Baurecht

Anfechtung immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen für Windkraftanlagen durch Nachbargemeinde

Aktenzeichen  22 CS 17.1471

Datum:
20.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NVwZ-RR – 2018, 120
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 2 Abs. 2

 

Leitsatz

Das interkommunale Abstimmungsgebot dient nicht dazu, die Nachbargemeinde zum Fürsprecher der Interessen betroffener Gemeindebürger zu machen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 11 S 17.474 2017-07-05 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 30.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Das Landratsamt … – … genehmigte der Beigeladenen mit Bescheid vom 30. Dezember 2016 die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen mit einer Nabenhöhe von je 140 m und einem Rotordurchmesser von 112,5 m auf zwei Grundstücken der Gemarkung T. in der Gemeinde D. Die sofortige Vollziehung der Genehmigung wurde angeordnet. Die Gemarkung Traishöchstädt grenzt unmittelbar an das Gemeindegebiet des Antragstellers an, hält aber noch mehrere hundert Meter Abstand zum nächstgelegenen Ortsteil (R.) des Antragstellers ein. Bauplanungsrechtliche Grundlage für die Genehmigung der beiden Windkraftanlagen war ein vorhabenbezogener Bebauungsplan der Standortgemeinde.
Gegen die Genehmigung erhob der Antragsteller am 1. Februar 2017 Klage und stellte mit Schriftsatz vom 10. März 2017 einen Eilantrag mit dem Ziel, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 30. Dezember 2016 herzustellen. Zur Begründung des Eilantrags wurde vorgetragen, dass der Sofortvollzug weder im öffentlichen Interesse noch im überwiegenden Interesse der Beigeladenen liege. Der Antragsteller werde durch den Genehmigungsbescheid in seinen Rechten verletzt. Es liege keine rechtmäßige Bebauungsplanung für die beiden Windkraftanlagen vor. Der Bebauungsplanung der Nachbargemeinde stünden verschiedene öffentliche Belange entgegen. So lägen die Windkraftanlagen außerhalb der Vorbehaltsfläche WK 46 des Regionalplans Westmittelfranken. Nach Inkrafttreten der sog. 10-H-Regelung in der Bayerischen Bauordnung stelle sich die Frage, welche Ziele eine Regionalplanung in Bayern überhaupt noch verfolgen könne. Die planungsrechtliche Zulässigkeit könne daher nicht auf die uneingeschränkte Wirkung des Regionalplanes gestützt werden. Vorliegend sei von den beiden streitgegenständlichen Anlagen der Mindestabstand des Art. 82 Abs. 1 BayBO nicht eingehalten. Eine ordnungsgemäße Bauleitplanung i.S.d. Art. 82 Abs. 5 BayBO sei vorliegend nicht durchgeführt worden. Insbesondere seien die Schutzabstände hinsichtlich der Nachbargemeinde nicht eingehalten worden. Die Bewohner der Nachbargemeinde würden in unzulässiger Weise Immissionen ausgesetzt, die der 10-H-Regelung widersprächen. Es fehle zudem an einem Planerfordernis i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, denn die Ziele der Bauleitplanung könnten nicht erreicht werden. Zu den entgegenstehenden öffentlichen Belangen gehörten der sog. vorbeugende Immissionsschutz i.S.d. § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB, aber auch naturschutzrechtliche und landschaftschutzrechtliche Belange sowie Belange des Waldschutzes und die weiteren in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB genannten Belange. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan der Standortgemeinde erweise sich als rechtswidrig. Die Ausweisung der Standorte für die Windkraftanlagen verbiete sich aus Gründen des Naturschutzes und Landschaftsschutzes. Die überdimensional hohen Anlagen zerstörten die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert. Zudem würden auch in der Umgebung liegende Denkmäler beeinträchtigt. Auch aus luftrechtlicher Sicht könne wegen der Höhe der Anlagen keine Genehmigung erfolgen. Durch die Genehmigung der Windkraftanlagen würden zudem die Anwohner im Gebiet des Antragstellers im immissionsschutzrechtlichen Sinn belastet, insbesondere durch Schallbelastung, Schattenschlag und die sogenannte bedrängende Wirkung. Dem Antragsteller obliege die Pflicht, Bürger seiner Gemeinde vor Lärmimmissionen und den anderen genannten Belastungen zu schützen. Aufgrund der geringen Entfernung der Windkraftanlagen zu einzelnen Wohnhäusern sei von Überschreitungen der Lärmhöchstwerte auszugehen. Der Antragsteller sei weiter im Hinblick auf das Gegenstromprinzip des § 2 Abs. 2 BauGB verletzt. Danach seien Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen. Dies habe nicht stattgefunden. Durch die Bauleitplanung der Standortgemeinde und die vorliegende Genehmigung der Windkraftanlagen sei es dem Antragsteller zukünftig verwehrt, Wohngebiete auszuweisen, die in Richtung der Windkraftanlagen gerichtet seien, weil die geforderten Nachtimmissionsrichtwerte nicht mehr einzuhalten seien.
Mit Beschluss vom 5. Juli 2017 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers ab. Der Eilantrag bleibe ohne Erfolg, weil die Klage in der Hauptsache aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben werde. Die Genehmigung vom 30. Dezember 2016 erweise sich in materieller Hinsicht als rechtmäßig und verletze den Antragsteller insoweit nicht in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Antragsteller sei nicht Adressat der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und auch nicht Standortgemeinde. Aus diesem Grund könne eine Anfechtungsklage nur dann Erfolg haben, wenn eine Verletzung drittschützenden Rechts vorläge. Dabei sei eine Nachbargemeinde nicht zur Sachwalterin privater Interessen ihrer Bürger oder generell zur Kontrolleurin der zur Wahrung öffentlicher Belange berufenen staatlichen Behörden berufen. Sie könne daher etwa gesundheitliche Belange ihrer Gemeindebürger, Eingriffe in das Landschaftsbild oder den Wasserhaushalt, oder auch naturschutz- und landschaftsschutzrechtliche Belange sowie Belange des Luftrechts, des Wasserrechts und des Waldschutzes nicht mit Erfolg geltend machen, da ihre Planungshoheit oder ihr Selbstgestaltungsrecht auf ihrem Gemeindegebiet insoweit nicht berührt seien. Auch hinsichtlich des öffentlichen Belanges des Denkmalschutzes sei jedenfalls keine Verletzung drittschützender Rechte des Antragstellers ersichtlich. Drittschutz erlange nur der Eigentümer eines denkmalrechtlich geschützten Objekts, um einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein verfassungsrechtlich garantiertes Eigentum zu verhindern. Es sei vorliegend aber nicht ersichtlich, dass der Antragsteller Eigentümer der von ihm erwähnten Denkmäler sei. Eine Verletzung subjektiver Rechte des Antragstellers durch das Hervorrufen schädlicher Umwelteinwirkungen sei vorliegend nicht ersichtlich. Denn dieser Schutz sei auf konkrete Rechtspositionen wie etwa auf im Eigentum des Antragstellers befindliche Grundstücke oder seine kommunalen Einrichtungen beschränkt. Diesbezüglich sei jedoch nichts vorgetragen. Es werde nur pauschal auf die Belastung einzelner Wohnhäuser Bezug genommen.
Der Antragsteller als Nachbargemeinde könne sich allenfalls auf solche eigenen Belange berufen, die sich dem Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zuordnen ließen. Auf eine mögliche bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit der Windkraftanlagen könne er sich nicht berufen, weil es insoweit an einer Verletzung von drittschützenden Rechten des Antragstellers fehlte. Es könne daher offen bleiben, ob der vorhabenbezogene Bebauungsplan des Marktes D. einen Fehler habe, der zu seiner Unwirksamkeit führe. In diesem Fall würde sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nicht nach § 30 Abs. 1 i.V.m. § 31 Abs. 2 BauGB richten, sondern nach § 35 BauGB. Eine Nachbargemeinde habe aber ebenso wie eine Privatperson keinen Schutzanspruch mit drittschützender Wirkung auf die Bewahrung des Außenbereichs und damit einen Abwehranspruch gegen Vorhaben, die im Außenbereich objektiv nicht genehmigungsfähig wären. Daher könne auch der Vortrag des Antragstellers zur sogenannten 10-H-Regelung keine Verletzung in eigenen Rechten begründen. Diese Vorschrift setze nur unter bestimmten Voraussetzungen eine bauplanungsrechtliche Entprivilegierung von im Außenbereich gelegenen Vorhaben fest.
Es liege auch keine Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebotes gemäß § 2 Abs. 2 BauGB vor. Auf eine Verletzung des § 36 BauGB könne sich der Antragsteller als Nachbargemeinde nicht berufen. Auf ihr Selbstgestaltungsrecht könne sich eine Gemeinde im Übrigen bezüglich des Ortsbildes nur mit Erfolg berufen, wenn sie durch Maßnahmen betroffen wäre, die das Ortsbild entscheidend prägten und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirkten, insbesondere die vorhandene städtebauliche Struktur von Grund auf veränderten. Vorliegend sei nicht erkennbar, dass das Bauvorhaben der Beigeladenen solche gewichtigen Auswirkungen auf die Planungshoheit des Antragstellers habe. Ebenfalls sei nicht ersichtlich, dass eine konkrete Planung des Antragstellers durch das Vorhaben gestört werde. Eine solche Störung könne sich etwa dann ergeben, wenn durch ein Vorhaben wesentliche Gemeindeteile einer weiteren Planung entzogen würden. Die Nachbargemeinde sei hinsichtlich der Planungsvorstellungen und deren Konkretisierungsstadien jedoch darlegungspflichtig. Der Antragsteller habe vorliegend lediglich die Behauptung aufgestellt, dass es ihm in Zukunft verwehrt wäre, Wohngebiete in Richtung des streitgegenständlichen Vorhabens auszuweisen. Er habe diesbezüglich aber weder konkrete Planungsvorstellungen substantiiert vorgetragen, noch liege ein hinreichendes Konkretisierungsstadium vor. Prognostisch bleibe daher die Klage des Antragstellers ohne Erfolg, so dass das Interesse der Beigeladenen an der sofortigen Bauausführung überwiege.
Gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichts legte der Antragsteller unter dem 25. Juli 2017 Beschwerde ein. Er beantragt,
unter Abänderung des Beschlusses vom 5. Juli 2017 die aufschiebende Wirkung der Klage vom 1. Februar 2017 gegen die Genehmigung vom 30. Dezember 2016 herzustellen.
Mit seiner Beschwerdebegründung vom 11. August 2017 trägt der Antragsteller vor, dass in formeller Hinsicht bereits die Anordnung des Sofortvollzugs durch das Landratsamt rechtswidrig sei. Es habe den Vortrag der Beigeladenen bezüglich der wirtschaftlichen Interessen ohne Prüfung übernommen.
Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei auch materiell rechtswidrig. Es sei eine strenge Prüfung der vorgelegten Unterlagen bei Vorhaben im Außenbereich angezeigt. Insbesondere müsse sich eine Nachbargemeinde gegen rechtswidrige Immissionen wehren können. Wenigstens eine der beiden Windkraftanlagen liege außerhalb des Vorbehaltsgebiets für Windkraft des Regionalplans, die Bauleitplanung der Standortgemeinde widerspreche damit den Zielen des Regionalplans. Weil die Nachbargemeinde in die Bauleitplanung über § 2 Abs. 2, § 1 Abs. 7 BauGB eingebunden sei, stehe ihr die Möglichkeit der Normenkontrolle nach § 47 VwGO gegen den Bebauungsplan offen. Es sei daher nicht nachzuvollziehen, wieso ihr das Verwaltungsgericht dann kein Rügerecht im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren einräume. Dass die artenschutzrechtliche Prüfung vorliegend nicht adäquat erfolgt sei, sei bereits im ersten Rechtszug vorgetragen worden. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den rechtlichen Möglichkeiten einer Nachbargemeinde sei dem Antragsteller bekannt. Sie sei aber im Vergleich zu den Möglichkeiten einer Standortgemeinde nicht überzeugend. Nachbargemeinden würden oft mehr belastet, da eine Lage der Windenergieanlagen gerade an der Gemeindegrenze gewählt werde. Die Berufung auf § 36 BauGB und dessen Grenzen sei unzureichend. Dies könne nur für herkömmliche bauliche Anlagen, nicht aber für Windenergieanlagen gelten. Die Wahrung der Rechte der Nachbargemeinden nur in den zugrunde liegenden Planungsverfahren sei nicht möglich. Dies widerspreche der Garantie des Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes. Die Beschränkung der Nachbargemeinde auf die Rüge ihrer Planungshoheit und ihr Selbstgestaltungsrecht sei vor diesem Hintergrund nicht länger vertretbar.
Die streitgegenständlichen Vorhaben seien bauplanungsrechtlich unzulässig. Darauf könne sich der Antragsteller als Nachbargemeinde auch berufen. Der Bebauungsplan der Standortgemeinde gelte als rechtswidrig und könne keine Grundlage der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung darstellen. Der Ansatz des Verwaltungsgerichts, sich hilfsweise auf die Privilegierung des § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB zu stützen, sei fehlerhaft, weil die Anlage wegen Art. 82 Abs. 1 BayBO entprivilegiert sei. Eine Anwendung des § 35 Abs. 2 BauGB auf Windkraftanlagen sei bisher einhellig abgelehnt worden. Das Verwaltungsgericht stelle im Ergebnis die Nachbargemeinde einer privaten Person gleich und verkenne damit die Rechtsposition einer Gemeinde. Art. 82 BayBO sei eine drittschützende Abstandsvorschrift. Insgesamt müsse der Antragsteller daher entgegenstehende öffentliche Belange als Nachbargemeinde geltend machen können. Das Verwaltungsgericht spreche ihm im Ergebnis aber sämtliche Rechte ab.
Der Antragsgegner ist der Beschwerde entgegengetreten. Die Beigeladene beantragt unter Verweis auf ihren Vortrag erster Instanz, die Beschwerde zurückzuweisen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers bleibt ohne Erfolg. Die von ihm dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Beschwerdegerichts beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Prüfung der Voraussetzungen der §§ 80a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO zu Recht darauf abgestellt, dass der Rechtsbehelf des Antragstellers in der Hauptsache voraussichtlich ohne Erfolg bleiben wird und somit kein Anlass besteht, auf seinen Antrag hin die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage wiederherzustellen. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO wäre die erhobene Klage des Antragstellers nämlich nicht schon dann erfolgreich, wenn der angegriffene Verwaltungsakt rechtswidrig ist, sondern erst dann, wenn der Kläger dadurch auch in seinen Rechten verletzt ist. Der Antragsteller kann daher nicht jedweden objektiven Rechtsverstoß geltend machen, sondern nur Verletzungen eigener Rechte oder solcher Rechtsvorschriften, die auch dem Schutz der Interessen Dritter zu dienen bestimmt sind. Soweit der Antragsteller dies in seiner Beschwerdebegründung als unpassend oder für eine Gemeinde als unzureichend ansieht, handelt es sich um rechtspolitische Ausführungen, die sich an den Gesetzgeber richten mögen, jedoch nicht zu einem Erfolg der gestellten Anträge im Rahmen des geltenden Rechts führen können.
Vorauszuschicken ist weiter, dass es sich bei den streitgegenständlichen Windkraftanlagen nicht um Vorhaben handelt, die als privilegierte Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB genehmigt worden sind, sondern um immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Windkraftanlagen im Gebiet eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans der Standortgemeinde. Die Zulässigkeit solcher Vorhaben richtet sich allein nach den Vorschriften der §§ 30 Abs. 2 und 31 Abs. 2 BauGB. Ausführungen des Antragstellers zu einzelnen Voraussetzungen des § 35 BauGB, insbesondere § 35 Abs. 2 und 3 BauGB sowie zu Art. 82 Abs. 1 BayBO liegen daher von vornherein neben der Sache. Die Vorschrift des Art. 82 Abs. 5 BayBO verstößt gemäß Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (v. 9.5.2016 – Vf. 14-VII-14 – juris) gegen Art. 3 Abs. 1 Satz 1 der bayerischen Verfassung und ist daher nichtig und unanwendbar.
1. In formeller Hinsicht ist die Anordnung des Sofortvollzuges gemäß § 80 Abs. 3 VwGO auf Seite 47 ff. des Genehmigungsbescheides vom 30. Dezember 2016 einzelfallbezogen hinreichend begründet. Das Landratsamt hat ausführlich die privaten Interessen des Anlagenbetreibers dargestellt, aber auch die Möglichkeiten der Verletzung von Rechten Dritter bewertet. Dass der Antragsteller das inhaltlich für unzutreffend hält, betrifft jedoch die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des Genehmigungsbescheides.
2. Das Verwaltungsgericht hat auf S. 14/15 des Beschlussabdrucks im Beschluss vom 5. Juli 2017 zu Recht ausführlich dargestellt, dass der Antragsteller als Nachbargemeinde weder Adressat der von ihm angegriffenen immissionsschutzrechtlichen Genehmigung ist und auch nicht Standortgemeinde, in deren Gebiet das Vorhaben realisiert werden soll. Zudem gilt generell, dass eine Gemeinde, auch eine Nachbargemeinde, nicht gleichsam als Sachwalterin private Interessen ihrer Bürger vertreten und durchsetzen kann und auch nicht als Kontrolleurin der zur Wahrung öffentlicher Belange berufenen staatlichen Behörden berufen ist. Sie kann daher gesundheitliche Belange ihrer Gemeindebürger, Eingriffe in das Landschaftsbild oder den Wasserhaushalt, aber auch naturschutz- und landschaftsschutzrechtliche Belange nicht mit Erfolg geltend machen (BayVGH, B.v. 3.2.2009 – 22 CS 08.3194 – Rn. 8 juris; BayVGH, B.v. 31.10.2008 – 22 CS 08.2369 – Rn. 28 juris), da hierdurch ihre Planungshoheit oder ihr Selbstgestaltungsrecht auf ihrem Gemeindegebiet nicht berührt ist. Vor diesem Hintergrund hat das Verwaltungsgericht zu Recht betont, dass der Antragsteller als Nachbargemeinde sich allenfalls auf solche eigenen Belange berufen kann, die sich dem Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zuordnen lassen. Der Antragsteller kann daher nicht aus seiner Sicht rechtswidrige Immissionen „abwehren“, die auf Grundstücke einwirken, die sich nicht in seinem Eigentum befinden.
Auch die nur mit einem älteren Gemeinderatsbeschluss begründete und angesichts der 22. Änderung des Regionalplans (in Kraft getreten am 18. Oktober 2016) nicht nachvollziehbare bloße Behauptung, wenigstens eine der beiden streitgegenständlichen Windkraftanlagen liege nicht im Vorbehaltsgebiet für Windkraft (WKA 46) des Regionalplans, kann daher eine Rechtsverletzung des Antragstellers nicht begründen. Dass der Antragsteller als Nachbargemeinde in die Bauleitplanung der Standortgemeinde über § 2 Abs. 2 und § 1 Abs. 7 BauGB eingebunden sein mag, führt nicht dazu, ihm ein unbegrenztes Rügerecht aller möglichen Sachverhalte im Rahmen der Überprüfung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, die einem Dritten erteilt worden ist, einzuräumen.
Auch seine Rüge, die artenschutzrechtliche Prüfung sei im Genehmigungsverfahren nicht adäquat erfolgt, ist daher unbehelflich, da sich ein Dritter und damit auch der Antragsteller als Nachbargemeinde nicht auf die Verletzung artenschutzrechtlicher Vorschriften berufen kann (BayVGH, B.v. 24.8.2015 – 22 ZB 15.1802 – Rn. 14 juris; BayVGH, 21.9.2015 – 22 ZB 15.1095 – Rn. 53 f juris).
Der Antragsteller führt in seiner Beschwerdebegründung selbst aus, dass ihm die rechtlichen Möglichkeiten einer Nachbargemeinde und vor allem die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs hierzu bekannt seien. Dass er diese Rechtsprechung im Vergleich zu den Möglichkeiten einer Standortgemeinde nicht für überzeugend hält, weil seiner Auffassung nach Nachbargemeinden oft durch an der Gemeindegrenze liegende Windkraftanlagen höher belastet seien, führt nicht weiter. Auch auf § 36 BauGB kann sich die Nachbargemeinde im vorliegenden Fall nicht berufen, weil diese Vorschrift auf sie als Nachbargemeinde nicht anwendbar ist (BayVGH, B.v. 3.2.2009 – 22 CS 08.3194 – Rn. 9 juris; BayVGH, B.v. 24.8.2015 – 22 ZB 15.1802 – Rn. 15 juris). Dass der Antragsteller diese Vorschrift nur auf herkömmliche bauliche Anlagen, nicht jedoch auf Windkraftanlagen angewendet sehen will, ist eine bloße rechtspolitische Grundvorstellung, die der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen kann.
Auch dass im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 VwGO andere Grundsätze gelten mögen (wobei aber auch dort eine Antragsbefugnis darzulegen ist, vgl. OVG RhPf, U.v. 26.2.2014 – 8 C 10561 – juris Rn. 33), ändert wegen § 113 Abs. 1 VwGO nichts an der Erforderlichkeit einer Verletzung eigener Rechte im Rahmen einer erhobenen Anfechtungsklage (Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 113 Rn. 18).
3. Soweit der Antragsteller meint, dass das Ergebnis des vorliegenden Verfahrens und des Beschlusses des Verwaltungsgerichts der Garantie des Art. 28 Abs. 2 GG widerspreche und die Beschränkung auf die Planungshoheit und das Selbstgestaltungsrecht einer Gemeinde nicht länger vertretbar sei, rügt er ebenfalls lediglich die geltende Rechtslage, ohne tatsächlich die Verletzung eigener Rechte aufzuzeigen. Das gilt insbesondere auch für die Verletzung der Planungshoheit des Antragstellers und etwaiger Beteiligungsrechte im Planaufstellungsverfahren der Nachbargemeinde:
Bauplanungsrechtlich kann sich ein Dritter und damit auch der Antragsteller als Nachbargemeinde nicht mit rechtlichem Erfolg einfach darauf berufen, die Genehmigung des streitigen Vorhabens sei bauplanungsrechtlich unzulässig. Die Rechtswidrigkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans der Standortgemeinde wird vorliegend auch im Beschwerdeverfahren vom Antragsteller lediglich unsubstantiiert behauptet. Eine Verletzung der Planungshoheit und des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts des Antragstellers als benachbarter Gemeinde ist ohne nähere Begründung aber nicht ansatzweise ersichtlich:
Grundsätzlich kann eine Gemeinde ein Selbstgestaltungsrecht, das dem Schutzbereich der verfassungsrechtlichen Selbstverwaltungsgarantie entnommen wird, gegenüber Vorhaben auf ihrem Gemeindegebiet einwenden. Auf dieses Recht kann sich auch eine Nachbargemeinde berufen, wenn sich ein Vorhaben auch auf ihr Gebiet auswirkt, allerdings begrenzt durch das Selbstgestaltungsrecht der Standortgemeinde. Im Rahmen der Anlagengenehmigung im Anwendungsbereich des § 35 BauGB entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass Abwehransprüche einer Nachbargemeinde allenfalls dann entstehen, wenn die Gemeinde durch Maßnahmen betroffen wird, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken (BVerwG, U.v. 15.12.1989 – 4 C 36/86 – NVwZ 1990, 464; BayVGH, B.v. 3.2.2009 – 22 CS 08.3194 – Rn. 6/7 juris; Nieders. OVG, B.v. 13.9.2010 – 12 LA 18.09 – ZfBR 2010, 793). Dabei sind allerdings gewisse ästhetische Einbußen für das Ortsbild als Folge ansonsten zulässiger Vorhaben hinzunehmen (BayVGH, B.v. 31.10.2008 – 22 CS 08.2369 – Rn. 26).
Derartige Belange kann der Antragsteller auch in die vorgenommene Bauleitplanung der Standortgemeinde nach § 2 Abs. 2 BauGB einbringen. Das interkommunale Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 2 BauGB stellt eine besondere Ausprägung des Abwägungsgebots des § 1 Abs. 7 BauGB dar (BayVGH, U.v. 18.2.2017 – 15 N 15.2042 – juris Rn. 61). Der Antragsteller müsste dazu aber abwägungserhebliche eigene Belange konkret geltend machen und aufzeigen. Eine konkrete Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebots nach § 2 Abs. 2 BauGB hat der Antragsteller nicht substantiiert dargelegt. Er hat nicht dargelegt, durch den von ihm für rechtswidrig gehaltenen Bebauungsplan von unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art (BayVGH, U.v. 18.2.2017 – 15 N 15.2042 – juris Rn. 61; OVG RhPf, U.v. 26.2.2014 – 8 C 10561 – juris Rn. 35-37) betroffen zu sein, die überhaupt erst eine interkommunale Abstimmungspflicht i.S.v. § 2 Abs. 2 BauGB auslösen könnten und die in der erforderlichen Abwägung nicht hätten überwunden werden können. Denn das interkommunale Abstimmungsgebot dient nicht dazu, die Nachbargemeinde lediglich zum Fürsprecher der Interessen betroffener Gemeindebürger zu machen. Zwar können auch faktische Auswirkungen auf Nachbargemeinden ausreichen, sofern sie städtebauliche Relevanz haben. Doch bedürfte es insoweit des Erreichens einer gewissen, näher zu präzisierenden Intensitätsschwelle, um tatsächlich eine Abstimmungspflicht nach § 2 Abs. 2 BauGB zu begründen. Der Antragsteller beruft sich vorliegend nicht auf tatsächlich bestehende Planungen, die eine Konkretisierung erreicht hätten, die den Inhalt der von ihr beabsichtigten Planung schon absehbar werden ließen. Der Antragsteller hat, soweit es den Akten zu entnehmen ist, auch schon im Genehmigungsverfahren lediglich unsubstantiiert darauf hingewiesen, dass gewisse Vorarbeiten für einen Vorentwurf der Änderung seines Flächennutzungsplans vorhanden seien, ohne jedoch zu erläutern, wobei es sich dabei konkret handelt und wie die Planungsvorstellungen im fraglichen Bereich aussehen sollen. Dass die jetzt streitgegenständlichen Vorhaben in konkreter Weise tatsächlich eine bauplanerische Entwicklung einzelner Ortsteile des Antragstellers unmöglich machen sollen, ist nicht ansatzweise dargelegt (vgl. auch BayVGH, 21.9.2015 – 22 ZB 15.1095 – juris Rn. 21). Das wäre aber vor dem Hintergrund des erheblichen Abstandes der Anlagen zu den Ortsteilen des Antragstellers notwendig. Ohne Konkretisierung von Planungsabsichten des Antragstellers ist nämlich nicht ersichtlich, inwieweit die Errichtung und der Betrieb der geplanten Windkraftanlagen denkbare Planungen des Antragstellers in einer die Abstimmungspflicht nach § 2 Abs. 2 BauGB auslösenden Weise tangieren könnte. Ein lediglich allgemeines Freihaltungsinteresse für bestimmte Gemeindeteile, um sich etwaige Planungsoptionen für die Zukunft oder auch Nutzungsmöglichkeiten Dritter abstrakt offen zu halten, ist ohnehin nicht schutzwürdig (OVG RhPf, U.v. 26.2.2014 – 8 C 10561 – juris Rn. 39) und stellt keinen planungsrechtlich beachtlichen Belang dar. Das gilt auch für die Geltendmachung von Auswirkungen auf das Landschaftsbild, denen ein hinreichender städtebaulicher Bezug fehlt.
Damit fehlt es im Ergebnis an einer Verletzung eigener Rechte des Antragstellers als Nachbargemeinde und somit an einer Erfolgsaussicht der gegen die Genehmigung erhobenen Klage. Für eine weitergehende Interessenabwägung im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO ist daher kein Raum.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nach § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, weil diese einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 19.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, wobei im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gemäß Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs die Hälfte des Streitwertes in der Hauptsache anzusetzen ist.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben