Baurecht

Anfechtungsklage, Nutzungsuntersagung, Unbestimmtheit der Baugenehmigung, Nichtigkeit der Baugenehmigung, Ermessen bei bauordnungsrechtlichem Einschreiten, intendiertes Ermessen, besondere Umstände

Aktenzeichen  15 B 22.772

Datum:
8.7.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 16892
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO §§ 113 Abs. 1 S. 1, 114 S. 1
BauGB § 34
BauNVO § 6
BayBO Art. 55, 57 Abs. 4, 76 S. 2
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1, 40, 44 Abs. 1

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RO 7 K 16.284 2016-11-17 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 17. November 2016 (Az. RO 7 K 16.284) und der Bescheid des Landratsamts N. vom 27. Januar 2016 (Az. 43-2013-0465) werden aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg.
Die gegen den streitgegenständlichen Nutzungsuntersagungsbescheid des Beklagten vom 27. Januar 2016 erhobene Anfechtungsklage ist nicht nur zulässig, sondern entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts auch begründet. Der angefochtene Bescheid vom 27. Januar 2016 ist für den Fall der Wirksamkeit der Baugenehmigung vom 31. Juli 2013 hinsichtlich der Reichweite der untersagten Nutzungen teilweise vom Tatbestand des Art. 76 Satz 2 BayBO nicht gedeckt und im Übrigen am Maßstab von Art. 40 BayVwVfG ermessensfehlerhaft (§ 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 Satz 1 VwGO).
1. Die streitgegenständliche Nutzungsuntersagungsverfügung ist für den Fall, dass der – inhaltlich unbestimmte und daher gegen Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG verstoßende – Baugenehmigungsbescheid vom 31. Juli 2023 nicht gem. Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG nichtig, sondern wirksam (sowie bestandskräftig geworden) ist, hinsichtlich der Reichweite der untersagten Nutzungen allenfalls teilweise von Art. 76 Satz 2 BayBO als Befugnisnorm gedeckt.
a) Gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO kann das Landratsamt N. … … als sachlich und örtlich zuständige Bauaufsichtsbehörde (Art. 53 Abs. 1 S. 1 BayBO, Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG) die Nutzung einer baulichen Anlage im Landkreis untersagen, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt wird. Bei einem gem. Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungspflichtigen Vorhaben genügt hierfür die sog. formelle Illegalität, wenn also eine Nutzung(sänderung) vorliegt, die die Variationsbreite einer vorliegenden Baugenehmigung verlässt, und die Voraussetzungen des Art. 57 Abs. 4 BayBO nicht vorliegen (vgl. BayVGH, U.v. 19.5.2011 – 2 B 11.353 – BayVBl 2012, 86 = juris Rn. 31; B.v. 10.6.2010 – 1 ZB 09.1971 – juris Rn. 15; B.v. 18.9.2017 – 15 CS 17.1675 – juris Rn. 14, 25 f.; B.v. 7.1.2020 – 15 ZB 19.1642 – juris Rn. 6; B.v. 23.3.2021 – 15 ZB 20.2906 – juris Rn. 7; OVG Berlin-Bbg, B.v. 30.5.2016 – OVG 10 S 34.15 – NVwZ-RR 2016, 650 = juris Rn. 4; OVG NW, U.v. 7.5.2019 – 2 A 2995/17 – NVwZ-RR 2020, 94 = juris Rn. 59 ff.; Decker, BayVBl. 2011, 517/524 f.). Umgekehrt würde die untersagte Nutzung dann nicht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfolgen, wenn diese von der bestehenden Baugenehmigung aus dem Jahr 2013 abgedeckt wäre. Denn eine wirksame, eine Nutzung als zulässig erklärende Baugenehmigung vermittelt – solange sie nicht gem. Art. 48, 49 BayVwVfG aufgehoben wird – eine der Nutzungsuntersagung entgegenstehende Legalisierungswirkung, soweit ihre Feststellungswirkung reicht (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 26.9.2016 – 15 ZB 16.1365 – juris Rn. 13; OVG Berlin-Bbg, U.v. 8.11.2018 – OVG 2 B 4/17 – NVwZ-RR 2019, 355 = juris Rn. 21; Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand: September 2021, Art. 76 Rn. 286; Lindner DÖV 2014, 313/316 f.; im Fall einer Beseitigungsanordnung vgl. auch BayVGH, U.v. 2.11.2020 – 15 B 19.2210 – NVwZ 2021, 1637 = juris Rn. 13). Insofern kommt es dann nicht darauf an, ob die genehmigte Nutzung mit den materiellen Vorgaben des Prüfprogramms, das vom einschlägigen Baugenehmigungsverfahren (hier Art. 59 BayBO) abgedeckt ist, tatsächlich übereinstimmt.
b) Geht man von der – vorliegend nicht unproblematischen – Wirksamkeit des Baugenehmigungsbescheids vom 31. Juli 2013 aus, überdehnt der Beklagte den von ihm im Untersagungsbescheid vom 27. Januar 2016 zugrunde gelegten Bereich von formell illegalen, von der Feststellungs- / Legalisierungswirkung der Baugenehmigung nicht mehr gedeckten Nutzungen [unten cc) ]. Dies hängt mit der begrifflichen Weite des mit dem Baugenehmigungsbescheid vom 31. Juli 2013 genehmigten Vorhabens „Errichtung einer Anbaulagerhalle mit Autopflegeraum und Ersatzteillager“ und einer bescheidsintern fehlenden Konkretisierung zusammen, wonach sich die Variationsbreite der Baugenehmigung und damit auch die von dieser gedeckten Nutzungen nicht eindeutig fassen lassen. Die Baugenehmigung ist daher in einer Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG widersprechenden Weise unbestimmt [im Folgenden aa) ]. Es ist sogar in Erwägung zu ziehen, ob sie aufgrund des Grads ihrer Unbestimmtheit als nichtig zu qualifizieren ist, Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG [unten bb) ]. In diesem Fall wäre die Baugenehmigung allerdings auch ohne Aufhebung (Art. 48, 49 BayVwVfG) eo ipso unwirksam und könnte dann sämtlichen ausgeübten Nutzungen der Halle, die dann umfassend als formell illegal einzustufen wären, keine Legalisierungswirkung vermitteln. Aber auch in diesem Fall ist der angefochtene Bescheid vom 27. Januar 2016 wegen eines Ermessensfehlers (Verstoß gegen Art. 40 BayVwVfG) gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 114 Satz 1 VwGO aufzuheben [unten c) ]
aa) Wie jeder Verwaltungsakt muss auch eine Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Sie muss – gegebenenfalls nach Auslegung – das genehmigte Vorhaben, insbesondere Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung, eindeutig erkennen lassen, damit die am Verfahren Beteiligten (vgl. Art. 13 Abs. 1 BayVwVfG) die mit dem Genehmigungsbescheid getroffenen Regelungen nachvollziehen können. Es muss zweifelsfrei feststellbar sein, welche Nutzungen genau genehmigt wurden resp. von der Gestattungssowie Feststellungs- / Legalisierungswirkung umfasst sind und ob und in welchem Umfang diese möglicherweise andere (insbes. Nachbarn) in subjektiven Rechten betreffen. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls. Was Gegenstand der Baugenehmigung sein soll, bestimmt der Bauherr durch seinen Bauantrag. Der Inhalt der (erlassenen) Baugenehmigung ergibt sich aus der Bezeichnung, den Regelungen und der Begründung im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch in Bezug genommene Bauvorlagen und sonstige Unterlagen. Dem Bestimmtheitserfordernis kann genügt werden, wenn in der Baugenehmigung auf bestimmte Antragsunterlagen (z.B. eine Betriebsbeschreibung) verwiesen wird und die in Bezug genommenen Unterlagen ihrerseits hinreichend bestimmt sind. Eine Unbestimmtheit insbesondere in Bezug auf betroffene Nachbarrechte liegt etwa vor, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen bzw. mangels konkretisierender Inhalts- oder Nebenbestimmungen der Gegenstand und / oder der Umfang der Baugenehmigung und damit des nachbarlichen Störpotenzials bei deren Umsetzung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 11.1.2022 – 15 CS 21.2913 – juris Rn. 23 m.w.N.).
Diesen Anforderungen an die Bestimmtheit wird die Baugenehmigung vom 31. Juli 2013 nicht gerecht. Sie wurde vorliegend für das nicht umfassend selbsterklärende Vorhaben „Lagerhalle mit Autopflegeraum und Ersatzteillager“ erteilt, ohne dass vom Kläger als Bauherrn eine konkretisierende Betriebsbeschreibung (vgl. § 3 Nr. 3, § 9 BauVorlV) mit der Darstellung der einzelnen Nutzungen und des betrieblichen Gesamtkonzepts vorgelegt wurde, die zum Gegenstand der Baugenehmigung hätte erklärt werden können, und ohne dass der Baugenehmigungsbescheid sonstige Regelungen (Nebenstimmungen, Inhaltbestimmungen) zur Begrenzung des Betriebs und insbesondere zur Konturierung des genehmigten Inhalts enthält. Auch in der Begründung der Baugenehmigung finden sich keine näheren Aussagen, was unter einem „Autopflegeraum mit Ersatzteillager“ zu verstehen sein soll. Der im Bescheid bezeichnete Genehmigungsgegenstand „Lagerhalle mit Autopflegeraum mit Ersatzteillager“ eröffnet einen letztlich nicht abschließend fassbaren Spielraum an denkbaren Tätigkeiten zur „Autopflege“.
Einerseits sind aus dem vom Kläger ausgeübten Nutzungsspektrum, wie es sich aus dem Bauantrag ergibt, der Gegenstand der abgeschlossenen Verfahren RO 7 K 18.858 (VG Regensburg) und 15 ZB 21.2598 (Senat) war, jedenfalls „Kfz-, Motorrad -sowie Fahrradhandel“ sowie die „Entsorgung von Altfahrzeugen“ eindeutig nicht mehr von einem auch weit verstandenen Begriff der genehmigten „Autopflege“ umfasst.
Andererseits verbleiben auch nach Auslegung der Baugenehmigung nicht auszuräumende Zweifel, ob und welche Reparaturmaßnahmen von der Variationsbreite einer Baugenehmigung der vorliegenden Art erfasst sind. Zwar ergibt sich aus der Wortwahl des Genehmigungsbetreffs, dass keine herkömmliche Kfz-Werkstatt mit allen dort anfallenden (lautstarken) Reparaturtätigkeiten gestattet werden sollte. Damit dürften z.B. solche Leistungen, die hinsichtlich ihrer Art typischerweise für sich als „das Wohnen wesentlich störend“ anzusehen sind und deshalb etwa in einem faktischen Mischgebiet gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 6 Abs. 1 BauNVO unzulässig sind, von der Baugenehmigung nicht umfasst werden. Kraftfahrzeugreparaturwerkstätten rechnen allerdings zu einer Branche, bei der die üblichen Betriebsformen hinsichtlich des Störgrads vom nicht wesentlich störenden bis zum störenden oder gar bis zum erheblich belästigenden Betrieb reichen. Hier ist im jeweiligen Einzelfall auf den konkreten Typ der Werkstätte abzustellen (vgl. BVerwG, B.v. 11.4.1975 – IV B 37.75 – BauR 1975, 396 = juris Rn. 3 f.; U.v. 7.2.1986 – 4 C 49.82 – NVwZ 1986, 642 = juris Rn. 21; BayVGH, B.v. 28.7.2021 – 9 ZB 20.3160 – KommJur 2021, 410 = juris Rn. 8; U.v. 27.9.2021 – 15 B 20.828 – juris Rn. 35 f. m.w.N.). Hierüber lassen sich mithin eindeutig nur „wesentlich störende“ Einzelleistungen – wie z.B. typischerweise mit erheblichem Lärm verbundene Karosseriearbeiten sowie kompressorunterstützte Lackierarbeiten (vgl. BayVGH, U.v. 27.9.2021 a.a.O. Rn. 36) – als Gegenstand der Baugenehmigung sicher ausschließen. Insofern dürften z.B. vor allem Leistungen der „Metallbearbeitung im Zusammengang mit Reparatur/ Instandsetzung“ sowie der „Holzbearbeitung (insbesondere Hobeln, Fräsen, Zuschneiden) im Zusammengang mit Reparatur / Instandsetzung“ von Kraftfahrzeugen jedenfalls nicht umfänglich von einer auch weit verstandenen Baugenehmigung für „Autopflege“ abgedeckt sein. Im Übrigen hängt auch die Einstufung als wesentlich oder nicht wesentlich störender Betrieb von den konkreten Betriebsabläufen ab, wozu es gerade (hier unterbliebener) inhaltlicher Konkretisierungen im Bescheid selbst oder in einer zum Inhalt des Bescheids erklärten Betriebsbeschreibung bedarf.
Zudem ist nicht ersichtlich, dass sich im deutschen Sprachgebrauch ein einheitlicher, klar abgrenzbarer Begriff der „Autopflege“ herausgebildet hat. Dies zeigt sich auch an Treffern im Internet, die man unter Eingabe des Begriffs „Autopflege“ über Suchmaschinen für einzelne Dienstleistungserbringer erhält, die mit diesem Begriff in ihrem Betriebsnamen firmieren. Einerseits finden sich hier Betriebe, die sich auf Reinigungsleistungen des Innenraums, der Karosserie und des Motors sowie auf äußerliche Schutzmaßnahmen wie z.B. Versiegelungen, Polituren begrenzen. Andererseits lassen sich aber „Autopflege“-Firmen recherchieren, die darüber hinaus sog. Smart-Reparaturen im Innen- und Außenraum (z.B. inklusive Entfernen von Kratzern und kleineren Beulen) bis hin zu umfassenderen Inspektions- und Wartungsarbeiten (z.T. unter Einschluss von Reifenwechseln, Ölwechseln, Verschleißteilaustausch) anbieten. Das Stammwort „Pflege“ umfasst zudem vom Wortsinn u.a. auch eine „Behandlung mit den erforderlichen Maßnahmen zur Erhaltung eines guten Zustands“ (vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Pflege), sodass sich auch im allgemeinen Sprachgebrauch der Begriff „Pflege“ nicht notwendigerweise auf rein äußerliche reinigende oder kosmetische Maßnahmen begrenzt. Auch z.B. Reifen- oder Ölwechsel bzw. der Austausch von kleineren Verschleißteilen stellen regelmäßig wiederkehrende Maßnahmen dar, die der Aufrechterhaltung eines fahrbereiten bzw. verkehrssicheren Zustands eines Kraftfahrzeugs dienen. Dass von der Baugenehmigung keinerlei Leistungen umfasst sein sollen, die über reine „kosmetische“ Maßnahmen (Innen- und Außenreinigung, Aufbringung von Lackschutz o.ä.) hinausgehen, ergibt sich auch nicht aus den sonstigen Umständen des vorliegenden Einzelfalls. Vielmehr spricht die – auch in der Planzeichnung erfolgte – Kennzeichnung der Hallennutzung auch als „Ersatzteillager“ dafür, dass in der Halle gelagerte Ersatzteile dort auch eingebaut werden sollen. Denn allein das Lagern von Ersatzeilen in einer als „Autopflegeraum“ bezeichneten Anlage macht wenig Sinn, wenn diese dort nicht auch eingebaut werden können. Zudem vermittelt die mit Genehmigungsstempel vom 31. Juli 2013 versehene zeichnerische Darstellung des Vorhabens mit den östlichen und westlichen Sektionaltoren auch optisch den typischen Eindruck einer kleineren Kfz-Werkstätte.
Aufgrund der nicht abschließend fassbaren Weite des Begriffs „Autopflege“ sowie mangels hinreichender Anhaltspunkte für eine Konkretisierung im Baugenehmigungsbescheid verbleibt damit eine „Grauzone“ an Werkresp. Reparaturleistungen, die zwischen eindeutig das Wohnen wesentlich störenden Tätigkeiten (s.o.: wie z.B. Karosseriearbeiten sowie kompressorunterstützte Lackierarbeiten) und rein „kosmetischen“ Arbeiten liegen und bei denen auch nach Auslegung des Bescheids vom 31. Juli 2013 keine hinreichend sicherere Einordnung möglich ist, ob diese noch von der Variationsbreite der Baugenehmigung umfasst bzw. auch ohne ergänzende Genehmigung gem. Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO rechtmäßig sind oder ob diese außerhalb dieser Bereiche liegen und deshalb als formell rechtswidrig einzustufen sind.
bb) Die Unbestimmtheit der Baugenehmigung erreicht vorliegend einen Grad, bei dem sogar ihre Nichtigkeit gem. Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG in Erwägung zu ziehen ist. Die Unbestimmtheit der erteilten Baugenehmigung vom 31. Juli 2013 betrifft (anders als der unbestimmte Bauantrag, der dem rechtskräftig abgeschlossenen Verpflichtungsverfahren vor dem Verwaltungsgericht – RO 7 K 18.858 – und dem anschließenden Berufungszulassungsverfahren vor dem Senat – 15 ZB 21.2598 – zugrunde lag) nicht nur einzelne Modalitäten der Leistungsangebote und des Betriebsablaufs, die für die genaue Reichweite einer potenziellen Nachbarrechtsverletzung von Bedeutung sein können, sondern den eigentlichen Kerngegenstand des von der Baugenehmigung gestatteten Vorhabens selbst. Damit verbleibt nicht nur für Nachbarn – etwa mit Blick auf das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme oder (sollte vorliegend von einem faktischen Mischgebiet gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V. mit § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 BauNVO auszugehen sein) auf den sog. Gebietserhaltungsanspruch (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – BVerwGE 94, 151 = juris Rn. 11 ff.; B.v. 18.12.2007 – 4 B 55.07 – NVwZ 2008, 427 = juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 24.2.2020 – 15 ZB 19.1505 – juris Rn. 6 m.w.N.) – sondern auch für den Genehmigungsadressaten selbst unklar, welche Nutzungen ihm insbesondere im Zusammenhang mit reparierenden Tätigkeiten grundsätzlich gestattet sind und welche nicht.
Nach Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG ist ein Verwaltungsakt allerdings nur nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Mit Blick auf die rechtsstaatliche Bedeutung des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG (vgl. BVerwG, B.v. 9.7.2019 – 9 B 29.18 – NVwZ-RR 2019, 924 = juris Rn. 9) können nach einer jeweiligen Bewertung im Einzelfall auch Bestimmtheitsmängel einer Baugenehmigung ausnahmsweise deren Nichtigkeit zur Folge haben (vgl. BayVGH, U.v. 19.6.1986 – 2 B 85 A.1489 – nicht veröffentlicht; B.v. 18.3.2021 – 1 CS 20.2788 – juris Rn. 14; OVG NW, B.v. 20.11.1987 – 7 B 2871/87 – NVwZ 1989, 379 = juris Rn. 6; B.v. 23.9.1988 – 11 B 1739/88 – NVwZ-RR 1989, 344 = juris Rn. 6 ff.; U.v. 30.1.1991 – 10 A 751/89 – juris Rn. 26; B.v. 26.9.1991 – 11 A 1604/89 – BRS 52 Nr. 144 = juris Rn 46; B.v. 20.5.2014 – 2 A 1690/13 – juris Rn. 14 ff.; HessVGH, B.v. 1.8.1985 – 3 TH 1267/85 – NVwZ 1986, 57 = juris Rn. 26 ff.; Laser in Schwarzer/König, BayBO, 5. Aufl. 2022, Art. 68 Rn. 56; Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand: Sept. 2021, Art. 68 Rn. 253; Sachs, in Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 44 Rn. 113). Greift der Ausnahmetatbestand des Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG nicht, ist der dann bestandskräftig gewordene Baugenehmigungsbescheid trotz Verstoßes gegen Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG wirksam, wobei bei nachträglicher Erkenntnis der Rechtswidrigkeit für die Behörde (evtl. gegen Ersetzung eines Vermögensnachteils, Art. 48 Abs. 3 BayVwVfG) ggf. die Möglichkeit der Korrektur durch Rücknahme (Art. 48 BayVwVfG) verbleibt.
cc) Sollte – wie im gesetzlich vorgesehenen Regelfall (BayVGH, B.v. 18.3.2021 – 1 CS 20.2788 – juris Rn. 14) – Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG nicht greifen und die dann bestandskräftig gewordene Baugenehmigung vom 31. Juli 2013 trotz ihrer Unbestimmtheit wirksam sein, wären von der inhaltlich weitreichenden Nutzungsuntersagung vom 27. Januar 2016 Tätigkeiten umfasst, die sich noch im Rahmen der Variationsbreite der – gerade aufgrund ihrer inhaltlichen Unbestimmtheit – weit gefassten Baugenehmigung halten und daher nicht als formell illegal anzusehen sind.
Das Landratsamt N. … legt im streitgegenständlichen Eingriffsbescheid vom 27. Januar 2016 einen zu engen Begriff der mit Bescheid vom 31. Juli 2013 genehmigten Nutzung „Autopflege“ zugrunde und untersagt dem Kläger als formell illegal (da von der Baugenehmigung nicht gedeckt) alle darüberhinausgehenden Kfz-Leistungen. Das Landratsamt führt dabei im angefochtenen Bescheid exemplarisch zu untersagende Nutzungen auf (Reifenwechsel und -wuchten, Unfallinstandsetzung, Auto Glas Service, Chip-Tuning, optisches Tuning, Reparaturen von Kfz). Die Untersagung bezieht sich aber übergeordnet auf alle „gewerblichen Tätigkeiten außerhalb der Autopflege“. Zwar ist dieser Begriff für sich nur schwer fassbar (s.o.), das Landratsamt hat ihn aber – anders als in der unbestimmten Baugenehmigung – in den Gründen des Bescheids vom 27. Januar 2016 dahingehend konkretisiert, dass von ihm „insbesondere Innenraumreinigung, Motorraumreinigung, Felgenreinigung, (Unterboden-) Wäsche, Geruchsbehandlung, Polituren, Versiegelungen o.ä.“ umfasst seien. Bei Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont ergibt sich hieraus für die streitgegenständliche Nutzungsuntersagung hinreichend bestimmt (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG), dass durch die Verfügung alle Werkresp. Reparatur- und Einbauleistungen an Kraftfahrzeugen untersagt sind, die den „kosmetischen“ Bereich innerer und äußerer Fahrzeugreinigung und des Auftragens von Schutzmitteln verlassen.
Berücksichtigt man, dass das Stammwort „Pflege“ allgemein auf „Maßnahmen zur Erhaltung eines guten Zustands“ ausgerichtet ist (s.o.) und dass insbesondere im vorliegenden Fall ein „Ersatzteillager“ mitgenehmigt wurde, ergibt die Auslegung der bestandskräftigen Baugenehmigung – sollte diese trotz ihrer Unbestimmtheit wirksam, d.h. nicht nichtig sein -, dass einerseits nach Abzug typischer wesentlich störender Werkstattleistungen (s.o.) sowie einer aufgrund der Unbestimmtheit nicht eindeutig dem Genehmigungsgegenstand zuzuordnenden „Grauzone“ an „größeren“ Kfz-Reparaturleistungen und andererseits über rein kosmetische und säubernde Maßnahmen hinaus jedenfalls rein wartende, turnusmäßig wiederkehrend erforderliche Tätigkeiten zur Erhaltung der technischen und verkehrssicheren Gebrauchstauglichkeit eines Kraftfahrzeugs – wie z.B. Prüfungsmaßnahmen (z.B. Füllstandcheck für den Fahrbetrieb notwendiger Flüssigkeiten, Luftdruckprüfung), Ölwechsel, Reifenwechsel, Wechsel kleinerer Verschleißteile (ohne Motorzerlegung) -, die etwa im Rahmen eines „Ein-Personen-Betriebs“ bei Beachtung bestimmter Betriebsabläufe gem. § 6 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 BauNVO regelmäßig mischgebietsverträglich wären, noch von der Variationsbreite der vom Wortlaut weit gesteckten Baugenehmigung erfasst sein dürften. Aufgrund der von dieser ausgehenden Legalisierungswirkung wären diese (aber dennoch von der Untersagung umfassten) wartenden Leistungen des Klägers keine „im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften“ stehenden Nutzungen i.S. des Tatbestands der Befugnisnorm, solange die Baugenehmigung nicht gem. Art. 48 oder Art. 49 BayVwVfG aufgehoben wird. Es lässt sich damit als Zwischenfazit festhalten, dass die Nutzungsuntersagung jedenfalls schon für einen größeren Bereich der vorgenannten wiederkehrenden Wartungstätigkeiten für den Fall der Wirksamkeit der begrifflich weit gefassten Baugenehmigung schon nicht vom Tatbestand der Befugnisnorm gedeckt ist und sich jedenfalls diesbezüglich nicht auf Art. 76 Satz 2 BayBO stützen lässt.
c) Die streitgegenständliche Nutzungsuntersagungsverfügung leidet an Ermessensfehlern, verletzt gleichzeitig subjektive Rechte des Klägers und ist folglich unabhängig von der Reichweite der tatbestandlichen Eingriffsbefugnis gemäß Art. 76 Satz 2 BayBO jedenfalls deswegen gem. § 113 Abs. 1 Satz 1, § 114 Satz 1 VwGO im Ganzen aufzuheben.
Es kann vorliegend offenbleiben, ob und ggf. welche weiteren Reparaturtätigkeiten, die über die oben unter b) cc) beschriebenen Wartungstätigkeiten hinausgehen, womöglich noch von der Variationsbreite der (weiten) Baugenehmigung (sollte diese wirksam sein) gedeckt sein könnten bzw. zwar die Variationsbreite der Baugenehmigung verlassen, aber in der gegebenen planungsrechtlichen Situation gem. Art. 57 Abs. 4 BayBO auch ohne Nutzungsänderungsgenehmigung formell rechtmäßig wären. Denn unabhängig hiervon ist der Nutzungsuntersagungsbescheid aufgrund der folgenden Erwägungen im Ganzen als ermessensfehlerhaft anzusehen und deshalb am Maßstab von Art. 40 BayVwVfG auch im Ganzen als rechtswidrig einzustufen. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob der Baugenehmigungsbescheid vom 31. Juli 2013 als wirksam (wenngleich unbestimmt) oder als nichtig einzustufen ist. Zwar wären im Fall der Nichtigkeit der Baugenehmigung vom 31. Juli 2013 alle in der Autohalle durchgeführten Nutzungen und damit automatisch auch alle mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 27. Januar 2016 untersagten Tätigkeiten formell illegal und damit an sich ohne Weiteres vom Eingriffstatbestand der Befugnisnorm des Art. 76 Satz 2 BayBO erfasst. Weil der Nutzungsuntersagungsbescheid aber in jedem Falle – d.h. sowohl bei schlichtem Rechtsverstoß der Baugenehmigung gegen Art. 37 Abs. 1 BayVwvfG als auch bei deren Nichtigkeit Art. 44 BayVwVfG – wegen Ermessensfehler gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 114 Satz 1 VwGO vollumfänglich aufzuheben ist, kommt es auf die diesbezügliche Abgrenzung im Ergebnis nicht an.
aa) Soweit das Landratsamt in den Gründen des Bescheids zum Ermessen neben knappen Erwägungen zum Übermaßgebot ausführt, dass ein Einschreiten geboten gewesen sei, weil gegen einen baurechtswidrigen Zustand vorgegangen worden sei, wobei ein bauordnungsrechtliches Einschreiten zu diesem Zweck „den Regelfall der hier zu treffenden Ermessensentscheidung“ darstelle, liegt es allgemein für den – hier allerdings nicht anzunehmenden – Regelfall eines bauordnungsrechtlichen Einschreitens grundsätzlich richtig. Das der Bauaufsichtsbehörde eingeräumte Eingriffsermessen wird in erster Linie entsprechend dem mit der Befugnisnorm verfolgten Ziel, rechtmäßige Zustände herzustellen, bestimmt. Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Nutzungsuntersagung vor, muss nach den Grundsätzen des sog. intendierten Ermessens daher grundsätzlich nicht näher begründet werden, weshalb von der Eingriffsbefugnis Gebrauch gemacht wird (BayVGH, B.v. 28.12.2016 – 15 CS 16.1774 – juris Rn. 35; B.v. 18.9.2017 – 15 CS 17.1675 – juris Rn. 29; B.v. 7.1.2020 – 15 ZB 19.1642 – juris Rn. 16; B.v. 2.11.2020 – 1 ZB 20.597 – juris Rn. 4; B.v. 5.11.2020 – 1 ZB 20.598 – juris Rn. 5; B.v. 23.3.2021 – 15 ZB 20.2906 – juris Rn. 24; OVG Berlin-Bbg, B.v. 30.5.2016 – OVG 10 S 34.15 – NVwZ-RR 2016, 650 = juris Rn. 10). Entgegen der Ansicht des Klägers liegt kein Fall einer offensichtlichen Genehmigungsfähigkeit vor, bei der sich aufgrund des Übermaßverbots Besonderheiten für die Ermessensausübung ergeben (vgl. hierzu BayVGH B.v. 19.5.2016 – 15 CS 16.300 – juris Rn. 21; B.v. 28.12.2016 a.a.O.; B.v. 27.2.2017 – 15 CS 16.2253 – juris Rn. 33; B.v. 18.9.2017 a.a.O. Rn. 13; B.v. 7.1.2020 a.a.O. Rn. 13; B.v. 2.11.2020 a.a.O.; B.v. 5.11.2020 a.a.O.; B.v. 8.1.2021 – 9 CS 20.2376 – juris Rn. 13; B.v. 23.3.2021 a.a.O. Rn. 7). Aufgrund der diesbezüglichen Erwägungen der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit und insbesondere aufgrund des Erfordernisses einer Konkretisierung des Genehmigungsinhalts durch Vorlage einer Betriebsbeschreibung (s.o., vgl. auch das Urteil des Verwaltungsgericht vom 16.9.2021 – RO 7 K 18.858 und den Beschluss des Senats vom 11.1.2022 – 15 ZB 21.2598) drängt sich die Übereinstimmung der vom Kläger ausgeübten Nutzungen mit den Vorschriften des materiellen Baurechts nicht derart auf, dass jegliche nähere Prüfung von vornherein entbehrlich erscheint.
bb) Unabhängig von der Reichweite der Geltung der Grundsätze des intendierten Ermessens ist der Bescheid vorliegend aber schon deshalb unter Verstoß gegen Art. 40 BayVwVfG ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig, weil er sich zur Rechtfertigung des bauordnungsrechtlichen Einschreitens auf unzutreffende materiell-rechtliche Erwägungen stützt (BayVGH, U.v. 22.9.2015 – 1 B 14.1652 – NVwZ-RR 2016, 135 = juris Rn. 32 f.; OVG NW, B.v. 23.9.1988 – 11 B 1739/88 – NVwZ-RR 1989, 344 = juris Rn. 5; Weber in Schwarzer/König, BayBO, 5. Aufl. 2022, Art. 76 Rn. 37; Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand: September 2021, Art. 76 Rn. 304). Im Fall der W i r k s a m k e i t der Baugenehmigung (trotz Unbestimmtheit gem. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) hat der Beklagte die Grenzziehung zwischen formell legalen und formell illegalen Nutzungen falsch gezogen und damit zum Teil Nutzungen untersagt, die entgegen der Begründung des Bescheids formell legal sind. Dadurch, dass mit dem Bescheid diverse Nutzungen untersagt werden, obwohl hierfür schon der Tatbestand der Befugnisnorm nicht eröffnet ist, liegt gleichzeitig für den Bescheid im Ganzen – d.h. unter Einschluss der formell illegalen Nutzungen, wie auch immer diese anhand des unbestimmten Genehmigungsbescheids von den noch formell legalen Nutzungen abzugrenzen sind – ein Ermessensfehler vor, weil es für den Beklagten unter Rekurs auf die von ihm als einschlägig angesehenen Grundsätze des intendierten Ermessens maßgebliches Ermessenskriterium war, zur Herstellung rechtmäßiger Zustände gerade die Nutzungen des Klägers zu untersagen, die nicht mehr von der Variationsbreite der Baugenehmigung vom 31. Juli 2013 gedeckt sind. Dieses Bescheidsziel ist aufgrund einer fehlerhaft vorgenommenen Abgrenzung, welche Maßnahmen von der Baugenehmigung gedeckt sind und welche nicht, nicht erreicht worden. Auch im Fall der N i c h t i g k e i t der Baugenehmigung (Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG) hat der Beklagte das bauordnungsrechtliche Einschreiten auf unzutreffende materiell-rechtliche Erwägungen zur konkreten Reichweite der formellen Illegalität der vom Kläger durchgeführten und untersagten Nutzungen gestützt, gerade weil er rechtsirrtümlich von einer wirksamen Baugenehmigung ausgegangen wäre, über deren Inhalt er von dieser angeblich abgedeckte (legalisierte) Nutzungen und nicht mehr abgedeckte Nutzungen abgegrenzt hätte, ohne zu erkennen, dass der von ihm selbst erteilten Baugenehmigung keinerlei Legalisierungswirkung zukäme und damit die vorgenommene Grenzziehung ins Leere ginge, weil letztlich ohnehin a l l e vom Kläger durchgeführten gewerblichen Nutzungen formell rechtswidrig wären.
cc) Unabhängig von der Frage, ob der Baugenehmigungsbescheid vom 31. Juli 2013 lediglich unter Verstoß gegen Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG unbestimmt (aber bestandskräftig und wirksam) ist oder ob von dessen Nichtigkeit auszugehen ist, ist ein Ermessensfehler zudem insbesondere darin zu sehen, dass der vorliegende Sachverhalt aufgrund besonderer, Vertrauensschutz begründender Umstände vom Standardfall eines bauordnungsrechtlichen Eingreifens abweicht, ohne dass sich das Landratsamts als Bauaufsichtsbehörde mit diesen besonderen Umständen näher auseinandergesetzt hat.
Sind bei Anwendung einer Eingriffsnorm mit intendiertem Ermessen außergewöhnliche Umstände gegeben, die eine andere Entscheidung als die Regelentscheidung zugunsten des Bescheidadressaten möglich erscheinen lassen, müssen diese für eine gem. § 40 BayVwVfG ermessensfehlerfreie Entscheidung erwogen werden; sie sind dann auch in der Begründung des Bescheids kenntlich zu machen (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1996 – 3 C 13.94 – Buchholz 451.513 Sonst. Marktordnungsrecht Nr. 1 = juris Rn. 51; U.v. 16.6.1997 – 3 C 22.96 – BVerwGE 105, 55 = juris Rn 14; U.v. 10.12.2003 – 3 C 22.02 – NVwZ-RR 2004, 413 = juris Rn. 36; BayVGH, U.v. 15.10.2008 – 22 B 06.986 – BayVBl. 2009, 754 = juris Rn. 32). Ein rechtsfehlerhafter Gebrauch des Ermessens kann im Rahmen der Anwendung einer bauordnungsrechtlichen Eingriffsnorm – hier Art. 76 Satz 2 BayBO – mithin dann vorliegen, wenn außergewöhnliche Umstände des Falles gegeben sind, die im Einzelfall trotz Baurechtswidrigkeit gegen eine Nutzungsuntersagung sprechen, diese aber im Rahmen des dann ausführlicher auszuübenden Ermessens nicht oder nicht mit dem gebotenen Gewicht berücksichtigt worden sind, obwohl sie der Behörde bekannt oder für diese zumindest erkennbar waren.
Besondere, im Rahmen des Ermessens zugunsten des Bescheidadressaten (Störers) zu berücksichtigende Umstände liegen im Fall einer bauordnungsrechtlichen Nutzungsuntersagung vor, wenn die Behörde hinsichtlich des Fortbestands einer Nutzung einen besonderen Vertrauenstatbestand gesetzt hat (im Zusammenhang mit einer jahrelangen „faktischen“ Duldung einer illegalen Nutzung seitens der Bauaufsichtsbehörde vgl. BayVGH, B.v. 28.12.2016 – 15 CS 16.1774 – juris Rn. 35; B.v. 7.1.2020 – 15 ZB 19.1642 – juris Rn. 17; B.v. 2.11.2020 – 1 ZB 20.597 – juris Rn. 4; B.v. 5.11.2020 – 1 ZB 20.598 – juris Rn. 5; Nds.OVG, B.v. 18.2.1994 – 1 M 5097/93 – NVwZ-RR 1995, 7 = juris Rn. 7; OVG NW, U.v. 27.4.1998 – 7 A 3818/96 – BauR 1999, 383 = juris Rn. 38 f.; Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand: September 2021, Art. 76 Rn. 305). Ein maßgeblicher Faktor, der in der Ermessensausübung als Besonderheit der vorliegenden Fallgestaltung näher hätte berücksichtigt werden müssen, ist – unabhängig von der Frage eines schlichten Rechtsverstoßes gegen Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG oder einer Nichtigkeit gem. Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG – die Weite und Unbestimmtheit der Baugenehmigung vom 31. Juli 2013. Mit Blick auf die Wertungen aus Art. 12 Abs. 1 GG geht es hier nicht nur darum, dass der Kläger durch die weitreichende Nutzungsuntersagung starke Einbußen hinsichtlich des Erwerbs seines Lebensunterhalts zu verzeichnen haben wird (das allein würde für eine „Verschärfung“ der Ermessensanforderungen wohl nicht genügen, vgl. BayVGH, B.v. 30.8.2007 – 1 CS 07.1253 – juris Rn. 26, 28). Vielmehr ist von darüberhinausgehender Relevanz, dass das Landratsamt durch die Erteilung einer mit Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG nicht zu vereinbarenden Baugenehmigung den bestehenden Zustand einer unklaren Genehmigungslage für ein gewerblich zu nutzendes Objekt – und damit auch eine unklare Rechtslage hinsichtlich der Abgrenzung der tatsächlich ausgeübten Nutzungen als formell Illegal oder als noch von der Baugenehmigung gedeckt – mit zu verantworten hat. Eine Baugenehmigung soll mit ihrer einerseits gestaltenden / gestattenden, andererseits feststellenden / legalisierenden Regelungswirkung (vgl. hierzu Laser in Schwarzer/König, BayBO, 5. Aufl. 2022, Art. 68 Rn. 6 f.) dem Bauherrn – hier dem Kläger – Rechtssicherheit verschaffen. Anstatt eine am Maßstab von Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG problematische Baugenehmigung zu erteilen, hätte das Landratsamt z.B. im Genehmigungsverfahren auch die Instrumentarien des Art. 65 Abs. 2 BayBO einsetzen können. Auch wenn nicht behebbare Zweifel über die Auslegung von Baugenehmigungen den Verantwortungsbereich des Bauherrn betreffen, weil dieser mit seinem Bauantrag den Genehmigungsgegenstand grundsätzlich zu konkretisieren hat (vgl. VGH BW, U.v. 6.8.1988 – 3 S 2088/87 – BauR 1988, 704/706), trägt vorliegend auch die Bauaufsichtsbehörde gerade wegen der Erteilung einer Baugenehmigung ohne konkrete Nutzungsbeschränkung jedenfalls eine Mitverantwortung für eine entstandene „Grauzone“ an tatsächlich vom Kläger ausgeübten Nutzungen, von denen nicht sicher geklärt werden kann, ob diese unter die legalisierende Wirkung des Genehmigungsbescheids fallen oder nicht. Auch eine Nichtigkeit (Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG) der Baugenehmigung müsste sich die Baugenehmigungsbehörde als mitverursacht zurechnen lassen, weil sie durch deren Erlass auch dem Bauherrn gegenüber den Rechtsschein einer weiten „Variationsbereite“ einer Gestattung und damit der formellen Legalisierung eines entsprechend breiten Nutzungsspektrums gesetzt hat. Schon weil in den Bescheidgründen diese Mitverantwortung nicht im Ansatz erwogen würde, ist der Bescheid aufgrund eines Ermessensdefizits ermessensfehlerhaft.
Im Übrigen dürfte es angesichts der behördlichen Mitverantwortung durch Erteilung einer unbestimmten (ggf. sogar nichtigen) Baugenehmigung, unter Berücksichtigung der Grundrechtsbetroffenheit des Klägers (Art. 12 GG) sowie der Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes für den ermessensgerechten Erlass einer Nutzungsuntersagung in der vorliegenden Sonderkonstellation geboten sein, dem Kläger vorher im Rahmen eines – auch von Seiten der Behörde – transparenten Verfahrens die Möglichkeit zu geben, hinsichtlich ausgeübter und genehmigungsfähiger Nutzungen, von denen angesichts der Unbestimmtheit der Baugenehmigung nicht sicher beurteilt werden kann, ob diese noch von deren Variationsbreite erfasst werden oder nicht bzw. ob ergänzend ggf. Art. 57 Abs. 4 BayBO greifen könnte, über die Stellung eines Bauantrags rechtmäßige Zustände herzustellen. Es dürfte ferner geboten sein, vor Erlass einer weitreichenden Nutzungsuntersagung hinsichtlich solcher Nutzungen, für die auch nach Ausschöpfung der Regeln der Auslegung nicht eindeutig geklärt werden kann, ob diese noch der Variationsbreite der (unbestimmten) Baugenehmigung zugeordnet werden können oder nicht, den Rechtsschein der Gestattung und Legalisierung zu beseitigen, soweit dies rechtlich möglich ist. Eine Möglichkeit hierfür wäre es ggf., in das an sich bestandskräftig abgeschlossene Baugenehmigungsverfahren, das zum Erlass des unbestimmten Bescheids vom 31. Juli 2013 geführt hat, im Sinne eines „Wiederaufgreifens im weiteren Sinn“ (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2009 – 1 C 26.08 – BVerwGE 135, 137 = juris Rn. 19; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 51 Rn. 16 m.w.N.) gem. Art. 48 Abs. 5 BayVwVfG erneut einzusteigen, um entweder eine ersetzende, konkretisierte Baugenehmigung zu erlassen oder – sollte dies an der mangelnden Mitwirkung des Klägers (z.B. an der mangelnden Vorlage einer geforderten konkreten Betriebsbeschreibung) scheitern – den gegen Art. 37 Abs. 1 BauGB verstoßenden Baugenehmigungsbescheid in Anwendung von Art. 48 BayVwVfG zurückzunehmen. Hierbei wäre es Sache der Baugenehmigungsbehörde, den Bauherrn ordnungsgemäß und rechtlich / inhaltlich korrekt darüber aufzuklären, welche von ihm ausgeübte Nutzungen, die jedenfalls in einem weiteren Sinn von der unbestimmten und womöglich sogar nichtigen Baugenehmigung umfasst sein könnten, unter ggf. welchen zusätzlichen Voraussetzungen gem. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO genehmigungsfähig sind. Auf diese Weise kann dem Kläger auch unter Berücksichtigung des o.g. Mitverantwortungsbeitrags des Beklagten eine Gelegenheit gegeben werden, angesichts der möglichen Nichtigkeit bzw. der drohenden Aufhebung der bestehenden Baugenehmigung gem. Art. 48 BayVwVfG seinen Baugenehmigungsantrag konkret auf das Genehmigungsfähige anzupassen und sodann über eine konkretisierte Baugenehmigung Rechtssicherheit für die Zukunft zu erhalten. Diesen Anforderungen ist das Landratsamt im Rahmen des zwischenzeitlichen, allein vom Kläger in Reaktion auf den Erlass der angeordneten Nutzungsuntersagung selbst initiierten weiteren Genehmigungsverfahrens, das Thema der abgeschlossenen gerichtlichen Verfahren RO 7 K 18.858 (Verwaltungsgericht Regensburg) und 15 ZB 21.2598 (Senat) war, in dieser Art und Weise nicht gerecht geworden.
dd) Aufgrund der voranstehenden Erwägungen zu bb) und cc) unterlag die Bauordnungsbehörde einer Fehleinschätzung der Grundlagen ihrer Ermessensausübung (BayVGH, U.v. 22.9.2015 – 1 B 14.1652 – NVwZ-RR 2016, 135 = juris Rn. 33). Die festgestellten Ermessensfehler betreffen mithin den gesamten Bescheid, also auch die Untersagung von Nutzungen, die selbst bei Annahme der Wirksamkeit der Baugenehmigung vom 31. Juli 2013 tatsächlich nicht von dieser bzw. deren Variationsbreite gedeckt sind, soweit aufgrund der Unbestimmtheit der Baugenehmigung eine Abgrenzung von den von der Baugenehmigung nicht mehr gedeckten Nutzungen überhaupt möglich ist. Es ist zudem nicht auszuschließen, dass die Bauaufsichtsbehörde bei Zugrundelegung der richtigen rechtlichen Maßstäbe in Ausübung ihres Ermessens von einem Einschreiten in der Form der Nutzungsuntersagung abgesehen hätte (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, Stand: September 2021, Art. 76 Rn. 304) oder aber nur unter gewissen weiteren Bedingungen bauordnungsrechtlich eingeschritten wäre. Eine bloße Teilaufhebung gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO („soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig ist“) kommt daher nicht in Betracht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Da der Beklagte insgesamt die Gesamtkosten zu tragen hat, d.h. auch für das erstinstanzliche Verfahren in Bezug auf alle drei vormaligen Kläger, bedarf es keiner weiteren Entscheidung hinsichtlich der Korrektur der Kostenverteilungsquote im erstinstanzlichen Urteil (vgl. Seite 9 des Schriftsatzes der Klägerseite vom 13. Februar 2017 im Berufungszulassungsverfahren sowie S. 6 f. des Zulassungsbeschlusses des Senats vom 14. Mai 2018). Der Senat geht mit Blick auf den diesbezüglichen Vortrag im Berufungszulassungsverfahren aufgrund der Interessenlage sowie des ansonsten fehlenden diesbezüglichen Rechtsschutzinteresses davon aus, dass der Kläger eine Neuverteilung der Kostenquoten des erstinstanzlichen Verfahrens nur unter der Bedingung (also hilfsweise für den Fall) beantragt hat, dass er selbst aufgrund eines (teilweise) Unterliegens im Berufungsverfahren Kosten auch für das erstinstanzliche Verfahren zu tragen hätte.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.
4. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).


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