Baurecht

Anspruch auf Reduzierung der Vermessungskosten

Aktenzeichen  M 23 K 17.3572

Datum:
28.2.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 24947
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GebOVerm § 6 Abs. 1
KG Art. 12 Abs. 2, Art. 21 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Bei der Gebührenfestsetzung nach § 6 Abs. 1 GebOVerm sind vorrangig die individuellen Kosten der Bauausführung im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung heranzuziehen, lediglich „hilfsweise“ die gewöhnlichen Herstellungskosten. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Dabei darf grds. auf die von der Baugenehmigungsbehörde mitgeteilten Baukosten abgestellt werden, ohne dass diese in jedem Einzelfall vollständig sachlich und rechnerisch überprüft werden müssten. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Beklagte wird verpflichtet, über eine Reduzierung der Kostenrechnung vom 7. Juli 2017 in Höhe von 391,68 Euro unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Gründe

Die zulässige Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Beklagte war zu verpflichten, über die Reduzierung der Vermessungskosten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
§ 6 Abs. 1 GebOVerm bestimmt, dass den Gebühren für die Vermessung und katastertechnische Behandlung von Gebäudeveränderungen die Baukosten der Gebäudeveränderung gemäß Nr. 2.I.1/ 2.1 der Anlage zum Kostenverzeichnis, hilfsweise die gewöhnlichen Herstellungskosten, zugrunde gelegt werden. Gemäß Nr. 2.I.1/ 2.1. der Anlage zum Kostenverzeichnis sind Baukosten Kosten (inkl. Umsatzsteuer), die am Ort der Bauausführung im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung zur Vollendung des zu genehmigenden Vorhabens erforderlich sind. Einsparungen wegen Eigenleistungen (Material und Arbeit) bleiben hiernach unberücksichtigt.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte in seiner Normenkontrollentscheidung vom 12. April 2000 (19 N 98.3739 – juris Rn. 52 f.) insofern (teilweise zur damaligen Rechtslage) ausgeführt:
„(…) Des Weiteren rügt die Antragstellerin, dass der in (…) § 6 Abs. 1 GebOVerm benutzte Begriff der „Baukosten“ für die Wertbestimmung nicht hinreichend bestimmt und die Verordnung deshalb insoweit nichtig sei. Der Antragstellerin ist zwar zuzugestehen, dass dieser Begriff an sich wenig bestimmt ist und innerhalb der GebOVerm nicht definiert wird. Bei der Verordnung über die Benutzungsgebühren der staatlichen Vermessungsämter handelt es sich jedoch um eine kostenrechtliche Regelung, die auf der Ermächtigung im Kostengesetz beruht und auf die die Bestimmungen des Kostenrechts anzuwenden sind. Eine entsprechende Definition des Begriffs „Baukosten“ ist in der kostenrechtlichen Verordnung über den Erlass des Kostenverzeichnisses zum Kostengesetz (KVz) vom 18. Juli 1995 (GVBl S. 454) enthalten. Bei Tarifstelle 2.1.1/2 heißt es: „Soweit die Gebühren nach den Baukosten berechnet werden, ist von den Kosten auszugehen, die am Ort der Bauausführung im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung zur Vollendung des zu genehmigenden Vorhabens erforderlich sind. Einsparungen durch Eigenleistungen (Material und Arbeitsleistungen) sind dabei nicht zu berücksichtigen. Der Betrag wird auf volle Tausend DM aufgerundet.“ Damit ist der in der GebOVerm verwendete Begriff der „Baukosten“ ohne weiteres bestimmbar. Im Vermessungswesen existiert zudem eine Konkretisierung in Form der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 22. Januar 1996 zum Vollzug kosten- und kassenrechtlicher Vorschriften für die staatlichen Vermessungsämter (KVermBek). Dort ist in „Ziff. 12. Gebäudeveränderungen (§ 3 GebOVerm), 12.1 Baukosten“ geregelt, dass „bei den Baukosten grundsätzlich von den Kosten auszugehen ist, die am Ort der Bauausführung im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung zur Vollendung des genehmigten Vorhabens erforderlich sind. … Einsparungen durch Eigenleistungen (Material und Arbeitsleistungen) sind dabei nicht zu berücksichtigen. Nach Möglichkeiten sind die den Baugenehmigungsbehörden vorliegenden Baukosten oder geeignete Nachweise der Gebäudeeigentümer heranzuziehen; im Übrigen genügen einfache Schätzungen, z.B. anhand geeigneter Vergleichsfälle oder auf der Grundlage des umbauten Raumes“. Diese innerbehördliche Bekanntmachung wäre zwar grundsätzlich nicht geeignet, eine eventuell fehlende Bestimmtheit der angefochtenen Verordnung zu ersetzen; sie stellt jedoch sicher, dass die einschlägige Begriffsbestimmung im Kostenverzeichnis bei den Vermessungsbehörden Beachtung findet. Die „Baukosten“ im Sinne der GebOVerm umfassen somit die gesamten tatsächlichen Kosten der Baumaßnahmen (…).“
Da der streitgegenständliche Bescheid für die Kläger einen belastenden Verwaltungsakt darstellt, bedarf er einer eindeutigen gesetzlichen Eingriffsermächtigung. Indem der erste Halbsatz des § 6 Abs. 1 durch einen zweiten Halbsatz ergänzt wird, ergibt sich hieraus eine vom Verordnungsgeber (auf Grundlage des Art. 21 Abs. 1 Satz 1 KG) eindeutig bezeichnete Relation. Vorrangig sind demzufolge die individuellen Kosten der Bauausführung im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung heranzuziehen, lediglich „hilfsweise“ die gewöhnlichen Herstellungskosten. Die Regelung ist nach keiner der gängigen Auslegungsmethoden dahingehend auslegungsfähig, dass sich diese Rangordnung regelmäßig umkehrt und damit die gewöhnlichen Herstellungskosten den individuell erforderlichen Baukosten vorgehen (so wohl aber VG Ansbach, U. v. 18.7.2007 – AN 9 K 06. 3136, juris Rn. 17 ff.). Der Verordnungsgeber wäre andernfalls gehalten, eine Präzisierung vorzunehmen.
Aufgrund der Vielzahl von Verfahren im Bereich der Vermessungsverwaltung ist es zwar grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte hinsichtlich der Gebührenberechnung auf die von der Baugenehmigungsbehörde mitgeteilten Baukosten abstellt. Insbesondere hat der Beklagte nicht in jedem Einzelfall die von der Baugenehmigungsbehörde mitgeteilten Baukosten nochmal vollständig sachlich und rechnerisch zu überprüfen, wenn er selbst keinerlei Anhaltspunkte dafür hat, dass die mitgeteilte Baukostensumme von vornherein falsch bzw. auch nur bestritten ist (vgl. VG München, U.v. 27. Juli 2016 – M 23 K 15.4350 – juris). Allerdings besteht für den vorliegenden Fall die Besonderheit, dass in der Baubeschreibung keine individuellen Baukosten für das Reihenhaus der Kläger angegeben worden sind, sondern sich der angegebene Betrag vielmehr auf den Dreispänner insgesamt bezogen hat. Die vom Beklagten vorgenommene pauschale Drittelung dieser Gesamtbaukosten zur Errechnung der Baukosten des Vorhabens der Kläger ist jedenfalls dann nicht sachgerecht, wenn – so wie hier durch Vorlage eines notariellen Werkvertrags, der vor Erteilung der Baugenehmigung geschlossen wurde – belegt wird, dass die tatsächlichen Baukosten für das Bauvorhaben der Kläger deutlich niedriger waren als die vom Beklagten vorgenommene Quotelung der Gesamtbaukosten. Im Übrigen erscheint es auch zweifelhaft, ob und inwieweit die Angaben zu den Baukosten im Bauantrag vom … Januar 2015 überhaupt den Klägern zugerechnet werden können, da sie zu diesem Zeitpunkt selbst nicht als Bauherr aufgetreten sind und sie sowohl den Grundstückskaufvertrag als auch den Werkvertrag erst nach Einreichung des Bauantrags, der als Bauherr die „… … … … Co. KG“ ausweist, geschlossen haben.
Der Beklagte war daher zu verpflichten, über eine Reduzierung der Baukosten im tenorierten Umfang zu entscheiden. Allerdings erscheint es auch im Rahmen der dem Beklagten obliegenden Amtsermittlung (Art. 24 Abs. 1 BayVwVfG) sachgerecht – wie im Übrigen für die Kläger im Ergebnis auch ohne ersichtliche Rechtsnachteile -, den Beklagten „lediglich“ zu verpflichten, eine Korrektur der Kostenentscheidung zugunsten des Klägers vorzunehmen, wie dies etwa auch Art. 12 Abs. 2 KG vorsieht.
Das Gericht erkennt und akzeptiert damit die volle Verantwortlichkeit der Vermessensverwaltung für die Richtigkeit der von außen mitgeteilten Baukosten im Regelfall jedenfalls ab dem Zeitpunkt des Bekanntwerdens von substantiierten Zweifeln hieran (vgl. auch VG München, B. v. 6.8.2014 – M 23 K 14.2525 – juris; U. v. 27.7.2016 – M 23 K 15.4350 – unveröffentlicht).
Dem Beklagten steht in Bezug auf die Vorgehensweise ein Auswahlermessen zu. In Betracht kommen etwa eine Teilaufhebung des Bescheides oder aber eine vollständige Aufhebung bei gleichzeitigem Erlass eines Kostenbescheides im reduzierten Maße oder aber eine Entscheidung im Rahmen des Art. 12 Abs. 2 KG (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO).
Der im Tenor genannte Betrag ergibt sich aus der Differenz der zu berechnenden Kosten bei Ansatz eines Brutto-Baukostenrahmens zwischen 125.000 und 300.000 Euro.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen


Nach oben