Baurecht

Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen Baugenehmigung für Bauvorhaben im Nationalpark Berchtesgaden

Aktenzeichen  M 1 SN 18.2253

Datum:
29.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NuR – 2018, 879
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, § 80a Abs. 3 S. 2, § 114 S. 2
BNatSchG § 67
BayNatSchG Art. 56 S. 3
BayBO Art. 68 Abs. 2 S. 2

 

Leitsatz

1. Von einem “Kennenkönnen” der ergangenen Entscheidung ist regelmäßig auszugehen, wenn sich das Vorliegen einer Genehmigung für den Dritten aufgrund objektiver Anhaltspunkte aufdrängen muss, sei es, weil Baumaßnahmen erkennbar sind, sei es, dass er in anderer Weise darüber informiert ist, und wenn es ihm zudem möglich und zumutbar ist, sich etwa durch Anfrage beim Vorhabenträger oder bei der Genehmigungsbehörde Gewissheit zu verschaffen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist unter Würdigung der Begründung des Bescheides sowie aller vorliegenden Unterlagen keine Ermessensausübung erkennbar und ist somit von einem Ermessensausfall auszugehen, können Gründe auch nicht nach § 114 S. 2 VwGO nachgeschoben werden. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Befreiung ohne Ausübung von Ermessen stellt eine Verletzung des § 67 Abs. 1 BNatSchG iVm Art. 40 BayVwVfG dar und kann von einer anerkannten Naturschutzvereinigung gerügt werden. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
4. Aufgrund der Einführung des Klagerechts anerkannter Naturschutzvereinigungen muss der Anwendungsbereich für das Erfordernis der Begründung einer Baugenehmigung weiter gezogen werden; insoweit dürfte eine analoge Anwendung des Art. 68 Abs. 2 S. 2 BayBO geboten sein, da zwischen Nachbarn und anerkannten Naturschutzvereinigungen eine vergleichbare Interessenlage besteht und eine planwidrige Regelungslücke vorliegen dürfte. (Rn. 42 – 46) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamtes Berchtesgadener Land vom 16. Februar 2016 wird angeordnet.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner am 11. Mai 2018 beim Verwaltungsgericht München erhobenen Klage gegen die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 16. Februar 2016 zur Errichtung eines Ersatzbaus des Salettls am W-haus und Brandschutzmaßnahmen im Bestand auf der Fl.Nr. 89/1 Gemarkung R. F. Das o.g. Grundstück liegt im Geltungsbereich des Natura 2000 SPA- und FFH-Gebiets Nr. 8342 „Nationalpark Berchtesgaden“.
Am 28. Januar 2014 beantragte der Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für den Ersatzbau des Salettls am W. sowie die Durchführung von Brandschutzmaßnahmen im Bestand. Durch den Ersatzbau bzw. die Erweiterung des Salettls solle für Übernachtungsgäste die Möglichkeit geschaffen werden, das Frühstück auch im Gastraum einnehmen zu können. Derzeit werde mangels ausreichender Frühstücksplätze in mehreren Etappen gefrühstückt.
Die Gemeinde R. erteilte mit Beschluss vom 25. Februar 2014 das gemeindliche Einvernehmen.
Nach Beteiligung durch den Beigeladenen am 10. April 2014 erklärte der Antragsteller gegenüber dem Beigeladenen durch Schreiben vom 4. Mai 2014 und 17. Juni 2014, dass er das Bauvorhaben ablehne. Das W. liege in der Kernzone des Nationalparks. Alpenvereinshütten seien keine Hotels, der Nationalpark sei nicht der passende Ort für spektakuläres Bauen am Berg. Der Ersatzbau habe nichts mit einer landschaftsgebundenen und örtlich gewachsenen Bauweise zu tun.
Mit Stellungnahme vom 16. Oktober 2014 erklärte die untere Naturschutzbehörde ihr naturschutzrechtliches Einvernehmen zur Erteilung der beantragten Baugenehmigung. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass überwiegende Gründe des Allgemeinwohls die Befreiung erfordern würden (§ 67 Abs. 1 BNatSchG). Das W. habe eine wichtige Schutzfunktion für Bergsteiger sowie für Rettungskräfte. Bedingt durch seine Lage habe das W. viele Übernachtungsgäste, für die jedoch die vorhandenen Sitzplätze nicht ausreichen würden. Die mit dem Neubau des Salettls verbundene Erhöhung der Sitzplätze liege im öffentlichen Interesse. Im bestehenden Baukörper gebe es keine Möglichkeit zur Schaffung von Sitzplätzen. Eine Verträglichkeitsabschätzung habe ergeben, dass die Errichtung des Salettls nicht geeignet sei, das Natura 2000 Gebiet erheblich zu beeinträchtigen (§ 34 BNatSchG).
Mit Bescheid vom 16. Februar 2016 erteilte das Landratsamt die Baugenehmigung für den Ersatzbau des Salettls am W. und der Durchführung von Brandschutzmaßnahmen im Bestand. Es wurden Abweichungen und Befreiungen für einzelne Brandschutzmaßnahmen erteilt. In den Gründen des Bescheids wurde zur planungsrechtlichen Zulässigkeit ausgeführt, dass das Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zulässig sei, da ihm öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert sei. Zudem wurde auf die Ersetzungswirkung gem. Art. 44 Abs. 5 BayNatSchG hingewiesen.
Der Bescheid wurde dem Antragsteller nicht bekannt gegeben.
Mit Schriftsatz vom 11. Mai 2018 erhob der Antragsteller, vertreten durch seine Bevollmächtigte, Klage (M 1 K 18.2252) gegen die Baugenehmigung vom 16. Februar 2016.
Zeitgleich beantragt der Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Baugenehmigungsbescheids des Landratsamtes vom 16. Februar 2016 anzuordnen.
Als Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, das Grundstück liege in der Kernzone des Nationalparks Berchtesgadener Land. Die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Befreiung nach § 67 Abs. 1 BNatSchG sei wegen des Verbots nach § 9 Abs. 3 Nr. 1 der Verordnung über den Alpen- und den Nationalpark Berchtesgaden (APNV) erforderlich. Ermessen sei durch die untere Bauaufsichtsbehörde nicht ausgeübt worden. Die Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde sei ungeprüft übernommen worden. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 67 Abs. 1 BNatSchG nicht vor. Es fehle bereits ein Antrag auf Befreiung. Eine Erweiterung würde zudem dem Schutzzweck der Nationalparkverordnung (§ 6 APNV) entgegenlaufen. Ein atypischer Sonderfall liege nicht vor. Überwiegende Gründe des Allgemeinwohls für die Erweiterung bestünden nicht. Zudem liege ein Verstoß gegen § 10 Abs. 7 ANPV vor, da der geplante Ersatzneubau nicht zur örtlich gewachsenen Bauweise passe. Das Antragsrecht sei nicht verwirkt. Der Antragsteller habe durch Zufall im Januar 2018 von der Baugenehmigung erfahren und sich unverzüglich bei der Bauaufsichtsbehörde über den Stand des Verfahrens erkundigt. Die Beteiligung des Antragstellers im Baugenehmigungsverfahren führe nicht dazu, dass den Antragsteller eine Obliegenheit treffe, sich fortlaufend informieren zu müssen, ob die Genehmigung bereits erteilt worden sei. Von einem Kennenmüssen der Baugenehmigung könne nur dann ausgegangen werden, wenn sich das Vorliegen einer Genehmigung aufgrund objektiver Anhaltspunkte aufdrängen müsse. Die Genehmigung sei zudem erst zwei Jahre nach Beteiligung des Antragstellers erteilt worden.
Der Antragsgegner beantragt
Antragsablehnung.
Der Antrag sei unzulässig. Der Bescheid sei bereits bestandskräftig. Der Antragsteller sei im Baugenehmigungsverfahren beteiligt worden. Spätestens ab diesem Zeitpunkt hätte dem Antragsteller klar sein müssen, dass es eine Entscheidung über den Bauantrag geben würde. Es wäre ohne weiteres möglich gewesen, durch Nachfrage beim Antragsgegner das Ergebnis des Genehmigungsverfahrens zu erfahren. Zudem sei von einer Verwirkung des Klagerechts auszugehen. Obwohl es dem Antragsteller möglich gewesen wäre, sich jederzeit über den Verfahrensstand zu informieren, sei er untätig geblieben. Mit einer Klage müsse nach so langer Zeit nicht mehr gerechnet werden. Zudem sei der Antrag unbegründet. Es sei von der zuständigen Genehmigungsbehörde eine eigene Ermessensentscheidung über die Erteilung der Befreiung getroffen worden. Die Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde sei von der Aufsichtsbehörde geprüft worden. Da die Überprüfung ergeben habe, dass der Stellungnahme vollumfänglich gefolgt werden könne, seien die Auflagenvorschläge in die Baugenehmigung übernommen worden. Eine Begründung der Baugenehmigung sei gemäß Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO nicht erforderlich gewesen.
Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2018 führte der Beigeladene durch seinen Bevollmächtigten im Wesentlichen aus, dass der Antrag nicht statthaft sei und das Klagebegehren des Antragstellers keine Aussicht auf Erfolg habe. Dem Antragsteller sei es durch räumlich nahe Ortsgruppen möglich und zumutbar gewesen, öffentlich zugängliche Berichterstattung in den Medien zur Kenntnis zu nehmen. Bereits im öffentlich einsehbaren Jahresbericht des Jahres 2015 des Beigeladenen sowie in der öffentlich einsehbaren Mitgliederzeitschrift des Beigeladenen sei berichtet worden, dass der Abriss und der Neubau des Salettls vom Landratsamt genehmigt worden sei. Zudem sei das Klagerecht des Antragstellers verwirkt. Zwischen dem 30. Juni 2017 und dem 4. Oktober 2017 hätten an 8 Tagen 200 Hubschrauberrotationen zwischen Tal und W. stattgefunden, um das erforderliche Material zur Baustelle zu transportieren. Dies hätte für den Antragsteller Anlass sein müssen, sich über den Verfahrensstand zu informieren. Eine Zurückstellung bzw. ein Abbruch der aktuellen Bauarbeiten sei mit einer Mehrbelastung in einer Größenordnung von mindestens 30.000,- EUR anzusetzen, da vor Ort befindliche Maschinen und Arbeitskräfte abgezogen werden müssten.
Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2018 führte die Antragspartei aus, dass über die Baugenehmigung für das W. nicht in der überörtlichen Presse berichtet worden sei. Eine Verpflichtung des Antragstellers zur Verfolgung der internen Berichte des Beigeladenen dürfe wohl kaum bestehen. Die angeblich im Frühjahr 2017 aufgenommenen Bauarbeiten seien nicht erkennbar gewesen. Vom Tal aus könne nicht erkannt werden, wohin die Hubschrauber fliegen. In der Nähe befinde sich auch ein Standort der Bundespolizei, von welchem regelmäßig Hubschraubereinsätze ausgehen würden. Bei den bereits begonnenen Bauarbeiten handle es sich um Brandschutzmaßnahmen im Bestand. Es handle sich hierbei um Innenarbeiten, die von außen nicht erkennbar seien. Zudem seien die Mitarbeiter des Antragstellers lediglich ehrenamtlich tätig. Mit weiterem Schriftsatz teilte der Antragsteller mit, dass Mitarbeiter des Antragstellers am 7. Juli 2018 vor Ort gewesen seien, um zu prüfen, ob mit den Baumaßnahmen bereits begonnen worden sei. Festgestellt worden sei, dass weder außen noch im Gastraum ersichtlich sei, dass bereits Baumaßnahmen stattgefunden hätten. Veränderungen hätten nicht festgestellt werden können.
Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2018 teilte der Beigeladene mit, dass er derzeit nicht plane, den im Bescheid vom 16. Februar 2016 genehmigten Ersatzbau des Salettls umzusetzen, dies betreffe insbesondere den über die Felskante hinausragenden Teil des Salettls. Am 24. Juli 2018 seien daher dem Antragsgegner zur Vorprüfung Unterlagen zu einer neuen Planung des Beigeladenen zur Verfügung gestellt worden. Diese würden den Ersatzbau des Salettls mit einem reduzierten Baukörper anstelle des genehmigten Baukörpers sowie den Neubau einer Brauchwasserzisterne beinhalten. Eine Stellungnahme des Antragsgegners stehe noch aus. Ab dem 3. September 2018 werde mit dem Abriss des Salettls begonnen. Im Anschluss sei die Errichtung des Kellergeschosses/Untergeschosses in Betonbauweise geplant. Das eigentliche Salettl solle in Holzbauweise im Frühjahr 2019 errichtet werden. Die Maße des Untergeschosses würden gleich bleiben, egal, ob der Ersatzbau in der genehmigten Größe errichtet würde oder mit reduziertem Baukörper, sodass diese Baumaßnahmen auch bereits jetzt schon durchgeführt werden könnten. Eine Eilbedürftigkeit bestehe nicht, denn die Umsetzung des Teils des Salettls, den der Antragsteller in Frage stelle, stehe nicht an.
Mit Schriftsatz vom 3. August 2018 erklärte die Bevollmächtigte des Antragstellers, an dem Antrag und der Klage werde trotz der Umplanungen festgehalten. Die Beigeladene habe nicht verbindlich erklärt, dass auf die erteilte Baugenehmigung verzichtet werde. Zudem sei bislang nicht ersichtlich, dass eine Änderung der Baugenehmigung beantragt worden sei. Unterlagen seien diesbezüglich nicht vorgelegt worden. Zudem erwecke der Schriftsatz der Beigeladenen den Anschein, die geplanten Baumaßnahmen würden auf Grundlage der erteilten Baugenehmigung ausgeführt werden, nicht jedoch auf einem möglichen neuen Bescheid. Bereits der bloße Abbruch von baulichen Anlagen falle unter den Verbotstatbestand des § 9 Abs. 3 Nr. 1 APNV und führe somit zur Beeinträchtigung naturschutzrechtlicher Vorschriften.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Eilantrag hat Erfolg.
1. Der Eilantrag ist zulässig.
a. Der Eilantrag ist statthaft. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB haben Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung einen der genannten Rechtsbehelfe ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich (§ 212a Abs. 1 BauGB, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung des jeweiligen Rechtsbehelfs ganz oder teilweise anordnen.
b. § 64 Abs. 1 BNatSchG eröffnet auch anerkannten Naturschutzvereinigungen ein Klage- und Antragsrecht. Gemäß § 64 Abs. 1 BNatSchG kann eine anerkannte Naturschutzvereinigung, ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der VwGO gegen eine Entscheidung nach § 63 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 und Abs. 2 Nrn. 5 bis 7 BNatSchG einlegen, wenn
1.geltend gemacht wird, dass die Entscheidung Vorschriften des BNatSchG, Rechtsvorschriften, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen worden sind oder fortgelten, Naturschutzrecht der Länder oder anderen Rechtsvorschriften, die bei der Entscheidung zu beachten und zumindest auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind, widerspricht,
2.sie in ihrem satzungsgemäßen Aufgaben- und Tätigkeitsbereich, soweit sich die Anerkennung darauf bezieht, berührt wird und
3.sie zur Mitwirkung nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 oder Abs. 2 Nr. 4a bis 5 BNatSchG berechtigt war und sich hierbei in der Sache geäußert hat oder ihr keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist.
Vorliegend kommt als Entscheidung in diesem Sinn § 63 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG („Erteilung von Befreiungen von Geboten und Verboten zum Schutz von […] Naturschutzgebieten“) in Betracht. Die Entscheidung über die Befreiung von naturschutzrechtlichen Belangen ist von der Baugenehmigung umfasst. Die weiteren Voraussetzungen des § 64 Abs. 1 BNatSchG liegen ebenfalls vor: Der Antragsteller macht eine Verletzung naturschutzrechtlicher Normen in Form der Verordnung über den Alpen- und den Nationalpark Berchtesgaden und auch des Bundesnaturschutzgesetz geltend. Die angegriffene Entscheidung berührt den satzungsgemäßen Aufgaben- und Tätigkeitsbereich des Antragstellers. Die Anerkennung des Antragstellers und sein satzungsmäßiger Aufgaben- und Tätigkeitsbereich als anerkannte Naturschutzvereinigung beziehen sich im Schwerpunkt auf die Förderung der Ziele des Natur- und Umweltschutzes und der Landschaftspflege. Schließlich hat der Antragsteller vor Erlass der angegriffenen Entscheidung durch Abgabe einer Stellungnahme am Verfahren mitgewirkt und sich zur Sache geäußert.
c. Das Rechtsschutzbedürfnis besteht. Insbesondere ist die Klage in der Hauptsache nicht verfristet.
Gemäß § 64 Abs. 2 BNatSchG i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) müssen Widerspruch oder Klage einer anerkannten Naturschutzvereinigung binnen einem Jahres erhoben werden, nachdem diese von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können, wenn die Entscheidung weder öffentlich bekannt gemacht noch der Vereinigung bekannt gegeben worden ist. Die Regelung wurde § 61 Abs. 4 BNatSchG a.F. (geltend bis 28.2.2010) nachgebildet (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs zum Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, BT-Drs. 16/2495, S. 12). Der Gesetzgeber hat sich mit der Normierung der Jahresfrist an der zum Baunachbarrecht entwickelten Rechtsprechung bezüglich der Verwirkung orientiert (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege, BT-Drs. 14/6378, S. 62). Die Frist von einem Jahr für die Erhebung von Klage und Widerspruch ist nach der Gesetzesbegründung auch geboten, da das Klagerecht von gemeinnützigen Vereinen wahrzunehmen ist und diese bei der fachlichen wie vielfach auch bei der finanziellen Vorbereitung in besonderem Maße auf die Mitwirkung von ehrenamtlich tätigen Mitgliedern angewiesen sind. Es liegt daher nahe, die bezüglich der Verwirkung aufgestellten Grundsätze auch bei der Auslegung des § 2 Abs. 3 UmwRG als Orientierungshilfe heranzuziehen. Von einem „Kennenkönnen“ der ergangenen Entscheidung ist daher regelmäßig dann auszugehen, wenn sich das Vorliegen einer Genehmigung für den Dritten aufgrund objektiver Anhaltspunkte aufdrängen muss, sei es, weil Baumaßnahmen erkennbar sind, sei es, dass er in anderer Weise darüber informiert ist, und wenn es ihm zudem möglich und zumutbar ist, sich etwa durch Anfrage beim Vorhabenträger oder bei der Genehmigungsbehörde Gewissheit zu verschaffen (vgl. OVG Münster, B.v. 24.9.2009 – 8 B 1342/09, ZUR 2010, Heft 4, S. 205; OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 3.11.2014 – 1 B 10905/14 u.a. – juris Rn. 7 f.).
Die Baugenehmigung wurde dem Antragsteller weder bekannt gegeben noch wurde sie öffentlich bekannt gemacht. Der Antragsteller hat erst im Januar 2018 aufgrund einer Anfrage bei der Bauaufsichtsbehörde von der Baugenehmigung Kenntnis erlangt. Zuvor hätte er keine Kenntnis erlangen können. Eine öffentliche Berichterstattung in regionalen oder überregionalen Zeitungen hat nicht stattgefunden. Insbesondere die Mitteilung über die Baugenehmigung im Jahresbericht des Beigeladenen aus dem Jahr 2015, die in der Mitgliederzeitschrift Alpinwelt 3/2016 abgedruckt und im Internet öffentlich einsehbar war, führt nicht dazu, dass der Antragsteller die Genehmigung hätte kennen müssen. Die Berichterstattung war auf den internen Jahresbericht begrenzt und auch dort reduzierte sich die Information auf zwei Sätze auf S. 75. Es wurde auch nicht bereits auf der Titelseite der Zeitschrift auf die erteilte Genehmigung und die geplanten Baumaßnahmen hingewiesen. Evtl. kann von Naturschutzverbänden, die sich insbesondere dem konkreten Ziel des Naturschutzes verpflichten, verlangt werden, dass sie öffentlich zugängliche Berichterstattung zur Kenntnis und zum Anlass nehmen, weitere Nachforschungen anzustellen. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich die Berichterstattung – wie im vorliegenden Fall – auf interne Mitgliederzeitschriften des Bauherrn beschränkt. Eine Verpflichtung, sich auch in internen Zeitschriften über Bauvorhaben zu informieren, besteht nicht.
Auch durch die an acht Tagen zwischen dem 30. Juni 2017 und 4. Oktober 2017 durchgeführten 92 Hubschrauberflüge, die das Baumaterial zum W. beförderten, musste sich die Erteilung der Baugenehmigung dem Antragsteller nicht aufdrängen. Es wurde glaubhaft dargestellt, dass in der Nähe ein Standort der Bundespolizei liege, von dem ebenfalls in regelmäßigen Abständen Hubschraubereinsätze ausgehen. Ein erhöhtes Flugverkehrsaufkommen hätte zwar bemerkt werden können. Eine konkrete Zuordnung der Hubschraubereinsätze konnte jedoch nicht verlangt werden.
Zudem wurde glaubhaft und durch Fotos belegt ausgeführt, dass die bereits durchgeführten Bauarbeiten (brandschutztechnische Ertüchtigung) nicht von außen erkennbar waren. Es handelt sich bei dem W. ferner um einen Standort, an dem durch den Antragsteller nicht täglich oder wöchentlich kontrolliert werden kann, ob Bauarbeiten durchgeführt werden, da es auf 1930 m Höhe liegt und ein Personenlift nicht vorhanden ist.
Aufgrund der Beteiligung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens war dem Antragsteller zwar bewusst, dass möglicherweise eine positive Entscheidung über den Antrag ergehen wird. Hierbei kann jedoch nicht verlangt werden, dass sich der Antragsteller – ohne weiteren Anstoß – selbständig bei der unteren Bauaufsichtsbehörde über den Stand des Verfahrens in regelmäßigen Zeitabschnitten erkundigt. Insbesondere wegen der Verfahrenslänge musste der Antragsteller nicht mehr mit einer Genehmigung rechnen. Eine Nachfrage über den Verfahrensstand kann erst dann verlangt werden, wenn weitere Anhaltspunkte dazu kommen, die Hinweis auf eine möglicherweise erteilte Genehmigung geben. Dies war vorliegend nicht der Fall, so dass auch keine Verpflichtung des Antragstellers bestand, eigene Nachforschungen anzustellen.
Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt auch nicht aufgrund der Mitteilung des Beigeladenen, es gebe einen Tekturantrag und der Ersatzbau werde derzeit nicht wie geplant umgesetzt. Gleichzeitig teilte der Beigeladene nämlich mit, von dem genehmigten Abriss werde Gebrauch gemacht werden; ebenso sollen bereits das Untergeschoß und Kellergeschoß errichtet werden. Ein vollständiger Verzicht auf die Baugenehmigung wurde somit gerade nicht erklärt. Eine Beeinträchtigung naturschutzrechtlicher Belange ist auch durch den Abriss zumindest nicht ausgeschlossen, da auch die Beseitigung baulicher Anlagen dem Verbotstatbestand der Nationalparkverordnung (§ 9 Abs. 3 Nr. 1 APNV) unterliegt.
2. Der Eilantrag ist begründet.
Im Rahmen einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht selbst abzuwägen, ob diejenigen Interessen, die für einen gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts streiten, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung sprechen, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht als alleiniges Indiz zu berücksichtigen (beispielsweise BVerwG, B.v. 25.3.1993 – 1 ER 301/92 – NJW 1993, 3213, juris Rn. 3). Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein, weil er zulässig und begründet ist, so wird im Regelfall nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtmäßig, besteht ein öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehung und der Antrag bleibt voraussichtlich erfolglos. Sind die Erfolgsaussichten bei summarischer Prüfung als offen zu beurteilen, findet eine eigene gerichtliche Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
Der Antragsteller kann gem. § 64 Abs. 1 BNatSchG ohne die Geltendmachung einer eigenen Rechtsverletzung die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung nach § 63 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 und Abs. 2 Nrn. 4a bis 7 BNatSchG überprüfen lassen. Als verbandsklagebefugter Naturschutzverein muss der Antragsteller durch den rechtswidrigen Verwaltungsakt – insoweit in Abweichung von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO – nicht in eigenen subjektiven Rechten verletzt sein. Mit der Verbandsklagebefugnis hat der Gesetzgeber – entsprechend der Formulierung in § 64 Abs. 1 BNatSchG („ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein“) – vielmehr ein objektiv-rechtliches Beanstandungsverfahren geschaffen.
Bei Klagen bzw. Anträgen anerkannter Naturschutzvereinigungen besteht zudem eine eingeschränkte Prüfungskompetenz des angerufenen Gerichts. Die gerichtliche Kontrolle umfasst bei der Klage bzw. einem Eilantrag einer Naturschutzvereinigung gem. § 64 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG nur die gerügten Normen mit naturschutzrechtlichem Bezug. Es muss also geltend gemacht werden, dass die Entscheidung Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetz, Rechtsvorschriften, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen worden sind oder fortgelten, Naturschutzrecht der Länder oder anderen Rechtsvorschriften, die bei der Entscheidung zu beachten und zumindest auch den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu dienen bestimmt sind, widerspricht. Prüfungsmaßstab ist demnach, ob objektiv eine Verletzung der vorgenannten naturschutzrechtlichen Regelungen erfolgt ist.
a. Die Baugenehmigung ist materiell rechtswidrig.
Es liegt ein materieller Fehler (Ermessensausfall) vor, der nicht durch ein Nachschieben von Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO geheilt werden kann. Es obliegt dem Antragsgegner, die Ausübung seines Ermessens darzulegen, insbesondere auch um eine gerichtliche Kontrolle zu ermöglichen.
Im Rahmen der beantragten Genehmigung sind im Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 60 Satz 1 Nr. 3 BayBO auch die naturschutzrechtlichen Anforderungen zu überprüfen. Nach dieser Norm sind im Baugenehmigungsverfahren durch die Bauaufsichtsbehörde andere öffentlich-rechtliche Anforderungen zu prüfen, soweit wegen der Baugenehmigung eine Entscheidung nach anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften entfällt, ersetzt oder eingeschlossen wird. Gem. Art. 56 Satz 3 BayNatSchG werden auch naturschutzrechtliche Befreiungen durch eine nach anderen Vorschriften gleichzeitig erforderliche behördliche Gestattung ersetzt, soweit diese Gestattung nicht ihrerseits ersetzt wird; die behördliche Gestattung darf nur erteilt werden, wenn die Gründe für eine Befreiung vorliegen und die untere Naturschutzbehörde ihr Einvernehmen erklärt.
Gem. § 9 Abs. 3 Nr. 1 APNV ist es verboten, im Nationalpark Berchtesgaden bauliche Anlagen zu errichten, zu ändern, abzubrechen oder zu beseitigen. Gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 APNV i.V.m. § 67 Abs. 1 BNatSchG kann von diesem Verbot im Einzelfall eine Befreiung erteilt werden, wenn
1. dies aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer und wirtschaftlicher Art, notwendig ist oder
2. die Durchführung der Vorschriften im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen würde und die Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist.
Die Baugenehmigung an sich ist zwar eine gebundene Entscheidung (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO). Die vorliegend erforderliche naturschutzrechtliche Befreiung steht jedoch im Ermessen der unteren Bauaufsichtsbehörde.
Die Genehmigungsbehörde hat das ihr durch § 67 Abs. 1 BNatSchG eingeräumte Ermessen nicht ausgeübt. In der Baugenehmigung sind keine Ausführungen zur Erteilung einer naturschutzrechtlichen Befreiung enthalten. Auch erfolgt kein Verweis auf die Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde. Ferner ergibt sich auch nicht aus den sonstigen Umständen, dass der Antragsgegner sein Ermessen ausgeübt hat. Es lassen sich der Behördenakte keine Ermessenserwägungen entnehmen, die der Antragsgegner bei seiner Entscheidung berücksichtigt und abgewogen hätte. Der Antragsgegner hat erstmals im gerichtlichen Verfahren ausgeführt, er habe die Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde im Verwaltungsverfahren überprüft und sei zu dem Ergebnis gekommen, der Stellungnahme könne vollumfänglich gefolgt werden. Eigene Ermessenserwägungen wurden jedoch auch im gerichtlichen Verfahren nicht dargelegt. Da unter Würdigung der Bescheidsbegründung sowie aller vorliegenden Unterlagen aus der Behördenakte demnach keine Ermessensausübung erkennbar ist und somit von einem Ermessensausfall auszugehen ist, können Gründe auch nicht nach § 114 Satz 2 VwGO nachgeschoben werden (vgl. BayVGH, B.v. 14.2.2006 – 11 ZB 04.3215 – juris, Rn. 22). Was die Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde angeht, gilt Folgendes: Die Genehmigungsbehörde muss eine eigene Ermessensentscheidung treffen und Abwägung vornehmen und nicht ohne eigene Prüfung eine Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde übernehmen. Ein bloßes konkludentes Folgen hinsichtlich deren Stellungnahme reicht somit nicht aus. Die Ermessensausübung war auch nicht ausnahmsweise entbehrlich, weil es unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur die eine richtige Entscheidung gegeben hätte, die Genehmigung zu erteilen. Anhaltspunkte dafür, dass eine Ermessensreduzierung auf Null vorgelegen hat, sind nicht ersichtlich.
Auf diesen materiellen Fehler kann sich der Antragsteller auch berufen. Die Erteilung einer naturschutzrechtlichen Befreiung ohne Ausübung von Ermessen stellt eine Verletzung des § 67 Abs. 1 BNatSchG i.V.m. Art. 40 BayVwVfG dar und kann vom Antragsteller als anerkannte Naturschutzvereinigung gem. § 64 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG gerügt werden.
b. Zudem ist die Baugenehmigung voraussichtlich auch formell rechtswidrig.
Es fehlt die notwendige Begründung zur Erteilung einer Befreiung nach Art. 67 Abs. 1 BNatSchG.
Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG beinhaltet den Grundsatz, dass ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen ist. Gem. Art. 39 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG bedarf es ausnahmsweise keiner Begründung, wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt. Eine solche Regelung ist in Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO vorgesehen. Danach ist die Baugenehmigung nur insoweit zu begründen, als ohne Zustimmung des Nachbarn von nachbarschützenden Vorschriften abgewichen wird oder der Nachbar gegen das Bauvorhaben schriftlich Einwendungen erhoben hat.
Nach dem baurechtlichen Nachbarbegriff sind Nachbarn die Eigentümer von Grundstücken, d.h. die dinglich Berechtigten, die durch das Vorhaben in ihren öffentlich-rechtlich geschützten Belangen berührt werden können (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO, Art. 66, Rn. 77-79). Unter diesen Nachbarbegriff fällt der Antragsteller nicht.
Jedoch dürfen Sinn und Zweck der Regelung nicht außer Acht gelassen werden. Vorliegend dürfte eine analoge Anwendung des Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO geboten sein, da zwischen Nachbarn und anerkannten Naturschutzvereinigungen eine vergleichbare Interessenlage besteht und eine planwidrige Regelungslücke vorliegen dürfte. Eine planwidrige Regelungslücke, die von den Gerichten im Wege der Analogie geschlossen werden darf, liegt dann vor, wenn der Anwendungsbereich einer Norm wegen eines versehentlichen, mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig ist und sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er diesen bedacht hätte (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 2 C 71/10 – juris, Rn. 18; OVG Münster, U.v. 20.6.2013 – 1 A 334/11). Hintergrund von Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO ist, dass die Begründung einer Baugenehmigung nur dann von der unteren Bauaufsichtsbehörde verlangt wird, wenn neben dem Bauherrn Dritte vom Vorhaben berührt sind. Denn bekommt der Bauwerber seinen Bauantrag wie gewünscht verbeschieden, wäre eine Begründung ohne Betroffenheit eines Dritten verzichtbar. Sind jedoch Dritte von der Baugenehmigung betroffen oder zumindest im Verfahren beteiligt, soll für diese nachzuvollziehen sein, warum die Baugenehmigung erteilt wurde und welche Gründe hierfür herangezogen wurden. Beinhaltet die Entscheidung eine Ermessensentscheidung, ist für den Dritten relevant, welche Gesichtspunkte eine Rolle spielten und mit welchem Gewicht diese in die Abwägung eingeflossen sind. Nur bei Kenntnis dieser Gründe kann auch entschieden werden, ob eine Klageerhebung sinnvoll erscheint. Die Gesetzesbegründung zum im Jahr 1997 eingeführten Art. 79 Abs. 2 Satz 2 BayBO a.F. – jetzt Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO – (LT-Drs. 13/7008, S. 47) führt hierzu aus, durch den festgesetzten Begründungszwang könne eine Verbesserung der Befriedungsfunktion der Baugenehmigung erwartet werden, wenn auf Nachbareinwendungen eingegangen wird. Die Regelung unterstütze zudem die Selbstkontrolle der Verwaltung bereits auf der Ausgangsstufe.
Aufgrund der Einführung des Klagerechts anerkannter Naturschutzvereinigungen nach § 64 BNatSchG im Jahr 2002 (BGBl. I, S. 1193 ff.), muss der Anwendungsbereich für das Erfordernis einer Begründung weiter gezogen werden. Ein Klagerecht Dritter, die keine Nachbarn im baurechtlichen Sinn sind, war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art. 68 Abs. 2 Satz 2 BayBO noch nicht gegeben. Um ihr Klagerecht sachgerecht ausüben zu können, sollten auch anerkannte Naturschutzvereinigungen klar nachvollziehen können, warum die Baugenehmigung erteilt wurde und welche Gesichtspunkte bei der Ermessensentscheidung herangezogen wurden.
Die Baugenehmigung vom 16. Februar 2016 lässt weder erkennen, ob eine naturschutzrechtliche Befreiung erteilt wurde, noch enthält der Bescheid eine Begründung hinsichtlich der Erteilung einer Befreiung. Es ist nicht erkennbar, welche Ermessenserwägungen herangezogen wurden. Dem Begründungserfordernis wird die Genehmigung demnach nicht gerecht. Die Entscheidung kann von Dritten nicht nachvollzogen werden. Zwar wird ausgeführt, das Vorhaben sei nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zulässig, weil öffentliche Belange nicht entgegenstehen und die ausreichende Erschließung gesichert sei. Eine Begründung zur erteilten Befreiung fehlt jedoch vollständig.
Der Anspruch auf Aufhebung des Bescheids ist auch nicht nach Art. 46 BayVwVfG ausgeschlossen. Demnach kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Da es sich bei Erteilung der naturschutzrechtlichen Befreiung um eine Ermessensentscheidung handelt, ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die Behörde bei Beachtung der Begründungsvorschriften zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 14.12.1982 – 9 A 34/81 – NJW 1984, 1138).
Auf diesen formellen Fehler kann sich der Antragsteller auch berufen. Es ist für ihn aufgrund der fehlenden Begründung nicht nachvollziehbar, ob eine naturschutzrechtliche Befreiung erteilt wurde und – unterstellt, es ist eine erteilt worden – welche Gesichtspunkte als Begründung herangezogen wurden.
Die erteilte Baugenehmigung erweist sich somit als rechtswidrig, sodass die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamtes Berchtesgadener Land vom 16. Februar 2016 anzuordnen war.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst, weil er keinen Sachantrag gestellt und sich damit auch keinem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG und Nrn. 9.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf 7.500,- EUR festgesetzt.


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