Baurecht

Abgewiesene Klage im Streit um Beseitigungsanordnung für Nebengebäude

Aktenzeichen  M 9 K 17.1428

Datum:
25.10.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 159468
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 1
BauGB § 35 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Nr. 5, Nr. 7

 

Leitsatz

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.   

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die angefochtene Beseitigungsanordnung ist rechtmäßig, weshalb sie den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen kann, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 76 Satz 1 BayBO.
Rechtsgrundlage für die Beseitigungsanordnung ist Art. 76 Satz 1 BayBO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung von im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichteten oder geänderten Anlagen anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Die Beseitigungsanordnung gemäß Art. 76 Satz 1 BayBO setzt dabei grundsätzlich die formelle und materielle Rechtswidrigkeit der jeweiligen Anlage voraus (BVerwG, U.v. 10.12.1982 – 4 C 52/78 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 20.01.2003 – 20 ZB 99.3616 – juris Rn. 3; Decker in: Simon/Busse, BayBO, Art. 76 Rn. 79 m.w.N.). Das heißt, eine genehmigungsbedürftige Anlage ist dann im Sinne von Art. 76 Satz 1 BayBO im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert, wenn sie ohne die hierfür erforderliche Baugenehmigung errichtet oder geändert wurde und sie gleichzeitig auch so, wie sie errichtet oder geändert wurde, nicht (nachträglich) genehmigungsfähig ist. Ob eine Anlage im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert wurde, beurteilt sich grundsätzlich nach dem Recht zum Zeitpunkt der Entscheidung der Bauaufsichtsbehörde über die Beseitigungsanordnung (vgl. nur BayVGH, U.v. 17.10.2006 – 1 B 05.1429 – juris Rn. 24).
Die beiden streitgegenständlichen Gebäude sind genehmigungspflichtig. Eine Verfahrensfreiheit besteht nicht. Insbesondere Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchstaben a), b) und c) BayBO sind wegen der Außenbereichslage bzw. wegen des Fehlens des Dienens bezogen auf einen Betrieb i.S.v. §§ 35 Abs. 1 Nrn. 1 bzw. 2, 201 BauGB nicht gegeben. Daher ist Voraussetzung für eine Beseitigungsanordnung zunächst die formelle Baurechtswidrigkeit erforderlich. Diese liegt vor. Die beiden Gebäude sind nicht genehmigt. Darauf, ob früher einmal für die Vorgängergebäude Baugenehmigungen vorlagen, kommt es nicht an, da jedenfalls und zwischen den Beteiligten unstreitig zwischenzeitlich ein Abbruch und eine Neuerrichtung stattgefunden hat, ein Umstand, der auch eindeutig aus den Akten hervorgeht. Ebenso steht fest, dass es keine neue Baugenehmigung gibt, weshalb die formelle Baurechtswidrigkeit gegeben ist.
Auch die materielle Baurechtswidrigkeit ist gegeben. Die streitgegenständlichen Gebäude sind nach § 35 Abs. 2 BauGB zu beurteilen. Eine aktuelle landwirtschaftliche Privilegierung bzw. ein Dienen der beiden Gebäude bezogen auf einen landwirtschaftlichen Betrieb, § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, liegen nicht vor und werden auch von der Klage, die selbst von einer Genehmigungsfähigkeit als sonstiges Vorhaben ausgeht, in diesem Zusammenhang nicht geltend gemacht.
Die beiden Gebäude sind in bauplanungsrechtlicher Hinsicht nicht genehmigungsfähig. Sie beeinträchtigen, wie das Landratsamt zu Recht geltend macht, die öffentlichen Belange gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nrn. 1, 5 und 7 BauGB.
Der Flächennutzungsplan des Beigeladenen ist durch die Ansiedlung der “S. …” nicht funktionslos geworden. Er ist von den beiden Gebäuden auch beeinträchtigt. Das Bestehen eines Siedlungssplitters im Außenbereich ist nicht selten und führt nicht schon gleichsam automatisch dazu, dass ein Flächennutzungsplan, der eine typische Außenbereichsdarstellung wie Landwirtschaft enthält, funktionslos wird.
Ebenso wird die natürliche Eigenart der Landschaft, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Var. 4 BauGB, beeinträchtigt. Entgegen dem Vortrag des Klägerbevollmächtigten haben die Flächen, auf denen sich die streitgegenständlichen Gebäude befinden, ihre natürliche Eigenart nicht verloren. Denn die hier bestehende Erholungsfunktion der Landschaft im Außenbereich stellt die Regel dar. Damit ausnahmsweise eine Außenbereichslandschaft ihre natürliche Eigenart verliert und beispielsweise keine Erholungsfunktion mehr aufweist, bedarf es mehr als das eigenmächtige Einzäunen (vgl. hierzu das Urteil im Verfahren Az. M 9 K 17.1102, auf das Bezug genommen wird) nicht unerheblicher Landschaftsbestandteile. Ob die Situation im Zentrum der Ansiedlung anders zu bewerten ist, braucht hier nicht entschieden zu werden, da jedenfalls an deren Rand der Umstand, dass sich hier die zwei nicht genehmigten Nebengebäude befinden, nicht dazu führt kann, dass die natürliche Eigenart der Landschaft verloren gegangen ist.
Schließlich liegt es auf der Hand, dass der öffentliche Belang gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 Var. 2 und 3 BauGB, die Befürchtung einer Verfestigung und Erweiterung einer Splittersiedlung, beeinträchtigt ist. Das Belassen der ungenehmigten Gebäude verfestigt die bestehende Splittersiedlung und, da die beiden Gebäude an deren Rand gelegen sind, erweitert diese auch, und ist geeignet, den Anreiz zu bieten, zukünftig weitere ungenehmigte Gebäude und / oder ungenehmigte Nutzungen zu etablieren.
Die Ermessensausübung im streitgegenständlichen Bescheid ist nicht zu beanstanden. Die Beseitigungsanordnung ist auch verhältnismäßig.
Die Kenntnis der historischen Entwicklung der Ansiedlung “S. …”, abgesehen davon, dass das Gericht keine Zweifel hat, dass das Landratsamt diese zur Genüge kennt, vermag keine Genehmigungsfähigkeit der beiden Gebäude zu begründen und nichts an der Beseitigungsbedürftigkeit zu ändern, so dass hieraus auch kein Ermessensfehler erwachsen kann. Die beiden neu gebauten Nebengebäude gehören nicht zu einem irgendwie gearteten historischen Bestand.
Die Absicht des Klägers, den nach seiner Auffassung schon bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb zu erweitern und im Zuge dessen sein Wunsch, dass die beiden Nebengebäude derzeit nur in ihrer Nutzung untersagt oder geduldet werden sollen, um sie für künftige Zwecke des dann erweiterten landwirtschaftlichen Betriebs nutzbar machen zu können, führt nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit der Beseitigungsanordnung. Den Akten und auch dem Beteiligtenvortrag lassen sich überhaupt keine Belege dafür entnehmen, dass der Kläger bislang tatsächlich einen nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB privilegierten Betrieb führt. Eine etwaige Erweiterungsabsicht ist zu vage, um die in einem zweiten Schritt erst mögliche Erforderlichkeit genau der beiden ungenehmigten streitgegenständlichen Gebäude vorab zu beurteilen – Entscheidungszeitpunkt bei der Beseitigungsanordnung ist grundsätzlich der Zeitpunkt, in dem die Behördenentscheidung getroffen wird. Ein Zuwarten auf eine vollkommen ungewisse künftige Nutzung führt nicht zur Unverhältnismäßigkeit der zu Recht angeordneten Beseitigungsanordnung. Das gilt umso mehr, als seit vielen Jahren keine Nutzungskonzepte vorgelegt wurden, die rechtlich zu einer Privilegierung führen könnten. Das im Zuge der jetzigen Gerichtsverfahren vom Kläger erstellte bzw. vorgelegte Konzept wiederum ist nicht belegt.
Nach alledem wird die Klage abgewiesen. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Dem Kläger sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen. Der Beigeladene hat sich durch die Antragstellung in ein Kostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO begeben, weshalb es der Billigkeit entspricht, dass seine außergerichtlichen Kosten dem unterliegenden Kläger auferlegt werden. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 708ff. ZPO.


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