Baurecht

Anspruch auf Architektenhonorar nach außerordentlicher Vertragskündigung

Aktenzeichen  12 O 1974/18

Datum:
3.7.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 55970
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
HOAI §§ 6 Abs. 1, 7 Abs. 1
BGB § 314

 

Leitsatz

1. Der mit der Bauplanung beauftragte Architekt hat bereits bei der Grundlagenermittlung zu prüfen, ob das Bauvorhaben grundsätzlich genehmigungsfähig ist. Eine Verletzung dieser Pflicht kann eine außerordentliche Kündigung des Architektenvertrags rechtfertigen und dazu führen, dass der Architekt auch für die erbrachten Leistungen keine Vergütung erhält (OLG Nürnberg, Urt. v. 27.7.2005 – 6 U 117/05). (Rn. 57) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn aber im Fall fehlender Genehmigungsfähigkeit einer Flachdachbebauung das Scheitern des gesamten Projekts für die Beklagten als Alternative zur Wahl stand, können sie sich nicht auf die mangelnde Genehmigungsfähigkeit als außerordentlichen Kündigungsgrund und Grund für den Wegfall des Vergütungsanspruchs berufen, da auch eine Beendigung des Vertragsverhältnisses durch freiwillige Nichtrealisierung des Hausbaus den Vergütungsanspruch unberührt gelassen hätte. (Rn. 61) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 11.294,01 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.09.2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil jst gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 11.294,01 € festgesetzt.

Gründe

Die Klage ist zulässig und hinsichtlich der Hauptforderung auch in vollem Umfang begründet.
I
Dem Kläger steht ein restlicher Vergütungsanspruch für Architektenleistungen in Höhe von 11.294,01 € zu.
1. Die Vergütungsforderung ist auf Grundlage von § 6 Abs. 1 HOAI zu berechnen, da die von den Parteien getroffene Vergütungsabrede gemäß § 7 Abs. 1 HOAI unwirksam ist.
1.1. Dabei ist davon auszugehen, dass die Parteien eine feste Baukostenobergrenze nicht vereinbart haben.
Während die Beklagten zunächst im Rahmen der Klageerwiderung behaupteten, man habe ein Baukostenlimit von 350.000,- € vereinbart, änderten sie ihren Vortrag mit der Duplik dahingehend ab, man habe später unter dem Eindruck der Planungsänderungen das Limit auf 400.000,- € erhöht. Auch diese modifizierte Einlassung lässt sich indes nicht ein Einklang bringen mit dem Wortlaut der in Bezug genommenen Email vom 05.05.2016 (B3), wo von einem verbindlichen Kostenrahmen in Höhe von 400.000.- € „vor der Unterzeichnung des Architektenvertrags“ die Rede ist. Die Beklagten mussten darüber hinaus in der persönlichen Anhörung am 06.06.2019 berichtigen, dass ihnen die Entwürfe vom 24.02.2015 mit Grobkostenschätzungen (Anlagen K 8 und K 9) sehr wohl im Zusammenhang mit der Angebotserstellung bekannt waren. Dies wurde mit Schriftsatz vom 08.04.2019 (S. 6, Ziff. 2 a.E.) noch ausdrücklich geleugnet.
Vor dem Hintergrund dieses Einlassungsverhaltens der Beklagten vermag sich das Gericht nicht davon zu überzeugen, dass eine verbindliche Kostenobergrenze auf Veranlassung der Beklagten mit dem Kläger vereinbart worden sein soll. Demgegenüber ist es ohne weiteres plausibel, dass die Parteien, wie vom Kläger dargestellt, auf Grundlage eines unverbindlichen Kostenrahmens die Planung betreiben ließen.
1.2. Die vom Kläger der Honorarrechnung zugrunde gelegte Grobkostenschätung (Anlage K 8) ist prima facie schlüssig. Da eine Kostenberechnung durch den Kläger nicht erbracht wurde, kann die Kostenschätzung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 HOAI herangezogen werden. Diese enthält sowohl die Angabe der Kostengruppen, als auch Mengenschätzungen sowie Angaben zum Baugrundstück nebst Erläuterungen und nimmt auf die zugrunde liegende Vorplanung Bezug, § 2 Abs. 10 HOAI.
Auch die Heranziehung der Honorarzone III ist ausweislich der vorgelegten Planunterlagen ohne weiteres gerechtfertigt, da es sich ganz offensichtlich nicht um die Planung eines Standard-Einfamilienhauses handelt.
Nach § 13 HOAI beträgt die volle Honorarsumme im Mindestsatz 45.373,71 €.
Die Abrechnung von 7 % für die Vorplanung entspricht § 34 Abs. 3 Nr. 2 HOAI.
Der vom Kläger vorgenommene 10-prozentige Abzug für nicht erbrachte Kostenberechnung im Rahmen der Entwurfsplanung ist vor dem Hintergrund der in dieser Leistungsphase ausweislich Anl. 10 zu § 34 Abs. 5 HOAI enthaltenen Grundleistungen ausreichend. Die Leistungsphase Entwurfsplanung wird daher im Ergebnis zutreffend mit 13,5 % berücksichtigt.
Bereits die sich hierfür unter Heranziehung der Mindestsätze ergebende Vergütung – in Summe 11.068,92 € – übersteigt die vereinbarte Pauschalsumme um mehr als 1/3.
1.3. Die Geltendmachung der Unwirksamkeit verstößt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht gegen Treu und Glauben.
Dies würde voraussetzen, dass die Beklagten zum einen auf die Wirksamkeit der Honorarvereinbarung vertraut haben, vertrauen durften, und zum anderen sich auf die vereinbarte Vergütung in einer Weise eingerichtet haben, dass ihnen die Zahlung der Differenz zum Mindestbetrag nicht zugemutet werden kann.
Soweit sich die Beklagten hierzu auf die Entscheidung des OLG Naumburg (Urteil vom 10.10.2013, 1 U 9/13 – juris) stützen, liegt dieser bereits ein abweichender Sachverhalt zugrunde. So hatten die dortigen Parteien nicht einfach völlig frei einen Pauschalpreis festgelegt, sondern diesen durch geringfügige Abrundung einer konkret auf Grundlage der HOAI berechneten Vergütung bestimmt (s. Rz. 23 der Entscheidung, a.a.O.: von 23.660,82 € auf 23.600.- €). Hieraus leitete das Gericht das berechtigte Vertrauen in die so ermittelte Vergütungshöhe ab.
Vorliegend ging dem Vertragsschluss indes das als Anlage B1 vorgelegte Angebot vom 24.02.2015 voraus, das auf Grundlage einer Baukostensumme von 351.050,- € ein Gesamthonorar von 13.059,77 € ergab. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern, die Beklagten in Kenntnis dieser Honorarberechnung ein vergleichbares Vertrauen in den Bestand der vereinbarten Pauschalsumme von 8.000,- € bilden sollten, nachdem sich aus dem Angebot klar ergibt, dass das nach HOAI berechnete Honorar wesentlich höher ausfallen würde.
Unabhängig davon haben die Beklagten auch nicht vorgetragen, inwiefern ihr Vertrauen schutzwürdig sein soll. Hierzu wäre unter Offenlegung der geplanten Baufinanzierung darzulegen, wie sich die Beklagten auf die vereinbarte Pauschalsumme so eingerichtet haben, dass eine Abweichung nach oben nicht zumutbar wäre. Allein die Tatsache, dass es sich bei den Beklagten um private Bauherrn handelt, genügt – entgegen der offenbar abweichenden Auffassung des OLG Naumburg (a.a.O., Rz. 25) nicht. Eine derart weitreichende Einschränkung des Umstandselements würde den Ausnahmecharakter von § 242 BGB systemwidrig ignorieren.
1.4
Die Vergütungsforderung ist auch zur Zahlung fällig.
Zwar setzt § 15 Abs. 1 HOAI grundsätzlich die Abnahme der Architektenleistung voraus. Diese ist auch im Fall einer Vertragskündigung grundsätzlich in Bezug auf die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen erforderlich.
Vorliegend ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Beklagten die Leistung des Klägers insgesamt endgültig zurückgewiesen haben. Eine Abnahme, die zum Zweck der Feststellung vertragsgemäßer Leistung durchgeführt wird, würde sich hier als reine Förmelei darstellen, da die Beklagten auf eine abnahmereife Herstellung der (Teil-)leistung überhaupt keinen Wert legen.
2. Der Kläger ist berechtigt, für die nicht erbrachten Leistungen gemäß § 9 des Architektenvertrags (K 1) ein Honorar von 1.225,09 € zu verlangen.
2.1. Der pauschalierte Ansatz für den Abzug von ersparten Aufwendungen und anderweitigen Erwerb in Höhe von 40 % ist auch als AGB-Klausel wirksam, da sie dem Auftraggeber den Nachweis höherer Abzugsbeträge ausdrücklich zugesteht (s. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 16. Aufl. 2018, Rz. 1137 m.w.N.). Es kann daher dahinstehen, ob es sich bei § 9 des Vertrags tatsächlich um eine nicht individuell ausgehandelte Bestimmung handelt.
2.2
Der Kläger hat Anspruch auf Vergütung für nicht erbrachte Leistungen, da er die Vertragskündigung nicht im Sinne von § 9 zu vertreten hat.
Die Bestimmung ist dabei dahingehend auszulegen, dass ein Vertretenmüssen des Kündigungsgrunds dann vorliegt, wenn dieser in die Risikosphäre des Klägers einzuordnen ist (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 27.10.1998, X ZR 116/97). Das ist vorliegend nicht der Fall; ein wichtiger Grund zur Vertragskündigung liegt nicht vor.
Für das im Jahr 2015 begründete Vertragsverhältnis ist die außerordentliche Kündigung am Maßstab des § 314 BGB zu messen, da es sich wegen der längerfristigen Zusammenarbeit im Rahmen eines Architektenvertrags um ein Vertragsverhältnis handelt, das einem Dauerschuldverhältnis ähnlich ist.
2.2.1
Soweit sich die Beklagten darauf stützen, der Kläger habe die vorab festgelegte Baukostenobergrenze überschritten, wurde bereits dargelegt, dass die Vereinbarung eines solchen Limits vor dem Hintergrund der wechselnden Einlassungen der Beklagten im Verlauf des Rechtsstreits nicht anzunehmen ist.
2.2.2
Soweit geltend gemacht wird, dass der Kläger eine nicht genehmigungsfähige Planung vorgelegt habe, ergibt sich hieraus ebenfalls kein Grund zur außerordentlichen Kündigung des Architektenvertrags.
Die Erstellung einer dauerhaft genehmigungsfähigen Planung stellt zwar eine originäre Leistungspflicht des Architekten dar.
So hat der mit der Bauplanung beauftragte Architekt bereits bei der Grundlagenermittlung zu prüfen, ob das Bauvorhaben grundsätzlich genehmigungsfähig ist. Eine Verletzung dieser Pflicht kann eine außerordentliche Kündigung des Architektenvertrags rechtfertigen und dazu führen, dass der Architekt auch für die erbrachten Leistungen keine Vergütung erhält (OLG Nürnberg, Urteil vom 27.07.2005, 6 U 117/05 – Leitzsatz zitiert nach juris).
Vorliegend kann offenbleiben, ob die vom Kläger erbrachte Planung mit Flachdach tatsächlich deshalb dauerhaft genehmigungsfähig gewesen wäre, weil mit einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungplans gerechnet werden konnte.
Für den Fall, dass eine entsprechende Befreiung nicht erteilt worden wäre, hätte sich die Pflichtverletzung des Klägers nämlich vor dem Hintergrund der Einlassung der Beklagten nicht als adäquat kausaler Kündigungsgrund dargestellt.
So entsprach die Errichtung eines Flachdachgebäudes von vornherein dem Planungswunsch der Beklagten – was diese erstmals in ihrer persönlichen Anhörung im Termin am 11.03.2019 auf Nachfrage so bestätigt haben, nachdem dieser Gesichtspunkt in der Klageerwiderung und in der Duplik noch völlig unerwähnt geblieben war. Noch in der als Anlage K17 vorgelegten Email vom 08.04.2016 haben die Beklagten gegenüber dem Kläger die Auffassung geäußert, es müsse vor Planeingabe bei der Gemeinde die Genehmigungsfähigkeit abgeklärt werden, sonst müsse man sich eine andere Lösung überlegen. Hierbei sei nach Angaben des Beklagten zu 1) in seiner persönlichen Anhörung im Termin vom 06.06.2019 auch denkbar gewesen, das Projekt Hausbau gegebenenfalls überhaupt nicht zu realisieren.
Wenn nun aber im Fall fehlender Genehmigungsfähigkeit der Flachdachbebauung auch das Scheitern des gesamten Projekts für die Beklagten als Alternative zur Wahl stand, können sie sich nicht auf die mangelnde Genehmigungsfähigkeit als außerordentlichen Kündigungsgrund und Grund für den Wegfall des Vergütungsanspruchs berufen, da auch eine Beendigung des Vertragsverhältnisses durch freiwillige Nichtrealisierung des Hausbaus den Vergütungsanspruch unberührt gelassen hätte.
2.2.3.
Auf den zuletzt geltend gemachten Verstoß gegen Art. 26 BayStrWG wegen Überbauung eines Sichtdreiecks lässt sich die außerordentliche Kündigung ebenfalls nicht stützen.
Zwar stellt die Benennung des Kündigungsgrunds keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die außerordentliche Kündigung dar und der Kündigende ist berechtigt, die Kündigung nachträglich auch auf Gründe zu stützen, die in der Kündigungserklärung nicht bezeichnet sind.
Das Kündigungsrecht, das – wie hier in Form eines behaupteten Planungsfehlers – auf eine Vertragsverletzung der Gegenseite gestützt wird, besteht allerdings gemäß § 314 Abs. 2 S. 1 BGB regelmäßig erst, nachdem erfolglos eines Frist zur Abhilfe gesetzt wurde (vgl. hierzu OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.11.2002, 23 U 182/01 – juris). Eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung wegen Vorliegend der tatbestandlichen Voraussetzungen von § 314 Abs. 2 S. 2 oder 3 BGB ist weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich.
2.3
Der Kläger ist nach Maßgabe von § 9 des Architektenvertrags berechtigt, die nicht erbrachten Leistungen zu 60 % anzusetzen.
Dies ergibt bei 3 % für Leistungsphase 4 zuzüglich 1,5 % für den in Leistungspase 3 nicht erbrachten 10-prozentigen Anteil insgesamt 4,5 %, bezogen auf die Honorarsumme damit einen Nettobetrag von 1.225,09 €.
3. In der Summe der Vergütung für erbrachte und für nicht erbrachte Leistungen ergibt sich damit nach Abzug der bereits geleisteten Zahlung von 1.000,- € ein restlicher Honoraranspruch in Höhe von 11.294,01 €.
Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagten wurden durch das als Anlage K7 vorgelegte Anwaltsschreiben vom 23.08.2016 nach Fälligkeit der Schlussrechnungsforderung, § 15 Abs. 1 HOAI, wirksam gemahnt und gerieten durch die Mahnung in Verzug.
II
Abzuweisen war die Klage in Bezug auf die geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten. Ausweislich des als Anlage K5 vorgelegten Anwaltsschreibens war die klägerische Prozessbevollmächtigte bereits vor Stellung der Schlussrechnung in der Angelegenheit tätig, so dass ihre Beauftragung nicht verzugsbedingt erfolgt sein kann.
III
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.


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