Baurecht

Adressat einer bauaufsichtlichen Verfügung zum Fensterausbau

Aktenzeichen  Au 4 K 16.389

Datum:
11.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 28 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 8 S. 1,  Abs. 11, Art. 54 Abs. 2 S. 1, Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

Ist der Bauaufsichtsbehörde nur ein Störer bekannt bzw. nur ein Störer ohne Weiteres festzustellen, braucht sie nicht nach weiteren Störern zu suchen, sondern kann sich an den ihr bekannten Störer halten und muss folglich auch keine Ermessenserwägungen über eine Störerauswahl anstellen (vgl. VGH München, Urt. v. 16.12.1981 – 15 B 81 A.896). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Streitgegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 5. Februar 2016, mit dem dem Kläger auferlegt wurde, im Bescheid näher bezeichnete Fenster an der Südseite des Anwesens auf Fl.Nr. … Gemarkung … auszubauen und die Wandöffnungen in Form einer hochfeuerhemmenden Wand zu verschließen.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger ist durch den angefochtenen Bescheid nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), da der streitgegenständliche Bescheid rechtmäßig ist.
Rechtsgrundlage des Bescheids ist Art. 54 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BayBO. Demnach haben die Bauaufsichtsbehörden bei der Errichtung, Änderung, Nutzungsänderung und Beseitigung sowie bei der Nutzung und Instandhaltung von Anlagen darüber zu wachen, dass die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Anordnungen eingehalten werden, soweit nicht andere Behörden zuständig sind. Sie können in Wahrnehmung dieser Aufgaben die erforderlichen Maßnahmen treffen.
Zum Anwendungsbereich dieser Vorschrift gehört auch die Möglichkeit, Anordnungen zum Brandschutz zu erlassen. Zur Gewährleistung des Brandschutzes kann z. B. die Entfernung von Glasbausteinen oder Fenstern und die (Wieder-)Herstellung einer geschlossenen Brandwand angeordnet werden (VG Würzburg, U.v. 15.5.2014 – W 5 K 12.728 – juris Rn. 29 m. w. N.; Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand August 2016, Art. 54 Rn. 52 m. w. N.).
Gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayBO sind Brandwände erforderlich als Gebäudeabschlusswand, ausgenommen von Gebäuden ohne Aufenthaltsräume und ohne Feuerstätten mit nicht mehr als 50 m3, wenn diese Abschlusswände an oder mit einem Abstand von weniger als 2,50 m gegenüber der Grundstücksgrenze errichtet werden, es sei denn, dass ein Abstand von mindestens 5 m zu bestehenden oder nach den baurechtlichen Vorschriften zulässigen Gebäuden gesichert ist. Nach Art. 28 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BayBO sind an Stelle von Brandwänden in den Fällen von Art. 28 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 hochfeuerhemmende Wände für Gebäude der Gebäudeklassen 1 bis 3 zulässig. Zudem dürfen nach Art. 28 Abs. 11 BayBO i. V. m. Abs. 8 Satz 1 BayBO hochfeuerhemmende Wände keine Öffnungen haben.
Das Gebäude auf Fl.Nr. … grenzt direkt an die südliche Fl.Nr. … an. Damit befinden sich alle streitgegenständlichen Fenster unmittelbar bzw. extrem nahe an der Grundstücksgrenze. Eine etwaige Übernahme von Brandschutzabständen durch den südlichen Grundstücksnachbarn, die nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BayBO i. V. m. Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO möglich wäre (vgl. Molodovsky/Famers in Molodovsky/Famers, BayBO, Stand August 2016, Art. 28 Rn. 45), liegt nicht vor. Das Gebäude des Klägers entspricht auch jedenfalls nicht mehr der Gebäudeklasse 4, sondern einer der Gebäudeklassen 1-3, da nach den vorgelegten Nutzungsunterlagen die Höhe der Fußbodenoberkante des Dachgeschosses unter 7 m über der Geländeoberfläche beträgt (vgl. Art. 2 Abs. 3 Satz 2 BayBO). Demnach sind Öffnungen in dieser Gebäudeabschlusswand unzulässig. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob sich die Nachbarn durch die eingebauten Fenster beeinträchtigt fühlen oder nicht, da Brandwände mehrere Zielrichtungen haben. Im Kern geht es bei Brandwänden neben dem Nachbarschutz nämlich auch darum zu verhindern, dass eine großflächige Brandausbreitung erfolgt (vgl. Paliga in Spannowsky-/Manssen Bauordnungsrecht Bayern, Stand 1.7.2016, Art. 28 Rn. 1).
Die vorhandenen Fensteröffnungen sind nach Aktenlage zu keinem Zeitpunkt genehmigt worden und damit auch nicht bestandsgeschützt. Es ist grundsätzlich Sache des Klägers, nachzuweisen, dass die in die hochfeuerhemmenden Wände eingebauten Fenster bauaufsichtlich genehmigt wurden (vgl. BVerwG, B.v. 17.7.2003 – 4 B 55.03 – BauR 2004,657 = juris Rn. 5 m. w. N.; BayVGH, B.v. 14.6.2016 – 9 ZB 14.1409 – juris Rn. 8 m. w. N.). Diesen Nachweis konnte der Kläger allein mit Zeugenangeboten, dass die Fenster immer schon dagewesen seien, nicht erbringen. Zwar hat sich in der mündlichen Verhandlung mit Blick auf die Bauantragsunterlagen zur Nutzungsänderung des EG von Verkauf zu einer Gaststätte ergeben, dass wohl im OG zwei Glasbausteine an der südöstlichen Giebelseite eingebaut waren. Diese waren damit von der Baugenehmigung erfasst. Allerdings wurden diese Glasbausteine ausgebaut und durch Kunststofffenster ersetzt. Insoweit liegt eine baugenehmigungspflichtige Veränderung vor, die den Bestandsschutz enden lässt (BayVGH, B.v. 14.6.2016 – 9 ZB 14.1409 – juris Rn. 8; VG Würzburg, U.v. 15.5.2014 – W 5 K 12.728 – juris Rn. 33; vgl. auch Bachmann, Bestandsschutz und Brandschutz, NJW-Spezial 2015, 364, S. 364). Im Übrigen ist lediglich nachweisbar, dass das Gebäude 1911 als Kaufhaus erbaut worden ist (Bl. 19 Verfahrensakte). Im Staatsarchiv konnten keine Genehmigungsunterlagen im Hinblick auf die Fenster ermittelt werden (Bl. 19 Verfahrensakte). Die betroffenen Fenster an der Südseite tauchen auch nicht in den Unterlagen zur Nutzungsänderung bezüglich der Gaststätte auf und waren daher auch nicht ihr Gegenstand. Die etwaige Feststellung von planwidrig eingebauten Fenstern durch einen Baukontrolleur im Zuge möglicher früherer Begehungen des Grundstücks und die (behauptete) langjährige Duldung desselben durch den Beklagten ersetzen keine Baugenehmigung und können deshalb auch keine formelle Legalität herbeiführen (BayVGH, B.v. 14.6.2016 – 9 ZB 14.1409 – juris Rn. 8).
Auch die Auswahl des Klägers als Maßnahmenadressat begegnet keinen rechtlichen Bedenken und erweist sich nicht als ermessensfehlerhaft. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Sach- und Rechtslage ist im Rahmen der hier vorliegenden Anfechtungsklage der Zeitpunkt des Erlasses der behördlichen Anordnung (vgl. nur VG Regensburg, U.v. 19.10.2016 – RN 12 K 16.345 – juris Rn. 51). Wenn die Bauaufsichtsbehörde Anordnungen erlässt, muss sie die sicherheitsrechtlichen Grundsätze der Störerauswahl berücksichtigen. Grundsätzlich ist danach zunächst der sog. „Doppelstörer“ heranzuziehen, also die Person, die gleichzeitig Handlungs- und Zustandsstörer ist. Ansonsten gilt, dass der Handlungsstörer grundsätzlich vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen ist. (Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Stand August 2016 – Art. 54 Rn. 110). Soweit mehrere Störer in Betracht kommen, besteht grundsätzlich ein Auswahlermessen, dessen Ausübung die Behörde auch tatsächlich zum Ausdruck bringen muss (vgl. BayVGH, B.v. 24.7.2015 – 9 ZB 14.1291 – juris Rn. 10). Der Kläger wendet ein, der Beklagte hätte den Bescheid an alle Miteigentümer erlassen müssen und nicht nur an ihn selbst. Dies war dem Beklagten jedoch ausweislich der Aktenlage zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses nicht bekannt und musste ihm nicht bekannt sein. Vielmehr durften davon ausgehen, dass allein der Kläger als Handlungsstörer und damit vorrangig vor den übrigen Familienmitgliedern als Zustandsstörer heranzuziehen war. Betrachtet man die vorgelegten Verfahrensakten, stellt man fest, dass auf dem Bauantrag des Klägers, der am 31. Oktober 2013 bauaufsichtlich genehmigt wurde, als Bauherr und Grundstückseigentümer allein der Kläger aufgeführt ist. Die Baugenehmigung wurde nur ihm erteilt, auch im Internet wird allein der Kläger als Betreiber des Restaurants geführt. Die Kammer ist in diesem Zusammenhang der Überzeugung, dass allein die Vorsprache des Bruders des Klägers beim Beklagten am 2. Dezember 2015 (Bl. 25 Verfahrensakte) nicht zu einer weitergehenden Nachforschungspflicht des Beklagten im Hinblick auf weitere Störer (Handlungs- bzw. Zustandsstörer) führen musste. Damit lag der Schluss nahe, dass die Öffnungen und Fenster vom Kläger (neu) eingebaut und sämtlich von ihm genutzt werden. Denn ist der Bauaufsichtsbehörde nur ein Störer bekannt bzw. nur ein Störer ohne Weiteres festzustellen, braucht sie nicht nach weiteren Störern zu suchen, sondern kann sich an den ihr bekannten Störer halten muss folglich auch keine Ermessenserwägungen über eine Störerauswahl anstellen (BayVGH, U.v. 16.12.1981 – 15 B 81 A.896 – juris; Dirnberger, Bauaufsichtliche Maßnahmen, 4. Auflage 2012, Rn. 220). Dies entspricht herkömmlicher sicherheitsrechtlicher Rechtsprechung, wonach eine Beurteilung grundsätzlich nach den Kriterien der Effektivität, der Zumutbarkeit, der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und dem Verursacherprinzip vorzunehmen ist (vgl. z. B. BayVGH, B.v. 8.9.2015 – 20 CS 15.1502 – juris Rn. 9; VG München, B.v. 24.10.2016 – M 17 S 16.3964/M 17 K 16.3962 – juris Rn. 91).
Die Anordnungen erweisen sich auch im Übrigen nicht als ermessensfehlerhaft. Sie genügen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Eine Unzumutbarkeit folgt auch nicht aus zu erwartenden finanziellen Belastungen des Klägers für die notwendigen Baumaßnahmen. Wer ohne die erforderliche baurechtliche Genehmigung eine Anlage errichtet oder ändert – und damit selbst vollendete Tatsachen schafft -, hat das Risiko der rechtswidrigen Ausführung selbst zu tragen (BVerwG, B.v. 30.8.1996 Nr. 4 C 15/95, NVwZ-RR 1997, 273).
Die Androhungen von Zwangsgeldern in Nr. 4 des Bescheides sind sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Sie differenzieren außerdem klar zwischen den einzelnen Verpflichtungen und sind damit hinreichend bestimmt.
Daher war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 10.000,00 festgesetzt.
Gründe:
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.


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