Baurecht

Anspruch auf Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Bescheinigung (steuerrechtlicher Grundlagenbescheid)

Aktenzeichen  M 9 K 15.4701

Datum:
25.1.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
EStG EStG § 7i Abs. 1, Abs. 2
DSchG Art. 25

 

Leitsatz

1. Eine Abstimmung im Sinne von § 7i Abs. 1 S. 6 EStG liegt jedenfalls dann vor, wenn die Maßnahmen rechtzeitig vor ihrem Beginn mit der zuständigen Behörde erörtert worden sind und diese Gelegenheit erhalten hat, den bisherigen Zustand des Baudenkmals festzustellen und auf die Ausführung der Maßnahme Einfluss zu nehmen. (Rn. 21 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es entspricht den aktuellen Anforderungen an ein Gebäude mit zwei Wohneinheiten, wenn sowohl der Keller als auch die zweite Wohnung im Obergeschoss unabhängig voneinander über eine (eingehauste) Außentreppe und nicht nur über eine innenliegende Treppe aus der ersten Wohnung erreichbar sind. (Rn. 32 – 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege vom … September 2016 verpflichtet, dem Kläger eine Bescheinigung gemäß §§ 7i, 11b und 10f bzw. 10g EStG für den Bau der neuen Außentreppe in Höhe von 144.560,10 EUR zu erteilen.
II.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage hat Erfolg.
Der zuletzt für den Kläger gestellte Antrag beinhaltet keine konkludente teilweise Klagerücknahme. Der zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht vertretene Kläger hat zwar in der Klageschrift keinen Betrag beziffert, in Höhe dessen der Beklagte zur Ausstellung der Grundlagenbescheinigung verpflichtet werden soll. Aus dem Schreiben geht jedoch ausreichend deutlich hervor, dass der Kläger eine Verpflichtung nicht in Höhe des ursprünglich im Verwaltungsverfahren geltend gemachten Betrags, sondern lediglich bezogen auf die Kosten des Anbaus der Außentreppe beschränkt beantragen will. Demzufolge ist hinsichtlich der eingeklagten Höhe der Grundlagenbescheinigung der zuletzt vom Klägerbevollmächtigten beantragte Betrag maßgeblich.
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung des beantragten steuerrechtlichen Grundlagenbescheides (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, § 7i Abs. 1 und 2 EStG).
Gemäß § 7i Abs. 2 EStG kann der Denkmalinhaber erhöhte Absetzungen nach § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG in Anspruch nehmen, wenn er durch eine Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen Behörde – hier gemäß Art. 25 des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler (Denkmalschutzgesetz – DSchG) des Landesamtes für Denkmalpflege – nachweist, dass die für die Baumaßnahmen angefallenen Herstellungskosten nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind. Zudem müssen gemäß § 7i Abs. 1 Satz 6 EStG die Baumaßnahmen in Abstimmung mit dem Landesamt für Denkmalpflege durchgeführt worden sein. Voraussetzungen für die Erteilung der streitgegenständlichen Bescheinigung sind demnach die Erforderlichkeit der Baumaßnahme nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung sowie die Abstimmung der Baumaßnahmen mit dem Landesamt für Denkmalpflege vor ihrem Beginn.
Die erste Voraussetzung, das Vorliegen der Denkmaleigenschaft, ist gegeben und zwischen den Beteiligten auch nicht umstritten. Im vorliegenden Fall ist darüber hinaus sowohl die Abstimmung im Sinne von § 7i Abs. 1 Satz 6 EStG erfolgt (1.) als auch die Baumaßnahme des Anbaus der neuen Außentreppe in dem Umfang, in dem nur noch die Anerkennungsfähigkeit geltend gemacht wird, erforderlich (2.).
1. Eine Abstimmung im Sinne von § 7i Abs. 1 Satz 6 EStG liegt vor, wenn die durchgeführten Baumaßnahmen einverständlich mit der in § 7i Abs. 2 EStG bezeichneten Stelle und bei Bedarf detailliert hinsichtlich Art, Umfang und fachgerechter Ausführung festgelegt waren (vgl. BFH, U.v. 24.6.2009 – XR 8/08 – juris Rn. 22). Die Abstimmung muss auf die konkrete Baumaßnahme bezogen stattfinden; eine generelle Absprache über künftig auszuführende Reparaturarbeiten genügt nicht (BayVGH, B.v. 3.12.2008 – 15 ZB 08.727 – juris Rn. 9).
Die vorherige Abstimmung dient – neben der Sicherung der denkmalgerechten Ausführung der Arbeiten – in erster Linie der Feststellung der Tatsachen, insbesondere des Zustandes des Bauwerks, an dem die Maßnahmen vorgenommen werden sollen, die notwendig sind, um so die Erforderlichkeit der geplanten Maßnahmen im Einzelnen beurteilen zu können.
Im Übrigen ist die Art und Weise, in der die Abstimmung im Einzelnen zu erfolgen hat, nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Eine Abstimmung liegt jedenfalls dann vor, wenn die Maßnahmen rechtzeitig vor ihrem Beginn mit der Behörde erörtert worden sind und diese die Gelegenheit erhalten hat, den bisherigen Zustand des Baudenkmals festzustellen und auf die Ausführung der Maßnahme – entweder durch Auflagen in der Baugenehmigung oder der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis oder durch Ratschläge – Einfluss zu nehmen (vgl. VG München, U.v. 8.10.2012 – M 8 K 11.1478 – juris Rn. 40 m.w.N.).
Nichts anderes ergibt sich aus der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. September 2016 (15 B 15.1377), auf welche der Vertreter des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, in der jedoch wegen des bereits erledigten Rechtsstreits zur Beantwortung der konkreten Frage, ob in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall eine ausreichende Abstimmung vorgenommen worden ist oder nicht, nichts gesagt wird.
Gemessen an den dargestellten Vorgaben liegt eine bezüglich des Neubaus der Außentreppe erfolgte vorherige Abstimmung vor. Auszugehen ist zunächst von dem Umstand, dass der in der mündlichen Verhandlung anwesende, damals zuständige Gebietsreferent des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege auf entsprechende Nachfrage des Gerichts ausdrücklich bestätigt hat, dass dem Beklagten die Treppe – so wie sie gebaut worden sei – bekannt gewesen ist. Das allein genügt natürlich noch nicht für eine erfolgte Abstimmung im Sinne von § 7i Abs. 1 Satz 6 EStG; es zeigt jedoch jedenfalls, dass eine Befassung des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege mit der Baumaßnahme vor deren Errichtung gegeben ist bzw. war. Aus dem Wortlaut der Regelung in § 7i Abs. 1 Satz 6 EStG folgt jedoch, dass nicht nur eine bloße Inkenntnissetzung oder entsprechende Mitteilung genügt; vielmehr geht der Wortlaut der Vorschrift „Abstimmung“ hierüber hinaus. Wenn auch dieser Begriff dem Wortsinn nach gerade nicht Zustimmung, insbesondere nicht im Sinne eines rein einseitigen „Absegnens“ durch die Fachbehörde, bedeutet, so ist es doch notwendig, dass die Denkmalschutzbehörde Gelegenheit hat, die Maßnahme vor deren Beginn zu erörtern und sie diese Maßnahme denkmalfachlich jedenfalls auch nicht ablehnt oder ähnliches.
Auch diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben, da der Abriss der bisherigen überdachten Treppe und der Bau der neuen Gegenstand des Genehmigungsverfahrens und der Behördenbeteiligung waren.
Deshalb braucht die bisher in der Rechtsprechung – jedenfalls des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. hierzu Eberl/Martin/Spennemann, Bayer. DSchG, 7. Auflage 2015, Art. 25 Rn. 18 a.E. mit Verweis auf VG München, U.v. 30.11.2010 – M 1 K 10.3887 und VG Augsburg, U.v. 1.3.2012 – Au 5 K 10.597, beide juris) – nicht umfassend geklärte Frage, inwieweit es genügt, dass die Belange des Denkmalschutzes bei der Erteilung der jeweiligen Baugenehmigung oder ansonsten, wenn eine Baugenehmigung nicht erforderlich ist, bei der Erteilung einer denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis, hinreichend eingebunden sind, ohne dass das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege ausdrücklich bestätigt hat, dass eine bestimmte Maßnahme zur Erhaltung des Gebäudes erforderlich war, nicht entschieden zu werden.
Ebenfalls kann offenbleiben, inwieweit sich das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege die Tätigkeit der jeweiligen Unteren Denkmalschutzbehörde zurechen lassen muss auf der Grundlage, dass das Landesamt für Denkmalpflege bei den Genehmigungsverfahren der Unteren Denkmalschutzbehörde regelmäßig eingebunden ist.
Denn im vorliegenden Fall steht fest, dass das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege in die denkmalfachliche Beurteilung des konkreten Falles eingebunden war. Das folgt aus dem auf Bl. 120 der vom Beklagten vorgelegten Behördenakte angebrachten Randvermerk, demzufolge das konkrete Bauvorhaben der Außentreppe mit dem in der mündlichen Verhandlung für den Beklagten auftretenden, damals zuständigen Gebietsreferenten abgestimmt gewesen ist. Die vom Gericht vom Gebietsreferenten erbetene Erklärung zu diesem Vermerk in der mündlichen Verhandlung (vgl. Sitzungsprotokoll S. 3, 2. Abs. von unten) vermag an dieser Betrachtung nichts zu ändern. Vielmehr hat der damals zuständige Gebietsreferent ausdrücklich ausgeführt, es sei in der entsprechenden Auseinandersetzung mit der Baugenehmigungsbehörde um die Genehmigung, den Denkmalschutz und den Umstand der denkmalschutzfachlichen Beurteilung, die mit dem Abstimmungserfordernis in § 7i Abs. 1 Satz 6 EStG verfolgt werden, gegangen. Der Zusatz des Gebietsreferenten, dass er nicht gefragt worden sei, ob es sich hier um eine steuerrechtliche Abstimmung gehandelt habe, ändert nichts. Denn bei der von § 7i Abs. 1 Satz 6 EStG geforderten Abstimmung geht es gerade um die Beurteilung der denkmalfachlichen Wertigkeit bzw. Sinnhaftigkeit der Baumaßnahme, und gerade nicht um die nachträgliche Beurteilung im Hinblick auf den steuerrechtlichen Grundlagenbescheid. Das heißt umgekehrt, der steuerrechtliche Grundlagenbescheid ist hinsichtlich seiner Voraussetzungen neben der denkmalfachlichen Erforderlichkeit davon abhängig, dass eine Abstimmung erfolgt ist, die sich vor dem Erlass des Grundlagenbescheides mit der Maßnahme denkmalfachlich auseinandersetzt. Genau das ist hier nach der Einlassung des früheren Gebietsreferenten geschehen.
2. Die Baumaßnahme der Außentreppe war auch erforderlich im Sinne von § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG.
Das ist dann der Fall, wenn es sich um eine Baumaßnahme handelt, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich ist.
Hier ist die zweite Variante von § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG – „zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich“ – gegeben.
Zunächst ist festzuhalten, dass die Ausführungen des ehemaligen Gebietsreferenten und Vertreters des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege in der mündlichen Verhandlung jedenfalls ergeben haben, dass denkmalfachliche Gründe dem Anbau der neuen Außentreppe nicht entgegenstehen (vgl. Sitzungsprotokoll, S. 3 unten sowie S. 4 zweiter Absatz von oben). Darüber hinaus ist die (eingehauste) Außentreppe auch erforderlich im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Variante 2 EStG. Ausgehend von dem Umstand, dass nicht erst seit dem streitgegenständlichen Umbau, sondern schon seit Längerem zwei abgeschlossene Wohneinheiten im Erd- und im Obergeschoss vorhanden sind, ist eine separate Erreichbarkeit beider Geschosse jeweils für sich und auch bezogen auf den Keller erforderlich. Diese zur sinnvollen Nutzung somit erforderliche Gestaltung erfüllt daher die Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 Satz 1 EStG. Anders wäre es zu beurteilen, wenn der ursprüngliche Zustand mit der Kombination Spindeltreppe innen und Außentreppe außen ausgereicht hätte.
Dass das jedoch nicht der Fall gewesen ist, zeigen die für das streitgegenständliche Gebäude bereits früher erteilten Genehmigungen – insbesondere die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis vom 16. September 2005, im Zuge derer auch die Entfernung bzw. der Austausch der Innentreppe genehmigt worden war. Außerdem entspricht es den aktuellen Anforderungen an ein Gebäude mit zwei Wohneinheiten, wenn sowohl der Keller als auch die zweite Wohnung im Obergeschoss unabhängig voneinander über eine (eingehauste) Außentreppe und nicht nur über eine innenliegende (Spindel-) Treppe aus der ersten Wohnung erreichbar sind.
Die für § 7i Abs. 1 Satz 1 Var. 2 EStG zusätzliche Voraussetzung gemäß § 7i Abs. 1 Satz 2 EStG, dass eine sinnvolle Nutzung nur anzunehmen ist, wenn das Gebäude in der Weise genutzt wird, dass die Erhaltung der schützenswerten Substanz des Gebäudes auf die Dauer gewährleistet ist, ist ebenfalls zu bejahen. Der Kläger hat durch die mehrmaligen, zum Teil sehr aufwändigen Umbauten und Sanierungen des denkmalgeschützten Gebäudes hinreichend belegt, dass er gewillt ist, das Gebäude weiter zu eigenen Wohnzwecken und so zu nutzen, dass die Erhaltung gewährleistet ist.
Da somit die Erforderlichkeit gemäß § 7i Abs. 1 Satz 1 Var. 2 EStG gegeben ist, kommt es nicht darauf an, dass § 7i Abs. 1 Satz 1 Var. 1 EStG zumindest deswegen nicht bejaht werden kann, weil hierfür nicht ausreichend Erkenntnisse vorliegen. Unabhängig davon spricht sowohl in Bezug auf den Akteninhalt als auch in Bezug auf die in der mündlichen Verhandlung erörterten Umstände alles dafür, dass das Gebäude des Klägers im Hinblick auf die Beurteilung als Denkmal durch den Neubau der Außentreppe im Vergleich zur bisher vorhandenen sicher nicht gelitten hat.
Nach alledem ist der Klage stattzugeben.
Die auf die Außentreppe entfallenden Kostenanteile – wie sie der Höhe nach aus dem zuletzt für den Kläger gestellten Antrag hervorgehen – entsprechen den geltend gemachten Arbeiten und sind vom Beklagten auch nicht bestritten worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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