Baurecht

Abgrenzung bauplanungsrechtlicher Innenbereich zu Außenbereich, faktisches Mischgebiet, Gemengelage, Ortsrand, Bebauungszusammenhang, trennende Wirkung, typisierende Betrachtungsweise, Gebot der Rücksichtnahme, Gebietserhaltungsanspruch, Baulücke, störender Gewerbebetrieb, Interessenabwägung

Aktenzeichen  RN 6 S 21.2119

Datum:
29.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 34084
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80a Abs. 3 S. 2
VwGO § 80 Abs. 5, 6
BauGB § 34 Abs. 1, 2
BauGB § 35
BauGB § 212a
BauNVO § 6
TA Lärm

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 30.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragsteller wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für die Erweiterung eines bestehenden Lagerplatzes.
Die Beigeladene beantragte mit Formblättern vom 14. September 2020 die Erteilung einer Baugenehmigung für die „Erweiterung eines bestehenden Lagerplatzes“ auf den Grundstücken Fl.Nrn. 408 und 411 der Gemarkung …, Stadt … Auf den Baugrundstücken betreibt die Beigeladene einen für ihr Bauunternehmen genutzten Lagerplatz. Die Baugrundstücke befinden sich in einem im Flächennutzungsplan als gemischte bzw. gewerbliche Bauflächen ausgewiesenen Gebiet gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Baunutzungsverordnung (BauNVO). Westlich davon befinden sich die Grundstücke des/der Antragsteller zu 1) (Fl.Nr. 412/3, … 10), Antragsteller zu 2) (Fl.Nr. 418/3, … 2), Antragsteller zu 3) bis 5) (Fl.Nr. 418/4, … 4), Antragsteller zu 6) und 7) (Fl.Nr. 421, … 5), Antragsteller zu 8) und 9) (Fl.Nr. 420, … 6), Antragsteller zu 10) (Fl.Nr. 412, … 8), Antragsteller zu 11) und 12) (Fl.Nr. 412/2, … 12), welche sich nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans befinden. Der Flächennutzungsplan weist für die Grundstücke der Antragsteller zu 2) bis 4) eine gemischte Baufläche und für die der übrigen Antragsteller eine Wohnbaufläche (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 BauNVO) aus. Entsprechend den Planunterlagen soll entlang des … auf dem Baugrundstück ein etwa 10 m breiter Grünstreifen sowie daran anschließend ein 2 m hoher Erdwall entstehen.
Aufgrund des Beschlusses des Bauausschusses vom 21. September 2020 verweigerte die Stadt … mit Formblättern vom 23. September 2020 das gemeindliche Einvernehmen. Das Bauvorhaben liege nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans, aber innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, welcher hinsichtlich seiner Nutzung einem Mischgebiet entspreche.
Mit E-Mail vom 29. Januar 2021 reichte die Beigeladene ein schalltechnisches Gutachten für die Erweiterung eines bestehenden Lagerplatzes in … durch die … GmbH vom 18. Januar 2021 ein. Demnach sei ein Betrieb des Lagerplatzes von Montag bis Samstag von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr geplant. Die Schutzwürdigkeit der westlich angrenzenden Wohnbebauung sei entsprechend den Darstellungen im gültigen Flächennutzungsplan der Stadt … eingeordnet worden. Nach Ziffer 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm sei die zu genehmigende Anlage hinsichtlich Lärmimmissionen als nicht relevant anzusehen, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte der maßgeblichen Immissionsorte um mindestens 6 dB(A) unterschreite. Der geplante Lagerplatz werde für die Zwischenlagerung von Baumaterialien genutzt. Die Lkw mit einer Zuladung von 15-25 t kämen über die Zufahrt des Geländes. Als Lärmquellen seien der Lkw-Fahrverkehr, das Rangieren der Lkw, der Radladerbetrieb im Freien und der Mitarbeiter-Parkplatz zu berücksichtigen. Entsprechend der Planungsvariante 3 sei hinsichtlich des Lkw-Fahrverkehrs mit Transportvorgängen von 29 Lkw pro Tag außerhalb der Ruhezeiten und einem Lkw pro Tag in der morgendlichen Ruhezeit zwischen 6:00 und 7:00 Uhr zu rechnen. Für die neu geplanten Stellplätze seien zusätzlich zehn Lkw pro Tag hinzuzurechnen. Tätigkeiten im Freien durch einen Elektroradlader seien mit einem Schallleistungspegel von 98 dB(A) anzusetzen. Die tägliche Einsatzzeit des Radladers betrage auf dem ursprünglichen Betriebsgelände, Fl.Nr. 408 maximal 6 Stunden außerhalb der Ruhezeiten sowie maximal 0,5 Stunden innerhalb der morgendlichen Ruhezeit zwischen 6:00 und 7:00 Uhr. Auf dem geplanten neuen Lagerplatz, Fl.Nr. 411, sei ein Radladerbetrieb täglich für maximal 1,5 Stunden ausschließlich außerhalb der Ruhezeiten zwischen 7:00 und 20:00 Uhr zulässig. Auf der unbefestigten Fläche des Mitarbeiterparkplatzes südlich der Zufahrt zum Betriebsgelände erfolgten innerhalb der morgendlichen Ruhezeit zwischen 6:00 und 7:00 Uhr 15 Anfahrten mit Pkw sowie 5 Abfahrten mit Pritschen-Fahrzeugen/Transporter mit einer entsprechenden Rückfahrt vor 20:00 Uhr. Hinsichtlich der Planungsvariante 3 sei an den maßgeblichen Immissionsorten im Bereich des allgemeinen Wohngebietes mit Immissionswerten zwischen 44,8 und 49,4 dB(A) sowie im Bereich des Mischgebietes zwischen 47,0 und 51,6 dB(A) zu rechnen (s. Seite 10 des schalltechnischen Gutachtens). Es wurden Nebenbestimmungen vorgeschlagen, die vollumfänglich in den Genehmigungsbescheid aufgenommen wurden.
Mit Bescheid vom 1. Oktober 2021 (Az. 00653-V20), den Antragstellern zu 1) bis 9) und 11) bis 12) zugestellt am 6. Oktober 2021 sowie öffentlich bekannt gemacht im Amtsblatt des Landkreises Regen vom 15. Oktober 2021, erteilte das Landratsamt Regen die beantragte Baugenehmigung. Das gemeindliche Einvernehmen wurde ersetzt. Die mit Prüfvermerk vom 3. September 2021 versehenen Bauvorlagen wurden zum Gegenstand der Baugenehmigung gemacht. Als Auflagen des Technischen Umweltschutzes wurde unter anderem in Teil II aufgenommen:
1. Das „Schalltechnisches Gutachten für die Erweiterung eines bestehenden Lagerplatzes in …“ […] ist Bestandteil der Baugenehmigung. Die Genehmigung bezieht sich auf die dort untersuchte Planvariante 3.
2. Vor Inbetriebnahme des Lagerplatzes muss der Erdwall mit einer Höhe von 2 m errichtet werden.
4. Die Beurteilungspegel der von dem gesamten Lagerplatz ausgehenden Geräusche dürfen die in der TA Lärm Ziffer 6.1 Buchst. d und e, hier nach Ziffer 3.2.1 Abs. 2 reduzierten Immissionsrichtwerte an den Wohngebäuden … 5 und 6b von tagsüber 54 dB(A) und an den Wohngebäuden … 6a, 8,10 und 12 von tagsüber 49 dB(A) nicht überschreiten.
6. Der Betrieb des Lagerplatzes ist auf die Tageszeit von 6:00 bis 22:00 Uhr beschränkt.
7. Ab Inbetriebnahme der Lagerplatzerweiterung
– ist auf den gesamten Lagerplatz ausschließlich der Einsatz eines Elektro-Radladers zulässig. Der maximale Schallleistungspegel des Elektro-Radladers darf im Betrieb bzw. unter Praxisbedingungen einen Wert von 98 dB(A) nicht überschreiten.
– darf der Elektro-Radlader auf dem Grundstück Fl.Nr. 408 (bestehender Lagerplatz) in der Zeit von 7:00 bis 20:00 Uhr maximal 6 Stunden am Tag (Betriebszeit) betrieben werden. In der Zeit von 6:00 bis 7:00 Uhr ist der Betrieb maximal 30 Minuten zulässig.
– darf der Elektroradlader auf dem Grundstück Fl.Nr. 411 (Lagerplatzerweiterung) in der Zeit von 7:00 bis 20:00 Uhr 1,5 Stunden betrieben werden.
8. Bei Haldenlagerung staubender Güter auf der Erweiterungsfläche ist durch entsprechende Maßnahmen (Abdeckung, Befeuchtung, Erdwall, Bepflanzung usw.) einer Windverfrachtung vorzubeugen.
9. Fahrwege und Lagerflächen sind in einer der Verkehrsbeanspruchung entsprechenden Stärke mit einer Decke in bituminöser Bauweise, in Zementbeton oder gleichwertigem Material anzulegen und zu befestigen. Die befestigten Flächen sind regelmäßig zu säubern, um Staubaufwirbelungen zu vermeiden.
Die Antragsteller haben am 26. Oktober 2021 Klage gegen den Bescheid zum Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg erheben und zugleich vorliegenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) stellen lassen.
Als Begründung wird vorgebracht, dass der Antrag zulässig und begründet sei. Das am Hang liegende Gebiet, in dem sämtliche Antragsteller wohnten, sei für sich betrachtet als allgemeines Wohngebiet zu beurteilen und auch im Flächennutzungsplan als solches ausgewiesen. Das Gebot der Rücksichtnahme aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO werde nicht ausreichend berücksichtigt. Die Erweiterung des aktuell bereits problematischen Lager- und Umschlagplatzes werde das Konfliktpotenzial mit dem anliegenden allgemeinen Wohngebiet weiter erheblich steigern. Die Baugenehmigung verstoße gegen das Gebot der Gebietsverträglichkeit, in dem es städtebauliche Konflikte provoziere, die die verschiedenen Nutzungen mit sich brächten. Es sei eine Steigerung der Lärm- und Staubbelastungen zu erwarten. Bereits in der aktuellen Situation sei erhebliches Konfliktpotenzial gegeben. Die ursprüngliche Nutzung habe in der Wartung von Maschinen in einer kleinen Wellblechhalle bestanden und ähnelte eher einem Kfz-Reparaturbetrieb. Dies sei am 11. März 2014 genehmigt worden, ohne dass diese Baugenehmigung den Anwohnern zugestellt worden wäre, sodass ihnen nicht bekannt sei, welche Nutzung auf dem Gelände legalisiert worden sei. Von Jahr zu Jahr sei der Betrieb erweitert worden, sodass zuletzt im Mittel ca. 20 Lkw pro Tag in der Zeit von 6:00 bis 22:00 Uhr das Gelände befahren hätten. Hierbei seien jedoch starke Schwankungen zu verzeichnen. Hinzu kämen Bewegungen des Radladers, welcher nahezu ganztägig auf dem Gelände rangiere. Die Lkw ließen häufig den Motor im Stand laufen (auch 15 Minuten und länger). Nachdem die Antragsteller zu keiner Zeit eine Genehmigung erhalten hätten, sei davon auszugehen, dass die Steigerung der Nutzung nie auf ihre Zulässigkeit geprüft worden sei. Die betrieblichen Abläufe umfassten u.a. das Lagern und Verladen von Baustoffen, Erdaushub, Schuttgütern, Baumaschinen sowie das Be- und Entladen und Abstellen verschiedener schwerer Nutzfahrzeuge. Besonders das Rückwärtsfahren derart großer Maschinen erzeuge durch ein durchdringendes Piepsen besondere Störungen. Von einem reinen Lagerplatz könne keine Rede sein. In den letzten Jahren sei bereits ohne Genehmigung an einigen Tagen eine Brecheranlage betrieben worden, welche das in einem Mischgebiet zulässige Maß an Immissionen bei weitem übersteige. Dies sei auch bei einer Erweiterung des bestehenden Lagerplatzes zu erwarten. Es handle sich bei dem Vorhaben nicht um einen nicht störenden Gewerbebetrieb, welcher in einem Mischgebiet noch zulässig wäre. Vielmehr gingen vom Betrieb erhebliche Geräusch- und Staubemissionen aus. Durch die Erweiterung des Lagerplatzes auf die doppelte Größe sei eine erhebliche Zunahme der Beeinträchtigungen zu erwarten. Verwiesen werde insoweit auf Urteile des VG Ansbach vom 22.2.2018 (AN 3 K 16.2050) und BayVGH vom 8.3.2013 (15 B 10.2922). Die vom Antragsgegner vorgesehenen Maßnahmen gegen diese Beeinträchtigungen seien nicht erfolgversprechend, da die … etwa 10-15 m höher als das Gelände des Vorhabens liege. Einige Wohnräume der Antragsteller befänden sich im ersten Stock, welche noch exponierter für die entstehenden Immissionen seien. Auch die Begrenzung des Elektro-Radladers auf einen maximalen Schallleistungspegel von 98 dB(A) sei nicht ausreichend, da bei derartigen Lautstärken davon auszugehen sei, dass die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für ein allgemeines Wohngebiet nicht eingehalten werden könnten. Zudem sei nach Ziffer 6.5 TA Lärm für Tageszeiten mit erhöhter Empfindlichkeit die erhöhte Störwirkung von Geräuschen zu berücksichtigen. Die Auflagen hinsichtlich des Radladers führten zu den Folgeproblemen der Überwachung hinsichtlich dessen zeitlich beschränkt zulässigen Betriebs. Gleiches gelte für die vorbeugenden Maßnahmen wegen der Windverfrachtung durch staubende Güter. Aus den genannten Gründen habe auch die Stadt … das geplante Vorhaben nicht für vereinbar mit der bereits bestehenden Bebauung gehalten und ihr Einvernehmen verweigert.
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der direkt an das Gericht gerichtete Aussetzungsantrag sei bereits unzulässig, da die Antragsteller vorliegend die Bauaufsichtsbehörde nicht nach § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO mit ihrem Aussetzungsbegehren befasst hätten. § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO sei in diesem Zusammenhang richtigerweise als Rechtsfolgenverweis auf § 80 Abs. 6 VwGO anzusehen. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass die Behörde im gerichtlichen Aussetzungsverfahren unterliege, obwohl sie bei originärer Befassung unter Darlegung der Aufschubinteressen dem Begehren aufgeschlossen wäre. Der Antrag sei aber jedenfalls unbegründet. Im Rahmen einer Begutachtung und in enger Abstimmung mit dem Technischen Umweltschutz seien verschiedene Varianten eines möglichen Betriebs untersucht worden. Der … sei in seinem schalltechnischen Gutachten vom 8. Januar 2021 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Planvariante 3 die Anforderungen der TA Lärm erfülle. Für die maßgeblichen Immissionsorte seien aufgrund der Vorbelastung um 6 dB(A) reduzierte Immissionsrichtwertanteile angesetzt worden. Zudem seien die Nutzungszeiten beschränkt worden. Eine vertiefte Diskussion der gutachterlichen Wertung müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Die Begründung überzeuge nicht, dass der bereits vorhandene Betrieb zu einem erheblichen Konfliktpotenzial führe. Ein bereits bestehender Betrieb könne nicht zur Begründung für ein überwiegendes Aussetzungsinteresse dienen. Zudem sei der bestehende Betrieb im schalltechnischen Gutachten berücksichtigt worden und eine Beeinträchtigung sei nicht erkennbar. Fragen des Einschreitens gegen bereits ausgeführte rechtswidrige Nutzungen seien bauaufsichtlich nachzuverfolgen. Es sei nicht zu befürchten, dass Tatsachen geschaffen würden, die eine Beeinträchtigung der Nachbargrundstücke unwiederbringlich hervorriefen. Die Beigeladene sei darauf hingewiesen worden, dass eine Umsetzung des Bauvorhabens auf eigenes Risiko erfolge.
Die Beigeladene äußerte sich bis zum Entscheidungszeitpunkt nicht.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig.
Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist keine vorhergehende Befassung der Behörde mit dem Begehren eines Antragstellers in gegen eine Baugenehmigung gerichteten Nachbarstreitigkeiten veranlasst. Der Verweis auf § 80 Abs. 6 VwGO in § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO ist nach überwiegender Auffassung als Rechtsgrundverweisung und nicht als Rechtsfolgenverweisung zu sehen (h.M.; vgl. nur Eyermann/Hoppe, 15. Aufl. 2019, VwGO, § 80a Rn. 19 m.w.N.; BeckOK VwGO/Gersdorf, 58. Ed. 1.7.2021, VwGO, § 80a Rn. 60 m.w.N.). Der Unterliegensgefahr des Antragsgegners bei überwiegendem Aufschubinteresse kann der Antragsgegner durch Erlass rechtmäßiger Verwaltungsakte begegnen. Im Fall eines – ausnahmsweise – überwiegenden Aufschubinteresses bei rechtmäßigem Verwaltungshandeln besteht in entsprechender Anwendung von § 156 VwGO eine hinreichende gesetzliche Möglichkeit, um bei einem sofortigen Anerkenntnis eines antragstellerischen Begehrens im Rahmen der Kostenentscheidung der fehlenden vorherigen Befassung des Antragsgegners Rechnung zu tragen.
Der Antrag ist jedoch unbegründet, da zumindest nach Abwägung der gegenseitigen Interessen unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertung des § 212a Abs. 1 BauGB zugunsten des sofortigen Vollzugs der Baugenehmigung das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts jedenfalls das Aussetzungsinteresse der Antragsteller überwiegt.
Ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen eine Baugenehmigung hat nur dann Erfolg, wenn das Aussetzungsinteresse der Antragsteller das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des streitgegenständlichen Verwaltungsakts überwiegt. Da an der Umsetzung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse besteht, richtet sich diese Interessenabwägung in der Regel nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Sind die Erfolgsaussichten einer Klage offen, findet eine Abwägung der gegenseitigen Interessen statt.
Vorliegend überwiegt das Interesse am Vollzug der angefochtenen Baugenehmigung das Aussetzungsinteresse der Antragsteller, da ein Obsiegen der Antragsteller in der Hauptsache nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage unwahrscheinlicher erscheint als ein Unterliegen und die Folgen einer Verwirklichung des Vorhabens jedenfalls nicht irreversibel sind. Es spricht einiges dafür, dass die Antragsteller durch die Erteilung der Baugenehmigung vom 1. Oktober 2021 nicht in sie schützenden Rechten verletzt werden (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Prüfungsgegenstand im vorliegenden Verfahren ist allein die angegriffene Baugenehmigung vom 1. Oktober 2021 und die durch sie legalisierten Nutzungen. Vorliegend nicht maßgeblich und ggf. in einem bauaufsichtlich Verfahren zu prüfen sind die durch die Antragstellerseite befürchteten Nutzungen, etwa durch eine Brecheranlage, welche nicht zum Gegenstand der angefochtenen Baugenehmigung gemacht wurden.
Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 59 f. Bayerische Bauordnung (BayBO) ist eine Baugenehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Einem Nachbarn des Bauherrn steht ein Anspruch auf Versagung der Baugenehmigung grundsätzlich nicht zu. Er kann eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg anfechten, wenn Vorschriften verletzt sind, die auch seinem Schutz dienen, oder wenn das Vorhaben es an der gebotenen Rücksichtnahme auf das Grundstück des Nachbarn fehlen lässt und dieses Gebot im Einzelfall Nachbarschutz vermittelt. Nur daraufhin ist das genehmigte Vorhaben in einem nachbarrechtlichen Anfechtungsprozess zu prüfen (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.1994 – 4 B 94/94 – juris; BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 8.84 – juris; BVerwG, U.v. 13.6.1980 – IV C 31.77 – juris). Es ist daher unerheblich, ob die Baugenehmigung einer vollständigen Rechtmäßigkeitsprüfung standhält.
Die streitgegenständliche Baugenehmigung wurde – zu Recht – im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO erteilt, da ihr kein Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 Nrn. 1 – 20 BayBO zu Grunde liegt. Im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren prüft die Bauaufsichtsbehörde gemäß Art. 59 Satz 1 BayBO die Übereinstimmung mit den Vorschriften über die Zulässigkeit der baulichen Anlagen nach den §§ 29 bis 38 BauGB, den Vorschriften über Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO und den Regelungen örtlicher Bauvorschriften i.S.d. Art. 81 Abs. 1 BayBO (Nr. 1), beantragte Abweichungen i.S.d. Art. 63 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 BayBO (Nr. 2) sowie andere öffentlich-rechtliche Anforderungen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird (Nr. 3).
1. Ein Verstoß gegen nachbarschützende Vorschriften des zu prüfenden Bauplanungsrechts in Form des Gebietserhaltungsanspruchs ist aller Voraussicht nach dann nicht gegeben, wenn das streitgegenständliche Vorhaben nicht als zusammen mit den Grundstücken der Antragsteller zu 2) bis 4) in einem einheitlichen faktischen Mischgebiet verortet anzusehen ist (§ 34 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) i.V.m. § 6 BauNVO).
a) Eine Rechtsbeeinträchtigung der Antragsteller nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist wohl nicht unter dem Aspekt des Gebietserhaltungsanspruchs gegeben. Über die Grenzen von Bebauungsplangebieten und faktischen Baugebieten hinaus ergibt sich nämlich kein Gebietserhaltungsanspruch (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2007 – 4 B 55/07 – beck-online). Der Nachbarschutz eines außerhalb der Grenzen des Plangebiets gelegenen Grundstückseigentümers bestimmt sich mangels vorliegenden wechselseitigen Verhältnisses folglich nur nach dem Gebot der Rücksichtnahme (vgl. OVG Greifswald, B.v. 18.12.2007 – 4 B 55/07 – beck-online; VG Gelsenkirchen, U.v. 27.6.2017 – 6 K 1743/16 – beck-online). Bei Annahme eines – entgegen der Annahme der Beteiligten – bauplanungsrechtlichen Außenbereichs scheidet die Geltendmachung eines Gebietserhaltungsanspruch demzufolge schon dem Grund nach aus. Vorliegend sprechen durchaus gewichtige Gründe für das Vorliegen eines bauplanungsrechtlichen Außenbereichs, dessen endgültige Klärung jedoch dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben muss.
Außenbereich sind entsprechend der früheren Legaldefinition des § 19 Abs. 1 Nr. 3 BauGB (i.d.F. bis 1997) und der fortbestehenden ständigen Rechtsprechung diejenigen Gebiete, die weder innerhalb eines Bebauungsplangebietes noch innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile gemäß § 34 BauGB liegen. Bei der Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich geht es darum, inwieweit ein Grundstück zur Bebauung ansteht und sich aus dem tatsächlich Vorhandenen ein hinreichend verlässlicher Maßstab für die Zulassung weiterer Bebauung nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche gewinnen lässt. Die (be-)wertende Betrachtung der konkreten tatsächlichen Verhältnisse kann sich angesichts dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen Kriterien nur nach optisch wahrnehmbaren Merkmalen richten (BVerwG, U.v. 12.12.1990 – 4 C 40.87 – juris, Rn. 22 ff.). Maßgeblich ist dabei, ob diese besonderen topografischen oder geografischen Umstände den Eindruck der Geschlossenheit bzw. Zugehörigkeit einer Fläche zum Bebauungszusammenhang vermitteln (BVerwG, U.v. 29.11.1974 – 4 C 10.73 – Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 46; BVerwG, U.v. 14.11.1991 – 4 C 1.91 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 236). Unter den Begriff der Bebauung im Sinne dieser Vorschrift fällt nicht jede beliebige bauliche Anlage. Gemeint sind vielmehr Bauwerke, die für die angemessene Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung maßstabsbildend sind. Dies trifft ausschließlich für Anlagen zu, die optisch wahrnehmbar und nach Art und Gewicht geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten städtebaulichen Charakter zu prägen (vgl. BVerwG, U.v. 14.9.1992 – 4 C 15.90; BVerwG, U.v. 17.6.1993 – 4 C 17.91 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nrn. 152 und 158). Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen (vgl. BVerwG, U.v. 17.2.1984 – 4 C 55.81 – Buchholz 406.11 § 34 BBauG Nr. 97). Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt zu werden pflegen, sind unabhängig davon, ob sie landwirtschaftlichen Zwecken (z.B. Scheunen oder Ställe), Freizeitzwecken (z.B. kleine Wochenendhäuser, Gartenhäuser) oder sonstigen Zwecken dienen, in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen als ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element zu Buche schlagen (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.1992 – 4 B 35.92 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 149). Dass sie als bauliche Anlagen im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB zu qualifizieren sind, ändert nichts an dieser Beurteilung. Ein Bebauungszusammenhang muss zwar nicht unmittelbar mit dem letzten Baukörper enden. Es verbietet sich jedoch umgekehrt auch die Annahme, dass notwendigerweise das letzte Grundstück in seinem gesamten Umfang vom Zusammenhang erfasst wird (BVerwG, U.v. 6.11.1968 – 4 C 47.68 – Buchholz 406.11 § 19 BBauG Nr. 20 = juris, Rn. 19; BVerwG, U.v. 3.3.1972 – 4 C 4.69 – BRS 25 Nr. 39 = juris, Rn. 17). Wie weit der Bebauungszusammenhang im Einzelfall reicht, kann daher stets nur das Ergebnis einer Bewertung des konkreten Sachverhalts sein. Bei dieser Einzelfallbetrachtung ist zu fragen, ob sich tragfähige Argumente dafür finden lassen, mit denen sich die Anwendbarkeit der Vorschriften über den unbeplanten Innenbereich rechtfertigen lässt. Fehlt es hieran, so liegt – deshalb – Außenbereich vor (BVerwG, U.v. 14.12.1973 – 4 C 48.72 – Buchholz 406.11 § 19 BBauG Nr. 30 = juris, Rn. 29). Maßgeblich ist, wie weit eine aufeinander folgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche selbst diesem Zusammenhang angehört (vgl. BVerwG, U.v. 6.11.1968 – 4 C 2.66 – BVerwGE 31, 20; BVerwG, U.v. 19.9.1986 – 4 C 15.84 – BVerwGE 75, 34; BVerwG, U.v. 14.11.1991 – 4 C 1.91 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 336). Das ist nicht nach geographisch-mathematischen Maßstäben zu entscheiden. Vielmehr bedarf es einer umfassenden Wertung und Bewertung der konkreten Gegebenheiten (vgl. BVerwG, U.v. 6.12.1967 – 4 C 94.66 – BVerwGE 28, 268; BVerwG, B.v. 27.5.1988 – 4 B 71.88 – Buchholz 406.11 § 34 BBauG/BauGB Nr. 127; BVerwG, B.v. 1.4.1997 – 4 B 11.97 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 328). Ein Bebauungszusammenhang scheidet z.B. auch bei einer Grundstückslage am Ortsrand nicht von vornherein aus. Zwar endet er in aller Regel am letzten Baukörper; örtliche Besonderheiten können es aber rechtfertigen, ihm noch bis zu einer natürlichen Grenze (z.B. Fluss, Waldrand o.ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind und trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.1990 – 4 C 40.87 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 138; BVerwG, B.v. 18.6.1997 – 4 B 238.96; BVerwG, B.v. 20.8.1998 – 4 B 79.98 – NVwZ-RR 1998, 157 und 1999, 105 = Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nrn. 186 und 191).
Vorliegend sieht das Gericht aufgrund der eingesehen Luftbilder und Lagepläne erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass das Bauvorhaben im bauplanungsrechtlichen Außenbereich errichtet werden soll. Entsprechend der oben dargestellten Voraussetzungen für eine maßstabsbildende, prägende Bebauung hinsichtlich Art und Gewicht spricht einiges dafür, dass der Bebauungszusammenhang westlich des … und in südlicher Richtung an der Grenzbebauung an den Grundstücksgrenzen der Grundstücke Fl.Nrn. 407 und 408 endet. Lagerflächen als solche sind schon nicht tauglich, um insbesondere hinsichtlich des Maßes baulicher Nutzung einen verlässlichen Bezug für eine weitere bauliche Entwicklung zu liefern. Vereinzelte bauliche Anlagen auf den Grundstücken Fl.Nrn. 408, 411 und auch 409 dienen – soweit derzeit ersichtlich – nicht dem ständigen Aufenthalt von Menschen. Gleiches gilt für die baulichen Anlagen auf dem östlich des Vorhabens gelegenen Grundstück Fl.Nr. 404, bei welchem es sich entsprechend der Luftbilder um eine Kläranlage handeln dürfte. Überwiegende Gründe sprechen auch dafür, dass es sich bei den Grundstücken Fl.Nrn. 408 und 411 nicht um eine bloße Baulücke zwischen der vorhandenen Bebauung und dem nördlich gelegenen Baumbestand sowie dem östlich gelegenen und von zwei Baumreihen gesäumten Fahrradweg mit anschließendem Feldweg handelt. Insoweit begegnet es bereits Bedenken, eine trennende Wirkung des östlich gelegenen Fahrradweges anzunehmen. Auch dürfte eine trennende Wirkung wohl erst durch den Baumbestand nördlich des Grundstücks Fl.Nr. 409 festzustellen sein, nachdem dieses Grundstück ebenfalls, soweit aus den Luftbildern ersichtlich, als Lagerfläche genutzt und lediglich durch eine einreihige und nicht durchgängige Baumreihe von den Grundstücken Fl.Nrn. 408 und 411 getrennt ist. Eine endgültige Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse bedarf insoweit jedoch noch einer Klärung im Hauptsacheverfahren durch den insoweit noch nicht erfolgten Vortrag der Beteiligten und einer ggf. erforderlichen Ortseinsicht. Bei der Einordnung als bauplanungsrechtlicher Außenbereich verkennt das Gericht nicht, dass diese einer schematischen Beurteilung nicht zugänglich ist und einer umfassenden Einzelfallbeurteilung bedarf. Hinzuweisen ist jedoch dennoch darauf, dass bereits die Dimensionen der Grundstücke Fl.Nrn. 408 und 411 mit einer Breite von ca. 90-120 m und einer Nord-Süd-Ausdehnung von bis zu 180 m sowie von Grundstücksflächen 7.766 m² und 5.035 m² (= 12.801 m²) zzgl. der ggf. erforderlichen Hinzurechnung des Grundstücks Fl.Nr. 409 ein erhebliches Indiz für die Verneinung einer bloßen Baulücke darstellen, sofern überhaupt eine natürliche Abgrenzung durch Waldbestand und Fahrradweg anzunehmen wäre (EZBK/Söfker, 142. EL Mai 2021, BauGB, § 34 Rn. 23 mit zahlreichen Beispielen aus der Rechtsprechung; vgl. etwa BayVGH, U.v. 16.6.2015 – 1 B 14.2772 – BeckRS 2015, 49583: 3.300 m² großes Baugrundstück keine Baulücke mehr).
b) Sofern das Hauptsacheverfahren ergäbe, dass die Baugrundstücke noch als innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles gemäß § 34 BauGB anzusehen wären, schiede eine Verletzung des Gebietserhaltungsanspruchs aus, sofern die Eigenart der näheren Umgebung nicht einem der Baugebiete entsprechend der BauNVO entspräche (EZBK/Söfker, 142. EL Mai 2021, BauGB, § 34 Rn. 140). Die Antragsteller wären demnach in erster Linie auf die Geltendmachung eines Verstoßes gegen das nachbarschützend Gebot der Rücksichtnahme beschränkt.
c) Soweit das Gericht den übereinstimmenden Annahmen der Beteiligten und der Stadt … folgen und die Baugrundstücke als zusammen mit den Grundstücken der Antragsteller zu 2) bis 4) in einem einheitlichen faktischen Mischgebiet gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO liegend ansehen würde, wären die Antragsteller zu 2) bis 4) in ihrem Anspruch auf Gebietserhaltung verletzt, da es sich bei dem Vorhaben nicht um einen im Mischgebiet zulässigen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieb gem. § 6 Abs. 1 BauNVO handelt. Der Betrieb wäre wegen seines Störpotentials gebietsunverträglich und damit bauplanungsrechtlich unzulässig.
Um zu klären, ob ein Vorhaben einen das Wohnen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieb darstellt, ist eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde zu legen (BayVGH, U.v. 8.3.2013 – 15 B 10.2922 – juris, Rn. 21). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat hierzu für die hinsichtlich Dorfgebiete gleich geltenden Maßstäbe folgendes ausgeführt:
„Bei der Prüfung, ob ein Betrieb zu den nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieben im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 BauNVO gehört, ist von einer typisierenden Betrachtungsweise auszugehen (BVerwG vom 10.7.1964 BRS 15, Nr. 17; vom 21.3.2002 BVerwGE 116, 155 ff.; BayVGH vom 23.3.2010 Az. 15 N 09.2322 RdNr. 13).
Die typisierende Betrachtungsweise wird der Baugebietstypologie der Baunutzungsverordnung in größerem Maße als eine jeweils an den konkreten Verhältnissen eines Betriebes ausgerichtete Einzelfallprüfung gerecht (vgl. hierzu auch BayVGH vom 22.7.2004 Az. 26 B 04.931 RdNr. 21). Die Baunutzungsverordnung will durch die Zuordnung von Nutzungen zu Baugebietstypen die oft gegenläufigen Interessen unterschiedlicher Nutzungen in einen schonenden Ausgleich bringen (BVerwG vom 21.3.2002 a.a.O.). Ausgehend von der Zweckbestimmung des jeweiligen Gebietes und dem damit einhergehenden spezifischen „Gebietscharakter“ benennt sie deshalb regelhaft die zulässigen und ausnahmsweise zulässigen Nutzungen. Denn der Ausgleich der in einem Gebiet zulässigen Nutzungen soll nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers ohne ständige Überwachung stark individualisierter, gleichsam maßgeschneiderter Baugenehmigungen, sondern von vorneherein durch die Beschränkung auf die den Gebietscharakter wahrenden Vorhaben erfolgen. Damit sollen Konflikte und Spannungen, die auftreten, wenn „typischerweise“ gebietsunverträgliche Betriebe im Einzelfall durch maßgeschneiderte Baugenehmigungen erst an ihre Umgebung angepasst werden müssen oder wenn sie ein zukünftiges Störpotential in sich tragen, das einer ständigen, nur schwer praktikablen Überwachung bedarf, vermieden werden (BayVGH vom 2.11.2004 Az. 20 ZB 04.1559 RdNr. 5). Dies setzt ein entsprechendes Maß an Typisierung voraus.
Der Beurteilung der „Gebietsverträglichkeit“ eines Vorhabens auf Grundlage einer typisierenden Betrachtung ist das Maß der Störung und das mit der Art des Betriebes verbundene Störpotential zugrunde zu legen (BVerwG vom 3.1.1973 Az. IV B 171.72 RdNr. 2). Ein Vorhaben ist „gebietsunverträglich“, wenn es – bezogen auf den jeweiligen Gebietscharakter – aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirkt. Dies ist ohne weiteres zu bejahen, wenn ein Betrieb „zu einer Gruppe von Gewerbebetrieben gehört, die wegen ihrer besonderen Eigenart Gebieten, in denen größere Teile der Bevölkerung wohnen, wesensfremd sind und deshalb stets als unerträglich empfunden werden“ (BVerwG vom 10.7.1964 a.a.O.). […] Demgegenüber sind die konkreten Verhältnisse eines Betriebes maßgeblich, wenn der Betrieb zu einer Branche gehört, bei der die Bandbreite des Störgrades der üblichen Betriebsformen vom nicht wesentlich störenden bis zum störenden oder gar bis zum erheblich belästigenden Betrieb reicht (BVerwG vom 11.4.1975 a.a.O.; BayVGH vom 17.3.2008 Az. 1 B 06.3146 RdNr. 21). Auch hier ist die Prüfung des dem Betrieb innewohnenden Störpotentials jedoch auf das Ausmaß der typischerweise bei einer solchen Betriebsform auftretenden Störungen auszurichten (BVerwG vom 28.2.2008 BayVBl 2008, 542; BayVGH vom 13.12.2006 NVwZ-RR 2007, 659 ff). Das Störpotential ist mit Blick auf den räumlichen Umfang, die Größe des betrieblichen Einzugsbereiches, die Art und Weise der Betriebsvorgänge, den vorhabenbedingten An- und Abfahrtsverkehr, die zeitliche Dauer dieser Auswirkungen und ihre Verteilung auf die Tages- und Nachtzeiten zu beurteilen. Nicht entscheidend ist demgegenüber, ob mit der konkreten Nutzung die immissionsschutzrechtlich vorgegebenen Lärmwerte eingehalten werden (BVerwG vom 21.3.2002 a.a.O.; BayVGH vom 23.3.2010 a.a.O.). Denn bei dem Kriterium der Gebietsverträglichkeit geht es um eine – vorsorgende – Vermeidung städtebaulicher Konflikte, die Nutzungen mit sich bringen, die den Gebietscharakter stören.“
Ausgehend von diesen Maßstäben handelt es sich vorliegend nicht mehr um einen nicht wesentlich störenden Gewerbebetrieb. Dies legt bereits der Umfang des Betriebes nahe, welcher entsprechend der zum Gegenstand der Genehmigung gemachten schalltechnischen Untersuchung in seinem derzeitigen Bestand bereits 30 Lkw-Bewegungen pro Tag und durch seine Erweiterung weitere 10 Lkw-Bewegungen pro Tag umfassen soll. Zusätzlich wäre der Einsatz eines Radladers im Umfang von 6,5 Stunden pro Tag im derzeitigen Lagerbereich und 1,5 Stunden im künftigen Lagerbereich zulässig. Bereits dies zeigt eindrücklich, dass der Betrieb mit umfänglichen Umschlagstätigkeiten einhergehen wird, welche aufgrund der Lärmintensität nicht mit der auch zulässigen Wohnnutzung in einem faktischen Mischgebiet verträglich wäre. Vorliegend spricht gegen eine Zulässigkeit des Vorhabens bei einer typisierenden Betrachtungsweise, dass gerade ein Paradefall einer maßgeschneiderten Baugenehmigung im Sinne o.g. Rechtsprechung des BayVGH vorliegt. Insoweit darf auf die Planvariantenberechnung durch die … GmbH vom 18. Januar 2021 verwiesen werden. Die Zulassung des Vorhabens ginge mit der Notwendigkeit einer ständigen Überwachung einher, welche nachbarlichen Grundstückseigentümern in einem faktischen Mischgebiet gerade nicht zugemutet werden soll. Sofern in der Vergangenheit der Betrieb eines Lagerplatzes mit umfangreichen Reparatur- und Wascharbeiten sowie dem gelegentlichen Betrieb einer Brecheranlage einhergegangen sein sollte, entsprechen derartige Sachverhalte gerade den Szenarien, welche mit einer typisierenden Betrachtungsweise bei der Zulässigkeitsbeurteilung von Vorhaben beim Vorliegen eines Baugebietstypus verhindert werden sollen.
Es kann daher auch eine Abweichung von der typischen Betrachtungsweise nicht geboten sein, weil der individuelle Betrieb des Lagerplatzes der Beigeladenen vom Typus eines sonstigen Bauunternehmens abweichen würde und diese atypische Betriebsweise durch konkrete Vorkehrungen gesichert wäre. Insgesamt stellt sich der Betrieb dahingehend dar, dass die Verweisung der Nachbarschaft auf den Erlass von Auflagen in einem Genehmigungsbescheid für diese unzumutbar wäre, da Nachbarn ohne aufwändige Gutachten nicht feststellen könnten, ob der Betrieb die zulässigen Lärmwerte einhält (so auch OVG Lüneburg, U.v. 29.8.1995 – 1 L 3462/94 – BauR 1996, 79). Eine der BauNVO zugrunde liegende echte nachbarliche Konfliktschlichtung würde durch Zulassung des Betriebs bei gleichzeitigem Erlass umfangreicher Auflagen nicht stattfinden. Entsprechende Lärmschutzauflagen wären unter diesem Gesichtspunkt lediglich ein „Feigenblatt“ zur Zulassung einer an sich unverträglichen Nutzung (vgl. auch OVG Lüneburg, B.v. 5.11.1994 – 1 M 4954/94 – juris).
Ob das Gericht entgegen noch dagegen sprechender gewichtiger Anhaltspunkte den Beteiligten folgen und ein faktisches Mischgebiet gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO annehmen wird, kann dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben, da jedenfalls aufgrund der vorzunehmenden Gesamtabwägung die aufschiebende Wirkung der Klage nicht anzuordnen ist (siehe Ziff. 3).
2. Das genehmigte Bauvorhaben der Beigeladenen verletzt nicht das bauplanungsrechtliche Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme.
Ob der streitgegenständliche Lagerplatz im bauplanungsrechtlichen Innen- oder Außenbereich liegt, kann insoweit dahinstehen. Im Außenbereich leitet sich das Rücksichtnahmegebot aus § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB ab, indem es Dritte vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Vorhaben im Außenbereich schützt (vgl. BVerwG, U.v. 25.02.1977 – 4 C 22.75 – juris). Schädliche Umwelteinwirkungen definiert § 3 Abs. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) als Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen. Im bauplanungsrechtlichen Innenbereich enthielte das Tatbestandsmerkmal des Einfügens das Gebot der Rücksichtnahme.
Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt nach der Rechtsprechung wesentlich von den jeweiligen Umständen ab. Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme im gegebenen Zusammenhang zugutekommt, umso mehr kann er an Rücksichtnahme verlangen. Je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht derjenige, welcher das Vorhaben verwirklichen will, Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.1993 – 4 C 5/93 – juris; BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris). Bei diesem Ansatz kommt es für die sachgerechte Beurteilung des Einzelfalls wesentlich auf die Abwägung zwischen dem an, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zuzumuten ist (vgl. BayVGH, B.v. 25.10.2010 – 2 CS 10.2137 – juris). Das Gebot der Rücksichtnahme ist demnach nur dann verletzt, wenn die einem Antragsteller aus der Verwirklichung des geplanten Vorhabens resultierenden Nachteile das Maß dessen übersteigen, was ihm als Nachbarn billigerweise noch zumutbar ist.
Durch das genehmigte Vorhaben sind die Antragsteller keinen unzumutbaren Lärmimmissionen ausgesetzt.
Bezüglich der Grenze dessen, was an Geräuschbelastungen rechtlich zuzumuten ist, orientiert sich die Rechtsprechung an den Regelungen der gemäß § 48 BImSchG erlassenen Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) in deren derzeitiger Fassung vom 26. August 1998 (GMBl. 1998, 503), zuletzt geändert durch die Verwaltungsvorschrift vom 1. Juni 2017 (BAnz AT 08.6.2017 B5). Die antragstellerischen Anwesen befinden sich mit Ausnahme der Antragsteller zu 11) und 12) allesamt in der von den untersuchten Immissionsorten im … entfernter gelegenen … Für das Grundstück der Antragsteller zu 11) und 12) ergibt sich ein prognostizierter Beurteilungspegel von bis zu 44,8 dB(A). Aufgrund der weiteren Entfernung sowie der abschirmenden Wirkung der Gebäude im … ist trotz eines höheren Geländeniveaus in der … erfahrungsgemäß von niedrigeren Beurteilungspegeln auszugehen. Eine substantielle Auseinandersetzung mit den fachlichen Ausführungen im schalltechnischen Gutachten durch die … GmbH vom 18. Januar 2021 erfolgt durch die Antragsteller ohnehin nicht. Fachliche Fehler, insbesondere die Außerachtlassung wesentlicher Emissionsquellen sind auch für das Gericht nicht ersichtlich, sodass im Rahmen der summarischen Überprüfung im Eilrechtschutzverfahren den gutachterlichen Ergebnissen gefolgt wird.
Nähme man die durch die Beteiligten zu Grunde gelegte Schutzwürdigkeit eines allgemeinen Wohngebietes nach Ziffer 6.1 Abs. 1 e) TA Lärm an, wären Lärmimmissionen zumutbar, soweit der Immissionsrichtwert tags von 55 dB(A) und nachts von 40 dB(A) nicht überschritten wird. Nach Absatz 2 dürfen einzelne kurzzeitige Geräuschspitzen die Immissionsrichtwerte tags um nicht mehr als 30 dB(A) und nachts um nicht mehr als 20 dB(A) überschreiten. Die Tagzeit beginnt nach Ziffer 6.4 TA Lärm um 6.00 Uhr und endet um 22.00 Uhr.
Nach Ziffer 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm ist die zu genehmigende Anlage hinsichtlich Lärmimmissionen als nicht relevant anzusehen, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte der maßgeblichen Immissionsorte um mindestens 6 dB(A) – wie vorliegend gutachterlich festgestellt – unterschreitet. Demzufolge kann es vorliegend dahinstehen, ob von erhöht zulässigen Immissionsrichtwerten gem. Ziff. 6.7 TA Lärm auszugehen wäre, wenn das Gericht abweichend von den Beteiligten im Hauptsacheverfahren von einer Gemengelage oder einer Randlage zum Außenbereich ausgehen und dementsprechend einen geeignet erscheinenden Zwischenwert bilden würde. Hinzuweisen ist für den Fall der Annahme einer Lage des Vorhabens im bauplanungsrechtlichen Außenbereich, dass gemäß Ziff. 6.6 der TA Lärm Gebiete und Einrichtungen, für die keine Festsetzungen bestehen, nach Ziff. 6.1 entsprechend der Schutzbedürftigkeit zu beurteilen sind. Sachgerecht erscheint es regelmäßig, dass die Schutzbedürftigkeit des Außenbereichs nicht über die eines ebenfalls von landwirtschaftlichen Nutzungen geprägten Dorfgebietes hinaus geht. Demnach wäre an den Anwesen der Antragsteller ein tagsüber zulässiger Immissionsrichtwert zwischen 55 und 60 dB(A) festzulegen.
Soweit die Antragstellerseite anführt, dass auch durch zu erwartende Staubimmissionen das Gebot der Rücksichtnahme verletzt sei, ist darauf hinzuweisen, dass diesem Umstand mit bei vergleichbaren Anlagen üblichen Auflagen in Ziffer 8 und 9 begegnet und dies im Genehmigungsbescheid mitaufgenommen wurde.
Weitere Anhaltspunkte dafür, dass die erteilte Baugenehmigung in bauplanungs- oder bauordnungsrechtlicher Hinsicht drittschützende Normen verletzen könnte, sind nicht ersichtlich und wurden auch von den Antragstellern nicht vorgebracht.
3. Bei der Annahme von offenen Erfolgsaussichten hinsichtlich der noch nicht abschließend geklärten bauplanerischen Einordnung der Vorhabengrundstücke und der Grundstücke der Antragsteller und einer ggf. im Hinblick auf eine im Hauptsacheverfahren etwaig erforderliche Feststellung der örtlichen Verhältnisse im Rahmen eines durchzuführenden Augenschein geht im vorliegenden Einzelfall die Abwägung der widerstreitenden Interessen hier zulasten der Antragsteller. Hierfür spricht neben der gesetzgeberischen Wertung aus § 212a Abs. 1 BauGB die Überlegung, dass bei der Anlage eines Lagerplatzes mit insoweit überschaubarem baulichen Aufwand auch nicht zu befürchten wäre, dass irreversible rechtswidrige Verhältnisse entstehen. In diesem Fall überwiegen die dargestellten Interessen am Vollzug der Baugenehmigung das Interesse der Antragsteller, dass das Bauvorhaben nicht vor der rechtskräftigen Entscheidung des Hauptsacheverfahrens verwirklicht wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren den Antragstellern nicht aufzuerlegen, da die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich gem. § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i. V. m. den Nr. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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