Baurecht

Änderung der Klagebefugnis gegen immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Windenergieanlage – Bestandskraft

Aktenzeichen  22 BV 17.1059

Datum:
1.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
UPR – 2019, 39
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 42 Abs. 2, § 80 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 130 Abs. 2 Nr. 2, § 130a S. 1
UmwRG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, § 6 S. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Gründe der Rechtsklarheit und der Rechtssicherheit sprechen dafür, grundsätzlich jeder Anfechtungsklage (auch der unzulässigen Klage) eine die Bestandskraft hindernde Wirkung beizumessen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wer sich gegen eine der in § 1 Abs. 1 UmwRG genannten Zulassungsentscheidungen nicht gewehrt und die Klagefrist hat verstreichen lassen, bei dem ist anzunehmen, dass er das Vorhaben akzeptiert; er hat die Bestandskraft der Genehmigung eintreten lassen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei rechtzeitig erhobenen Klagen ist es sachgerecht, solche Genehmigungen, die vor dem 2. Juni 2017 ergangen sind und mit der Klage angegriffen wurden, auch dann dem neuen Recht zu unterwerfen, wenn im Zeitpunkt der Klageerhebung die Klagemöglichkeit gegen ein Vorhaben für den jeweiligen Kläger noch nicht gegeben war und eine solche erst zum 2. Juni 2017 mit § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG geschaffen wurde. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 19 K 16.1912 2017-04-11 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. April 2017 wird aufgehoben.
Die Sache wird an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
II. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 15.000 € festgesetzt.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1. Der Kläger, ein anerkannter Naturschutzverband, wendet sich gegen die der Beigeladenen mit Bescheid des Landratsamts D… vom 24. März 2016 erteilte und seinem Bevollmächtigten am 30. März 2016 zugestellte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für Errichtung und Betrieb einer Windenergieanlage (WEA) mit einer Gesamthöhe von 119,1 m (Nr. 1.6.2 des Anhangs 1 zur 4. Verordnung zur Durchführung des BlmSchG – 4. BlmSchV) auf dem Grundstück FINr. 1027 der Gemarkung W in der Gemeinde E.
Die Beigeladene hatte zunächst am 11. Oktober 2013 einen Vorbescheid nach § 9 BlmSchG für drei WEA beantragt; das Landratsamt hatte den Antrag aber mit Bescheid vom 12. März 2015 abgelehnt. Auf die hiergegen gerichtete Klage der Beigeladenen (M 1 K 15.1326) hatte das Verwaltungsgericht München den Beklagten verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Am 23. Februar 2016 beantragte die Beigeladene, die Entscheidung nach den bisherigen Anlagenstandorten 1 und 2 auf der einen bzw. Anlagenstandort 3 auf der anderen Seite aufzuteilen und separate Genehmigungsbescheide zu erlassen. Der hier angegriffene Bescheid vom 24. März 2016 bezieht sich ausschließlich auf den bisherigen Anlagenstandort 3 und betrifft eine einzige WEA. Der Antrag bezüglich der Standorte 1 und 2 wurde mit Schreiben vom 9. März 2016 zurückgenommen.
Am 26. April 2016 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Anfechtungsklage gegen die Genehmigung vom 24. März 2016 erheben. Er machte geltend, dem Vorhaben stünden Belange des Naturschutzes und des Artenschutzes nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Baugesetzbuch (BauGB) i.V.m. § 44 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) entgegen. Insbesondere seien Belange des Vogelschutzes tangiert. Die vom Beklagten durchgeführte spezielle artenschutzrechtliche Prüfung vom 15. Januar 2014 und deren Ergänzung vom 15. Oktober 2014 seien mangelhaft. Schon ihre Erhebungsmethodik sei fehlerhaft. Dies gelte vor allem im Hinblick auf den Wespenbussard. Aus den im Verfahren vorgelegten Fachgutachten des Ornithologen F. vom 8. September 2014 und vom 21. Juli 2016, der von einer örtlichen Umweltvereinigung beauftragt worden sei, ergebe sich, dass die Begutachtung durch den Gutachter des Beklagten unzureichend gewesen sei. Es seien Wespenbussard, Rot- und Schwarzmilan sowie Baumfalke betroffen. Deren signifikantes Tötungsrisiko sei im Genehmigungsbescheid nicht ausreichend berücksichtigt worden. Durch den Betrieb der WEA könnten auch Fledermäuse getötet werden. Hieraus resultiere ein Verstoß gegen § 44 Abs. 1 BNatSchG. Zudem lägen Verstöße gegen den Landschaftsschutz vor.
Nach Verzicht der Beteiligten auf mündliche Verhandlung wies das Verwaltungsgericht die Anfechtungsklage mit Urteil vom 11. April 2017 als unzulässig ab und ließ die Berufung gegen das Urteil zu. Zur Begründung führte es aus:
Der Kläger sei nicht klagebefugt im Sinn des § 42 Abs. 2 VwGO. Insbesondere ergebe sich keine Klagebefugnis aus § 2 Abs. 1 UmwRG. Zwar sei der Kläger ein nach § 3 UmwRG anerkannter Umweltschutzverband, der grundsätzlich nach § 2 Abs. 1 UmwRG klagebefugt sein könne. Allerdings sei die angefochtene Genehmigung vom 24. März 2016 keine Entscheidung im Sinn von § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG. Für das streitgegenständliche Vorhaben bestehe keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG). Die streitige – einzige -Windenergieanlage unterfalle gemäß Nr. 1.6 der Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) nicht der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung. Zudem sei das genehmigte Vorhaben eine Anlage im Sinn der Nr. 1.6.2 Anhang 1 zur 4. BlmSchV, die dem vereinfachten Verfahren nach § 19 BlmSchG unterfalle. Damit sei auch der Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG nicht eröffnet.
Die Klagebefugnis ergebe sich auch nicht aus anderen Vorschriften: So sei die angefochtene Genehmigung keine Entscheidung nach dem Umweltschadengesetz. Eine Klagebefugnis könne nicht in unmittelbarer Anwendung von Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 des Übereinkommens vom 25. Juni 1998 über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (sog. Aarhus-Konvention – AK) bejaht und auch nicht aus § 64 Abs. 1 BNatSchG hergeleitet werden. Sie ergebe sich schließlich auch nicht aus einer unmittelbaren Anwendung von Art. 9 Abs. 3 AK und nicht aus einer europarechtskonformen Auslegung von § 42 Abs. 2 VwGO.
2. Der Kläger hat gegen das ihm am 2. Mai 2017 zugestellte Urteil am 23. Mai 2017 die zugelassene Berufung eingelegt und beantragt,
die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Landratsamts D… vom 24. März 2016 aufzuheben.
Zur Begründung der Berufung hat der Kläger in prozessualer und materiell-rechtlicher Hinsicht ausführlich vorgetragen (Schriftsätze vom 4.8.2017, 16.10.2017 und 5.7.2018) und geltend gemacht, die Klage sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts zulässig. Im Übrigen hat er auf die Klagebegründung Bezug genommen, die vom Verwaltungsgericht bezüglich der geltend gemachten Rechtswidrigkeit der angefochtenen Genehmigung nicht berücksichtigt worden war.
3. Der Beklagte hat keinen Berufungsantrag gestellt. Er hat mit Schriftsatz vom 15. September 2017 vorgetragen, aufgrund der nach Erlass des erstinstanzlichen Urteils in Kraft getretenen Änderung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes (durch Art. 1 des Gesetzes vom 29.5.2017 (BGBl. I S. 1298) zum 2. Juni 2017 – UmwRG n.F.) sei wohl die Klagebefugnis zu bejahen. Denn nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG n.F. sei nunmehr das Umweltrechtsbehelfsgesetz auch auf solche Verwaltungsakte anzuwenden, durch die andere als in Nrn. 1 bis 2b genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden. Nach der Überleitungsvorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 1 UmwRG n.F. sei das Gesetz in der neuen Fassung auf Entscheidungen anzuwenden, die am 2.6.2017 noch keine Bestandskraft erlangt hätten.
Mit Schriftsatz vom 8. November 2017 hat der Beklagte beantragt, gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO die Sache an das Verwaltungsgericht zurück zu verweisen; dies sei zweckmäßig, weil das Verwaltungsgericht noch nicht inhaltlich über die Sache entschieden habe.
4. Die Beigeladene hat (mit Schriftsätzen vom 16.10.2017 und 13.11.2017) geltend gemacht, die Änderung des Umweltrechtsbehelfsgesetzes sei unbeachtlich. Denn begründet sei die Berufung nur, wenn die angefochtene Entscheidung gegen materielles Recht oder gegen Prozessrecht verstoße; Letzteres hänge davon ab, ob die Prozessvoraussetzungen, die in der Vorinstanz zu prüfen gewesen seien, vorgelegen hätten. Im Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils (11.4.2017) jedenfalls sei der Kläger nicht klagebefugt gewesen und das angegriffene Urteil daher rechtsfehlerfrei ergangen und nicht zu beanstanden. Eine spätere Änderung der Rechtslage sei nicht zu berücksichtigen, das Berufungsgericht müsse bei der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung die für das Verwaltungsgericht maßgebliche Sach- und Rechtslage anwenden.
Auf die neu gefasste Zulässigkeitsregelung nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG n.F. könne sich der Kläger nicht berufen. Denn nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 UmwRG n.F. gelte das Gesetz in der geänderten Fassung zwar für Rechtsbehelfe gegen Entscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG n.F., jedoch nur für solche, die am 2. Juni 2017 noch keine Bestandskraft erlangt hätten. Die streitgegenständliche Genehmigung sei aber am 2. Juni 2017 schon bestandskräftig gewesen. Vor allem habe die am 26. April 2016 vom Kläger erhobene Anfechtungsklage nicht den Eintritt der Bestandskraft verhindert. Voraussetzung für den Eintritt der Bestandskraft sei eine mit Klagebefugnis erhobene Klage. Die Klagebefugnis habe dem Kläger aber gefehlt. Andere Klagen, die den Eintritt der Bestandskraft hätten verhindern können, seien gegen den streitigen Bescheid nicht erhoben worden.
Gegen diese Ansicht spreche auch nicht das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juni 2002 – 4 A 59.01 -. Zwar werde darin ausgeführt, dass § 69 Abs. 5 Nr. 2 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften vom 25. März 2002 rückwirkend die Klagebefugnis für solche anerkannte Naturschutzverbände eröffne, die eine im Übrigen zulässige Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss erhoben hätten, der nach dem 1. Juli 2017 erlassen worden sei. Anders als vorliegend sei im dortigen Fall der Planfeststellungsbeschluss aber noch nicht bestandskräftig gewesen, weil weitere Klagen gegen ihn erhoben gewesen seien. Zu beachten sei auch, dass der vorliegende Bescheid Rechte zugunsten der Beigeladenen gewähre. Die jetzige Zulassung der Klage käme einer rückwirkenden Beseitigung der Bestandskraft gleich. Die Beigeladene habe darauf vertrauen dürfen, dass die zum Zeitpunkt ihrer Erhebung unzulässige Klage die Bestandskraft der streitgegenständlichen Genehmigung nicht verhindert habe. Diese die Beigeladene begünstigende Wirkung der Genehmigung unterscheide die vorliegende Konstellation von dem Sachverhalt, der der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (vom 28.6.2002) zugrunde gelegen habe.
Außerdem sei das Klagevorbringen nach § 6 Satz 1 UmwRG n.F. nicht zuzulassen. Die Klage sei – unentschuldigt – erst am 5. August 2016 und damit später als zehn Wochen ab Klageerhebung begründet worden. Wenn sich der Kläger auf das Umweltrechtsbehelfsgesetz in seiner geänderten Fassung berufe, so müsse er dies als Ganzes tun, also nicht nur die Anwendung von § 2 Abs. 1, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG n.F. fordern, sondern auch § 6 Satz 1 UmwRG n.F. gelten lassen.
Falls die Klagebefugnis jetzt zu bejahen sein sollte, sei die Klage jedenfalls unbegründet.
5. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beteiligten dazu angehört, dass er beabsichtige, durch Beschluss gemäß § 130a VwGO zu entscheiden, weil er einstimmig die Klage als zulässig erachte, und zudem die Sache gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO an das Verwaltungsgericht zurück zu verweisen, weil das Verwaltungsgericht nur über die Zulässigkeit der Klage, aber nicht in der Sache selbst entschieden habe. Die Beteiligten haben sich hierzu innerhalb der eingeräumten Frist (31.7.2018) nicht geäußert bzw. ihr Einverständnis erklärt (Beklagter mit Schriftsatz vom 26.7.2018, Beigeladene mit Schriftsatz vom 30.7.2018).
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und auf die beigezogenen Verwaltungsverfahrensakten Bezug genommen.
II.
1. Der Verwaltungsgerichtshof entscheidet nach Anhörung der Beteiligten entsprechend § 130a Satz 1 VwGO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss, weil er einstimmig die Klage für zulässig und insoweit die Berufung für begründet erachtet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Eine Entscheidung über die Berufung durch Beschluss entsprechend § 130a VwGO kann auch dann ergehen, wenn das Verwaltungsgericht die Klage als unzulässig abgewiesen, aber noch nicht in der Sache selbst entschieden hat, und das Berufungsgericht die Klage einstimmig als zulässig ansieht, hinsichtlich der Begründetheit der Klage aber eine Zurückverweisung nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO in Betracht kommt (vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130a Rn. 12; Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 130a Rn. 44).
2. Dem Erfolg der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung steht § 124a Abs. 3 Satz 5 VwGO nicht entgegen. Die Berufung gegen das am 2. Mai 2017 zugestellte Urteil wurde fristgerecht gemäß § 124a Abs. 2 VwGO am 23. Mai 2017 eingelegt; die Berufungsbegründung ging – nach gemäß § 124a Abs. 3 VwGO rechtzeitig beantragten und dann bewilligten Fristverlängerungen (20.6.2017, 24.7.2017) – mit Schriftsatz vom 5. August rechtzeitig und den Anforderungen gemäß § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO entsprechend ein.
3. Die Berufung ist im Umfang der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das die Klage als unzulässig abgewiesen hat, begründet. Die Klage ist zulässig, das entgegenstehende Urteil ist deshalb aufzuheben.
3.1. Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. April 2017 als unzulässig abgewiesen. Es hat hierbei die im damaligen Zeitpunkt bestehenden Rechtsvorschriften, insbesondere § 1 UmwRG (i.d.F. v. 30.11.2016) angewandt und ist der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 14.3.2017 – 22 B 17.12 – juris) gefolgt, der in einem insoweit gleich gelagerten Fall die Klagebefugnis des klagenden anerkannten Umweltverbands verneint hat, aber die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat. Revision wurde seinerzeit aber nicht eingelegt.
3.2. Vorliegend ist infolge einer nach Erlass des streitgegenständlichen Urteils eingetretenen Rechtsänderung die Klagebefugnis des klagenden anerkannten Umweltverbands zu bejahen. Das streitige Vorhaben gehört nunmehr zu denjenigen, deren Genehmigung vom Kläger mit der Anfechtungsklage angegriffen werden kann. Diese Rechtsänderung ist zu berücksichtigen mit der Folge, dass die Klageabweisung als unzulässig keinen Bestand haben kann.
3.2.1. Nach Erlass des angegriffenen, am 2. Mai 2017 dem Kläger zugestellten Urteils, aber vor seiner Rechtskraft, wurde das Umweltrechtsbehelfsgesetz durch Art. 1 des Gesetzes vom 29. Mai 2017 (BGBl. I S. 1298) geändert; die Änderungen sind am 2. Juni 2017 in Kraft getreten. Als eine der Änderungen wurde u.a. dem § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG die neue Nr. 5 hinzugefügt. Nach dieser Vorschrift gilt das Umweltrechtsbehelfsgesetz auch für „Verwaltungsakte oder öffentlich-rechtliche Verträge, durch die andere als in den Nummern 1 bis 2b genannte Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union zugelassen werden“. Dass vorliegend „umweltbezogene Rechtsvorschriften“ (u.a. § 44 Abs. 1 BNatSchG) anzuwenden sind, steht außer Frage; es ist – anders als nach der vor dem 2. Juni 2017 geltenden Rechtslage – vorliegend ohne Bedeutung, dass das Vorhaben, weil es nur aus einer einzigen WEA besteht, nicht UVPpflichtig oder nach dem UVPG vorprüfungspflichtig ist.
3.2.2. Nach der Überleitungsvorschrift des § 8 Abs. 2 Nr. 1 UmwRG n.F. wird das Gesetz auf Entscheidungen angewendet, die am 2. Juni 2017 noch keine Bestandskraft erlangt haben. Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt.
Die Anfechtungsklage gegen die am 30. März 2016 zugestellte immissionsschutzrechtliche Genehmigung wurde am 26. April 2016, also innerhalb der einmonatigen Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 VwGO erhoben. Allerdings fehlte dem Kläger – ausgehend von der vom Verwaltungsgericht im angegriffenen Urteil sowie vom Verwaltungsgerichtshof im Urteil vom 14. März 2017 (22 B 17.12) vertretenen Rechtsauffassung – die Klagebefugnis. Damit stellt sich die Frage, ob eine ohne Klagebefugnis erhobene (und damit gemäß § 42 Abs. 2 VwGO unzulässige) Anfechtungsklage geeignet ist, den Eintritt der Bestandskraft eines angefochtenen Verwaltungsakts zu hindern.
3.2.2.1. Diese Frage lässt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz beantworten; eine Definition der Bestandskraft findet sich – soweit die Bestandskraft von Verwaltungsakten gemeint ist – im Gesetz nicht. Insbesondere im Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetz und im insoweit gleichlautenden Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes wird der Begriff „Bestandskraft“ in der Überschrift des zweiten Abschnitts (vgl. Art. 43 bis 52 BayVwVfG) zwar vorausgesetzt, aber nicht definiert. Auch Rechtsprechung und Schrifttum geben auf diese Frage keine eindeutige Antwort. Zwar wird die Thematik „Bestandskraft eines Verwaltungsakts“ vordergründig in Gerichtsentscheidungen und rechtswissenschaftlichen Beiträgen häufig erörtert. Bei näherem Hinsehen ist jedoch festzustellen, dass in allen Fällen nicht die Bestandskraft eines Verwaltungsakts als solche der eigentliche Gegenstand der rechtswissenschaftlichen Erörterung bzw. die entscheidungserhebliche Frage im jeweiligen Rechtsstreit gewesen ist. Vielmehr ging es um die Frage, ob ein unzulässiger Rechtsbehelf, namentlich ein Rechtsbehelf, bei dem es dem Rechtsuchenden ersichtlich an der Klagebefugnis fehlte, aufschiebende Wirkung haben kann. Unzutreffend ist daher die Wiedergabe des Meinungsstands durch die Beigeladene (im Schriftsatz vom 13.11.2017), wonach die Klagebefugnis „nach allgemeiner Meinung“ Voraussetzung dafür sei, dass die Klage den Eintritt der Bestandskraft hindere. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 30.10.1992 – 7 C 24.92 – NJW 1993, 1610), auf das sich die Beigeladene in diesem Zusammenhang beruft, stützt diese Ansicht ebenso wenig wie die anderen von der Beigeladenen genannten Fundstellen (OVG Berlin, B.v. 1.2.1994 – 1 S 118/93 – LKV 1994, 298, beck-online; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 80 Rn. 50). Im genannten Fall (BVerwG – 7 C 24.92) hat sich das Bundesverwaltungsgericht nicht zur Bestandskraft geäußert, sondern nur zu der Frage, ob der Anfechtungsklage angesichts der fehlenden Klagebefugnis aufschiebende Wirkung zukomme. Auch das Oberverwaltungsgericht Berlin (B.v. 1.2.1994 – 1 S 118/93 – beck-online) hat sich nur dazu geäußert, ob im dortigen konkreten Fall die Anfechtungsklage den Suspensiveffekt auslösen konnte. Die zahlreichen Beiträge im Schrifttum sind für die vorliegende Frage gleichfalls nicht ergiebig. Dies liegt zum einen daran, dass ein Großteil der Kommentierungen solche Rechtsgebiete betrifft, in denen typischerweise oder sogar ausschließlich zweiseitige Verwaltungsakte mit Rechtsbehelfen angegriffen werden (z.B. in Streitsachen nach der Abgabenordnung), so dass sich die Frage einer unklaren oder fraglichen Klagebefugnis regelmäßig nicht stellt und dass als Folge hiervon „Bestandskraft“ und „Unanfechtbarkeit“ (gemeint ist: Unanfechtbarkeit für den jeweiligen Adressaten) rechtsdogmatisch gleichgesetzt werden können, ohne dass sich dies auf das Ergebnis auswirken würde. Auch soweit Verwaltungsakte mit Drittwirkung Gegenstand rechtswissenschaftlicher Erörterungen oder von Gerichtsentscheidungen (gewesen) sind, stand/steht entscheidungserheblich die Frage der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage inmitten, aber nicht die Frage der Bestandskraft; zum großen Teil wird nicht zwischen Unanfechtbarkeit und Bestandskraft unterschieden – meist kommt es hierauf auch nicht an. Vollziehbarkeit ist gleichwohl etwas anderes als Bestandskraft, die aufschiebende Wirkung eines Anfechtungsrechtsbehelfs demzufolge etwas anderes als die Verhinderung des Eintritts der Bestandskraft. Deutlich wird dieser Unterschied schon daran, dass in bestimmten gesetzlich geregelten Fällen ein Anfechtungsrechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung hat (§ 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO), dennoch aber zweifellos den Eintritt der Bestandskraft des angegriffenen Verwaltungsakts hindert. Die Wirkungen der Bestandskraft gehen über die Vollziehbarkeit hinaus.
3.2.2.2. Gründe der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit sprechen dafür, grundsätzlich jeder Anfechtungsklage eine die Bestandskraft hindernde Wirkung beizumessen (auch der unzulässigen Klage, und zwar unabhängig davon, ob die Unzulässigkeit auf einem Fehlen der Klagebefugnis oder auf anderen Gründen beruht).
Die Frage, ob eine Anfechtungsklage in jedem Fall den Eintritt der Bestandskraft des angegriffenen Verwaltungsakts hindert, bedarf aber aus Anlass des vorliegenden Falls keiner Entscheidung. Denn der vorliegende Fall ist besonders gelagert; er gleicht hinsichtlich der hier zu erörternden Problematik dem Sachverhalt, mit dem sich das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 28. Juni 2002 befasst hat (BVerwG, U.v. 28.6.2002 – 4 A 59/01 – juris, NVwZ 2002, 1234).
Das Bundesverwaltungsgericht hatte in diesem Fall darüber zu befinden, ob eine mangels Klagebefugnis zunächst unzulässige Klage deswegen anders beurteilt werden müsse, weil nach Klageerhebung eine Rechtsänderung eingetreten war, die dem Kläger die bisher nicht gegebene Klagebefugnis verliehen hat (in Betracht kam im dortigen Fall die Klagebefugnis gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG n.F.). Das Bundesverwaltungsgericht hat für diesen Fall die Klagebefugnis bejaht; es hat gerade nicht angenommen, dass einem Klageerfolg schon die Bestandskraft des Verwaltungsakts entgegenstehe. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es (in Rn. 15) u.a. auf den Zweck der Rechtsänderung hingewiesen:
„Maßgebend ist die Zielsetzung der Überleitungsvorschrift des § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG n.F. selbst. Sie setzt gerade in der Anordnung der Rückwirkung einen noch sinnvollen Anwendungsbereich voraus. Das ist nur gegeben, wenn § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG n.F. eine bislang fehlende Klagebefugnis substituiert. Die Vorschrift ordnet die Rückwirkung des Gesetzes gerade hinsichtlich der bundesrechtlich normierten Klagebefugnis der anerkannten Naturschutzverbände an. Es ist dieser Zusammenhang, der den Anwendungsbereich des § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG n.F. konstituiert. Zwar wollte das Gesetz mit dem Merkmal der Bestandskraft ersichtlich ausschließen, dass bereits nach der früheren Rechtslage unanfechtbar gewordene Verwaltungsakte nunmehr einem Klageverfahren mit den Möglichkeiten des § 61 BNatSchG n.F. unterzogen werden konnten. Damit nahm das Gesetz es einerseits hin, dass ein Naturschutzverband unter dem Eindruck der früheren Rechtslage eine fristgerechte Klageerhebung unterlassen hatte. Andererseits sollte den Naturschutzverbänden rückwirkend die Klagebefugnis des § 61 Abs. 1 BNatSchG n.F. eröffnet werden und damit eine bislang gerade nicht bestehende Rechtsposition begründet werden. Der Wortlaut des § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG n.F. steht dieser Auslegung erkennbar nicht entgegen. Diese wird durch den systematischen Zusammenhang, in den die Vorschrift gestellt ist, bestätigt. Das Gesetz will offenkundig verschiedene Fallgruppen von noch nicht abgeschlossenen Verfahren erfassen und dazu die Anwendbarkeit des neuen Rechts regeln. Das gilt auch für § 69 Abs. 5 BNatSchG n.F. selbst. Auch § 69 Abs. 7 Satz 1 BNatSchG n.F. mit der Bezugnahme auf § 61 BNatSchG n.F. deutet dies an. Die Entstehungsgeschichte rechtfertigt gleichfalls die hier zugrunde gelegte Auslegung. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung im Verfahren nach Art. 77 Abs. 2 GG vom 5. September 2001 dargelegt, dass sich die Rückwirkung im rechtlich möglichen Maße auch auf noch nicht bestandskräftige Verwaltungsakte erstrecken solle. Im Übrigen sei die Erhebung der Klage nur unter den sonstigen allgemeinen Voraussetzungen möglich (vgl. BT-Drucks 14/6878 – Anlage 3 S. 25 zu Art. 1 § 68 Abs. 5 Nr. 2). Mit dieser Begründung hat die Bundesregierung dem Begehren des Bundesrates, eine Rückwirkung ganz allgemein auszuschließen (vgl. BR-Drucks 411/01 (Beschluss) S. 32 zu Art. 1 § 68 Abs. 5 Nr. 2), widersprochen.“
Diese Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts zu § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG n.F. können auf die vorliegende Konstellation und die Erweiterung der Klagebefugnis durch die mit Wirkung vom 2. Juni 2017 neu in § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG eingefügte Nr. 5 übertragen werden. Denn § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG n.F. enthielt eine – soweit es darauf ankommt – gleiche Formulierung wie nunmehr § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG n.F.. Der vorliegende Fall gleicht dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Sachverhalt (U.v. 28.5.2002 – 4 A 59/01 – juris, NVwZ 2002, 1234) wertungsmäßig auch insofern, als den Gesetzesmaterialien zum „Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes und anderer Vorschriften an europa- und völkerrechtliche Vorgaben“ (BT-Drs. 18/12146 vom 26.4.2017) die Vorstellung des Gesetzgebers entnommen werden kann, durch die entsprechende Fassung der Übergangsvorschrift § 8 Abs. 2 UmwRG n.F. sollten die ab dem 2. Juni 2017 eintretenden Gesetzesänderungen für alle Entscheidungen gelten, die – unabhängig von ihrem verwaltungsverfahrensrechtlichen oder verwaltungsgerichtlichen Status – noch nicht „endgültig“ in dem Sinn sind, dass die gegen die Entscheidung laufenden Rechtsbehelfsfristen abgelaufen sind, ohne dass ein Rechtsbehelf eingelegt worden wäre. In der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (16. Ausschuss) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung heißt es in der genannten Drucksache (BT-Drs. 18/12146 vom 26.4.2017) auf S. 16 zur Änderung von § 8 Abs. 2 UmwRG nämlich:
„Mit der Änderung wird wie im Regierungsentwurf sichergestellt, dass der erweiterte Anwendungsbereich des geänderten UmwRG auf alle zukünftigen Entscheidungen Anwendung findet. Zusätzlich werden auch alle Entscheidungen erfasst, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes noch keine Bestandskraft erlangt haben. Bestandskräftige Entscheidungen liegen vor, wenn die Widerspruchs- oder Klagefrist abgelaufen ist. Dasselbe gilt für den Ablauf der Antragsfrist nach § 47 Absatz 2 VwGO. Die Änderung betrifft also allein solche Entscheidungen, zu denen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits ein Rechtsbehelfsverfahren anhängig ist oder noch anhängig gemacht werden kann.“
Zwar vermag die Begründung in der Beschlussempfehlung gleichfalls keine rechtlich verbindliche generelle Definition dessen zu geben, was „Bestandskraft“ eines Verwaltungsakts bedeutet. Die Begründung zum Gesetzentwurf kann aber zur Antwort auf die Frage herangezogen werden, was unter dem – gesetzlich nicht definierten – Begriff der „Bestandskraft“ bei Anwendung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 UmwRG n.F. zu verstehen ist. Nur ein solches Verständnis (Anwendung der die Klagebefugnis erweiternden Rechtsänderung auf zwar [noch] ohne Klagebefugnis, im Übrigen aber form- und fristgerecht erhobene Klagen) führt auch zu einem stimmigen, wertungswiderspruchsfreien Ergebnis, wie folgende Erwägungen zeigen: Sowohl die Erweiterung der Klagemöglichkeit auf die in der (neuen) Nr. 5 genannten Fälle als auch die Übergangsregelung in § 8 Abs. 1 Nr. 2 UmwRG n.F. wurden durch dasselbe Gesetz zum selben Tag (ab dem 2.6.2017) geschaffen; zuvor gab es Maßgaben zur Anwendung der VwGO (§ 4a UmwRG) und Überleitungsvorschriften (§ 5 UmwRG), die aber nicht auf die Bestandskraft ergangener „Zulassungsentscheidungen“ abstellten. Der Gesetzgeber hat also zum 2. Juni 2017 eine „neue“ Klagebefugnis schaffen bzw. die Klagebefugnis auf bisher nicht erfasste Fälle erweitern wollen; zugleich hat er mit einer Übergangsregelung bestimmt, dass (neben andern Rechtsänderungen) auch diese Erweiterung der Klagemöglichkeit für solche Verwaltungsakte gelten soll, die zum Zeitpunkt der Erweiterung nicht bestandskräftig waren. Eine solche Übergangsregelung hätte indes dann keinen sinnvollen Regelungsgehalt, wenn nur ein im Zeitpunkt der Rechtsänderung (vorliegend am 2.6.2017) in jeder Hinsicht – also auch im Hinblick auf die Klagebefugnis – zulässiger Rechtsbehelf den Eintritt der Bestandskraft hätte hindern können. Eine Lösung, die sowohl dem Gesetzeszweck (Erweiterung der Rechtsschutzmöglichkeiten durch § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG n.F.) dient und zugleich rechtliche Unsicherheiten (die lange Zeit und über mehrere Instanzen hinweg andauern können, z.B. ein Streit darüber, ob die Klagebefugnis bejaht werden kann) vermeidet, erfordert es, „Bestandskraft“ im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 1 UmwRG n.F. in folgendem Sinn zu verstehen: Wer sich gegen eine der in § 1 Abs. 1 UmwRG genannten Zulassungsentscheidungen nicht gewehrt hat und die Klagefrist hat verstreichen lassen, bei dem ist anzunehmen, dass er – aus welchen Gründen auch immer – das Vorhaben akzeptiert; er hat die Bestandskraft der Genehmigung eintreten lassen. In allen anderen Fällen (nämlich bei rechtzeitig erhobenen Klagen) ist es sachgerecht, solche Genehmigungen, die vor dem 2. Juni 2017 ergangen sind und mit der Klage angegriffen wurden, auch dann dem neuen Recht zu unterwerfen, wenn im Zeitpunkt der Klageerhebung die Klagemöglichkeit gegen ein Vorhaben für den jeweiligen Kläger noch nicht gegeben war und erst zum 2. Juni 2017 mit § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG n.F. geschaffen wurde. Das Abstellen nur auf das formale Kriterium einer fristgerecht erhobenen Anfechtungsklage (nicht dagegen auf die ggf. fragliche Klagebefugnis) gewährleistet ein Höchstmaß an Praktikabilität für die Verwaltung und an Rechtssicherheit, auch für den Begünstigten.
3.2.3. Die Einwände, die seitens der Beigeladen (Schriftsatz vom 13.11.2017) gegen dieses Ergebnis erhoben worden sind, sind nicht stichhaltig.
Für die Begründetheit der Berufung kommt es entgegen dem Vortrag der Beigeladenen nicht darauf an, ob das angegriffene Urteil gegen materielles oder prozessuales Recht verstoßen hat. Infolge der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung gilt nicht der Maßstab, der für die Zulassung der Berufung gelten würde, sondern – von Besonderheiten wie z.B. die Einschränkung gemäß § 129 VwGO abgesehen – grundsätzlich derselbe Maßstab wie im erstinstanzlichen Verfahren (§ 128 VwGO).
Gegen die Übertragung der Erwägungen aus dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 28.6.2002 – 4 A 59/01 – juris, NVwZ 2002, 1234) auf den vorliegenden Sachverhalt hat die Beigeladene vorgebracht, im dortigen Fall habe sich die Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluss gerichtet, während es vorliegend um eine Genehmigung gehe, so dass nicht nur Kläger und Beklagter sich gegenüber stünden, sondern dass es als dritte Beteiligte die durch die Genehmigung Begünstigte gebe, die sich auf den Bestand der ihr mit der Genehmigung verliehenen Rechte habe verlassen dürfen. Hierin liegt aber entgegen der Ansicht der Beigeladenen kein wesentlicher Unterschied zu dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall. Denn nicht nur rein formal gibt es auch bei einem Planfeststellungsbeschluss einen begünstigten „Rechteinhaber“ (nämlich den Vorhabensträger), sondern auch wirtschaftlich manifestieren sich in der Person des Begünstigten eines Planfeststellungsbeschlusses nicht immer und nicht nur Allgemeininteressen, sondern auch eigenes Interesse.
Auch der Unterschied, dass im dortigen Fall – anders als vorliegend – der Planfeststellungsbeschluss noch nicht bestandskräftig war, weil weitere Klagen gegen ihn erhoben worden waren, rechtfertigt keine andere Entscheidung. Jegliche Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts dazu, ob und in welchen Fällen eine unzulässige, insbesondere unstatthafte Klage den Eintritt der Bestandskraft verhindern könne, wären entbehrlich gewesen, wenn schon wegen erhobener anderer, unzweifelhaft in jeder Hinsicht zulässiger Anfechtungsklagen der Eintritt der Bestandskraft verhindert worden wäre. Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Ausführungen vielmehr ersichtlich in Bezug gerade auf die – zunächst ohne Klagebefugnis erhobene – Klage des dortigen Klägers gemacht und angenommen, dass nach dem Gesetzeszweck der (insoweit der vorliegend einschlägigen Vorschrift gleichenden) Überleitungsvorschrift des § 69 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG n.F. eine bislang fehlende Klagebefugnis „substituiert“ werde. Die sich hieraus ergebende Folge ist, dass der Mangel der Klagebefugnis rückwirkend behoben wird und dass dann, wenn dieser Mangel das einzige zur Unzulässigkeit der Klage führende Defizit gewesen ist, die Klage infolge der Rechtsänderung zulässig (geworden) ist.
3.3. Soweit die Beigeladene meint (Schriftsatz vom 13.11.2017 S. 3), die Klage sei zu spät begründet worden, das Vorbringen daher nach § 6 Satz 1 UmwRG n.F. ausgeschlossen, ist dem nicht zu folgen. Denn im Zeitpunkt der Klageerhebung bestand § 6 Satz 1 UmwRG in der jetzigen Fassung noch nicht. Das im Zeitpunkt der Klageerhebung maßgebliche Umweltrechtbehelfsgesetz (in der vom 15.8.2013 bis 25.11.2015 gültigen Fassung) enthielt zwar in Gestalt des § 4a UmwRG und den darin enthaltenen „Maßgaben zur Anwendung der Verwaltungsgerichtsordnung“ auch eine gesonderte Regelung der Frist für die Klagebegründung, es handelte sich aber nicht um eine Ausschlussfrist (vgl. § 4a Abs. 1 UmwRG: „Der Kläger hat innerhalb einer Frist von sechs Wochen die zur Begründung seiner Klage gegen eine Entscheidung im Sinne von § 1 Absatz 1 Satz 1 oder deren Unterlassen dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. § 87b Absatz 3 der Verwaltungsgerichtsordnung gilt entsprechend. Die Frist nach Satz 1 kann durch den Vorsitzenden oder den Berichterstatter auf Antrag verlängert werden“). Die Ansicht der Beigeladenen, der Kläger müsse sich dann, wenn er sich auf das Umweltrechtsbehelfsgesetz in seiner geänderten Fassung berufe, dies „als Ganzes“ tun (also, wie die Beigeladene wohl meint, auch die nunmehr geltende Ausschlussfrist für die Klagebegründung gewissermaßen rückwirkend gegen sich gelten lassen), widerspricht dem Gesetzeszweck und ist auch rechtsdogmatisch und logisch nicht nachvollziehbar.
4. Da die Klage zulässig (geworden) ist, das Verwaltungsgericht aber die Klage als unzulässig abgewiesen und in der Sache selbst noch nicht entschieden hat, bedarf es noch der Entscheidung über die Begründetheit der Klage. Insoweit ist die weitere Verhandlung der Sache erforderlich. Unter Aufhebung des Urteils verweist der Verwaltungsgerichtshof daher die Sache auf Antrag des Beklagten (Schriftsatz vom 8.11.2017) gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO an das Verwaltungsgericht zurück. Das Verwaltungsgericht ist an die oben dargelegte rechtliche Beurteilung durch den Verwaltungsgerichtshof, mit der er die Klage als zulässig angesehen hat, gebunden (§ 130 Abs. 3 VwGO). Einer Aufhebung des erstinstanzlichen Verfahrens bedarf es nicht; die Zurückverweisung erfolgt nicht wegen eines Verfahrensfehlers im Sinn von § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 17).
5. Ein Kostenausspruch ist bei einer Zurückverweisung nach § 130 Abs. 2 VwGO nicht veranlasst (BayVGH, U.v. 2.8.2016 – 22 B 16.619 – BayVBl 2017, 232, Rn. 53; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Oktober 2015, § 130 Rn. 12; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 130 Rn. 19).
6. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgründe im Sinn von § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist (§ 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 4 VwGO).
7. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 19.2 und 2.2.2 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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