Grünzug nach ökologischen Gesichtspunkten anzulegen und mit einer umfangreichen naturnahen Begrünung neue und vielfältige Lebensräume für heimische Pflanzen und Tiergesellschaften zu schaffen … Setzt man für die Gesamtplanung einen maximalen Eingriff, d.h. die höchstmögliche Ausnutzung der planungsrechtlichen Festsetzungen voraus, so kann diese durch die vorstehend beschriebenen Grünflächen und Bepflanzungen insgesamt zwar nicht vollständig, jedoch sehr weitgehend im Plangebiet selbst ausgeglichen werden …
Die Ausgleichbarkeit der Flächenversiegelung und des dadurch bedingten Eingriffs in das Bodenpotenzial des Planungsraumes ist letztlich nur durch eine entsprechende Entsiegelung bisher versiegelter Flachen möglich. Hierfür stehen in der Regel jedoch keine Flächen in ausreichendem Maße zur Verfügung. Ein gewisser Teilausgleich für die Versiegelung soll durch die ökologische Bepflanzung der privaten Freiflächen und öffentlichen Grünflachen erreicht werden.”
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Diese Ausführungen thematisieren zwar durchaus eine naturschutzrechtliche Ausgleichsfunktion der öffentlichen Grünflächen im Plangebiet, knüpfen aber nicht eindeutig an bestimmte Festsetzungen im Bebauungsplan an. Die angesprochenen Maßnahmen der naturnahen Begrünung und ökologischen Bepflanzung werden nicht durch konkrete Festsetzungen etwa gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 25 BauGB umgesetzt. Die Planbegründung ist auch für sich genommen nicht geeignet, eine fehlende Festsetzung im Bebauungsplan selbst zu ersetzen (vgl. Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2020, § 9 Rn. 14). Dass die im Bebauungsplan ausgewiesene öffentliche Grünfläche mit der Zweckbestimmung “Parkanlagen mit Spielflächen” in ihrer Gesamtheit (also einschließlich der Spielflächen, Wege und weiterer der Nutzung als Parkanlage dienender Elemente wie Beleuchtung, Bänke etc.) nach dem planerischen Willen der Beklagten als Ausgleichsmaßnahme oder Ausgleichsfläche festgesetzt sein soll, lässt sich dem zitierten Begründungsausschnitt nicht ohne Weiteres entnehmen und wird auch vom Oberverwaltungsgericht nicht näher erläutert.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom Oberverwaltungsgericht ergänzend angeführten Auszug aus der zum Bebauungsplan Nr. 7625-11 vorgelegten Aufstellung “Eingriff in Natur und Landschaft gemäß §§ 8 und 8a Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) bzw. § 4 Landschaftsgesetz NW” vom April 1994, in dem es (u.a.) heißt:
“Als Fazit kann festgehalten werden, daß ein sehr hochgradiger, aber kein vollständiger Ausgleich der geplanten Baumaßnahmen im Bebauungsplangebiet selbst erreicht wird, und daß zur Zeit auch anderweitig keine Möglichkeiten für einen anrechenbaren Restausgleich zur Verfügung stehen. Somit wird ein ökologisches Restdefizit zugunsten einer überwiegenden Wohnbebauung im Plangebiet in Kauf genommen. Die diesbezügliche Abwägung der Belange von Natur und Landschaft mit den übrigen mit der Bebauungsplanung verfolgten Zielen und Belangen ist der Begründung zum Bebauungsplan zu entnehmen. Stellt man die Anteile der öffentlichen Verkehrsflächen und der privaten Flächen am Eingriff in Natur und Landschaft ins Verhältnis, so ergibt sich, dass die öffentlichen Verkehrsflächen überschlägig etwa 26 % des Gesamteingriffs ausmachen. An dem errechneten, insgesamt mindestens erreichbaren Ausgleichswert haben die öffentlichen Grünflächen – ohne die Flächen für Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von Natur und Landschaft – und die Grüngestaltung des Marktplatzes zusammen einen Anteil von ca. 28 %. Mit diesem Anteil wird in Relation (unter Beachtung der vorgenannten Abwägung des unvollständigen Gesamtausgleichs) der durch die öffentlichen Verkehrsflächen verursachte Eingriff ausgeglichen.”
35
Auch diese Ausführungen genügen nicht zur Begründung des Vorliegens einer naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahme, die insgesamt der Kostenerstattung nach § 8a BNatSchG a.F. unterliegen soll. Denn nicht alles, was sich in der ökologischen Bilanzierung eines Bebauungsplans positiv “ausgleichend” auswirkt, ist zugleich eine festgesetzte Ausgleichsmaßnahme i.S.d. § 8a BNatSchG a.F. bzw. § 1a Abs. 3 i.V.m. § 135a BauGB.
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Die der zitierten Aufstellung vom April 1994 als Anlage 1 beigefügte Bilanzierung des Eingriffs vergleicht die ökologische Wertigkeit des Plangebiets im Bestand und auf der Grundlage der geplanten Nutzungen und ordnet den einzelnen Flächenbeschreibungen und Biotoptypen jeweils eine bestimmte ökologische Wertigkeit zu. Die streitgegenständliche öffentliche Grünfläche wird dabei im Rahmen der ökologischen Bewertung der “Planung” zusammen mit einer straßenbegleitenden Grünfläche der ökologischen Wertstufe “3” zugeordnet und in der dazugehörigen zeichnerischen Darstellung als Fläche Nr. 6 ausgewiesen. In dieser ökologischen Wertzuordnung und numerischen Bewertung der Biotoptypen erschöpft sich zunächst die Aussage in der Eingriffsbilanzierung und der dazugehörigen Karte. Sie dient dazu, auf der Grundlage der Bewertung des ökologischen Bestands im Plangebiet und der Abschätzung des infolge der Planung zu erwartenden Zustands die ökologischen Auswirkungen des Bebauungsplans nach Umfang und Intensität der damit verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft zu ermitteln. Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass alles, was Inhalt einer Festsetzung des Bebauungsplans ist und sich im Ergebnis positiv auf die ökologische Bilanz auswirkt, den Charakter einer im Bebauungsplan “festgesetzten Ausgleichsmaßnahme” hat, die Gegenstand der naturschutzrechtlichen Kostenerstattung sein kann.
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Die Kostenerstattungsregelung in § 135a BauGB knüpft an festgesetzte Maßnahmen zum Ausgleich i.S.d. § 1a Abs. 3 BauGB an. Dabei geht es um die Überführung der Eingriffsregelung der §§ 13 ff. BNatSchG in die Bauleitplanung und die Festschreibung der Abwägungsrelevanz der Aspekte der Vermeidung sowie des Ausgleichs der zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, muss die planende Gemeinde zum einen auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme und Bewertung des vorhandenen Zustands von Natur und Landschaft die durch die Umsetzung des Bebauungsplans hervorgerufenen oder zu erwartenden Eingriffe selbst in Art und Ausmaß erfassen und bewerten und im Anschluss daran abwägend entscheiden, ob und in welchem Umfang die Zurückstellung der Belange des Naturschutzes sich überhaupt durch hinreichend gewichtige städtebauliche Gründe rechtfertigen lässt; dabei sind im Interesse des Vermeidungsgebots die planerischen Aussagen auf eine möglichst schonende Behandlung von Natur und Landschaft auszurichten. Zum anderen werden die in der Abwägung zu berücksichtigenden Naturschutzbelange, falls das Integritätsinteresse nicht gewahrt werden kann, über dieses hinausgehend auf das – gemäß § 200a Satz 1 BauGB sowohl Ausgleichs- als auch Ersatzmaßnahmen i.S.v. § 15 Abs. 2 Satz 1 bis 3 BNatSchG umfassende – Kompensationsinteresse erweitert. Hierfür enthält das Gesetz dann in § 1a Abs. 3 Satz 2 bis 4 BauGB besondere konkretisierende Regelungen, die den Gemeinden flexible Handlungsmöglichkeiten eröffnen, um einem festgestellten Ausgleichsbedarf zu entsprechen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschluss vom 26. November 2020 – 4 BN 19.20 – juris Rn. 6 m.w.N.). Die Gemeinde muss somit zur Bewertung der Eingriffsfolgen eine vergleichende Betrachtung des bestehenden und des nach der Planung zu erwartenden zukünftigen Zustands von Natur und Landschaft vornehmen und hieraus ein Vermeidungs- und Kompensationskonzept entwickeln, wobei die Festsetzungen von Ausgleichsflächen und -maßnahmen nach § 9 BauGB als Kompensationsmaßnahmen erfolgen (vgl. auch zu den Voraussetzungen geeigneter Ausgleichsmaßnahmen etwa Schink, NuR 2016, 441 ).
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Die Berücksichtigung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung bei der Bauleitplanung auf der Grundlage von § 8a BNatSchG a.F. erforderte ein entsprechendes Prüfprogramm (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 31. Januar 1997 – 4 NB 27.96 – BVerwGE 104, 68 ). Vor diesem Hintergrund ist die von der Beklagten erstellte Aufstellung vom April 1994 als Eingriffsbilanzierung zur Ermittlung der Eingriffsfolgen zu verstehen, die nicht ohne Weiteres mit der Festsetzung von Kompensationsmaßnahmen gleichgesetzt werden kann, so dass allein daraus nicht die planerische Entscheidung hergeleitet werden kann, dass die streitgegenständliche öffentliche Grünanlage in ihrer Gesamtheit als naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme festgesetzt werden sollte, die der Kostenerstattung nach § 135a Abs. 2 und 3 Satz 1 und 2 BauGB bzw. § 8a Abs. 2 Satz 2 bis 4 BNatSchG a.F. unterliegt.
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3. Da die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts auf der bundesrechtswidrigen Auslegung des Bebauungsplans beruht, ist der angefochtene Beschluss gemäß § 137 Abs. 1, § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses erhält damit die Gelegenheit, den Bebauungsplan unter Beachtung der aufgezeigten Grundsätze erneut auszulegen und zu prüfen, ob und ggf. in welchem konkreten Umfang mit der Festsetzung der streitgegenständlichen öffentlichen Grünanlage im Bebauungsplan eine Festsetzung für Ausgleichsmaßnahmen i.S.d. § 8a BNatSchG a.F. verbunden ist, ob daneben noch Raum bleibt für eine ergänzende Deckung eines (etwaigen) Erschließungsaufwands für die Grünanlage (vgl. dazu etwa Birk, VBlBW 1998, 81 ) und – falls es darauf ankommt – ob die Grünanlage die Voraussetzungen einer selbständigen Erschließungsanlage nach § 127 Abs. 2 Nr. 4 BauGB erfüllt.


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