Baurecht

Anspruch auf Befreiung von der Straßenreinigungspflicht

Aktenzeichen  B 1 K 16.629

Datum:
18.12.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 47311
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG Art. 51 Abs. 4, Art. 51 Abs. 5, Art. 51 Abs. 6

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die Klage ist zwar zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, vor seinem Grundstück am … von den Reinigungs- und Sicherungspflichten gemäß der Verordnung der Beklagten befreit zu werden bzw. auf Feststellung, dass eine derartige Verpflichtung nicht bestehe.
Maßgeblich für das Begehren des Klägers ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung. Seine Verpflichtung zur Reinigung und Sicherung des vor seinem Grundstück befindlichen Gehwegs bemisst sich daher danach, ob die zu diesem Zeitpunkt maßgebliche gemeindliche Reinigungs- und Sicherungsverordnung vom 18. Dezember 2017 rechtmäßig ist und damit den An- und Hinterliegern der Grundstücke die in der Verordnung benannten Verpflichtung auferlegt worden sind bzw. ob der Kläger nach § 12 Abs. 3 der Verordnung einen Anspruch auf Befreiung hat.
a. Gemäß Art. 51 Abs. 1 Bayerisches Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG) obliegt die Reinigungs- und Sicherungspflicht, zu der auch der winterliche Räum- und Streudienst gehört, innerhalb geschlossener Ortslagen den Gemeinden. Nach Art. 51 Abs. 4 BayStrWG können die Gemeinden die Reinigungspflichten und nach Art. 51 Abs. 5 BayStrWG die Räum- und Streupflichten im Winter auf die Anlieger oder die Eigentümer von Grundstücken, die durch die öffentliche Straße erschlossen werden, überbürden und zu Leistungen auf eigene Kosten verpflichten. Dies gilt auch für Bundesstraßen (vgl. Art. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 51 Abs. 6 BayStrWG). Gehwege sind gemäß Art. 2 Nr. 1b BayStrWG Straßenbestandteile im Sinne des BayStrWG, für die die Beklagte nach § 5 Abs. 3 i.V.m. § 1 Abs. 2 Nr. 2 Bundesfernstraßengesetz (FStrG) baulastpflichtig ist. Die Abwälzung der gemeindlichen Verpflichtung aus Art. 51 Abs. 1 Satz 1 BayStrWG ist auch verfassungsgemäß (vgl. die Rechtsprechungsnachweise bei Schmid in Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Kommentar, 28. EL, Januar 2018, Rn. 78 zu Art. 51).
Auf An- und Hinterlieger abgewälzt werden können nur solche Verpflichtungen, die der Gemeinde aus Art. 51 Abs. 1 BayStrWG obliegen. Dabei darf die Gemeinde aber von den Verpflichteten nicht mehr verlangen, als sie nach Art. 51 Abs. 1 BayStrWG ohne Abwälzung selbst erbringen müsste. Wenn und soweit dies im Rahmen einer Verordnung nach Art. 51 Abs. 4 und 5 BayStrWG rechtmäßig erfolgt, ist die gemeindliche Verpflichtung subsidiär gegenüber den auf die Anwohner übertragenen Verpflichtungen.
aa. Die Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise die ihr als gemeindliche Aufgabe obliegende Reinigungs- und Sicherungspflicht durch die Verordnung vom 18. Dezember 2017 auf die An- und Hinterlieger übertragen.
Es kommt vorliegend nicht (mehr) darauf an, ob die gemeindliche Verordnung vom 18. April 2016 in Teilbereichen rechtswidrig war. Die von den Beteiligten im laufenden Verfahren diskutierten Bestimmungen hinsichtlich kombinierter Geh- und Radwege (unter Hinweis auf das Urteil des BayVGH vom 4. April 2007) bzw. der hinreichenden Bestimmtheit und dem Umfang einer auferlegten Reinigungspflicht (vgl. Urteil des BayVGH vom 18. August 2016) sind im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich. Die Heranziehung des Klägers zum Reinigungs- und Sicherungsdienst ist an der nunmehr gültigen Verordnung vom 18. Dezember 2017 zu messen. Im Übrigen würde ein Rechtsmangel in Teilbereichen nicht zur Gesamtnichtigkeit der Verordnung, sondern nur zur Teilnichtigkeit einzelner Regelungen führen (vgl. BayVGH, U.v. 18. August 2016 – 8 B 15.2552 – juris Rn. 42), so dass die sich im Rahmen der Verordnungsermächtigung haltenden Pflichten von den Anliegern bzw. Hinterliegern weiterhin zu erfüllen sind.
bb. Der Kläger bestreitet die Rechtmäßigkeit der Verordnung und sieht eine fehlende Rechtsgrundlage für die Überbürdung der ihm auferlegten Verpflichtungen. Dass die mit der nunmehr geltenden Reinigungs- und Sicherungsverordnung allen Anliegern bzw. Hinterliegern generell auferlegten konkreten Reinigungs- und Sicherungspflichten ihrem Umfang nach grundsätzlich rechtswidrig wären, ist nicht ersichtlich. Insbesondere wurde der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs durch die Anpassung der Reinigungspflicht Rechnung getragen. Ein gemeindlicher Straßenreinigungsbetrieb mit Anschluss- und Benutzungszwang, der der Überwälzung der Verpflichtung entgegenstehen könnte, besteht nicht.
Soweit der Kläger vorbringt, die Verordnung sei bereits deshalb rechtswidrig, weil es die Beklagte unterlassen habe, vor Verordnungserlass die Zumutbarkeit der Abwälzung der Verpflichtung auf die Anlieger des T…Bergs zu prüfen, kann dem nicht gefolgt werden. Der Kläger beruft sich diesbezüglich auf die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, u.a. im Urteil vom 8. Februar 2011, in dem ausgeführt wird: „Für die Übertragung der Reinigungs- und Sicherungspflicht auf die Straßenanlieger bestehen jedoch Grenzen. Dem Anlieger dürfen die auferlegten Leistungen nicht unzumutbar sein (vgl. BayVGH vom 4.4.2007 BayVBl. 2007, 558/560). Die Gemeinde hat demgemäß, will sie den Straßenanliegern Reinigungs- und Sicherungspflichten auferlegen, sowohl generalisierend bei dem Erlass der einschlägigen Verordnung wie auch im Einzelfall bei der Erteilung von Befreiungen wegen unbilliger Härte, sorgfältig zu prüfen, bei welchen Straßen dies nach den örtlichen Gegebenheiten, insbesondere nach dem auf der jeweiligen Straße üblicherweise herrschenden Straßenverkehr und in welchem Maß dies zumutbar ist. […] Schließlich kann auch die Struktur der Straße und die Leistbarkeit der Pflichten z. B. in besonders schneereichen Gebieten dazu führen, dass die Auferlegung der Reinigungs- und Sicherungspflicht eine unverhältnismäßige, mit dem Sinn und Zweck der Heranziehung der Anlieger nicht mehr vereinbare Belastung darstellt.“
Im Urteil vom 4. April 2007 (Az. 8 B 05.3195) hat der BayVGH auch bei sehr stark belasteten Straßen (im konkreten Fall eine Bundesstraße mit ca. 11.000 Kfz/Tag) die Überbürdung der Reinigungspflicht des Fahrbahnrands als nicht mehr zumutbar angesehen, im Übrigen aber eine Verpflichtung zur Reinigung des Gehsteigs nicht moniert.
Die Rechtsgültigkeit der Reinigungs- und Sicherungsverordnung scheitert nicht daran, dass es die Beklagte unterlassen habe, bei Verordnungserlass zu überprüfen, ob eine Überbürdung generell zulässig sei. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagtenseite ausgeführt, dass der unterschiedlichen verkehrlichen Situation im Gemeindegebiet dadurch Rechnung getragen worden sei, dass in der Verordnung unterschiedliche Straßenklassen gebildet und die Reinigungs- und Sicherungspflicht gestaffelt worden sei. Der 1. Bürgermeister hat zudem geschildert, dass neben der Bundesstraße … im Gemeindegebiet weitere übergeordnete Straßen durch Wohngebiete führen, mit zum Teil noch höherer Verkehrsbelastung und punktuell noch geringerer Straßen- und Gehsteigbreite. Angesichts dieser Gesamtsituation habe sich eine Ausnahmesituation für den T… Berg nicht ergeben.
Wie der Kläger selbst vorträgt und auch den Akten entnommen werden kann, ist die Situation am T… Berg seit längerer Zeit Inhalt verschiedenster Beschwerden, die an die Beklagte u.a. im Rahmen schriftlicher Eingaben sowie bei Bürgerversammlungen und auch an andere Behörden herangetragen worden sind. Dem beschließenden Gemeinderat war daher die Situation am T… Berg bekannt, ebenso wie im übrigen Gemeindegebiet. Allein die Tatsache, dass der Gemeinderat die Lage anders als der Kläger einschätzt, spricht nicht gegen eine Prüfung der individuellen Gegebenheiten. Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte bei einem Vergleich der Verkehrssituation entlang der besonders belasteten Straßen auf die Ergebnisse der Verkehrszählungen 2010 und 2015 zurückgegriffen und daher für dem T… Berg keine Ausnahmesituation gesehen hat. Ausweislich der Verkehrszählung 2015 wurden für die durch W… und We… führende Staatsstraße St … bzw. die B … am T… Berg folgende durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV) ermittelt:
KFZ
Schwerverkehr
Leichtverkehr
W…-We…
6823
274
6549
We… – C…
6861
218
6643
Am T… Berg
4760
590
4170
Zwar ist augenfällig, dass die B … im Bereich des klägerischen Anwesens für das Jahr 2015 mehr als doppelt so viel Schwerlastverkehr aufzuweisen hatte wie die ebenfalls stark belastete St … im Ortsbereich von W… und We… Inwieweit die im Jahre 2015 nur auf bestimmten Bundesstraßen erhobene Lkw-Maut (darunter nicht die B …) zu einem das Verkehrsaufkommen auf der B … damals erhöhenden Verkehrsaufkommen geführt hat, braucht hier nicht vertieft werden, da es auf jeden Fall seit der Einführung der Lkw-Maut im Juli 2018 auf allen Bundesstraßen diesbezüglich zu keinem Ausweichverkehr mehr kommen kann mit der Folge einer überdurchschnittlichen Belastung. Vielmehr wird eher anzunehmen sein, dass der in 2015 enthaltene Ausweichverkehr nunmehr entfällt. Insgesamt gesehen lag auch im Jahre 2015 liegt die Verkehrsbelastung insgesamt niedriger als an anderen Orten im Gemeindegebiet und erst recht niedriger (bezogen auf Bundesstraßen) als im gesamten Bereich von Oberfranken (658 Lkw/24h) bzw. im Bereich des Staatlichen Bauamts …(691 Lkw/24h). Nur ergänzend darf auf die im Verfahren B 1 K 17.847 dem Kläger ausgehändigte Auswertung der vom Landkreis …im Jahr 2017 installierten Smiley-Anlage verwiesen werden, aus der sich eine höhere Verkehrsbelastung keinesfalls entnehmen lässt. Die vom Kläger in seinen verschiedenen schriftlichen Äußerungen gegenüber den Behörden genannten Zahlen entbehren damit einer nachvollziehbaren Grundlage.
cc. Auch sonstige Umstände, die die Beklagte dazu hätten bewegen müssen, den T… Berg generell aus der Sicherungs- und Reinigungspflicht der Anlieger herauszunehmen, sind nicht ersichtlich.
Erschwernisse bei der Erfüllung der Räum- und Streupflicht, wie z. B. eine Hanglage oder besonderer Schneereichtum des Gebiets wurzeln in der Situationsgebundenheit und sind deshalb kein Anlass für eine Befreiung, es sei denn, es läge eine Sonderbelastung aus für den örtlichen Umkreis atypischen Erschwerungen des Winterdienstes vor, z. B. eine im Gemeindebereich außergewöhnliche, einmalige Topographie (BayVGH, U. v. 21. 10.1986, 8 B 86.00314).
Dass es sich um ein besonders schneereiches Gebiet handeln würde, so dass den Anliegern eine über das normale Maß hinausgehende unzumutbare Verpflichtung auferlegt würde, ist nicht ersichtlich. In der mündlichen Verhandlung, die mit dem Verfahren B 1 K 17.442 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden wurde, hat das Staatliche Bauamt als die für die Reinigung und Räumung der Fahrbahn der B … zuständige Behörde unwidersprochen dargelegt, dass es sich bei dem fraglichen Gebiet um ein nicht außergewöhnlich schneereiches handele. Soweit der Kläger den 15. Januar 2017 benenne, habe es sich für die dortigen Verhältnisse um einen schneereicheren Tag gehandelt. Der Räumdienst habe drei Fahrten, der Streudienst zwei Fahrten durchgeführt.
Soweit der Kläger auf die geringe Gehsteig- und Straßenbreite und die damit verbundenen Schwierigkeiten und Gefahren bei Erfüllung der Sicherungspflicht im Winter verweist, ist eine Sondersituation nicht ersichtlich. Die vom Kläger monierte fehlende Breite und die damit verbundenen Probleme für zwei nebeneinander laufende Fußgänger sind im Rahmen der Reinigungspflicht und der winterlichen Sicherungspflicht nicht maßgeblich. Es handelt sich bei dem Ortsteil am T… Berg um einen historisch gewachsenen Ort, so dass naturgemäß die nunmehr für die Neuanlage von Straßen geltenden Richtlinien bzw. Empfehlungen hinsichtlich der Straßen- und Gehsteigbreite nicht herangezogen werden können und insbesondere eine Unterschreitung bestimmter Vorgaben nicht von vorneherein dazu führt, dass eine Herausnahme aus der Reinigungs- und Sicherungspflicht erfolgt. Aus den in der mündlichen Verhandlung von Beklagtenseite übergebenen Unterlagen ist ersichtlich, dass die Fahrbahnbreite am T… Berg ca. 7 Meter beträgt und der im Bereich des klägerischen Grundstücks verlaufende Gehsteig zwischen 1,27 Meter und 1,65 Meter breit ist, so dass ein ausreichend breiter Streifen freigehalten werden kann. Es handelt sich hier um einen auf langer Strecke geraden und übersichtlichen Straßenverlauf. Die herannahenden Fahrzeuge sind demzufolge frühzeitig erkennbar.
Die Beklagte hat außerdem die vom Kläger ins Feld geführte besondere Gefährlichkeit wegen der überhöhten Geschwindigkeiten der Fahrzeuge am T…Berg in ihre Entscheidung mit einbezogen und eine Auskunft des Polizeipräsidiums Oberfranken eingeholt. Danach wurden bzw. werden am T… Berg überdurchschnittlich viele Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt (neben den Messungen durch die PI und die VPI … erfolgen diese durch die kommunale Verkehrsüberwachung), wobei die vom Kläger genannten Werte als nicht nachvollziehbar und nicht mit den behördlichen Messungen in Einklang zu bringen sind.
Die Situation am T… Berg stellt sich nach alledem im Vergleich zu den sonstigen überörtlichen und innerhalb geschlossener Ortslage verlaufenden Straßen (Durchgangsstraßen) im Gemeindegebiet als nicht grundlegend schwieriger dar, so dass es nicht zu beanstanden ist, wenn bei einer derartigen Sachlage eine Herausnahme des T… Bergs aus der den Anliegern übertragenen Reinigungs- und Sicherungspflicht nicht geboten war.
b. Eine Befreiung von der kraft Verordnung auferlegten Reinigungs- und Sicherungspflicht ist nur unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung vom 18. Dezember 2017 gegeben, d.h. die Auferlegung der Verpflichtung müsste zu einer erheblichen unbilligen Härte führen, die in Abwägung der persönlichen mit den öffentlichen Belangen nicht zumutbar ist. Die von der Beklagten im Bescheid vom 19. August 2016 getroffene Entscheidung erweist sich – auch unter Berücksichtigung der zuletzt vorliegenden Verkehrszahlen – als rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung von der ihm rechtmäßig auferlegten Verpflichtungen.
Nach § 4 Abs. 1 der Reinigungs- und Sicherungsverordnung der Beklagten i.V.m. der dort genannten Anlage hat der Kläger die Fläche zwischen seinem Grundstück und der Fahrbahn zu reinigen (§ 6 Abs. 1 lit. a der Verordnung), da der T… Berg zur Gruppe A der zu reinigenden Straßen im Gemeindegebiet gehört.
Nach §§ 9 ff., insbesondere § 10 der Verordnung ist die Sicherungs- bzw. Reinigungsfläche (§ 11 i.V.m. § 6 Abs. 2 der Verordnung) in einem sicheren Zustand zu erhalten und insbesondere an Werktagen ab 7 Uhr und an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen ab 8 Uhr von Schnee zu räumen und bei Schnee-, Reif- oder Eisglätte zu streuen.
aa. Nach den Ausführungen im Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. April 2007 (Az. 8 B 05.3195) kann eine gemeindliche Reinigungs- und winterliche Sicherungspflicht dann wieder aufleben, wenn die Abwälzung auf den Anlieger nachhaltig fehlschlägt. Als Beispiel hierfür nennt der BayVGH, wenn ein Anlieger – etwa wegen Alters oder Krankheit – über einen längeren Zeitraum seinen Pflichten nicht nachkommt oder nicht nachkommen kann. Die Gemeinde könne in solchen Fällen – je nach Bedeutung der Reinigungspflichten und der betroffenen Örtlichkeit – gehalten sein, diese selbst zu erfüllen und die ihr entstandenen Kosten gegenüber dem Anlieger durch öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch geltend zu machen (Art. 51 Abs. 3 BayStrWG analog). Andererseits führt das VG Freiburg in seinem Urteil vom 20. Dezember 1977 hierzu aus, dass die Erfüllung der Räum- und Streupflicht in dem durch eine Verordnung vorgesehenen Umfang für einen Verpflichteten wegen seines schlechten Gesundheitszustands keine unverhältnismäßige Belastung darstellt und daher nicht unzumutbar ist, weil es in aller Regel möglich sein wird, bei Zahlung einer angemessenen Vergütung eine andere Person oder ein Unternehmen mit der Durchführung der erforderlichen Tätigkeit zu beauftragen (vgl. hierzu die Ausführungen bei Schmid in Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Kommentar, 28. EL, Januar 2018, Rn. 111 zu Art. 51).
Die Beklagte ist in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass trotz der vom Kläger vorgebrachten Argumente im Hinblick auf seine gesundheitliche Lage, aber auch unter Einbeziehung der verkehrlichen Situation am T… Berg dem Kläger die Erfüllung der Reinigungs- und Sicherungspflicht zuzumuten ist.
Die vom Kläger unter Vorlage eines ärztlichen Attests vorgetragene gesundheitliche Beeinträchtigung ist nicht geeignet, die durch die Verordnung auferlegten Pflichten entfallen zu lassen. Der Kläger ist nach dem Attest nur sehr gering körperlich belastbar, wobei eine Konkretisierung, wie dies zu verstehen sei, nicht erfolgt ist. Weiter ist er danach gehalten, sämtliche Arbeiten, die eine innerliche oder größere äußere Verletzung verursachen könnten, zu unterlassen. Es ist nicht ersichtlich, dass gerade das Reinigen und Räumen des Gehwegs beim Kläger zu innerlichen oder äußerlichen Verletzungen führen könnte. Soweit der Kläger auf einen im Jahr 2015 erlittenen Unfall verweist, bei dem ihm eine von einem vorbeifahrenden Lkw herabfallende Eisplatte getroffen hat, ist diese Gefahr nicht der Beklagten zurechenbar. Auslöser war der Lkw-Fahrer, der seiner Sicherungspflicht nicht nachkam. Ohne diesen Vorfall verharmlosen zu wollen, kann Gleiches jedem passieren, der auf dem Gehweg unterwegs ist. Zwar darf sich der Kläger wohl aufgrund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht über Gebühr anstrengenden Tätigkeiten aussetzen; dass aber gerade das Beseitigen des auf dem Gehsteig befindlichen Schnees eine derart über die körperliche Belastbarkeit hinausgehende Tätigkeit wäre, ist dem ärztlichen Attest nicht zu entnehmen. Die Räum- und Streutätigkeiten im Winter betreffen nur Tage mit Schneefall und bestehen jedenfalls nicht täglich und auch nicht durchgehend von 7 bzw. 8 Uhr bis 20 Uhr. Die Reinigungs- und Sicherungspflicht trifft alle Anwohner am T… Berg (wie im übrigen Gemeindegebiet auch) gleichermaßen, unabhängig von Alter und Gesundheitszustand. Dem Kläger stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, der ihm auferlegten Verpflichtung nachzukommen. So kann er sich z.B. (evtl. zusammen mit weiteren Nachbarn) ein motorisiertes Räumgerät anschaffen, so dass die körperliche Anstrengung entfällt. Er kann sich ggf. der Hilfe Dritter bedienen und z.B. auf die (entgeltliche) Hilfe von Nachbarn zurückgreifen. Schließlich ist er darauf zu verweisen, einen gewerblichen Räumdienst zu beauftragen. Das Gericht verkennt nicht, dass dies wegen der relativ kurzen Ortsdurchfahrt und der Anfahrt einer Firma mit höheren Preisen verbunden sein kann. Wenn die vom Kläger genannten Kosten für die Beauftragung eines gewerblichen Räumdienstes von mindestens 350,00 EUR für ihn allein zu hoch erscheinen – wobei dieser Betrag nur in den Wintermonaten anfällt und ggf. durch Ansparung während des gesamten laufenden Jahres zu erwirtschaften wäre – muss er versuchen, seine Nachbarn für eine gemeinsame Beauftragung zu gewinnen und somit eine Kostenreduzierung zu erreichen.
bb. Soweit der Kläger darauf verweist, dass durch den Räumdienst sowohl der Gehsteig als auch seine Hofeinfahrt mit Schneematsch bedeckt würden und dadurch seine Arbeit zunichte gemacht würde, kann auch dies nicht zu einer Befreiung von der winterlichen Sicherungspflicht führen.
Wie das Staatliche Bauamt in der mündlichen Verhandlung ausführte, sind am besonders schneereichen Tag des 15. Januar 2017 insgesamt drei Räumfahrten durchgeführt worden. An anderen Tagen ist daher von weitaus weniger bis gar keinen Räumfahrten auszugehen. Dies zugrunde gelegt, stellt sich damit die dem Kläger übertragene Verpflichtung als nicht unzumutbar dar. Die durch den Einsatz der Räumfahrzeuge hervorgerufenen Zustände sind zum einen nicht der Beklagten zuzurechnen, zum anderen führt diese Art des Schneeräumens notgedrungen dazu, dass der weggeräumte Schnee an den Rand der Fahrbahn geschoben wird und dort in Schneewällen zu liegen kommt. Dies trifft alle Anlieger von Straßen. Es ist hierbei regelmäßig nicht möglich, auf Eingänge oder Einfahrten zu Grundstücken besondere Rücksicht zu nehmen. Dem mit der Räumung der Fahrbahn Beauftragten (vorliegend Straßenmeisterei bzw. vom Staatlichen Bauamt beauftragtes Unternehmen) ist es wegen des zusätzlichen erheblichen Arbeitsaufwandes nicht zuzumuten, diesen Schnee zu entfernen. Vielmehr müssen diese Arbeiten von den Anliegern selbst geleistet werden, wenn ihnen durch eine Gemeindeverordnung die Pflicht auferlegt ist, bei Schnee und Glatteis die Gehbahnen von Schnee und Eis freizuhalten (vgl. OLG Nürnberg, U.v. 25.11.1992 – 4 U 1855/92 – juris).
cc. Die vom Kläger weiter gerügten Zustände am T… Berg bezüglich der Verkehrs- und Lärmbelastung (zu wenige, insbesondere nächtliche, Geschwindigkeitskontrollen) wurden von der Beklagten in ihre Überlegungen mit einbezogen. Unabhängig davon, dass zum einen die nächtliche Lärmbelastung mit der Reinigungs- und Sicherungspflicht nichts zu tun hat und der Kläger dieser auch tagsüber nur für kurze Zeit ausgesetzt ist (wobei dies nicht verharmlost werden soll und die unbefriedigende Gesamtsituation durchaus gesehen wird), zum anderen die Beklagte auch nur äußerst eingeschränkt auf die verkehrliche Situation am T… Berg Einfluss nehmen kann, trifft diese Erschwernis auf alle Anlieger zu. Zudem konnte der vom Kläger genannte Umfang der Geschwindigkeitsüberschreitungen weder durch die Polizeibehörden noch (jüngst) durch die Messungen des Landkreises …(vgl. Verfahren B 1 K 17.442) bestätigt werden. Eine generelle Herausnahme des T… Bergs aus der Reinigungs- und Sicherungsverpflichtung war, wie ausgeführt, nicht geboten. Soweit der Kläger auf Schäden durch Tausalz an Pflanzen in seinem Garten hinweist, kann dies der Beklagten nicht angelastet werden.
Damit ist die Entscheidung der Beklagten, den Kläger nicht von der ihm kraft der gemeindlichen Reinigungs- und Sicherungsverordnung obliegenden Verpflichtung zum Reinigen bzw. Räumen und Streuen des Gehsteigs vor seinem Grundstück zu befreien, nicht zu beanstanden.
2. Die Klage ist mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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