Baurecht

Abgrabungsgenehmigung für den Abbau von Sandvorkommen

Aktenzeichen  M 11 K 16.2607

Datum:
22.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 8131
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayAbgrG Art. 6 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 S. 1
BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 3, Nr. 4, Abs. 2, Abs. 3 Nr. 5

 

Leitsatz

1. § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB setzt voraus, dass das ortsgebundene Vorhaben dem eigenen Betrieb des Bauherrn dient; insofern gelten die von der Rechtsprechung zu landwirtschaftlichen Betrieben entwickelten Grundsätze sinngemäß. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für Vorhaben, die ihrer Art nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB unterfallen würden, aber dessen Voraussetzungen nicht entsprechen, ist ein Rückgriff auf § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ausgeschlossen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nicht jedes Vorhaben, das sinnvoll nur im Außenbereich verwirklicht werden kann, ist schon deshalb nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im Außenbereich bevorzugt zuzulassen. Das Merkmal des “Sollens” in dieser Vorschrift erfordert vielmehr eine zusätzliche Bewertung. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Erteilung der beantragten Abgrabungsgenehmigung oder erneute Verbescheidung seines Antrags. Der angefochtene Bescheid des Landratsamtes ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Die Bindungswirkung des 1999 erteilten und im Jahr 2002 einmalig verlängerten Vorbescheids ist – insoweit unstreitig – entfallen, die Genehmigungsfähigkeit des gemäß Art. 6 Abs. 1 BayAbgrG genehmigungspflichtigen Vorhabens war daher erneut zu prüfen. Dem Vorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen, die gemäß Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayAbgrG im abgrabungsrechtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.
Das Vorhaben befindet sich im Außenbereich, ist nicht privilegiert und beeinträchtigt gemäß § 35 Abs. 2 BauGB öffentliche Belange.
Das auf den Abbau von Sand gerichtete Vorhaben würde wegen der Ortsgebundenheit von Sandabbau seiner Art nach in den Anwendungsbereich des § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB fallen. Der aufgrund geologischer Anforderungen auf bestimmte Bereiche begrenzte Abbau von Rohstoffen wie Kies und Sand ist ein klassisches Beispiel der Ortsgebundenheit. Die von der Klägerseite in Bezug genommene Zuordnung eines Kiesabbaus zu § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB in einer Entscheidung des OVG Schleswig-Holstein – ohne Begründung und dort auch nicht entscheidungserheblich – stellt die Einordnung nicht in Frage.
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass eine Privilegierung des Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB nicht in Betracht kommt, weil der Kläger keinen gewerblichen Betrieb hat, dem das Vorhaben dienen könnte. Die Kammer weist vorsorglich darauf hin, dass die Beauftragung eines Drittunternehmers durch den Kläger nicht zu einer Privilegierung des Vorhabens des Klägers führt. § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB setzt voraus, dass das ortsgebundene Vorhaben dem eigenen Betrieb des Bauherrn dient – insofern gelten die von der Rechtsprechung zu landwirtschaftlichen Betrieben entwickelten Grundsätze (BVerwG, B.v. 11.8.1989 – 4 B 151/89; B.v. 19.2.1996 – 4 B 20/96 – jeweils juris) sinngemäß.
Eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB scheidet nach Auffassung der Kammer schon wegen der insoweit speziellen Regelung für ortsgebundene Betriebe in § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB aus. Die Kammer geht davon aus, dass für Vorhaben, die ihrer Art nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB unterfallen würden, aber dessen Voraussetzungen nicht entsprechen, ein Rückgriff auf § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ausgeschlossen ist. Der Gesetzgeber hat mit § 35 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 und 5 bis 8 BauGB für bestimmte nach Gegenstand und Funktion umschriebene Vorhaben, die nach seinem Willen bevorzugt dem Außenbereich zugewiesen sind, abschließende Regelungen zur Zulässigkeit solcher Vorhaben getroffen, die einen Rückgriff auf die Auffangvorschrift des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB ausschließen. Dieses sich bereits aus der systematischen Auslegung der Regelungen in § 35 Abs. 1 BauGB ergebende Ergebnis wird auch im Rahmen einer teleologischen Auslegung des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB bestätigt. Nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 sind im Außenbereich Vorhaben privilegiert, die wegen ihrer besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB unterscheidet sich von den übrigen Privilegierungstatbeständen insofern, als die Regelung, ohne den Gegenstand bzw. die Funktion des Vorhabens oder die durch das Vorhaben geförderte Betätigung zu umschreiben, allein darauf abstellt, ob nach Lage der Dinge die Verwirklichung im Außenbereich geboten ist. Diese bloß formale Ausrichtung führt zu einer tatbestandlichen Weite, die zum Schutz des Außenbereichs vor einer unangemessenen Inanspruchnahme durch erhöhte Anforderungen an die übrigen Privilegierungsvoraussetzungen ausgeglichen wird. Nicht jedes Vorhaben, das – wenn überhaupt – sinnvoll nur im Außenbereich verwirklicht werden kann, ist schon deshalb nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im Außenbereich bevorzugt zuzulassen. Das Merkmal des „Sollens“ in dieser Vorschrift erfordert vielmehr eine zusätzliche Bewertung (zusammenfassend BVerwG, B.v. 12.4.2011 – 4 B 6/11 – juris Rn. 7). Soweit der Gesetzgeber – wie in § 35 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 und 5 bis 8 – Gegenstand und Funktion bestimmter Vorhaben gekennzeichnet und die Voraussetzungen für die Zulässigkeit bestimmt hat, ist eine abschließende Wertung aber bereits erfolgt und kein Raum für Wertungen im Rahmen von § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB. Aus der von der Klägerseite in der mündlichen Verhandlung in Bezug genommenen Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Mai 2016 (9 ZB 13.2539) ergibt sich nichts Abweichendes. Das Verhältnis zwischen § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zu anderen Regelungen des § 35 Abs. 1 BauGB war nicht Gegenstand der Entscheidung. Eine Aussage dazu war im Hinblick auf die mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbare Fallkonstellation – ein Schildkrötentierheim, das mangels Bodenertragsnutzung schon der Art nach nicht als landwirtschaftliches Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB angesehen wurde – auch nicht veranlasst.
Das Vorhaben ist damit ein sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB und beeinträchtigt als solches öffentliche Belange. Konkret wird die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Nr. 5 BauGB), weil der Außenbereich in seiner vorgegebenen Funktion durch eine wesensfremde Nutzung zugunsten von Individualinteressen beeinträchtigt würde. Darüber hinaus käme es zu einer Verunstaltung des Landschaftsbildes. Das Vorhaben befindet sich in einer Hügellage, ist gegenüber der angrenzenden Straße deutlich erhöht und wäre weithin wahrnehmbar. Es liegt in einer bisher durch Abbauvorhaben nicht bzw. kaum vorbelasteten Umgebung – ein Grundstück nördlich des Vorhabens auf der gegenüberliegenden Straßenseite, auf dem ein bereits vor Jahren beendeter Kiesabbau erfolgte, ist zwischenzeitlich bewaldet und nahezu nicht mehr als Abbaubereich erkennbar. Die Kammer verkennt nicht, dass die Beeinträchtigungen der natürlichen Eigenart der Landschaft und des Landschaftsbildes nicht über ein typisches Kies- und Sandabbauvorhaben hinausgehen und – jedenfalls nach Maßgabe der plangemäß vorgesehenen Wiederverfüllung und Wiederherstellung als Ackerland – nur vorübergehend wären. Im Hinblick auf die Bezugsfallwirkung einer Zulassung privater Abbauvorhaben im Außenbereich liegt aber bereits mit diesen Wirkungen eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, die – da es sich um ein nicht privilegiertes Vorhaben handelt – nach § 35 Abs. 2 BauGB zur Unzulässigkeit des Vorhabens führen.
Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass mit dem Vorhaben auch Belange des Naturschutzes beeinträchtigt sein dürften – insbesondere im Hinblick auf die Bodenfunktion. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde, die erkennbar von einer Privilegierung des Vorhabens ausging und sich deswegen und mangels eines – über die Beeinträchtigung hinausgehenden – Entgegenstehens öffentlicher Belange auf Fragen der Eingriffsminimierung und die naturschutzrechtlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen beschränkte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.


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