Baurecht

Abgrenzung von Innen- und Außenbereich bezogen auf ein geplantes Schwimmbad

Aktenzeichen  M 11 K 15.1018

Datum:
25.2.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 34, § 35

 

Leitsatz

Ein Schwimmbad ist nicht wertungsmäßig im Sinne einer „Korrektur“ der tatsächlichen Umstände als akzessorisch zum Hauptbaukörper und demzufolge noch zu einer Innenbereichsgenehmigung dazuzählen, denn ein Schwimmbad ist nicht verkehrsüblich, da Wohnhäuser regelmäßig nicht über eine solche Einrichtung verfügen.   (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Das Verfahren wird eingestellt, soweit es übereinstimmend für erledigt erklärt wurde. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt 1/5, der Beklagte 2/5 und die Beigeladene ebenfalls 2/5 der Gerichtskosten.Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Beklagte 2/5, die Beigeladene ebenfalls 2/5. Von den außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt der Kläger 1/5. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Soweit die Hauptbeteiligten das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren einzustellen. Im Übrigen hat die Klage, soweit sie aufrechterhalten wurde, keinen Erfolg.
1. Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen, soweit die Hauptbeteiligten (vgl. dazu BayVGH, B.v. 12.10.2010 – 12 ZB 10.1269 -, juris Rn. 1 f.) in der mündlichen Verhandlung die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben; nämlich in Bezug auf den vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung erteilten Vorbescheid hinsichtlich des Einfamilienhauses als abtrennbaren bzw. jedenfalls abgetrennten Teils des ursprünglichen einheitlichen Vorbescheidsantrags. Die Verfahrenseinstellung und die entsprechende Kostenentscheidung müssen insoweit nicht gesondert durch Beschluss erfolgen. Vielmehr kann darüber gemeinsam im Urteil über den anhängig gebliebenen Streitgegenstand entschieden werden (BVerwG, U.v. 06.02.1963 – V C 24/61 -, NJW 1963, 923 = Buchholz 310 § 158 VwGO Nr. 1).
2. Soweit die Klage aufrechterhalten wurde, nämlich hinsichtlich des Vorbescheidsantrags bezogen auf das Schwimmbad, hat sie keinen Erfolg, da sie unbegründet ist. Der Standort des Schwimmbades befindet sich im bauplanungsrechtlichen Außenbereich (vgl. nachfolgend 2.1) und ist dort bauplanungsrechtlich nicht zulässig (nachfolgend 2.2).
2.1 Das Vorhaben Schwimmbad, das eine bauliche Anlage i. S.v. § 29 Abs. 1 BauGB darstellt (vgl. nur OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 10.04.2015 – 1 A 11037/14 -, juris Rn. 6), ist nicht genehmigungsfähig. Es liegt im bauplanungsrechtlichen Außenbereich gemäß § 35 BauGB, da der Bebauungsplan der Beigeladenen, der das gesamte Vorhabengrundstück erfassen würde, zumindest hinsichtlich dieses Grundstückes unwirksam ist (vgl. 2.1.1) und der Standort des beabsichtigten Schwimmbades auch außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile der Beigeladenen liegt (2.1.2).
2.1.1 Der Bebauungsplan Nr. … „…“ der Beigeladenen ist jedenfalls bezogen auf das klägerische Grundstück FlNr. … Gemarkung …, für das die Verpflichtung zur Erteilung eines Vorbescheids beantragt wurde, unwirksam. Zumindest die Regelung hinsichtlich der Art der Nutzung für dieses Grundstück (A. 2.5 „Landwirtschaft“) ist unwirksam, was wegen der Wesentlichkeit von Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung zur Folge hat, dass der Bebauungsplan Nr. … „… hinsichtlich dieses Grundstücks unwirksam ist.
2.1.2 Während das – inzwischen positiv mit erteiltem Vorbescheid behandelte – Einfamilienhaus noch dem Bebauungszusammenhang angehört, den – als Abschluss zum Außenbereich Richtung Osten – das Bestandsgebäude auf dem streitgegenständlichen Grundstück sowie jenseits des Weges … das Wohngebäude auf FlNr. … Gemarkung … bilden, liegt das in den Anlagen 1 und 2 zum Vorbescheidsantrag eingezeichnete Schwimmbad geografisch eindeutig außerhalb des Bebauungszusammenhangs. Es ist auch nicht wertungsmäßig im Sinne einer „Korrektur“ der tatsächlichen Umstände als noch zum bereits bestehenden Wohnhaus dazuzurechnen. Es mag Fälle geben, in denen vergleichbare Bauten noch als akzessorisch zum Hauptbaukörper dazuzuzählen sind und demzufolge noch zu einer Innenbereichsgenehmigung dazuzählen können. Das streitgegenständliche Schwimmbad rechnet jedoch nicht dazu.
Denn es zählt in der konkreten Grundstückssituation nicht mehr zu der verkehrstypischen Ausstattung des bestehenden Wohnhauses. Das Schwimmbad lässt sich weder mit einer von der Rechtsprechung noch als angemessen angesehenen Pkw-Garage noch beispielsweise mit einer Terrasse vergleichen. Während sich die Verkehrsüblichkeit einer Garage daraus ergibt, dass zur funktionsgerechten Nutzung auch eines im Außenbereich gelegenen Wohngebäudes die Möglichkeit gehört, ein Kraftfahrzeug (sicher) abstellen zu können (BVerwG, U.v. 17.01.1986 – 4 C 80.82 -, BVerwGE 72, 362), folgt dies für eine Terrasse daraus, dass es sich hierbei nach der Verkehrsanschauung um eine (weit verbreitete) Fortsetzung der Wohnnutzung in den Grundstücksaußenbereich handelt, die in aller Regel unmittelbar an das Wohngebäude anschließt, jedenfalls aber stets einen engen räumlichen wie funktionalen Bezug zu dem Wohngebäude aufweist. Dementsprechend verfügt eine Vielzahl von Wohngebäuden über Garagen bzw. Terrassen. Ein Schwimmbad ist dagegen nicht verkehrsüblich, da Wohnhäuser regelmäßig nicht über eine solche Einrichtung verfügen (VGH Baden-Württemberg, U.v. 26.07.2013 – 3 S 241/12 -, juris Rn. 31). Schwimmbäder gehören zudem nicht zur funktionsgerechten Nutzung eines Wohnhauses. Wegen dieses Punkts ist auch die unterschiedliche Behandlung z. B. im Vergleich mit einer Garage gerechtfertigt. Daher schadet es in diesem Zusammenhang auch nicht, dass etwa eine Garage für den Betrachter optisch deutlich stärker in Erscheinung tritt als ein in den Boden eingelassenes Schwimmbecken, das vorliegend aufgrund der konkreten Örtlichkeit von der Straße aus nicht wahrgenommen werden kann.
2.2 Das Schwimmbad ist bauplanungsrechtlich unzulässig. Es handelt sich um ein sonstiges Vorhaben i. S.v. § 35 Abs. 2 BauGB, das jedoch Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beeinträchtigt. Es beeinträchtigt insbesondere den öffentlichen Belang des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB, daneben auch § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB.
Die (befürchtete) Erweiterung einer Splittersiedlung in den Außenbereich hinaus besteht hier deshalb, weil der Außenbereich grundsätzlich von allen nicht unmittelbar seinem Wesen und seiner Funktion entsprechenden Baulichkeiten freigehalten werden soll und eine planungsrechtlich unerwünschte Zersiedelung nicht nur von Wohngebäuden, sondern auch von anderen baulichen Anlagen, wie z. B. Schwimmbädern, ausgehen kann, die von Menschen nur zu einem gelegentlichen Aufenthalt genutzt werden.
Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zufolge ein Vorgang der Zersiedelung insbesondere dann vorliegt, wenn das Vorhaben eine deutliche Unterordnung unter den vorhandenen Bestand vermissen lässt (vgl. BVerwG, U.v. 03.06.1977 – 4 C 37.75 -, BVerwGE 54, 73 (78)), was hier nicht der Fall ist, ergibt sich nichts anderes. Denn diese Ausführungen sind nicht abschließend und beschreiben nur eine von mehreren Fallgruppen, in denen ein nach dieser Bestimmung unzulässiger Zersiedelungsvorgang gegeben ist. Die Unvereinbarkeit mit einer geordneten Siedlungsstruktur kann sich nämlich auch daraus ergeben, dass das Vorhaben eine weitreichende oder doch nicht genau übersehbare Vorbildwirkung besitzt und daher seine unabweisbare Konsequenz sein könnte, dass in nicht verlässlich eingrenzbarer Weise noch weitere Bauten hinzutreten werden (so ausdrücklich BVerwG, U.v. 03.06.1977, a. a. O.). Dabei können auch kleinere Bauten im Anschluss an ein vorhandenes Gebäude im Außenbereich die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen (OVG Lüneburg, U.v. 23.08.1993 – 6 L 3026/91 -, Rn. 22). Die Umgebung des Grundstücks des Klägers weist nach ihrer natürlichen Beschaffenheit vergleichbare Verhältnisse auf, weshalb es nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Vorhaben Vorbild sein könnte für das Entstehen weiterer baulicher Anlagen im beginnenden Außenbereich.
Dazu kommt noch, dass sich die Befürchtung einer Erweiterung auch daraus ergibt, dass mit dem Schwimmbad eine bauliche Anlage hinzutreten würde, die das Bild der vorhandenen Kulturlandschaft nicht prägt, lediglich der Freizeitnutzung dient und daher im Außenbereich nicht zuzulassen ist.
Das Vorhaben würde auch die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen, nicht dagegen den Natur- oder Landschaftsschutz, was aber wegen der eigenständigen Bedeutung der „natürlichen Eigenart der Landschaft“ auch nicht erforderlich ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 161 Abs. 2 VwGO sowie §§ 154 Abs. 3 Hs. 1 und 162 Abs. 3 VwGO bezogen auf die Beigeladene.
Der vorgenommenen Quotelung liegt die auch für die Streitwertfestsetzung maßgebende Erwägung zugrunde, dass für die Klage auf Verpflichtung zur Erteilung des Vorbescheids hinsichtlich des Einfamilienhauses nach Nr. 9.2 i. V. m. Nr. 9.1.1.1 des Streitwertkatalogs ein Streitwert von EUR 20.000 anzusetzen ist – eine Reduzierung findet nicht statt, da es vorliegend bei Klageerhebung um die Frage der Bebaubarkeit ging – und hinsichtlich des Schwimmbads mangels anderweitiger Anhaltspunkte der Regelstreitwert von EUR 5.000, § 52 Abs. 2 GKG. Das ergibt zusammen EUR 25.000. Da der Beklagte hinsichtlich des Hauses nachgegeben hat, hinsichtlich des Schwimmbades dagegen obsiegt hat, war es angemessen, die Kostenverteilung so vorzunehmen wie geschehen. Die Beigeladene trägt Kosten im tenorierten Umfang, da sie durch die bereits schriftsätzliche Antragstellung vor der Hauptsacheerledigung einerseits die Voraussetzung des § 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO hinsichtlich ihres teilweisen Unterliegens und auf der anderen Seite die Voraussetzung des § 162 Abs. 3 VwGO hinsichtlich ihres teilweisen Obsiegens erfüllt.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Hinsichtlich der Verfahrenseinstellung ist die Entscheidung unanfechtbar, § 92 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog; im Übrigen gilt folgende
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 25.000,– festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i. V. m. Nr. 9.2 und 9.1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 2013, Beilage 2 sowie § 52 Abs. 2 GKG).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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