Baurecht

Abgrenzung zwischen Ortsteil und Splittersiedlung

Aktenzeichen  M 11 K 15.3916

Datum:
29.9.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 136236
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1, § 35 Abs. 3 Nr. 7

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid vom 7. August 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dem Kläger steht kein Anspruch auf die Verpflichtung des Beklagten, den Bauantrag neu zu verbescheiden, zu.
Die unter dem … Dezember 2013 beantragte Baugenehmigung wurde zu Recht versagt. Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich unzulässig; ihm stehen damit im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO).
Bei dem beabsichtigten Vorhaben handelt es sich um ein nicht privilegiertes Vorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 2 BauGB, das öffentliche Belange im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB beeinträchtigt.
Das Grundstück Fl.Nr. 2115/4, Gemarkung …, liegt nicht im Bebauungszusammenhang eines Ortsteils im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil im Sinne dieser Vorschrift ist jede Bebauung im Gebiet einer Gemeinde, die den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit erweckt, nach der Zahl der vorhandenen Gebäude ein gewisses Gewicht hat und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BVerwG v. 6.11.1968 BVerwGE 31, 22).
Der Begriff der organischen Siedlungsstruktur ist seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. November 1986 (IV C 47.68 – juris) dadurch gekennzeichnet, dass er im Gegensatz zur unerwünschten Splittersiedlung das einschließt, was dem inneren Grund für die Rechtsfolge des § 34 BauGB entspricht, nämlich die nach der Siedlungsstruktur angemessene Fortentwicklung der Bebauung innerhalb des gegebenen Bereichs zu gewährleisten. Eine organische Siedlungsstruktur kann auch dann vorliegen, wenn es sich nicht um eine nach Art und Zweckbestimmung einheitliche Bebauung handelt, die Bebauung nicht einem bestimmten städtebaulichen Ordnungsbild entspricht oder nicht als städtebauliche Einheit in Erscheinung tritt oder sich nicht als Schwerpunkt der baulichen Entwicklung eines Gemeinwesens darstellt. Ein Ortsteil liegt danach vor, wenn eine gewisse Anzahl prägender Bauten vorhanden ist, die keine unerwünschte Splittersiedlung darstellen, weil sich die vorhandene Siedlungsstruktur fortentwickeln kann.
Vorliegend wurde im Rahmen des gerichtlichen Augenscheins festgestellt, dass die Bebauung in der näheren Umgebung des klägerischen Grundstücks lediglich eine unerwünschte, unorganische Splittersiedlung im Außenbereich darstellt.
Einen Zusammenhang kann man vor Ort lediglich zwischen den Häusern „… 12, 14“ sowie den Häusern auf dem streitgegenständlichen Grundstück erkennen. Die Grundstücke der Häuser Nrn. 2a, 4, 8 und 10 sind vom Vorhabensgrundstück aus nicht wahrnehmbar. Sie haben auch keinen Bezug auf die Häuser Nrn. 12, 14 sowie 16 – 26, da sie nicht – wie man auf den Lageplänen vermuten könnte – über die Fl.Nr. 2115/6 erschlossen werden. Wie genau sie erschlossen sind, konnte im Augenschein zum Teil nicht ermittelt werden, obwohl das Gericht im Augenschein einige Straßen in der Umgebung abgefahren ist.
Die gewerblich geprägten Grundstücke nördlich der Fl.Nr. 2115 werden durch eine Straße mit hoher Sichtschutzwand abgetrennt und sind daher für die südlich der Straße liegenden Grundstücke nicht wahrnehmbar.
Es handelt sich bei den nördlichen gewerblichen Grundstücken, dem ehemaligen … (… 6), der … (Nr. 4) sowie bei den Häusern Nrn. 2a, 8 und 10 um jeweils einzelne Bebauungssplitter, die keinen Bezug zu dem wiederum von den Häusern auf … Nrn. 12, 14, und auf dem streitgegenständlichen Grundstück gebildeten Bebauungssplitter haben. Die auf „… 14“ stehenden landwirtschaftlichen Gebäude und die Wohnhäuser Nr. 12 (Fl.Nr. 2115/5) und Nrn. 16 – 26 (Fl.Nr. 2115/4) bilden für sich schon kein hinreichendes Gewicht, wie es ein Ortsteil der Stadt S., zu der die Gemarkung … gehört, erfordert.
Selbst wenn man jedoch ein entsprechendes Gewicht annehmen würde, so bilden sie nicht den Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur.
Durch die Schaffung neuen Wohnraums würde die Splittersiedlung nach § 35 Abs. 3 Nr. 7 BauGB verfestigt. Es wird auf die Ausführungen im Bescheid vom 7. August 2015 verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Die Kostenentscheidung sowie die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeben sich aus § 154 Abs. 1, § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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