Baurecht

Antrag auf vorläufige Regelung, Überschwemmung von Grundstücken bei Starkregenereignissen, Kein Anspruch auf Gewässerunterhalt, Öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch / Unterlassungsanspruch

Aktenzeichen  RN 8 E 21.01319

Datum:
16.9.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 42116
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
II. Der Sachantrag wird abgelehnt.
III. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
IV. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin vorläufige Unterhaltungs- bzw. Sanierungsmaßnahmen an einem Bach.
Die Antragstellerin bewohnt das Anwesen F. in … H. Das Grundstück Fl.Nr. 13.. der Gemarkung H. dehnt sich im Anschluss an die Hofstelle in südlicher Richtung bis zum S. (Fl.Nr. 12.. der Gemarkung H.) aus, für den unstreitig die Antragsgegnerin unterhaltungspflichtig ist.
Mit E-Mail vom 24. Juni 2021 wandte sich die Antragstellerin an die Antragsgegnerin und forderte diese auf, „endlich mal die Sauerei da unten [herzurichten], dass nicht ununterbrochen meine Grundstücke beschädigt werden durch das Gemeindeabwasser.“ Der Bach gehöre der Antragsgegnerin, also sei diese ihr – der Antragstellerin – auch haftbar. Der E-Mail waren zwölf Lichtbilder zur Situation auf den Grundstücken der Antragstellerin beigefügt. Mit E-Mail ebenfalls vom 24. Juni 2021 äußerte die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin, dass die „Sauerei“ schon längst hätte beseitigt werden können, die Maßnahme aber aus finanziellen Gründen habe verschoben werden müssen, insbesondere da es derzeit einige säumige Bürgerinnen und Bürger gebe, die unter anderem teilweise ihre Wasser- und Kanalgebühren nicht bezahlen würden.
Mit am 6. Juli 2021 eingegangenem Schreiben hat die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht Regensburg Klage (Az. RN 8 K 21.1320) erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Gleichzeitig hat sie um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führt sie aus, dass im Juni 2021 mehrere Unwetter mit Sturzregen in der Gemeinde niedergegangen seien, im Rahmen derer ihre an den S. angrenzenden Grundstücke erheblich beschädigt worden seien. Unter einem ihrer Bachübergänge befinde sich ein gemeindliches Schachtsystem, in welches vor nicht allzu langer Zeit ein Rohr eingelegt worden sei. Dieses sei zu klein dimensioniert und könne deshalb das Abwasservolumen nicht mehr fassen. Das Wasser staue sich deshalb über ihrem Grund, reiße viel Schwemmgut mit sich und beschädige ihre Grundstücke durch Ausschwemmungen und Erosion. Auch die Sträucher längs des Baches würden von der Antragsgegnerin seit Jahren nicht gepflegt. Die letzten Tage sei es so schlimm gewesen, dass die Bachüberfahrt der Antragstellerin völlig zerstört worden sei. Bisher habe sie ab und zu selber geräumt, was sie aber nicht mehr tun werde. Seit sechs Tagen sei nichts getan worden, es sei nicht einmal nachgesehen worden, wie es bei ihr aussehe. Sie habe den Bürgermeister per E-Mail auf den Handlungsbedarf aufmerksam gemacht. Geschehen sei bis heute nichts. Das Unwetter am 29. Juni 2021 habe den Schaden noch erheblich vergrößert. Die (per CD) beigefügten Bilder zeigten, dass die Gemeinde weder wegen der Schäden nachgesehen, noch das gemeindliche Abwasserrohr freigemacht habe. Geröll und Erdreich habe zwischenzeitlich den Bachlauf verflacht, das Wasser ergieße sich über ihre Wiesen und nehme alles mit, was es mitnehmen könne. Auf dem Grundstück seien riesige Baumstücke, Holz und Erdreich angeschwemmt worden. Das gemeindliche Abwasserrohr sei nicht mehr zu sehen. Ihre zweite Überfahrt sei völlig zerstört und nicht mehr befahrbar.
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin zu verurteilen, sofortige provisorische Sanierungen sowie Sicherungsmaßnahmen am Bach zu ergreifen, vor allem an den Überwegen vorzunehmen, damit man beide wieder sicher befahren kann.
Die Antragstellerin beantragt weiter, ihr Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Die Antragsgegnerin tritt dem entgegen ohne einen ausdrücklichen Antrag zu stellen.
Im Klageverfahren (Az. RN 8 K 21.1320) trägt die Antragsgegnerin mit am 22. Juli 2021 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schreiben vor, dass es in der Gemeinde H. seit dem 21. Juni 2021 bis einschließlich 11. Juli 2021 und letztmalig am 16. Juli 2021 sehr starke Regenereignisse gegeben habe. Keller, Garagen und Gewerbebetriebe seien überschwemmt und Bankette der Gemeinde- und Kreisstraßen sowie Flurstraßen der Landwirtschaft zum Teil so beschädigt worden, dass sie an mehreren Stellen nicht mehr befahrbar gewesen seien. In der Tat sei von diesen – als 10-jährliches Regenereignis eingestuften – Unwettern auch das Bachbett des S. beschädigt worden. Der S. liege an der tiefsten Stelle der an den Hang gebauten Ortschaft H. Die im fraglichen Zeitraum anfallenden Wassermassen habe der kleine gemeindliche S. (Gewässer III. Ordnung) nicht mehr aufnehmen können, so dass diese zum Teil zehn Meter und mehr über das Bachbett hinaus übergetreten seien. Nachdem das Wetter sich normalisiert habe, sei das Wasser von den Privatgrundstücken wieder zurückgelaufen. In der gesamten Gemeinde seien weit über 100 Kanalschächte und noch mehr Sinkkästen übergelaufen. Die überlastete Kanalhaltung und damit auch der Kanalschacht, der sich in der Nähe des Grundstücks der Antragstellerin befinde, sei übergelaufen, weil auch die Hauptleitung, die in Richtung Kläranlage führe, die anfallende Schmutzfracht und die Wassermassen nicht mehr habe transportieren können. Gemäß DWA-Regelwerk Arbeitsblatt A 110 „Hydraulische Dimensionierung und Leistungsnachweis von Abwasserleitungen und -kanälen“ sowie Arbeitsblatt A 118 „Hydraulische Bemessung und Nachweis von Entwässerungssystemen“ und der DIN EN 752 werden Häufigkeiten von 1-jährlich für ländliche Gebiete und 2-jährlich für Wohngebiete zur Auslegung von Kanalisationen empfohlen. Die hydrodynamische Kanalnetzberechnung für die Antragsgegnerin sei für ein 2-jährliches Regenereignis mit 45 Minuten Dauer (längste Fließzeit) ausgelegt. Dies bedeute, dass nahezu alle Kanäle in der Situation eines 10-jährlichen Regenereignisses überlastet seien, obwohl die Antragsgegnerin ein leistungsfähiges Kanalsystem vorhalte, das aber nur für 2-jährliche Regenereignisse ausgelegt sei. Die Antragstellerin könne keinen Rechtsanspruch herleiten, wie breit der S. sein müsse. Das gemeindliche Regenüberlaufbecken befinde sich unmittelbar am Bach und neben dem Grundstück der Antragstellerin. Eine nahezu tägliche Kontrolle durch den Klärwärter sei gegeben. Nach dem ersten und auch nach dem zweiten Sturzregen habe der Erste Bürgermeister zusammen mit dem Bauhofleiter den Bachlauf begutachtet. Der Bürgermeister habe nach den Regenereignissen Anordnungen getroffen, wie und in welcher Reihenfolge die Schäden zu beheben und zu beseitigen seien. Aufgrund der Verkehrssicherungspflicht habe er Prioritäten gesetzt und angeordnet, dass vorrangig alle Schäden an den tiefausgewaschenen Straßenbanketten und den weggeschwemmten Flurwegen behoben werden sollten, erst dann werde das leicht lädierte Bachbett am S. wieder saniert. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass durch die extremen Niederschläge das Bachbett und die anliegenden Feuchtwiesen völlig durchnässt seien. Eine Sanierung könne erst stattfinden, wenn die Wiesen abgetrocknet seien. Die Auswaschungen des Bachbetts lägen auch nicht auf Privatgrund. Die von der Antragstellerin angesprochene Überfahrt sei von der Familie der Antragstellerin vor vielen Jahren errichtet und von der Gemeinde seit jeher geduldet worden. Sie sei weder gewidmet noch dinglich gesichert und werde von der Gemeinde auch nicht wiederhergestellt oder saniert.
Hierauf erwiderte die Antragstellerin mit Schreiben vom 3. August 2021, dass ein Mitarbeiter des Bauhofes am gleichen Tag das verstopfte Rohr am S. ausgeräumt habe. Es sei allerdings zu erwarten, dass das kleine Rohr beim nächsten Starkregen erneut verstopft werde. Auch das Umfeld des Bachlaufs sei durch die ständigen Überschwemmungen sumpfig geworden. Dies alles müsse schleunigst behoben werden, immerhin wolle sie die Grundstücke heuer nochmal bearbeiten. Die Breite des Bachlaufs sei den akuten Umständen nicht mehr gewachsen, es mangele auch an der fehlenden Aufsicht und gegebenenfalls Wartung. Immerhin werde der Bach bei jedem weiteren Starkregen noch weiter ausgeschwemmt. Die Gemeinde müsse sich schnellstens mit diesem tiefsten Punkt im Ort befassen und Maßnahmen einleiten um weitere Schäden zu verhindern. Sollte die Gemeinde eine Verbreiterung des Bachlaufs ins Auge fassen, würden auch die beiden Überfahrten zu erneuern und sicher und dauerhaft befahrbar zu machen sein.
Dem setzte die Antragsgegnerin mit am 16. August 2021 beim Verwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz entgegen, dass die nicht genehmigte Bachüberquerung der Antragstellerin Überschwemmungen verursache, indem der Bachlauf durch künstliche Bauwerke gestört werde. Der Übergang werde – wie bereits dargelegt – von der Gemeinde nur geduldet. Gegebenenfalls werde die Antragsgegnerin die Bachüberquerung auf Kosten der Antragstellerin entfernen.
Die Antragstellerin verwies hierzu mit Schreiben vom 21. August 2021 nochmals auf die von ihr angefertigten Lichtbilder, die zeigten, wann die Gemeinde endlich tätig geworden sei. Hätte die Gemeinde unverzüglich gehandelt, hätte es der Klage nicht bedurft. Am 3. August 2021 sei das Rohr von einem Herrn der Gemeinde mit einer Handschaufel freigelegt worden. Dieser habe angegeben, dass die Flur um die Wendung am S. so aufgeweicht sei, dass man mit einem Bagger nicht hinfahren könne und dass der gesamte Bachlauf gerichtet werden müsse. Es sei zu berücksichtigen, dass das gemeindliche Rohr, das den Stau verursache, das erste am S. sei, welches das Wasser passieren müsse, nicht etwa die besagte Überfahrt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze im Eilverfahren sowie im Klageverfahren verwiesen.
II.
1. Das Begehren der Antragstellerin ist dahingehend auszulegen (§ 88 VwGO), dass die Antragsgegnerin verpflichtet werden soll, am S. (vorläufige) Unterhaltungs- bzw. Sanierungsarbeiten vorzunehmen, die verhindern, dass ihr Grundstück vernässt (bleibt) bzw. beim nächsten Starkregenereignis überschwemmt wird.
a) Mit ihrem Antrag begehrt die Antragstellerin, zunächst sofortige provisorische Sanierungen sowie Sicherungsmaßnahmen am Bach zu ergreifen; solche sollen vor allem an den Überwegen vorgenommen werden, damit beide wieder sicher befahren werden können. Ausweislich der Antragsschrift sollte die Antragsgegnerin zumindest einmal nachsehen oder das eigene Abwasserrohr wieder frei machen.
Für diesen konkreten Antrag fehlt der Antragstellerin (zwischenzeitlich) jedenfalls das nötige Rechtschutzbedürfnis. Denn wie die Antragstellerin mit ihrem Schreiben vom 3. August 2021 selbst einräumt, wurde das „verstopfte Rohr“ am S. am 3. August 2021 vormittags von einem Mitarbeiter des Bauhofes der Antragsgegnerin geräumt.
b) Mit dem genannten Schreiben vom 3. August 2021 macht die Antragstellerin weiter geltend, dass „trotz dieser einfachen Ausräumung“ zu erwarten sei, dass besagtes Rohr beim nächsten Starkregen erneut verstopft werde. Zudem sei das Umfeld des Bachlaufes inzwischen durch die ewigen Überschwemmungen sumpfig geworden. Dies alles müsse schleunigst behoben werden, da sie heuer ihre Grundstücke nochmal bearbeiten wolle. Die Antragsgegnerin müsse sich schnellstmöglich mit dem besonders betroffenen tiefsten Punkt befassen.
Das Begehr der Antragsteller richtet sich damit auf vorläufige Unterhaltungs- bzw. Sanierungsmaßnahmen am S. mit dem Ziel, einen besseren bzw. zügigeren Wasserabfluss bei Regenereignissen zu erreichen.
2. Der so verstandene Antrag ist zulässig, aber unbegründet.
Statthaft ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorliegend ein Antrag nach § 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Antragstellerin begehrt in der Hauptsache im Wege der Leistungsklage, die Beklagte dazu zu verpflichten, Unterhaltungs- bzw. Sanierungsarbeiten am S. vorzunehmen.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahren zu verhindern oder wenn es aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO) voraus, dass die Antragstellerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft machen kann. Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag dann begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es der Antragstellerin schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund).
Im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung kann das Gericht grundsätzlich nur vorläufige Regelungen treffen und einer Antragstellerin nicht schon in vollem Umfange, wenn auch nur unter dem Vorbehalt einer neuen Entscheidung in der Hauptsache, das gewähren, was sie nur in einem Hauptsacheprozess erreichen könnte. Im Hinblick auf die Gewährung effektiven Rechtsschutzes ist eine Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren ausnahmsweise dann zulässig, wenn dies im Interesse des Rechtsschutzes erforderlich ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg im Hauptsacheverfahren spricht (vgl. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123, Rn. 13 f). Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Gemessen hieran liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht vor.
a) Unabhängig davon, dass die begehrte einstweilige Anordnung zu vorläufigen Unterhaltungs- bzw. Sanierungsmaßnahmen am S. möglicherweise auf eine grundsätzlich unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache abzielt, hat die Antragstellerin jedenfalls einen Anordnungsanspruch auf derartige Maßnahmen durch den Antragsgegner nicht glaubhaft gemacht.
aa) Die sich aus § 40 Abs. 1 Satz 1 WHG i.V.m. Art. 22 Abs. 1 Nr. 3 BayWG ergebende Gewässerunterhaltungspflicht der Antragsgegnerin trägt den geltend gemachten Anspruch nicht, weil die von der Antragstellerin begehrten Sanierungsmaßnahmen über den Umfang bloßer Gewässerunterhaltung hinausgehen dürften. So gibt die Antragstellerin an, dass die Breite des Bachlaufs den akuten Umständen – insbesondere den immer häufiger werdenden Starkregenereignissen – nicht mehr gewachsen sei. Eine Veränderung des Bachlaufs stellt aber keine Unterhaltungsmaßnahme, sondern vielmehr einen (gestattungspflichten) Gewässerausbau dar, der einem entsprechenden Gestattungsverfahren unterliegt. Die Gewässerausbaupflicht als solche ist zudem (nur) gegenüber der Allgemeinheit zu erfüllen und begründet keine Rechtsansprüche gegenüber der – nach Ansicht der Antragstellerin – ausbaupflichtigen Gemeinde (vgl. BayVGH, B.v. 26.6.2007 – 22 ZB 07.214 – juris; vgl. VG Aachen, B.v. 27.9.2011 – 7 L 326//11 – juris).
Selbst wenn es tatsächlich um bloße Unterhaltungsmaßnahmen gehen würde, kann ein Dritter oder geschädigter Anlieger nicht unmittelbar aus der Gewässerunterhaltungspflicht einen Anspruch auf ein Tätigwerden des Unterhaltungspflichtigen herleiten. Die Wahrnehmung der Unterhaltungspflicht geschieht nicht in Erfüllung der einem Dritten oder Anlieger obliegenden Rechtspflicht; sie verleiht dem einzelnen Anlieger daher kein subjektiv-öffentliches Recht auf Durchführung von Unterhaltungsarbeiten (VG Aachen, B.v. 27.9.2011 – 7 L 326//11 – juris).
bb) Vorliegend konnte nach der im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung allein möglichen summarischen Prüfung auch kein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch bzw. öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch glaubhaft gemacht werden.
Begehrt der Betroffene, einen hoheitlichen Eingriff in seinen individuellen Rechtskreis abzuwehren, ohne dass ihm hierfür eine spezialgesetzliche Anspruchsgrundlage zur Verfügung steht, kann er insbesondere auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Abwehr- und Unterlassungsanspruch zurückgreifen. Der Anspruch kann sich dabei gegen gegenwärtige wie auch bevorstehende hoheitliche Eingriffe richten. Unabhängig von der dogmatischen Herleitung eines solchen Anspruchs aus dem verfassungsrechtlich geschützten Eigentumsrecht des Art. 14 Abs. 1 GG und / oder § 1004 BGB in entsprechender Anwendung, erfordert dieser insbesondere, dass durch öffentlich-rechtliches Handeln in ein subjektives öffentliches Recht des Betroffenen eingegriffen wird und dieser Eingriff rechtswidrig ist.
Wie bereits ausgeführt, begehrt die Antragstellerin vorläufige Unterhaltungs- bzw. Sanierungsmaßnahmen am S., den die Antragsgegnerin als Teil ihrer Entwässerungseinrichtung nutzt, mit dem Ziel, einen besseren bzw. zügigeren Wasserabfluss bei Regenereignissen zu erreichen, um Überschwemmungen bzw. Vernässungen von Grundstücken der Antragstellerin zu vermeiden.
Allerdings kann bei summarischer Prüfung vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass der Betrieb der Entwässerungseinrichtung, also die Nutzung des Baches zu diesem Zweck, zu einem rechtswidrigen Eingriff auf dem Grundstück der Antragstellerin führt. Nach – unwidersprochenen – Angaben der Antragsgegnerin ist ihre Entwässerungsanlage laut der hydrodynamischen Kanalnetzberechnung für ein 2-jährliches Regenereignis mit 45 Minuten Dauer (längste Fließzeit) ausgelegt. Dies entspreche den technischen Vorgaben, wonach gemäß DWA-Regelwerk Arbeitsblatt A 110 „Hydraulische Dimensionierung und Leistungsnachweis von Abwasserleitungen und -kanälen“ sowie Arbeitsblatt A 118 „Hydraulische Bemessung und Nachweis von Entwässerungssystemen“ und der DIN EN 752 Häufigkeiten von 1-jährlich für ländliche Gebiete und 2-jährlich für Wohngebiete zur Auslegung von Kanalisationen empfohlen werden. Augenscheinlich ist der Bereich, in dem die Grundstücke der Antragstellerin gelegen sind, ländlich geprägt, so dass wohl bereits die Auslegung für ein 1-jährliches Regenereignis ausgereicht hätte. Mit einer Auslegung für ein 2-jährliches Regenereignis ist aber jedenfalls nicht von einem rechtswidrigen Eingriff in geschützte Positionen der Antragstellerin auszugehen. Denn für einen rechtswidrigen Eingriff reicht es nicht aus, wenn eine Beeinträchtigung der betroffenen Grundstücke nur bei einem ganz ungewöhnlichen und seltenen Starkregen zu erwarten ist (vgl. BGH, U.v. 9.5.2019 – III ZR 388/17 – juris). Es fehlt dann an einem hinreichenden Zurechnungszusammenhang zwischen dem Eingriff und dem zu beseitigenden Zustand. Nach Angaben der Antragsgegnerin handelte es sich bei den Starkregenereignissen im Juni 2021 um 10-jährliche Starkregenereignisse. Hinzu kommt, dass der Sommer 2021 nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes der regenreichste Sommer seit zehn Jahren war. Es fiel fast ein Drittel mehr Niederschlag, als mit Blick auf die Vergleichsjahre von 1961 bis 1990 zu erwarten gewesen wäre (vgl. Wetter und Klima – Deutscher Wetterdienst – Presse – Deutschlandwetter im Sommer 2021 (dwd.de), abgerufen am 14.9.2021). Das Gericht verkennt insoweit nicht, dass die Grundstücke der Antragstellerin – wie anhand der vorgelegten Fotos anschaulich dokumentiert – zum Zeitpunkt der Aufnahme dieser Fotos erheblich vernässt waren. Es spricht nach dem Gesagten aber schon einiges dafür, dass die Grundstücke der Antragstellerin bereits vor den Starkregenereignissen im Juni 2021 stärker als in den vergangenen Jahren vernässt waren. Dass dieser Zustand sich durch die Starkregenfälle entsprechend verschlimmert hat, hat seine Ursache aber offensichtlich nicht in einer den notwendigen technischen Anforderungen nicht entsprechenden Entwässerungseinrichtung der Antragsgegnerin, sondern ist eine Folge der diesjährigen Wetterverhältnisse einerseits und der jeweils als außergewöhnliches Ereignis einzustufenden Starkregenereignisse im Juni des Jahres andererseits. Insofern ergeben sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das von der Antragstellerin monierte Rohr im Bach – als Teil der Entwässerungsanlage – zu klein dimensioniert ist und deshalb wieder entfernt werden müsste.
Zum hier maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung konnte die Antragstellerin damit einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen.
b) Darüber hinaus fehlt es aber auch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes.
Soweit – wie hier – eine vorläufige Regelung begehrt wird, ist ein Anordnungsgrund nur dann glaubhaft gemacht, wenn die Regelung eines vorläufigen Zustandes notwendig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint, weshalb eine Entscheidung im regulären Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden kann. Ein Regelungsgrund ist dann gegeben, wenn bei der Abwägung die Interessen der Antragstellerin an der Regelung eines vorläufigen Zustandes die Belange der Antragsgegnerin an der einstweiligen Beibehaltung des bisherigen Zustandes überwiegen. Insofern ist zu berücksichtigten, dass es sich bei den Starkregenereignissen im Juni 2021 nach – unwidersprochenen – Angaben der Antragsgegnerin um 10-jährliche Ereignisse gehandelt hat, mit einer Wiederkehr vergleichbarer Ereignisse mithin erst in durchschnittlich 10 Jahren wieder gerechnet werden kann. Es ist deshalb nicht ersichtlich, weshalb es aus Sicht der Antragstellerin zwingend nötig erscheinen würde, schon vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren eine vorläufige Regelung zu treffen, zumal nicht bebaute Grundstücke der Antragstellerin im Außenbereich betroffen sind.
3. Mangels hinreichender Erfolgsaussichten hat die Antragstellerin daher auch keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe (vgl. § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO), ohne dass es noch auf darauf ankäme, ob die Antragstellerin aufgrund ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auch außerstande ist, die zu erwartenden Kosten des Prozesses ganz, zum Teil oder in Raten zu bestreiten.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. dem Streitwertkatalog der Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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