Baurecht

Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich für die Beseitigungung einer Holzlege im Außenbereich – “Nebenanlagen” (hier: Mauer oder Schwimmbad) reichen nicht!

Aktenzeichen  9 ZB 18.2293

Datum:
11.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 2849
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 76 S. 1
BauGB § 34, § 35
GG Art. 3 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Ein Bebauungszusammenhang im Sinn von § 34 BauGB ist nach ständiger Rechtsprechung anzunehmen, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört. Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Würdigung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten einzelfallbezogen zu entscheiden. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bebauung im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist auch nicht jede beliebige Anlage. Den Bebauungszusammenhang selbst herstellen oder zu seiner Entwicklung beitragen können nur Bauwerke, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so dass sie geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Vortrag, es seien im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Vergleichsobjekte benannt worden, genügt nicht, einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder Ermessensfehler des Landratsamts aufzuzeigen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

W 4 K 17.738 2018-07-03 Urt VGWUERZBURG VG Würzburg

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahren als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 4.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Kläger wenden sich gegen die Anordnung der Beseitigung einer „Holzlege“ mit 21 m Länge, 2 m Tiefe und 2 m Höhe an der südlichen Grenze des Grundstücks FlNr. … Gemarkung … zum Grundstück FlNr. … Gemarkung K … durch Bescheid des Landratsamts Aschaffenburg vom 22. Mai 2015. Die Anlage wird vor allem zur Lagerung von Brennholz sowie zum Unterstellen eines Rasenmähertraktors und von Gartengeräten genutzt. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 3. Juli 2018 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass das im Außenbereich liegende Vorhaben planungsrechtlich unzulässig sei. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
Der allein auf ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
Ob ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was die Kläger innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel hier nicht.
1. Der Vortrag der Kläger, die zu beseitigende Anlage sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts dem Bebauungszusammenhang zuzurechnen, weil sie sich im Anschluss an eine Mauer befinde und ein Schwimmbad auf dem Nachbargrundstück unmittelbar anschließe, zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts auf.
Das Verwaltungsgericht hat darauf abgestellt, dass die Anlage nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt und begründet dies anhand des beim Augenscheinstermin gewonnenen Eindrucks sowie der vorhandenen Lichtbilder und Übersichtskarten. Das Zulassungsvorbringen legt nicht dar, dass sich das Verwaltungsgericht hierbei von unzutreffenden Erwägungen hat leiten lassen.
Ein Bebauungszusammenhang im Sinn von § 34 BauGB ist nach ständiger Rechtsprechung anzunehmen, soweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört. Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern aufgrund einer umfassenden Würdigung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten einzelfallbezogen zu entscheiden. Der Bebauungszusammenhang endet regelmäßig am letzten Baukörper. Örtliche Besonderheiten können es im Einzelfall aber ausnahmsweise rechtfertigen, ihm noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand o.ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind oder trotz des Vorhandenseins von Baulichkeiten sonst nicht zur Prägung der Siedlungsstruktur beitragen (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2020 – 1 ZB 18.335 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Bebauung im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist auch nicht jede beliebige Anlage. Den Bebauungszusammenhang selbst herstellen oder zu seiner Entwicklung beitragen können nur Bauwerke, die optisch wahrnehmbar sind und ein gewisses Gewicht haben, so dass sie geeignet sind, ein Gebiet als einen Ortsteil mit einem bestimmten Charakter zu prägen. Hierzu zählen grundsätzlich nur Bauwerke, die dem ständigen Aufenthalt von Menschen dienen. Baulichkeiten, die nur vorübergehend genutzt werden oder in einem weiteren Sinn „Nebenanlagen“ zu einer landwirtschaftlichen, (klein-)gärtnerischen oder sonstigen Hauptnutzung sind, sind in aller Regel keine Bauten, die für sich genommen ein für die Siedlungsstruktur prägendes Element darstellen (vgl. BayVGH, B.v. 8.10.2020 – 1 ZB 17.2319 – juris Rn. 7 m.w.N.). Danach besteht kein Zweifel, dass die von den Klägern angeführte Mauer oder das Schwimmbad einen solchen Bebauungszusammenhang nicht herstellen können. Im Übrigen ist dieses Ergebnis des Verwaltungsgerichts auch aufgrund der in den Akten befindlichen Luft- und Lichtbilder nicht ernstlich zweifelhaft.
2. Die pauschale Behauptung der Kläger, die zur Beseitigung angeordnete Holzlege sei im Außenbereich zulässig, genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Aufgrund des in den Akten dokumentierten Zustands der Holzlege mit Unterstellmöglichkeiten für einen Rasenmähertraktor und Gartengeräte bestehen keine Zweifel, dass es sich um eine genehmigungspflichtige bauliche Anlage i.S.d. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 BayBO handelt. Dies wird mit dem Zulassungsvorbringen auch nicht in Frage gestellt. Der bloße Hinweis, das verfahrensgegenständliche Grundstück der Kläger sei an einen Landwirt verpachtet worden, zeigt nicht auf, dass die Anlage (nunmehr) einem privilegierten Betrieb i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB dient oder als sonstige Anlage i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB zulässig wäre, zumal die Anlage nach wie vor von den Klägern genutzt wird und nach Aktenlage auch bereits 2015 eine Verpachtung des Grundstücks an einen Landwirt ohne Veränderung der Situation und Nutzung erfolgt ist.
3. Soweit die Kläger geltend machen, es seien im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht mehrere Vergleichsobjekte benannt worden, gegen die das Landratsamt nicht einschreite, zeigt dies keinen Ermessensfehler des Landratsamts oder einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG auf. Der Vortrag, es seien im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Vergleichsobjekte benannt worden, genügt nicht, einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder Ermessensfehler des Landratsamts aufzuzeigen. Abgesehen davon, dass die Beispielsfälle im Zulassungsverfahren nicht weiter konkretisiert wurden und sich diese auch dem angegebenen Schriftsatz vom 15. Dezember 2017 im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mangels konkreter Angaben zur Örtlichkeit der angeführten Vergleichsfälle und deren näheren Umständen nur schwer entnehmen lassen, wurden diese beim verwaltungsgerichtlichen Augenscheinstermin ausweislich der Niederschrift mit den Beteiligten erörtert. Es ist auch nicht dargelegt und ersichtlich, dass sich die Vergleichsfälle in der Umgebung des Bauvorhabens befinden oder eine größere Zahl darstellen (vgl. BayVGH, B.v. 19.2.2014 – 15 C 13.2483 – juris Rn. 19). Der Vortrag, es sei nicht nachvollziehbar, wenn das Verwaltungsgericht ausführe, die Anlagen befänden sich im beplanten Bereich, bezieht sich nach den Urteilsgründen ersichtlich auf in der Nachbarschaft erteilte Befreiungen, so dass der Sachverhalt – zutreffend – mit der hier zur Beseitigung angeordneten Anlage im Außenbereich nicht vergleichbar ist. Dem Zulassungsvorbringen lassen sich auch sonst keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass das Landratsamt im Rahmen der Beseitigung willkürlich und nicht systemgerecht vorgeht (vgl. BVerwG, B.v. 24.7.2014 – 4 B 34.14 – juris Rn. 4). Ein zeitlich gleichzeitiges Einschreiten ist insoweit nicht erforderlich (vgl. BayVGH, B.v. 7.6.2017 – 9 ZB 15.255 – juris Rn. 6).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 i.V.m. 9.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


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