Baurecht

Anordnung zur Beseitigung einer Hebebühne im Rahmen einer Nutzungsuntersagung

Aktenzeichen  M 9 K 14.5363

Datum:
22.6.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 114479
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 2 Abs. 8 S. 2, Art. 6 Abs. 9 S. 1, Art. 55 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 Nr. 1b, Art. 76 S. 2

 

Leitsatz

Die Befugnis, eine im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehende Nutzung einer baulichen Anlage zu untersagen, umfasst auch die Befugnis, die Beseitigung von Einrichtungen anzuordnen, deren Vorhaltung zu einer Fortsetzung der zu untersagenden Nutzung führt (hier: Pflicht zur Beseitigung einer Hebebühne bei Nutzungsuntersagung für Kfz-Werkstatt). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage richtet sich ausschließlich gegen die in dem Bescheid angeordnete Beseitigung der in der streitgegenständlichen Garage befindlichen Hebebühne. Die mit dem Bescheid ebenfalls ausgesprochene Nutzungsuntersagung in Nr. 1. ist demgegenüber mangels hiergegen eingelegter Rechtsbehelfe bestandskräftig.
Nr. 2. des Bescheides des Beklagten vom … November 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -).
Die Beseitigung der Hebebühne kann sich auf Art. 76 Satz 2 BayBO stützen (1.). Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind gegeben, da die Nutzung genehmigungsbedürftig ist (2.). Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, insbesondere ist die Nutzung bauordnungsrechtlich (3.) und bauplanungsrechtlich (4.) nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Die Beseitigung der Hebebühne ist zudem verhältnismäßig (5.)
1. Rechtsgrundlage für die Anordnung zur Beseitigung der Hebebühne ist hier die Befugnis zur Nutzungsuntersagung in Art. 76 Satz 2 BayBO.
Die Befugnis, eine im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften stehende Nutzung einer baulichen Anlage zu untersagen, umfasst auch die Befugnis, die Beseitigung von Einrichtungen anzuordnen, deren Vorhaltung zu einer Fortsetzung der zu untersagenden Nutzung führt (VG München, U. v. 23.09.2015 – M 9 K 14.4906 -; BayVGH, B.v. 06.09.2010 – 15 ZB 09.2375 -, juris, Rd. 18; U. v. 19.11.2007 – 25 B 05.12 -, juris, Rd. 23 ff.) . Dies folgt daraus, dass ein baurechtswidriger Zustand nicht erst mit der Ausübung einer illegalen Nutzung beginnt, sondern schon dann, wenn eine solche Nutzung vorbereitet ist (BayVGH, U. v. 19.11.2007 – 25 B 05.12 -, juris, Rd. 24).
Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Nutzung des Garagengebäudes des Klägers als Kfz-Werkstatt hängt, unabhängig von einer gewerblichen oder privaten Tätigkeit, davon ab, ob das Gebäude für eine Reparatur von Kraftfahrzeugen eingerichtet ist. Schon eine solche Einrichtung, nicht erst die Reparaturtätigkeit, macht das Gebäude zu einer Werkstatt, die sich von einer Garage, die dem bloßen Abstellen von Fahrzeugen dient, unterscheidet. Die streitgegenständliche Hebebühne kann allein dazu dienen, Kraftfahrzeuge zu reparieren. Einen Zusammenhang mit der Nutzung des Gebäudes als KFZ-Abstellplatz lässt sich nicht herstellen. Dementsprechend ist die Anordnung der Beseitigung der Hebebühne Teil der Nutzungsuntersagungsverfügung und auf die Rechtsgrundlage des Art. 76 Satz 2 BayBO zu stützen.
2. Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann eine Nutzung untersagt werden, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Die Nutzung des Gebäudes als Kfz-Werkstatt ist formell baurechtswidrig, da sie genehmigungsbedürftig wäre, eine Genehmigung aber nicht vorliegt.
Die Werkstattnutzung wäre nach Art. 55 Abs. 1 BayBO genehmigungsbedürftig, da eine Verfahrensfreiheit gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 b BayBO nicht besteht. Nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 b BayBO sind lediglich Garagen einschließlich überdachter Stellplätze im Sinne des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO mit einer Fläche bis 50 m² verfahrensfrei zu errichten. Bei einer durch den festen Einbau einer Hebebühne manifestierten Werkstatt handelt es sich nicht um eine Garage im Sinne von Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 b BayBO. Garagen sind Gebäude oder Gebäudeteile, die dem Abstellen von Kraftfahrzeugen dienen (Art. 2 Abs. 8 Satz 2 BayBO). Abgesehen von gänzlich untergeordneten Annextätigkeiten umfasst dieser Begriff lediglich die Nutzung zum Abstellen von Kraftfahrzeugen (VG München, U. v. 23.09.2015 – M 9 K 14.4906 – und Simon/Busse, BayBO, 122. Ergänzungslieferung Januar 2016, Art. 6 BayBO, Rd. 523). Durch die streitgegenständliche Hebebühne erhält das Gebäude den Charakter einer Werkstatt, die weder von der Verfahrensfreiheit gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 b BayBO noch von der abstandsflächenrechtlichen Privilegierung des Art. 6 Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 BayBO gedeckt ist. Die Hebebühne kann allein dazu dienen, in der Garage über die herkömmlichen in einer Garage stattfindenden Arbeiten hinausgehende Reparaturarbeiten an Kraftfahrzeugen durchzuführen. Die Ausstattung mit einer Hebebühe, die im vorliegenden Fall in den Boden eingelassen ist, lässt sich mit dem bloßen Aufbewahren von Kraftfahrzeugen nicht begründen.
3. Die Ermessensausübung zur Anordnung in Ziff. 2 des Bescheids ist im Rahmen des gem. § 114 VwGO beschränkten gerichtlichen Prüfungsumfangs nicht zu beanstanden.
Für die auf die Grundlage des Art. 76 Satz 2 BayBO gestützte Beseitigung der Hebebühne genügt ebenso wie für die Untersagung einer Nutzung die formelle Rechtswidrigkeit der Anlage. Im Rahmen des dem Beklagten bei der Entscheidung über die Nutzungsuntersagung und der Beseitigung der Hebebühne zustehenden Ermessens kann allenfalls eine offensichtlich bestehende Genehmigungsfähigkeit zur Rechtswidrigkeit der Nutzungsuntersagung führen. Eine solche offensichtliche Genehmigungsfähigkeit und damit eine Ermessensfehlerhaftigkeit der Nutzungsuntersagung und Beseitigungsanordnung hinsichtlich der Hebebühne ist nicht gegeben.
Das Gebäude ist bauordnungsrechtlich unzulässig, da es die nach Süden und Westen erforderlichen Abstandsflächen gemäß Art. 6 BayBO nicht einhält. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei dem als Werkstatt für Kraftfahrzeuge genutzten Gebäude nicht um ein nach Art. 6 Abs. 9 Satz 1 BayBO ohne eigene Abstandsflächen zulässiges Garagengebäude. Die Abstandsflächen, die nach Westen und Süden erforderlich wären, lassen sich auch nicht durch eine sog. Abstandsflächenübernahme nach Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO nachträglich herstellen. Eine Abstandsflächenübernahme auf der Südseite des Gebäudes scheidet aus, da sich hier bereits andere Gebäude befinden. Im Übrigen liegt eine derartige Übernahmeerklärung nicht vor, weshalb eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit nicht anzunehmen ist.
4. Eine Genehmigung des Vorhabens ist auch aus bauplanungsrechtlichen Gründen nicht möglich.
Das Vorhaben wäre hinsichtlich seiner Nutzungsart nach § 34 Abs. 2 Baugesetzbuch (BauGB) i. V. m. § 3 Abs. 1 Baunutzungsverordnung (BauNVO) zu beurteilen. Der Augenschein hat ergeben, dass die für die Beurteilung des Einfügens hinsichtlich der Art der Nutzung maßgebliche Umgebung die Bebauung beidseits der Sackgasse des „… Weg“ ist. Es handelt sich hierbei sowohl durch freie Flächen als auch durch seine Struktur um einen deutlich von dem im Übrigen dörflich geprägten Ortsteil abgegrenzten Bereich, der für sich genommen, einheitlich beurteilt werden muss. Beidseits der Sackgasse des … Weges besteht eine gleichartige Bebauungsstruktur durch Einfamilienhäuser und zugehörige Gartenflächen, während im Übrigen Ortsteil größere Landwirtschaften mit Nebengebäuden vorherrschen. Die Sackgasse des … Weges wird zudem durch seine eigenständige Erschließung abgegrenzt. Diese bandartige Bebauung ist wiederum durch die Freifläche im Westen von der ländlichen Bebauung getrennt.
Dieser für die Beurteilung des Einfügens maßgebliche Bereich wird nach der übereinstimmenden Feststellung der Parteien ausschließlich durch Wohngebäude genutzt. Es handelt sich demzufolge um ein reines Wohngebiet gemäß § 3 Abs. 1 BauNVO. In diesem sind ausschließlich Wohngebäude sowie Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebietes dienen, zulässig. Eine Werkstatt zur Reparatur von KFZ ist nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 3 Abs. 2 BauNVO nicht zulässig und kann auch nicht gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 3 Abs. 3 BauGB ausnahmsweise zugelassen werden.
5. Die Anordnung zur Beseitigung der Hebebühne ist auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar.
Die Anordnung war erforderlich, um die unzulässige Nutzung zu beenden. Wie bereits ausgeführt, manifestiert sich die Nutzung als Kfz-Werkstatt gerade durch die hier fest im Boden eingebaute Hebebühne. Nur durch deren Beseitigung kann die Nutzung dauerhaft unterbunden werden. Ein bloßes Unterlassen des Eigentümers genügt nicht, um den baurechtswidrigen Zustand dauerhaft zu beheben. Insofern ist es in solchen Fällen geboten, die Untersagung der Nutzung mit einer Anordnung zu verbinden, was an baulichen Änderungen vorzunehmen ist, um dem Gebot nachzukommen (BayVGH, U.v. 19.11.2007 – 25 B 05.12 -, juris, Rd. 30). Ein milderes Mittel, das ebenso die dauerhafte Verhinderung der Werkstattnutzung sicherstellen könnte, ist nicht ersichtlich.
Der Kläger hat als unterlegene Partei gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Kosten des Beigeladenen hat dieser gemäß § 162 Abs. 3 VwGO selbst zu tragen, da er sich nicht durch die Stellung eines Antrages einem Kostenrisiko gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt (§ 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben