Baurecht

Anspruch auf Genehmigung der Entfernung von zwei Thujen und einer Tanne

Aktenzeichen  M 19 K 19.1124

Datum:
24.9.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 47007
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BaumschutzV § 1 Abs. 5, § 3 Abs. 1, § 5

 

Leitsatz

1. Es existiert kein allgemein gültiger Erfahrungssatz, dass rund 40 Jahre alte Bäume, die in der Nähe eines Kanals und von Versorgungsleitungen wachsen, in diese typischerweise eindringen oder zu Beschädigungen führen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die kleinflächige Anhebung von Zufahrtspflasterung und geringfügige Rissbildung in der Grenzmauer stellen keine unzumutbare Beeinträchtigung dar, die einen Anspruch auf die Erlaubnis zur Baumbeseitigung begründet. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Liegen die Voraussetzungen für eine Baumfällung nicht vor, kommt es auf die Möglichkeit einer Ersatzpflanzung nicht an. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 6. Februar 2019, mit dem der Antrag auf Genehmigung der Fällung der streitgegenständlichen Bäume abgelehnt wurde, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Dieser hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung zur Entfernung der drei Bäume.
1. Das Grundstück des Klägers liegt innerhalb des in § 1 Abs. 5 BaumschutzV umschriebenen räumlichen Geltungsbereichs der Verordnung. Nach § 1 Abs. 1 BaumschutzV sind alle Gehölze (Bäume und Sträucher), die einen Stammumfang von 80 cm und mehr in 100 cm Höhe über dem Erdboden haben, unter Schutz gestellt. Es ist verboten, lebende Gehölze, die hiernach geschützt sind, ohne Genehmigung der Beklagten zu entfernen, zu zerstören oder zu verändern (§ 3 Abs. 1 BaumschutzV).
2. Die Voraussetzungen, bei deren Vorliegen ein Entfernen, ein Zerstören oder ein Verändern geschützter Gehölze auf Antrag genehmigt werden kann, sind in § 5 BaumschutzV normiert. Keiner der dort genannten Genehmigungstatbestände ist erfüllt.
a) Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BaumschutzV liegen nicht vor. Durch die streitgegenständlichen Bäume wird weder der Bestand oder die Nutzbarkeit des klägerischen Grundstücks noch des darauf errichteten Doppelhauses (einschließlich der Grenzmauer) oder der Zufahrt unzumutbar beeinträchtigt. Eine unzumutbare Beeinträchtigung liegt regelmäßig nur vor, wenn die mit dem geschützten Baum verbundenen Auswirkungen nach Art und Intensität den Bestand oder die Nutzbarkeit des Grundstücks oder des vorhandenen Gebäudes erheblich beeinträchtigen. Die Beeinträchtigungen müssen deutlich über das Maß bloßer Belästigungen hinausgehen. Die von dem Kläger vorgetragenen Beeinträchtigungen rechtfertigen eine Entfernung der Bäume nicht.
aa) Hinsichtlich der vorgetragenen oder jedenfalls künftig befürchteten Beschädigung des Kanals und von Versorgungsleitungen fehlt es bereits an einem ansatzweise substantiierten Vortrag. Belege – etwa im Rahmen von sog. Kamerafahrten angefertigte Aufnahmen aus dem Inneren des Kanals – wurden trotz Aufforderung durch die Beklagte nicht vorgelegt. Es ist indes grundsätzlich Aufgabe und Verantwortung des Eigentümers, anspruchsbegründende unzumutbare Beeinträchtigungen zumindest zu substantiieren. Auch existiert kein allgemein gültiger Erfahrungssatz, dass rund 40 Jahre alte Bäume, die in der Nähe eines Kanals und von Versorgungsleitungen wachsen, in diese typischerweise eindringen oder zu Beschädigungen führen, so dass möglicherweise insoweit eine konkrete Substantiierung durch den Kläger entbehrlich wäre. Angesichts der Unbestimmtheit seiner Behauptung und der Tatsache, dass er bisher keine Maßnahmen ergriffen hat, um die Schadensursache festzustellen, besteht für das Gericht auch kein Anlass zu einer weiteren Sachaufklärung (vgl. OVG Schleswig-Holstein, U.v. 17.6.1993 – 1 L 282/91 – juris Rn. 44). Es kann daher offen bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Verwurzelung des Kanals eine Beseitigung der Bäume rechtfertigen kann und in welchem Umfang vorrangige Sanierungsmaßnahmen – etwa durch Ausfräsen der Wurzeln – dem Kläger als Eigentümer vorrangig zuzumuten sind (vgl. BayVGH, B.v. 9.11.2012 – 14 ZB 11.1597 – juris Rn. 22).
Entsprechendes gilt für die vorgetragene Befürchtung der künftigen Beeinträchtigung der Kellermauer.
bb) Die Anhebung der Zufahrtspflasterung und die Rissbildung in der Grenzmauer stellen ebenfalls keine unzumutbare Beeinträchtigung des Gebäudebestands dar. Neben der Einwirkung durch Witterungseinflüsse und natürliche Bodenveränderungen ist es zwar naheliegend, dass das Wurzelwachstum der angrenzenden Bäume insoweit einen Ursachenbeitrag leistet. Doch begründet dies keinen Anspruch des Klägers auf die Erlaubnis zur Baumbeseitigung. Weder ist gegenwärtig die Stabilität der Mauer noch die Nutzbarkeit der Zufahrt beeinträchtigt. Die Risse sind geringfügig und können jedenfalls bis auf weiteres verputzt und damit sowohl die ästhetische als auch die materiale Beeinträchtigung beseitigt werden. Die Zufahrt kann in den betroffenen kleinflächigen Abschnitten nach einer – wurzelschonenden – Bodenbearbeitung ohne größeren Aufwand neu gepflastert und somit in einen wunschgemäßen Zustand versetzt werden. Ein von Umgebungseinwirkungen isolierter Anspruch auf optimal Zufahrt zum eigenen Grundstück und zum Erhalt einer entsprechenden Pflasterung besteht nicht.
cc) Die Verformung des Lichtschachtgitters ist ebenfalls keine unzumutbare Beeinträchtigung. Zunächst ist bereits zweifelhaft, ob diese auf die Wurzelbildung der Bäume zurückzuführen ist; zumal zu diesen eine Entfernung von rund drei Metern besteht und der Lichtschacht selbst keine nennenswerten Einwirkungen durch Wurzeln aufweist. Die festgestellte Kuhle dürfte eher auf eine Krafteinwirkung von oben zurückzuführen sein. Selbst wenn eine Wurzelbildung für den Schaden verantwortlich sein sollte, ist es dem Eigentümer zuzumuten, die Wurzeln unmittelbar vor dem Kellerschacht baumschonend zu entfernen und das Gitter durch geeignete Maßnahmen wieder in den wunschgemäßen Zustand zu versetzen.
2. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 BaumschutzV liegen ebenfalls nicht vor. Hiernach muss die Genehmigung erteilt werden, wenn die geschützten Gehölze krank sind und ihre Erhaltung nicht im öffentlichen Interesse geboten oder nicht möglich ist. Nach den Feststellungen der Beklagten, die sich im Augenscheinstermin bestätigt haben, sind die streitgegenständlichen Bäume gesund und weisen einen vitalen Versorgungszustand auf.
3. Die vom Kläger vorgetragenen Beeinträchtigungen stellen auch bei einer Gesamtbetrachtung und -würdigung keine Belastung dar, die sich zu einer nicht beabsichtigten Härte im Sinne des § 5 Abs. 3 BaumschutzV i.V.m. § 67 BNatSchG verdichten würde. Die Gewährung einer Befreiung kommt nur in vom Normgeber nicht bedachten atypischen Fallkonstellation aufgrund einer Einzelfallprüfung in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 8.12.2014 – 14 ZB 12.1943 – juris Rn. 10; B.v. 9.11.2012 – 14 ZB 11.1597 – juris Rn. 16). Der nahe Standort von ein Wohnhaus erheblich überragenden Bäumen mag vom Kläger als für den Keller, die Zufahrt und den Kanal sowie die Versorgungsleitungen riskant empfunden werden, ist aber normativ als unweigerliche Folge von verordnungsmäßigem Baumschutz, gerade in Städten mit einem engen Kanal- und Versorgungsleitungsnetz, zumutbar. Die Betroffenheit des Klägers entspricht dem Durchschnittsfall. Die Gesamtbelastung überschreitet nicht die Schwelle zur unbeabsichtigten Härte. Die feststellbaren Einwirkungen auf die Grenzmauer und die Zufahrt sind von untergeordneter Bedeutung, beeinträchtigen die Nutzung nicht und können überdies durch nicht unzumutbare Reparaturarbeiten beseitigt oder zumindest abgemildert werden.
Da die Voraussetzungen für eine Baumfällung nicht vorliegen, kommt es auf die vom Kläger vorgebrachten Möglichkeiten einer Ersatzpflanzung nicht an.
4. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, entspricht der Billigkeit; sie hat lediglich an der mündlichen Verhandlung teilgenommen, aber keinen Sachantrag gestellt und sich mithin keinem Kostenrisiko ausgesetzt (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben