Baurecht

Aktivlegitimation für Schadensersatzansprüche nach Versteigerung

Aktenzeichen  13 U 3724/17 Bau

Datum:
9.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 49913
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 631, § 633, § 861, § 894, § 905, § 985, § 1004

 

Leitsatz

1. Streitbefangen ist eine Sache, wenn auf der rechtlichen Beziehung zu ihr die Sachlegitimation beruht, also insbesondere auf einem dinglichen Recht oder einem Anspruch, der dem Eigentümer als solchem oder dem Besitzer in dieser Eigenschaft zusteht.  (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Gewährleistungsansprüche aus einem Werkvertrag hinsichtlich eines zu errichtenden Hauses knüpfen an die vertragschließenden Personen, nicht aber an die Sachlegitimation an. Die Aktivlegitimation für Schadensersatzansprüche bleibt auch nach Versteigerung des Hauses.  (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch wenn eine Statik nicht beauftragt war, können die Auftraggeber ein statisch einwandfreies Gebäude erwarten. Abzustellen ist auf die im Zeitpunkt der Abnahme geltenden statischen Regeln. (Rn. 9 und 13) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

5 O 4172/05 2017-10-05 Urt LGTRAUNSTEIN LG Traunstein

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten vom 09.11.2017 gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 05.10.2017, Az.: 5 O 4172/05, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Es ist beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 137.856,14 € festzusetzen.
3. Der Beklagten wird anheimgegeben, die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
4. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

Gründe

Weder beruht das angefochtene Urteil des Landgerichts Traunstein auf einem Rechtsfehler (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO), noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zu berücksichtigende Tatsachen eine andere Entscheidung.
Zur Begründung nimmt der Senat zunächst Bezug auf die ausführliche Entscheidung des Landgerichts Traunstein vom 05.10.2017, die er sich zu eigen macht.
Im Hinblick auf die Berufungsbegründung vom 15.01.2018 (Bl. 734/744 d. A.) und die Stellungnahme vom 20.06.2018 (Bl. 779/784 d. A.) ist ergänzend Folgendes auszuführen:
1. Das Erstgericht hat zutreffend eine Veräußerung der streitbefangenen Sache verneint.
Streitbefangen ist die Sache, wenn auf der rechtlichen Beziehung zu ihr die Sachlegitimation beruht, also insbesondere auf einem dinglichen Recht oder einem Anspruch, der dem Eigentümer als solchem (z. B. §§ 894, 905 ff., 985, 1004 BGB) oder dem Besitzer in dieser Eigenschaft (z. B. §§ 861 ff. BGB) zusteht.
Gewährleistungsansprüche aus einem Werkvertrag, der hinsichtlich eines zu errichtenden Hauses geschlossen wurde, knüpfen an den Personen der Vertragschließenden an, nicht aber an der Sachlegitimation (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 265 ZPO Rz. 3). Auch wenn das Eigenheim der Kläger mittlerweile versteigert wurde, verlieren sie mit dem Zuschlagsbeschluss nicht ihre Aktivlegitimation hinsichtlich der geltend gemachten Schadensersatzansprüche.
2. Dass der Antrag auf Leistung eines Vorschusses auf Schadensersatz umgestellt werden kann, war bereits bislang in baurechtlicher Rechtsprechung und Literatur unstreitig und wurde durch den BGH in seiner Entscheidung vom 22.02.2018 (IBR 2018, 196) nochmals bestätigt.
3. Die Behauptung des Beklagten, seine Leistung sei größtenteils mangelfrei, steht im Widerspruch zu den in erster Instanz in einer aufwendigen Beweisaufnahme getroffenen Feststellungen.
Auch wenn eine Statik nicht beauftragt war, können die Auftraggeber ein statisch einwandfreies Gebäude erwarten. Dies hat das Erstgericht ausführlich und zutreffend dargelegt. Wie dem Senat als langjährigen Bausenat bekannt ist, verfügen erfahrene Bauunternehmen insoweit über in der Praxis gewonnene Erfahrungswerte.
Soweit die Beklagte rügt, ein angebotener Beweis sei nicht eingeholt worden, wird schon nicht deutlich, wozu sie diesen Beweis konkret angeboten hat. Dass keine Statik eingeholt worden ist, ist unstreitig. Zur Mangelhaftigkeit der Statik wurden andererseits verschiedene Sachverständigengutachten eingeholt, nämlich des Sachverständigen R1. P. vom 08.04.2010, 12.12.2011, 24.06.2013 sowie des Sachverständigen
Dipl.-Ing. (FH) M. vom 25.02.2016. Zudem wurde der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) M. am 16.06.2016 mündlich angehört (Protokoll Bl. 513/516 d. A.). In seiner mündlichen Anhörung setzte sich der Sachverständige M. auch ausführlich mit den Sanierungsalternativen des Privatgutachters Pe. auseinander. Zur Luftdichtheit wurde durch den Sachverständigen Dipl. Ing. Univ. W. mit Gutachten vom 14.06.2008 Stellung genommen. Danach waren in den Anschlüssen an die Dachstuhlhölzer, Holzbalkendecke und am Holzerker West Strömungsgeschwindigkeiten zu messen, die den Grenzwert von 2,0m/sec. zum Teil um ein Vielfaches überschreiten. Dies bestätigte der Sachverständigen R1. P. unter dem 08.04.2010.
4. Soweit die Beklagte Mängel in der Schadensberechnung rügt, greift sie wiederum die Beweiswürdigung des Erstgerichts an. Allerdings genügen die Angriffe nicht den Voraussetzungen des § 529 ZPO, so dass sie nicht zum Erfolg führen.
Soweit die Beklagte rügt, es würde fehlerhaft an die heutigen statischen Regeln angeknüpft, entscheidend seien jedoch die statischen Regeln bei Auftragsvergabe und Auftragsdurchführung, so sei sie darauf hingewiesen, dass es zum einen auf die im Zeitpunkt der Abnahme geltenden Regeln ankommt und darüber hinaus die Sachverständigen dies berücksichtigt haben.
5. Auch hinsichtlich des Berufungsangriffs, die Klagepartei habe die angebotene Mängelbeseitigung abgelehnt, handelt es sich um einen Angriff auf die Beweiswürdigung. Soweit die Beklagte rügt, die Fenster und Türen seien nicht von ihr geliefert und nicht von ihr eingebaut worden, ist der berufungsrechtliche Vortrag unsubstantiiert.
Ebenso unsubstantiiert sind die Angriffe auf das Ersturteil im Hinblick auf Dampfbremse, Feuchtigkeitssperre am Boden und die Befestigungsarbeiten hinsichtlich der Bodenplatte.
6. Soweit die Beklagte rügt, wertmäßige Korrekturen durch den Zeitverzug seien nicht berücksichtigt worden, zahlreiche Innenarbeiten seien nicht durchgeführt gewesen und der Nutzungsausfall sei falsch berechnet, verkennt sie, dass sich die Sachverständige K. A. ausführlich mit dem Innen- und Außenausbau des Hauses beschäftigt hat. Das Erstgericht hat zutreffend an das Gutachten vom 19.08.2013 angeknüpft und durfte sodann gemäß § 287 ZPO schätzen.
Hinsichtlich des merkantilen Minderwerts in Höhe von 15.000,– € durfte das Erstgericht ebenfalls auf die Ausführungen der Sachverständigen A. zurückgreifen. Die Sachverständige für die Bewertung von unbebauten und bebauten Grundstücken musste ein Gebäude bewerten, das in größerem Umfang saniert werden muss und der Erfolg der Sanierungsarbeiten ex ante betrachtet gewisse Unsicherheitsfaktoren beinhaltet. Es mag sein, dass ex post nach Durchführung der Arbeiten durch Fachunternehmen kein merkantiler Minderwert mehr vorhanden ist, nur war diese Situation im Zeitpunkt der Versteigerung nicht gegeben.
Dass der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 10.08.2017 (Bl. 652/659 d. A.) nicht berücksichtigt worden sein soll, vermag der Senat nicht zu erkennen.
7. In der letzten mündlichen Verhandlung am 06.09.2017 (Protokoll Bl. 685/686 d. A.) wurden in der Beweisverhandlung weitere Beweisanträge nicht gestellt, §§ 279, 285 ZPO. Die Beklagte ist deshalb mit ihrem Vorbringen präkludiert, worauf die Klagepartei in ihrer Berufungserwiderung zutreffend hinweist (Bl. 753/775 d.A.) (vgl. Doukoff, Zivilrechtliche Berufung, 5. Auflage, Rz. 104).
8. Die Gutachterkosten in Höhe von 4.200,14 € sind deshalb erstattungsfähig, weil die Klagepartei nicht gezwungen ist, ein Beweissicherungsverfahren durchzuführen. Dass sie die vorgefundenen Mängel fachkundig feststellen lässt, begegnet keinen Bedenken, zumal die Klagepartei nicht selbst über die erforderliche Fachkunde verfügt.
9. Letztendlich versucht die Beklagte, die umfangreiche Beweiswürdigung des Erstgerichts durch ihre eigene zu ersetzen. Dies führt allerdings nicht zum Erfolg der Berufung.


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